Qualität des politischen Nachrichtenangebots in Deutschland: empirische Kernbefunde aus dem Projekt "Media Performance and Democracy"

 
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 Year: 2021

  Qualität des politischen Nachrichtenangebots in Deutschland: empirische
   Kernbefunde aus dem Projekt ”Media Performance and Democracy”

  Stark, Birgit ; Riedl, Andreas ; Eisenegger, Mark ; Schneider, Jörg ; Udris, Linards ; Jandura, Olaf

Abstract: Die Studie „Media Performance and Democracy“ liefert mit einem mehrteiligen Qualitäts-
begriff wichtige Einblicke in den Ist-Zustand der reichweitenstärksten Nachrichtenangebote in Deutsch-
land. Analysiert wurden die Relevanz der politischen Berichterstattung, ihre Vielfalt sowie deren Einord-
nungsleistung und Professionalität. Das in Anlehnung an die Praxis in der Schweiz gebildete Qualitätss-
coring quantifiziert und bündelt die gemessenen Qualitätsdimensionen. Insgesamt steht in Deutschland
ein hochwertiges Qualitätsangebot zur Verfügung, das durch eine vielfältige Medienlandschaft garantiert
wird. Die untersuchten Angebote berichten vielfältig über gesellschaftlich relevante Themen. Besonders
hinsichtlich der Themen- und Akteursvielfalt kann den deutschen Medien ein gutes Zeugnis ausgestellt
werden. Was sich jedoch abzeichnet, ist ein Berichterstattungsschwerpunkt auf die Exekutive bzw. auf
politische Eliten – sowohl was die Themen- als auch die Akteursauswahl anbelangt. Insbesondere bei der
Einordnungsleistung und Professionalität positionieren sich die einzelnen Medienangebote abweichend.
Wenig überraschend kommt die einordnende Hintergrundberichterstattung in der Wochen- und Qualität-
spresse stärker zum Tragen als in anderen Medientypen. In den Nachrichtenangeboten des Rundfunks
dominiert die Weitergabe von Informationen und Nachrichten. Die „Tagesschau“- Angebote zeichnen
sich durch hohe professionelle Standards aus, denn sie berichten sachlich, können auf ein gut ausge-
bautes Korrespondentenund Recherchenetzwerk zurückgreifen und punkten somit bei der journalistischen
Eigenleistung. Zusätzliche Pluspunkte sammeln die Angebote des öffentlich- rechtlichen Rundfunks im
Onlinebereich, weil sie hier thematisch vielfältiger berichten. In der Boulevardpresse zeigen sich nicht
nur große Defizite in der Quellentransparenz, sondern auch bei weiteren professionellen Standards und
der journalistischen Einordnungsleistung. Hier positionieren sich auch Online- und Facebook-Angebote
auf den hinteren Plätzen. Bewertet man die Ergebnisse aus der Nutzungsperspektive, wird deutlich, wie
wesentlich ein breites Medienrepertoire ist. Denn begrenzen sich Nutzerinnen und Nutzer auf bestimmte
Nachrichtenquellen, erreicht sie möglicherweise ein eingeschränktes Angebot, das sie nicht mit qualitativ
hochwertigen News versorgt.

Posted at the Zurich Open Repository and Archive, University of Zurich
ZORA URL: https://doi.org/10.5167/uzh-207954
Journal Article
Published Version

Originally published at:
Stark, Birgit; Riedl, Andreas; Eisenegger, Mark; Schneider, Jörg; Udris, Linards; Jandura, Olaf (2021).
Qualität des politischen Nachrichtenangebots in Deutschland: empirische Kernbefunde aus dem Projekt
”Media Performance and Democracy”. Media Perspektiven, (9):430-449.
Media
                430       Perspektiven
                          9/2021

                          Empirische Kernbefunde aus dem ländervergleichenden Projekt
                          „Media Performance and Democracy“
                          Qualität des politischen Nachrichtenangebots
                          in Deutschland
                          Von Birgit Stark*, Andreas Riedl*, Mark Eisenegger**, Jörg Schneider**, Linards Udris**
                          und Olaf Jandura***

       Medienqualität     Die Sicherstellung einer hohen Qualität von Nach-       zesse einzuordnen. Denn Medien leisten einen un-
       unter digitalen    richtenmedien gehört zu den drängendsten und he-        verzichtbaren Beitrag zum Funktionieren der Demo-
        Bedingungen       rausforderndsten Aufgaben, denen sich die Medien-       kratie: Ein qualitativ hochwertiges publizistisches
                          branche aktuell zu stellen hat. (1) Denn die durch      Angebot ist Grundvoraussetzung für den freien in-
                          den digitalen Strukturwandel ausgelösten Verände-       dividuellen und öffentlichen Meinungsbildungspro-
                          rungen der Medienlandschaft haben das Potenzial,        zess. (8)
                          Medienqualität nachhaltig zu gefährden. Den tradi-
                          tionellen Medien erwächst massive Konkurrenz im
                                                                                   Kurz und knapp
                          Kampf um Publikumsaufmerksamkeit und Werbe-
                          gelder. Dadurch schwinden die ökonomischen Res-          • Die Studie untersucht die Qualität der reichweitenstärksten
                          sourcen für klassischen, hochwertigen Journalismus,        Nachrichtenangebote in Deutschland.
                          für den Nutzerinnen und Nutzer aufgrund der „Gra-        • Analysiert werden Relevanz, Vielfalt, Einordnungsleistung und
                          tismentalität“ im Netz zudem kaum zu zahlen bereit         Professionalität der politischen Berichterstattung.
                          sind. Der durch das Internet steigende Aktualitäts-      • In Deutschland steht insgesamt ein hochwertiges Qualitätsangebot
                          druck beschneidet zusehends die Zeit für sorgfälti-        in einer vielfältigen Medienlandschaft zur Verfügung.
                          ge, umfassende Recherchen – obwohl die Orientie-         • Die Angebote der „Tagesschau“ zeichnen sich durch hohe
                          rungsleistung des Journalismus angesichts der In-          Professionalität aus.
                          formationsflut und der immer zahlreicheren nicht-        • Die Wochen- und Qualitätspresse punktet durch ihre einordende
                          publizistischen Angebote wichtiger denn je wird. (2)       Hintergrundberichterstattung.
                                                                                   • Die Boulevardpresse zeigt Defizite bei der Quellentransparenz, bei
                Neue      Zudem entsteht im Zuge der Verlagerung von Pub-
                                                                                     professionellen Standards und journalistischer Einordnung.
   Aufmerksamkeits-       lika zu Social-Media-Plattformen eine neue Auf-
     ökonomie durch       merksamkeitsökonomie. (3) Soziale Medien messen
        Social Media      Aufmerksamkeit algorithmenbasiert in Echtzeit an        Obwohl die wissenschaftliche Auseinandersetzung          Kein kontinuierliches
                          der Häufigkeit von Interaktionen und bevorzugen         mit Qualitätsmaßstäben und Messmethoden eine             Qualitätsmonitoring
                          emotionale Themen, die hohe Reichweiten schaffen.       lange Tradition hat, fehlt in Deutschland ein kontinu-   in Deutschland
                          Als „reaktionsschnelle Emotionsmedien“ (4) prägen       ierliches Qualitätsmonitoring, wie es beispielsweise
                          Social-Media-Angebote demzufolge ganz eigene            in der Schweiz seit mehr als zehn Jahren durchge-
                          Kommunikationslogiken und verändern traditionelle       führt wird (9) und Standards für Qualitätsmessungen
                          Qualitätsstandards. Medienorganisationen wird des-      liefert. Empirische Daten für den deutschsprachigen
                          halb eine zunehmende Publikumsorientierung auf          Raum bietet vor allem die kontinuierliche Pro-
                          Kosten substanzieller Hintergrundberichterstattung      grammforschung, welche die Nachrichtenqualität
                          attestiert. (5)                                         der Öffentlich-Rechtlichen vor dem Hintergrund des
                                                                                  dualen Systems bewertet. (10)
Qualitätsjournalismus     Insgesamt wird befürchtet, dass sich der Wettbe-
     ist Grundvoraus-     werb um Publikumsaufmerksamkeit und Werbeein-           Generell wird Qualität als relationales Konzept be-      Qualität ist relational
      setzung für freie   nahmen im Netz negativ auf die Qualität von Nach-       griffen. Denn was als qualitätsvoll eingeordnet wird,    – es gibt keine
    Meinungsbildung       richten auswirkt (6), nicht zuletzt durch angepasste    ist das Ergebnis eines Bewertungsprozesses, diver-       allgemeingültigen
                          Relevanzzuweisungen, die online zu einer Umge-          giert also nach dem Standpunkt der Betrachtung,          Kriterien
                          wichtung klassischer Nachrichtenfaktoren führen.        nach dem Objekt und dem Kontext der Qualitätsein-
                          (7) Vor diesem Hintergrund braucht es valide und        schätzung. Beispielsweise gibt es im Journalismus,
                          vergleichbare Analysen, um den Status quo der Qua-      der Programmplanung, innerhalb des Publikums so-
                          lität des politischen Nachrichtenangebots in Deutsch-   wie der Wissenschaft mitunter unterschiedliche An-
                          land zu erheben und die Bedeutung des Qualitäts-        sichten darüber, welche Medien(inhalte) qualitativ
                          journalismus für funktionierende demokratische Pro-     hochwertig sind. (11) Zudem unterscheiden sich die
                                                                                  Kriterien in Abhängigkeit vom betrachteten Genre
                            * Johannes Gutenberg-Universität Mainz.               (z. B. Information, Kultur oder Unterhaltung) oder der
                            ** Universität Zürich.                                Mediengattung (z. B. Print oder Rundfunk) und der
                            *** Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.            Zielgruppe des Mediums. (12) Schließlich orientie-
Qualität des politischen Nachrichtenangebots in Deutschland
                                                                                                                                    Media
                                                                                                                              Perspektiven   431
                                                                                                                                   9/2021

                     ren sich die Kriterien an der Übertragung von nor-           lität der Medien“ des fög – Forschungszentrum Öf-
                     mativ-rechtlichen Ansprüchen, die sich allgemein             fentlichkeit und Gesellschaft der Universität Zürich)
                     aus öffentlichkeitstheoretischen Ansätzen auf Medi-          entwickelt das Forscherteam eine mehrdimensiona-
                     eninhalte oder auch spezifisch beispielsweise aus            le, theoretisch fundierte Messung demokratischer
                     dem Funktionsauftrag für öffentlich-rechtliche An-           Medienqualität und validiert diese im Rahmen einer
                     bieter herleiten lassen. Diese normative Sichtweise          breit angelegten manuellen Inhaltsanalyse (Print,
                     bewertet Qualität insbesondere im Hinblick darauf,           Fernsehen, Radio, Online, Facebook), die hier im Fo-
                     wie gut oder schlecht Journalismus gemessen an               kus steht.
                     theoretisch definierten Idealen seine demokratiepo-
                     litische Funktion erfüllt.                                   Das Gesamtprojekt beurteilt Medienperformanz in
                                                                                  einem integrativen Ansatz, da für jeden Qualitäts-
                     Weil Qualität also relational ist und es keine fest-         standard ein Abgleich der inhaltsanalytischen Er-
                     stehende Begriffsdefinition oder allgemeingültige            gebnisse mit externen Vergleichsmaßstäben durch-
                     Kriterien geben kann, müssen sich Qualitätsanaly-            geführt wird. Benchmark der Relevanz der Bericht-
                     sen von Medienprodukten zwangsläufig für eine                erstattung sind die Agenden der politischen Parteien
                     Perspektive auf Qualität entscheiden. Je nachdem,            sowie die Aktivitäten zivilgesellschaftlicher Akteurs-
                     welche Benchmarks zugrunde liegen, kommen sehr               gruppen. Die mediale Deutung politischer Themen
                     unterschiedliche Kriterienkataloge zum Einsatz. Der          wurde entlang politischer Wertorientierungen (soge-
                     normativ-demokratietheoretische Zugang hat sich              nannter „value frames“) – auch in einem Teilprojekt
                     vor allem im angelsächsischen Raum (13) entwi-               zum Thema Migration – erfasst. (20) Um zu klären,
                     ckelt, wurde aber bald in die deutschsprachige For-          welche Bevölkerungssegmente faktisch mit welchen
                     schung übernommen. Heribert Schatz und Winfried              inhaltlichen Qualitätsstandards konfrontiert werden,
                     Schulz definierten bereits 1992 richtungsweisende            wird die relationale Betrachtung um eine weitere
                     Kriterien für Qualität (14): Sie formulierten Vielfalt,      Komponente, nämlich die Nutzungsperspektive er-
                     Relevanz, Professionalität, Akzeptanz und Rechtmä-           gänzt.
                     ßigkeit als normative Qualitätsdimensionen im öf-
                     fentlich-rechtlichen Rundfunk. Im Anschluss an die-          Herzstück des Projekts ist eine großangelegte ma-          Quantitative
                     se Pionierarbeiten folgte im Laufe der Jahrzehnte            nuelle quantitative Inhaltsanalyse politischer Be-         Inhaltsanalyse
                     eine Vielzahl von Qualitätsmessungen mit unter-              richterstattung mit nationalem Bezug. (21) Anhand          politischer
                     schiedlichen Kriterienkatalogen. (15) Mehrheitlich           unterschiedlicher Dimensionen wird die Qualität der        Berichterstattung
                     wird in den Studien Vielfalt als zentrale Qualitätsdi-       Berichterstattung in einem breit angelegten Medien-
                     mension bzw. als Metanorm definiert und ist dem-             sample mit für die Meinungsbildung relevanten Me-
                     entsprechend auch die am intensivsten erforschte             dienangeboten gemessen. Das Qualitätskonzept ori-
                     Dimension. (16) Darüber hinaus führen vor allem              entiert sich an grundlegenden Qualitätsansprüchen,
                     strukturelle Veränderungen im Mediensystem häufig            die auch in unterschiedlichen Demokratiemodellen
                     zu einer Intensivierung gesellschaftlicher Qualitäts-        mit drei zentralen Fragen verankert sind. (22) Das
                     debatten, da sie den kommerziellen Druck auf Me-             „Was?“ der Medienqualität bezieht sich auf die Fra-
                     dienunternehmen verschärfen. Gleichzeitig können             ge, welche Themen in der Berichterstattung aufge-
                     sich dadurch nicht nur etablierte Qualitätsstandards         griffen werden sollten. Die Frage nach dem „Wer?“
                     und die Begründung für den Kanon gemessener Kri-             legt fest, welche Akteure aus normativer Perspektive
                     terien, sondern auch Analyseperspektiven verän-              im öffentlichen Diskurs gehört werden sollten. Au-
                     dern, so wie sich derzeit der Fokus von der ange-            ßerdem bezieht sich das „Wie?“ auf die Frage, wel-
                     bots- auf die nutzungszentrierte Qualitätsmessung            cher Kommunikationsstil in demokratietheoretischer
                     verlagert (17) – auch unter Einbezug nicht-journalis-        Hinsicht erwünscht bzw. zulässig ist.
                     tischer Quellen. (18)
                                                                                  In der vorliegenden Analyse konzentrieren wir uns
                     D-A-CH-Projekt „Media Performance and                        auf die deutschen Daten der Inhaltsanalyse, um den
                     Democracy“                                                   Grundstein für ein zeit- und ländervergleichendes
Empirischer Ansatz   Das ländervergleichende Projekt „Media Perfor-               Qualitätsmonitoring auch in Deutschland zu legen.
 zur Messung von     mance and Democracy“, das eine Forschergruppe                Sie werden abschließend ausgewählten Schweizer
   Medienqualität    seit 2018 an verschiedenen Universitäten und For-            Daten gegenübergestellt. (23) Um dabei die Ver-
                     schungseinrichtungen in Deutschland, Österreich und          gleichbarkeit mit dem validierten Messmodell in der
                     der Schweiz (19) durchführt, arbeitet mit einem neu          Schweiz zu gewährleisten, lehnt sich der vorliegen-
                     entwickelten empirischen Ansatz zur Messung von              de Beitrag bestmöglich an das Schweizer Messmo-
                     Medienqualität. Gefördert durch die Deutsche For-            dell an und integriert auch das dort etablierte Quali-
                     schungsgemeinschaft (DFG) und ihren Partnerorga-             tätsscoring. Dieses Scoring ordnet jedem Beitrag
                     nisationen in Österreich und der Schweiz und inspi-          einen bestimmten Wert für die gemessenen Quali-
                     riert durch das seit Jahren etablierte kontinuierliche       tätsindikatoren zu und repräsentiert damit ein Spek-
                     Qualitätsmonitoring in der Schweiz („Jahrbuch Qua-           trum von minimaler bis maximaler Qualität (in Form
Birgit Stark/Andreas Riedl/Mark Eisenegger/Jörg Schneider/Linards Udris/Olaf Jandura
                   Media
          432      Perspektiven
                   9/2021

                   Abbildung 1
                   Konzeptualisierung der Qualitätsmessung

                                                               Qualität des politischen
                                                                Nachrichtenangebots

                           Vielfalt                    Relevanz                Einordnungsleistung             Professionalität

                           Thematische Vielfalt             Sozialebene               Themenorientierung               Sachlichkeit

                              Akteursvielfalt                                        Interpretationsleistung       Quellentransparenz

                                                                                                                      Eigenleistung

                   Quelle: Eigene Darstellung basierend auf fög (Anm. 9) und Bachmann/Eisenegger/Ingenhoff (Anm. 24).

                   eines Punktesystems). Die zugrundeliegenden Be-              Die Qualitätsdimension Vielfalt wird über zwei ver-        Qualitätsdimension
                   rechnungsformeln geben das seit Jahren in der                schiedene Indikatoren abgebildet. Über die themati-        Vielfalt
                   Schweiz erprobte und im Austausch mit Wissen-                sche Vielfalt wird geprüft, inwieweit das jeweilige
                   schaft und Praxis validierte Qualitätsverständnis im         Medienangebot einen vollständigen Überblick über
                   Zusammenspiel der Einzeldimensionen wieder. (24)             alle wichtigen, relevanten Ereignisse gibt. Codiert
                                                                                wurde, was das zentrale Thema des Beitrags ist,
   Vier Analyse-   Medienqualität wird anhand von vier zentralen Qua-           worauf der inhaltliche Schwerpunkt liegt. Über das
dimensionen von    litätsstandards untersucht, die sich aus den Kern-           Maß der Akteursvielfalt wurde zudem erfasst, wel-
  Medienqualität   funktionen der Medien ableiten lassen: eine Arena            che Personen und Personengruppen (u.a. politische
                   für den pluralistischen Austausch verschiedener              Akteure, Experten, Akteure aus der Zivilgesellschaft,
                   Positionen bereitzustellen (Forumsfunktion), die po-         Privatpersonen) in der Berichterstattung repräsen-
                   litische Macht, den politisch-rechtlichen Geltungs-          tiert sind. Denn das Vielfaltsprinzip setzt als wichtige
                   bereich und die institutionell verankerten Verfah-           Grundvoraussetzung für den politischen Willensbil-
                   rensprozesse auf Basis von Transparenz und Ratio-            dungsprozess der Bürgerinnen und Bürger unter-
                   nalität zu sichern (Legitimationsfunktion) und dafür         schiedliche politische Themen, Positionen und Pers-
                   zu sorgen, dass Bürgerinnen und Bürger sich selbst           pektiven zu Sachverhalten voraus. Liberale Demo-
                   als Mitglieder der Gesellschaft wahrnehmen können            kratietheorien weisen der Öffentlichkeit hier die
                   (Integrationsfunktion). Wenn die Medien diese Funk-          Aufgabe zu, als „Marktplatz der Ideen“ zu fungieren.
                   tionen nicht mehr hinreichend erfüllen, kann das die         Medien sollen thematisch vielfältig und ausgegli-
                   Demokratie und damit die gesamte Gesellschaft in             chen berichten und sich nicht auf einen oder wenige
                   ihrem Bestand gefährden. (25)                                Themenbereiche oder bestimmte Personen oder
                                                                                Personengruppen konzentrieren.
                   Analysiert werden die vier Qualitätsdimensionen
                   Vielfalt, Relevanz, Einordnungsleistung und Profes-          Die Qualitätsdimension Relevanz wird über den Fo-          Qualitätsdimension
                   sionalität (vgl. Abbildung 1). Alle vier Kriterien tragen    kus auf gesellschaftlich relevante Themen erhoben.         Relevanz
                   zur Gesamtqualität eines Angebots bei. Sie beziehen          Sie wird über die drei Sozialebenen – Makroebene
                   sich nicht nur auf die publizistischen Leistungen in         (Gesellschaft), Mesoebene (Organisationen/Instituti-
                   den öffentlichkeitstheoretisch begründeten Dimen-            onen) und Mikroebene (Personen) – gemessen. Eine
                   sionen, sondern integrieren auch allgemeine profes-          Thematisierung auf der Makroebene bedeutet, dass
                   sionelle journalistische Regeln, wie sie für Leitbilder      ein Beitrag den Fokus schwerpunktmäßig auf Hand-
                   und Verhaltenskodizes in der journalistischen Praxis         lungen und Begebenheiten legt, die die Gesamtge-
                   bedeutsam sind.                                              sellschaft (z. B. „die Bevölkerung“) oder ihre Teilsys-
Qualität des politischen Nachrichtenangebots in Deutschland
                                                                                                                                     Media
                                                                                                                               Perspektiven   433
                                                                                                                                    9/2021

                      teme oder Institutionen (z. B. „die Wirtschaft“ oder         entsprechend anerkannter journalistischer Arbeits-
                      „die Ehe für alle“) betreffen. Bei einem hauptsächli-        regeln und Normen, das heißt die Art und Weise der
                      chen Fokus auf der Mesoebene liegt der Fokus auf             Darstellung relevanter Themen (Professionalität). In
                      Handlungen und Begebenheiten, die eine einzelne              der Literatur gibt es keinen Konsens über die rele-
                      oder mehrere Organisationen (z. B. Partei oder Un-           vanten Kriterien (28), im Vordergrund stehen aber
                      ternehmen) betreffen. Ein Mikrofokus ist gegeben,            meist das Gebot der Aktualität sowie Forderungen
                      wenn einzelne Personen im Zentrum des Beitrags               nach Sachgerechtigkeit und Unparteilichkeit der Dar-
                      stehen und deren Wirken hauptsächlich auf der Indi-          stellung. (29) In der vorliegenden Analyse wurden
                      vidualebene thematisiert wird. Damit wertet diese            die Kriterien Sachlichkeit, Quellentransparenz und
                      Qualitätsdimension das Geschehen auf gesamtge-               Eigenleistung herangezogen. Dabei untersucht Sach-
                      sellschaftlicher Ebene höher als Themen, die einzel-         lichkeit die Ausprägung der sprachlichen Darstel-
                      nen Individuen zuzuordnen sind. Auf der Mikroebene           lung, das heißt sie erfasst den dominierenden Argu-
                      können Personen darüber hinaus rollennah, also in            mentationsstil in einem Artikel. Einer emotionalen
                      ihrer politischen oder gesellschaftlichen Funktions-         Darstellung, die durch gefühlsbetonte Begriffe, Me-
                      rolle (z. B. „Krisenmanagerin Merkel“), rollenfern,          taphern, Superlative und Übertreibungen charakteri-
                      also in ihrer privaten Lebenswelt (z. B. „Liebes-Aus“        siert ist, steht eine sachliche, rationale Argumenta-
                      bei einem Politiker) oder anonym, in Form von nicht          tion gegenüber, die sich durch eine vergleichsweise
                      identifizierbaren Einzelnen (z. B. „die Täterin“), dar-      nüchterne Darbietung auszeichnet. Der moralisch-
                      gestellt werden. Rollenferne Thematisierungen be-            emotionale Argumentationsstil wird im gängigen
                      sitzen aus normativer Sicht die geringste Qualität.          Qualitätsverständnis als niedrig qualitativ eingeord-
                                                                                   net, da er den rationalen Diskurs und die Verständi-
 Qualitätsdimension   Die Qualitätsdimension Einordnungsleistung adres-            gung einschränken kann. Wichtig ist zudem im In-
Einordnungsleistung   siert die Frage, wie stark die Berichterstattung Er-         ternetzeitalter die Quellentransparenz, das heißt das
                      eignisse kontextualisiert und so über bloße Ereignis-        Kenntlichmachen der Herkunft einer Nachricht.
                      meldungen hinausgeht. Der erste Indikator, die The-
                      menorientierung, formuliert den Qualitätsanspruch            Darüber hinaus zieht die vorliegende Konzeptuali-
                      an Medien, dass zu relevanten Ereignissen auch               sierung von Medienqualität die Eigenleistung heran.
                      Hintergrundinformationen geliefert werden sollten.           Eigene redaktionelle Leistungen werden dabei höher
                      Es gilt Zusammenhänge aufzudecken und aktuelles              eingestuft als die bloße Übernahme von Agentur-
                      Geschehen in längerfristige Entwicklungen einzu-             meldungen. Implizit wird davon ausgegangen, dass
                      ordnen. Diese kontextualisierende Berichterstattung          sich einerseits innerhalb von Redaktionen über die
                      ist – gerade im Zeitalter einer rasanten Beschleuni-         Zeit thematische Expertise aufbaut und andererseits
                      gung des Nachrichtengeschäfts – für das Publikum             eine zu starke Orientierung an Agenturen die Diver-
                      zentral, denn ihr wird auch ein positiver, diskursför-       sität von Perspektiven einschränkt. Außerdem wird
                      dernder Effekt zugesprochen. Die analytische Quali-          angenommen, dass Redaktionen Agenturmeldun-
                      tätsmessung in der vorliegenden Studie orientiert            gen oft unverändert und ungeprüft übernehmen und
                      sich am Framing-Konzept und hat vier zentrale Ele-           es damit im Rechercheprozess zu Qualitätsmängeln
                      mente eines Frames (Kontext, Bewertung, Nennung              kommen kann.
                      von Gründen und Folgen) (26) erhoben. Damit kann
                      vor allem eine Einschätzung vorgenommen werden,              Mediensample
                      ob ein stärker „thematisches“ (Darstellung von Hin-          Das Untersuchungssample der Politikberichterstat-          Verschiedene
                      tergrundinformationen) oder „episodisches“ Framing           tung in Deutschland umfasst Medien verschiedener           Mediengattungen
                      (Präsentation ausgewählter Einzelereignisse oder             Gattungen, die für die Gesellschaft oder Teile der Ge-     untersucht
                      Einzelfälle – oft auch personifizierte Geschehnisse)         sellschaft relevant sind (vgl. Tabelle 1). Dazu zählen
                      (27) stattfindet. Der zweite Indikator, die Interpreta-      die reichweitenstärksten Rundfunkangebote (öffent-
                      tionsleistung, geht einen Schritt weiter, da er das          lich-rechtlich und privat), Tages- und Wochenzeitun-
                      Potenzial der Vermittlungsleistung und die Einfluss-         gen sowie ausgewählte Onlineableger und Online-
                      nahme auf Meinungsbildungsprozesse über das Bei-             Stand-alone-Angebote (n=6 293 Nachrichtenbeiträ-
                      tragsformat beurteilt. Es wird davon ausgegangen,            ge). Um auch zu überprüfen, inwiefern sich die be-
                      dass interpretative, kontextualisierende Formate wie         schriebene Plattformisierung öffentlicher Kommuni-
                      Reportagen oder Kommentare unterschiedliche Po-              kation auf Medienqualität auswirkt, wurden mit aus-
                      sitionen und kontroverse Standpunkte besser ver-             gewählten Facebookseiten auch Social-Media-An-
                      mitteln und damit auch die Qualität von Meinungs-            gebote einbezogen. Dabei wurden die auf Facebook
                      bildungsprozessen verbessern.                                verlinkten Artikel untersucht, wodurch Aussagen
                                                                                   darüber getroffen werden können, welche „Logik“
Qualitätsdimension    Untrennbar mit den bislang vorgestellten Qualitäts-          der Auswahl der dort geposteten Nachrichtenbeiträ-
   Professionalität   dimensionen verbunden ist die Erfassung professio-           ge zugrunde liegt. Analysiert wurden insgesamt acht
                      neller Standards des Journalismus. Gemeint ist da-           Wochen – vier Wochen in den Monaten Mai bis Juli
                      mit die Aufbereitung und Präsentation von Themen             und vier Wochen im September und Oktober 2018 –,
Birgit Stark/Andreas Riedl/Mark Eisenegger/Jörg Schneider/Linards Udris/Olaf Jandura
                      Media
             434      Perspektiven
                      9/2021

                       Tabelle 1
                       Mediensample und Fallzahlen der quantitativen Inhaltsanalyse

                                                                                                      Nachrichten-      Codierte
                       Kategorie                           Medienangebot                              beiträge          Akteure
                       Rundfunk                            Tagesschau                                   193                414
                                                           WDR aktuell – Der Tag                        161                238
                                                           RTL Aktuell                                  183                329
                       Tages- und Wochenzeitungen          Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ)         618              1 252
                                                           Süddeutsche Zeitung (SZ)                     573              1 128
                                                           BILD                                         264                374
                                                           Rheinische Post                              256                428
                                                           taz, die tageszeitung                        282                488
                                                           Die ZEIT                                     117                227
                                                           Der Spiegel                                  149                297
                       Onlinemedien                        tagesschau.de                                486              1 100
                                                           faz.net                                      491                995
                                                           bild.de                                      440                857
                                                           spiegel.de                                   594              1 251
                                                           t-online.de                                  286                600
                       Social Media                        tagesschau@facebook                          254                485
                                                           FAZ@facebook                                 480              1 021
                                                           BILD@facebook                                146                246
                                                           Spiegelonline@facebook                       320                681
                       Gesamt                                                                         6 293             12 411
                       Quelle: Projekt „Media Performance and Democracy“.

                      die anhand der Sitzungstage der Parlamente in den            le Akteure – Personen oder Kollektive, die mit einer
                      drei Ländern ausgewählt wurden. Aus Gründen der              eigenen Einschätzung oder Meinung thematisiert
                      Vergleichbarkeit wurden Sitzungstage und sitzungs-           wurden – in jedem Artikel festgehalten. Die Codie-
                      freie Tage gleichermaßen einbezogen.                         rung wurde von intensiv und kontinuierlich geschul-
                                                                                   ten Codiererinnen und Codierern durchgeführt. Um
Ereignishintergrund   Die Lage war in diesen Wochen von Ereignissen aus            die Intersubjektivität der Codierung sicherzustellen,
                      dem Themenkomplex Migration geprägt, wie bei-                wurden wiederholte Reliabilitätstests durchgeführt,
                      spielsweise dem („vermeintlichen“) „BAMF-Skan-               welche zu zufriedenstellenden Ergebnissen führten
                      dal“ (30), dem „Asylstreit“ zwischen Merkel und See-         (vgl. Tabelle 2). (36) Die folgende Ergebnisdarstel-
                      hofer (31) oder dem EU-Gipfel zum Thema Migration            lung orientiert sich zunächst an der deskriptiven Be-
                      (32). Sie tangierte, wie beispielsweise im „Fall Maa-        schreibung der einzelnen Qualitätsdimensionen und
                      ßen“ rund um den ehemaligen Verfassungsschutz-               fasst dann das Qualitätsscoring für die untersuchten
                      präsidenten (33), auch generelle Fragen nach der             Medientitel zusammen.
                      Verfassung des politischen Gemeinwesens. Auch
                      internationale und außenpolitische Ereignisse präg-          Vielfalt des politischen Nachrichtenangebots
                      ten den Zeitraum wie die Kontroverse um den dama-            Ausgehend von der theoretischen Prämisse, dass eine
                      ligen US-Botschafter Richard Grenell (34) oder der           ausgeglichene Verteilung der Themen wünschens-
                      „Eklat“ um einen Tweet von Donald Trump nach dem             wert ist, (37) zeigt die thematische Vielfalt tatsäch-
                      G7-Gipfel. (35)                                              lich ein relativ ausgewogenes Bild. Die anhand von
                                                                                   rund 30 Politikfeldern gemessenen Themen wurden
                      Im Rahmen der Inhaltsanalyse wurden die vorge-               zu neun Kategorien zusammengefasst. Die Syste-
                      stellten Qualitätsindikatoren für jeden der ausge-           matik umfasst politische Strukturen, Institutionen
                      wählten Artikel erhoben. Codiert wurde auf der Bei-          und Prozesse (sogenannte „Polity“- und „Politics“-
                      trags- und Akteursebene, das heißt für bestimmte             Felder), aber auch inhaltliche politische Themenfel-
                      Variablen war der Nachrichtenbeitrag der Bezugs-             der (sogenannte „Policies“ (38)). Die Befunde zeigen
                      punkt und für andere die Charakteristika der zu Wort         insbesondere, dass die untersuchten Nachrichten-
                      kommenden Akteure. Es wurden ein bis drei zentra-            angebote einen starken Fokus auf Themen der poli-
Qualität des politischen Nachrichtenangebots in Deutschland
                                                                                                                                         Media
                                                                                                                                   Perspektiven       435
                                                                                                                                        9/2021

Tabelle 2
Gesamtbewertung auf Basis des Qualitätsscorings
Dimensionen mit Indikatoren, Variablen, Ausprägungen und Scorepunkten

Qualitätsdimension       Qualitätsindikator          Variable                    Ausprägung                                                   Scorepunkte
Vielfalt                 Thematische Vielfalt        Thema                       Zusammenfassung von 31 Codes zu 9 Kategorien                 Shannon's H (std.) (0-10)
                         Akteursvielfalt             Akteure: Funktion           Zusammenfassung von 146 Codes zu 8 Kategorien                Shannon's H (std.) (0-10)
Relevanz                 Sozialebene                 Sozialebene                 Makroebene                                                   10
                                                                                 Mesoebene                                                        8
                                                                                 Mikroebene rollennah                                             6
                                                                                 Mikroebene anonym                                                3
                                                                                 Mikroebene rollenfern                                            1
Einordnungsleistung      Themenorientierung          Diskursindex (0-8)          Positive Werte der z-Standardisierung                        10
                                                                                 Negative Werte der z-Standardisierung                            2
                         Interpretationsleistung     Stilform                    Reportage, Feature, Porträt                                  10
                                                                                 Kommentar, Kolumne, Glosse, Leitartikel                      10
                                                                                 Interview                                                        9
                                                                                 Nachricht, Bericht                                               8
Professionalität         Sachlichkeit                Sachlichkeit (1-5)          Positive Werte der z-Standardisierung                        10
                                                                                 Negative Werte der z-Standardisierung                            2
                         Quellentransparenz          Urheber*in                  Quelle angegeben                                             10
                                                                                 keine Quelle angegeben                                           1
                         Eigenleistung               Urheber*in                  Korrespondent*innen                                          10
                                                                                 Redaktionsmitglieder                                             9
                                                                                 Redaktion/eigenes Medium, ohne Angabe konkreter
                                                                                 Autor*innen                                                      9
                                                                                 Gastautor*innen                                                  7
                                                                                 Nachrichtenagentur und Journalist*innen / Redaktion              3
                                                                                 Nachrichtenagentur (z. B. dpa)                                   1
Quelle: Adaption von fög (Anm. 9) und Bachmann/Eisenegger/Ingenhoff (Anm. 24).

                         tischen Struktur und Kultur legen, aber auch über             gegen bei Bild@facebook, wo ein Fünftel der ver-
                         politische Akteure (Parteien sowie Politikerinnen und         linkten Artikel das Thema Migration behandeln und
                         Politiker als (Privat-)Personen) intensiv berichten           bei t-online.de, wo sich mehr als ein Viertel der Bei-
                         (vgl. Abbildung 2) – was angesichts des Untersu-              träge mit politischen Strukturen befassen sowie bei
                         chungsschwerpunkts auf politische Berichterstat-              Spiegelonline@facebook, wo die größte Zentrierung
                         tung nicht überrascht. Innerhalb der thematischen             auf politischen Akteuren liegt. Auch die thematische
                         Policy-Felder entfällt die meiste Berichterstattung           Vielfalt der drei untersuchten Angebote der „Tages-
                         auf das Themenfeld der Außen- und internationalen             schau“ (im Ersten und in den Dritten Programmen),
                         Politik sowie auf Migrationspolitik, wie es mit der           tagesschau.de und tagesschau@facebook ist be-
                         skizzierten Ereignislage korrespondiert. Themen aus           grenzt. Dieser Befund dokumentiert jedoch auch,
                         den Bereichen Kultur, Medien, Bildung und Sport               dass die „Tagesschau“ in 15 Minuten täglicher Sen-
                         oder Innere Sicherheit und Justiz werden in dieser            dezeit ein vergleichbar ausgewogenes Themen-
                         Nachrichtenlage dagegen kaum beleuchtet.                      spektrum abdeckt, wie es Tageszeitungen in ihren
                                                                                       vollumfänglichen Gesamtausgaben tun. Insgesamt
  Insgesamt geringe      Im direkten Vergleich der Medienangebote berichtet            unterscheiden sich die untersuchten Medienange-
Vielfaltsunterschiede    die FAZ mit am ausgeglichensten, weil sie sich – ge-          bote hinsichtlich ihrer thematischen Vielfalt wenig
   bei den einzelnen     mäß ihrer Blattlinie – durch einen vergleichsweise            und weisen ähnliche Schwerpunktsetzungen wäh-
   Medienangeboten       hohen Anteil an Wirtschafts- und Finanzthemen ab-             rend des Untersuchungszeitraums auf.
                         hebt, die bei der journalistischen Konkurrenz wenig
                         Berücksichtigung finden. Vergleichsweise ausgewo-             Für die Messung der Akteursvielfalt wurden anhand              Berichterstattung mit
                         gene inhaltliche Themenagenden weisen auch SZ                 einer umfangreichen Liste vordefinierter Codes für             starker Fokussierung
                         und „WDR aktuell – Der Tag“ auf. Eine vergleichs-             die Auswertung acht Kategorien (39) gebildet (vgl.             auf Akteure der
                         weise starke thematische Verengung findet sich da-            Abbildung 3). Zentrale Akteure sind dabei Personen             Exekutive
Birgit Stark/Andreas Riedl/Mark Eisenegger/Jörg Schneider/Linards Udris/Olaf Jandura
                       Media
             436       Perspektiven
                       9/2021

                       Abbildung 2
                       Thematische Vielfalt des politischen Nachrichtenangebots in Deutschland
                       in %

                                  Tagesschau            16                  14          6                 18                 6             11               4                    19              7
                         WDR aktuell - Der Tag              20               9             10             12              9                   12             4              12              12
                                      RTL Aktuell           20                   15              7             14                6                 14                        16                  9
                                             FAZ       13              12         6              14                      18                        12                   8             9          8
                                              SZ        14                  16              7             15                     11                 13                  5             11         7
                                            BILD        16                       22                   6             14                    10                9           3              17            3
                               Rheinische Post               21                   15             6              15                    9             11                  4        10          10
                                              taz             23                      16              5        8         4             13                   6               10              14
                                            ZEIT                  27                             24                  3               13                 10                  10         5    4 4
                                         Spiegel            19                         25                      5              15                    10                  8        2 7             9
                                tagesschau.de               20                   16              5              16                    8            6 2                       19                  8
                                          faz.net        17                      20              5             13                 10                10              4             15             7
                                          bild.de        17                       24                       10                 13               6            6                    16              7
                                       spiegel.de        16                      21                   8              17                       10                6       3         13             7
                                      t-online.de                 28                                 25                       8                9         4          6       2          14            4
                        tagesschau@facebook                   23                      15              7              15                   6         7                            20                  6
                               FAZ@facebook                 20                         24                  4         13                   7             8           4                 15             5
                               BILD@facebook                20                        22                       13                    13            2 4 2                          20                 4
                       Spiegelonline@facebook                21                             29                       6                13                4           6 2               15             4

                                           Politische Struktur und Kultur                                           Politische Akteur*innen
                                           Innere Sicherheit und Recht/Justiz                                       Außenpolitik/ internationale Politik
                                           Wirtschaft/ Finanzen                                                     Sozialpolitik (inkl. Gesundheit, Beschäftigung)
                                           Kultur, Medien, Bildung, Sport                                           Migrationspolitik
                                           Agrar-, Umwelt- und Energiepolitik

                       Basis: n=6 265; Prozentwerte ab 2 % beschriftet.

                       Quelle: Projekt „Media Performance and Democracy“.

                       (z. B. Politiker, Experten oder Betroffene) oder Kollek-                      merksamkeit schenkt. Erneut berichtet die FAZ ver-
                       tive (z. B. Parteien, Gerichte oder zivilgesellschaftli-                      gleichsweise balanciert, wieder durch ein höheres
                       che Organisationen). Insgesamt weisen die unter-                              Maß der Aufmerksamkeit auf Vertreter aus dem Be-
                       suchten Nachrichtenangebote eine starke Fokussie-                             reich Wirtschaft als die anderen Medienangebote.
                       rung auf die Exekutive als ausführende Gewalt in                              Auch das Akteursspektrum der taz zeigt sich relativ
                       einer Demokratie auf – deutlich stärker als dies zum                          vielseitig, wobei die Tageszeitung die niedrigsten
                       Beispiel in der Schweiz der Fall ist –, während Legis-                        Werte hinsichtlich der Exekutive und gleichzeitig das
                       lative und vor allem Judikative als Instanzen der Ge-                         höchste Maß an zivilgesellschaftlichen Stimmen
                       waltenteilung wenig mediales Gehör bekommen.                                  aufweist. Wenig ausgeglichen ist die Bandbreite der
                       Auch politische Akteure aus dem Ausland bzw. trans-                           Bild, wo mit mehr als 50 Prozent der höchste Anteil
                       nationale Akteure finden vergleichsweise starke Be-                           auf die Exekutive entfällt. Auch „RTL Aktuell“ ent-
                       rücksichtigung – diejenigen abseits dieses politi-                            fernt sich weit vom Ideal eines gleichberechtigten
                       schen Zentrums, wie zum Beispiel zivilgesellschaft-                           Spektrums, vor allem durch dessen geringen Stel-
                       liche Organisationen oder Bürgerinnen und Bürger,                             lenwert von Zivilgesellschaft, Experten und Wirt-
                       aber weniger.                                                                 schaft – wenngleich Bürgerinnen und Bürger hier
                                                                                                     stärker medial berücksichtigt werden als in allen
 Hoher Stellenwert     Im Vergleich der Medienangebote weist die Wochen-                             Vergleichsangeboten. Neben dem allgemeinen Be-
der Qualitätspresse    zeitung Die Zeit eine relativ hohe Ausgeglichenheit                           fund einer gewissen Elitenzentrierung der Bericht-
für plurale Bericht-   der thematisierten Akteure auf, wobei sie vor allem                           erstattung hinsichtlich der Akteure betont die Ana-
         erstattung    Expertinnen und Experten vermehrte mediale Auf-                               lyse der beiden Vielfaltsdimensionen (siehe auch
Qualität des politischen Nachrichtenangebots in Deutschland
                                                                                                                                                              Media
                                                                                                                                                        Perspektiven      437
                                                                                                                                                             9/2021

Abbildung 3
Akteursvielfalt des politischen Nachrichtenangebots in Deutschland
in %

           Tagesschau                              46                             19                                 14                32           8            6
  WDR aktuell - Der Tag                             49                                13                5            11            5 4                  10            3
            RTL Aktuell                             49                            11                    9        2 7               3                18
                   FAZ                        39                       14         2         14                       8             8                10            5
                    SZ                             46                       10         2            15                    7             8               8         5
                  BILD                                  51                                 16                         14               3        6        4        6
        Rheinische Post                        43                                20                         10            3        8                8            7
                    taz                  33                       18                  7 2                12                        16                        11
                  ZEIT                   32                  8          14             4                        21                         7                12
                Spiegel                        43                            17                 3           10                7             12               5 3
         tagesschau.de                             47                             15                2            16                3           8            5        4
                faz.net                            45                            14                     13                5        10                   7         6
                bild.de                        44                            16                 2           12            3        11                6           7
             spiegel.de                       41                            16                          15                4            9            6            7
            t-online.de                            45                        13                     10           2            12               6             11
 tagesschau@facebook                           44                                17                             14            2        10           4            7
        FAZ@facebook                               47                            13                         13                4        10               5         6
       BILD@facebook                                48                            13            2           9        3        8             7               11
Spiegelonline@facebook                         44                                18                         12            2        9            4            10

                          Politik Inland: Exekutive                              Politik Inland: Legislative
                          Politik Inland: Judikative                             Politik Ausland / Transnational (inkl. EU)
                          Wirtschaft                                             Expert*innen
                          Zivilgesellschaft                                      Bürger*innen/Bevölkerung

Anmerkung: n=10 024 (Akteure); Prozentwerte ab 2 % beschriftet.

Quelle: Projekt „Media Performance and Democracy“.

zusammenfassend Tabelle 3) den hohen Stellenwert                 Den größten Anteil an gesamtgesellschaftlichen                                                           Höchste gesell-
der klassischen Printausgaben der Qualitätspresse                Themen weisen „WDR aktuell – Der Tag“ und die                                                            schaftliche Relevanz
für eine plurale Berichterstattung.                              FAZ sowie „Tagesschau“ und taz auf. Dies lässt auf                                                       bei ö.-r. Rundfunk
                                                                 eine hohe Relevanz der Themeneinordnung im öf-                                                           und Tageszeitungen
Relevanz des politischen Nachrichten-                            fentlich-rechtlichen Rundfunk und in Tageszeitun-                                                        abseits des
angebots                                                         gen abseits des Boulevards schließen. Im Gegenzug                                                        Boulevards
Um die Relevanz des Nachrichtenangebots in                       weist die Bild als klassische Boulevardzeitung den
Deutschland einschätzen zu können, wurde festge-                 niedrigsten Makroanteil und gleichzeitig den höchs-
halten, auf welcher Sozialebene die jeweiligen The-              ten Mikroanteil auf. Hinsichtlich der Relevanz lässt
men der Berichterstattung verortet werden (vgl. Ab-              sich ein Effekt der Kanäle bzw. ihrer Logik feststel-
bildung 4). Die höchste Relevanz besitzen dabei                  len: Die auf Facebook verlinkten Artikel aller Medi-
Nachrichtenbeiträge, welche den Berichterstattungs-              enmarken – mit Ausnahme der Bild – zeigen einen
anlass auf der Makroebene anlegen und damit des-                 niedrigeren Makroanteil als in ihrem Offlinependant,
sen gesamtgesellschaftliche Relevanz betonen. Die                was sich als erster Hinweis auf eine spezifische
niedrigste Qualität wird absteigend der rollenfernen             Auswahl der Nachrichtenbeiträge zur Kommunikati-
Mikroebene zugesprochen, welche die Relevanz nur                 on über Social Media deuten lässt. Wenn die Medi-
für den vergleichsweise kleinsten Teil der Gesell-               enangebote innerhalb ihrer politischen Berichter-
schaft und losgelöst von politischen und gesell-                 stattung einen Mikrofokus wählen, dann immerhin
schaftlichen Funktionen demonstriert.                            im weiten Gros der Fälle auf rollennahe Art und Wei-
                                                                 se – ein rollenferner Mikrofokus kommt lediglich bei
Birgit Stark/Andreas Riedl/Mark Eisenegger/Jörg Schneider/Linards Udris/Olaf Jandura
                         Media
                  438    Perspektiven
                         9/2021

Tabelle 3
Qualitätsdimensionen und Gesamtqualität des politischen Nachrichtenangebots in Deutschland
Scorepunkte (max. 10)

                                                                                   „Einord-
                                                                                   nungs-                       „Profes-                    „Gesamt-
                         Vielfalt       Rang          Relevanz      Rang           leistung“     Rang           sionalität“   Rang          qualtität“      Rang
FAZ                      9,2             1            9,1            2             6,5            5             4,9            6            7,4              1
tagesschau.de            8,5            11            8,9            7             6,5            5             5,7            2            7,4              1
Tagesschau               8,5            11            9,2            1             5,9           13             5,4            4            7,3              3
taz                      9,0             2            9,1            2             6,5            5             4,6            8            7,3              3
WDR aktuell – Der Tag    8,7             6            9,1            2             5,0           16             6,4            1            7,3              3
Rheinische Post          8,8             4            9,1            2             5,8           14             5,0            5            7,2              6
tagesschau@facebook      8,4            14            8,8            9             6,1           11             5,6            3            7,2              6
ZEIT                     8,7             6            8,6           13             8,3            1             2,8           17            7,1              8
faz.net                  8,7             6            9,0            6             6,3            9             3,7           11            7,0              9
spiegel.de               8,8             4            8,8            9             6,5            5             4,0           10            7,0              9
SZ                       8,9             3            8,8            9             6,3            9             4,1            9            7,0              9
Spiegel                  8,6             9            8,5           14             6,9            2             3,7           11            6,9             12
FAZ@facebook             8,5            11            8,7           12             6,7            3             3,4           13            6,8             13
RTL Aktuell              8,4            14            8,9            7             4,9           18             4,9            6            6,8             13
Spiegelonline@facebook   8,3            16            8,5           14             6,7            3             3,2           16            6,7             15
t-online.de              8,3            16            8,5           14             6,0           12             3,3           14            6,5             16
bild.de                  8,6             9            8,4           17             5,6           15             2,8           17            6,3             17
BILD                     8,2            19            8,2           19             4,7           19             3,3           14            6,1             18
BILD@facebook            8,3            16            8,4           17             5,0           16             2,3           19            6,0             19
Anmerkung: n=6 293; jeweils maximal 10 Scorepunkte pro Qualitätsdimension.
Quelle: Projekt „Media Performance and Democracy“.

                         den drei untersuchten Angeboten der Bild und bei            Die Analyse der Themenorientierung dokumentiert              Qualitätszeitungen
                         t-online.de zum Tragen.                                     ein relativ klares Bild: Die Zeit – als Wochenzeitung        mit ausgeprägter
                                                                                     durch einen großen Anteil breit angelegter „long             Themenorientierung
                         Einordnungsleistung des politischen                         reads“ auch prädestiniert für diesen Qualitätsindika-
                         Nachrichtenangebots                                         tor – hebt sich hier mit einer stark überdurchschnitt-
                         Die Themenorientierung bildet ab, inwiefern Themen          lichen Themenorientierung positiv ab. Mit einigem
                         in einen größeren thematischen Kausalzusammen-              Abstand dazu weisen auch die drei untersuchten
                         hang eingebettet werden. Die vier Komponenten               Medienangebote der zweiten untersuchten Wochen-
                         (Kontext, Bewertungen, Gründe und Folgen) wurden            zeitung, dem Spiegel, überdurchschnittliche Werte
                         zu einem sogenannten „Diskursindex“ (40) (0 bis 8)          hinsichtlich der thematischen Einordnung auf, und
                         addiert. Ein niedriger Wert bedeutet dabei, dass ein        auch die Angebote der FAZ positionieren sich über
                         Thema nur „episodisch“, also losgelöst von dessen           dem Durchschnitt. Stark episodenhaft, also losge-
                         Kausalzusammenhang präsentiert wird, wie es als             löst von einer wünschenswerten thematischen Ein-
                         Kennzeichen von niedrig-qualitativen „Soft News“            bettung in Kausalzusammenhänge, präsentiert sich
                         begriffen wird (41); ein hoher Wert bedeutet, dass          die Berichterstattung der Bild, wobei die Printaus-
                         der Berichterstattungsanlass „thematisch“ einge-            gabe die niedrigste Themenorientierung aufweist.
                         ordnet wird (42), wie es als Kennzeichen von Medi-
                         enqualität bzw. qualitätsvollen „Hard News“ begrif-         Ein stark differenziertes Bild ergibt sich mit Blick auf     Spezifische
                         fen wird. Um die Ergebnisse unterschiedlich skalier-        die untersuchten öffentlich-rechtlichen Angebote:            öffentlich-rechtliche
                         ter Variablen besser miteinander vergleichen zu kön-        Dass „WDR aktuell – Der Tag“ – mit einem Fokus               Angebote erbringen
                         nen (z. B. Sachlichkeit), wurde eine z-Standardisie-        auf kompakte Meldungen – die episodenhafteste                spezifische
                         rung durchgeführt. (43) Negative Werte geben in die-        Berichterstattung aufweist, muss im Kontext des              Leistungen
                         ser Berechnung – vereinfacht gesagt – an, dass ein          spezifischen Radioformats interpretiert werden. Da-
                         Medienangebot unter dem jeweiligen Durchschnitts-           bei entspricht es durchaus dem Grundgedanken des
                         wert der gesamten Medienauswahl liegt; positive             Binnenpluralismus öffentlich-rechtlicher Angebote
                         Werte, dass es darüber liegt (vgl. Abbildung 5).            (44), dass spezifische Angebote auch spezifische
                                                                                     Leistungen erbringen – Radio also klassisches „Be-
Qualität des politischen Nachrichtenangebots in Deutschland
                                                                                                                                     Media
                                                                                                                               Perspektiven      439
                                                                                                                                    9/2021

Abbildung 4
Relevanz des politischen Nachrichtenangebots in Deutschland
in %

           Tagesschau                                         73                                                    16              10

  WDR aktuell - Der Tag                                       74                                               10              16

            RTL Aktuell                                  68                                               15                  15         2

                   FAZ                                        74                                                11                 13

                    SZ                                   66                                              14                   18

                  BILD                        52                                    14                          29                      23

        Rheinische Post                                       72                                               10              17

                    taz                                       73                                                13                 13

                  ZEIT                              62                                          9                        26

                Spiegel                            57                                      15                            26

         tagesschau.de                                   67                                               17                   14            2

                faz.net                                  67                                               16                   15

                bild.de                            57                                      16                        21                 3 3

             spiegel.de                                 65                                           13                   19             2

            t-online.de                            59                                           17                       20              22

 tagesschau@facebook                                    64                                           17                       17             2

        FAZ@facebook                                60                                              20                        18

       BILD@facebook                               58                                      14                        23                  4

Spiegelonline@facebook                         55                                        17                              27

                             Makroebene                            Mesoebene                         Mikroebene rollennah
                             Mikroebene anonym                     Mikroebene rollenfern

Basis: n=6 293; Prozentwerte ab 2 % beschriftet.

Quelle: Projekt „Media Performance and Democracy“.

gleitmedium“ mit hoher Nutzung unterwegs zum                        nungsbildung. Die höchste Interpretationsleistung
Beispiel eher kompakte Information als breite Ein-                  liegt dabei bei Reportagen, Features und Porträts,
ordnung (45) –, wobei Rezipienten üblicherweise                     die dementsprechend recherche- und damit auch
mehrere öffentlich-rechtliche Angebote parallel nut-                ressourcenintensiv sind, sowie bei Kommentaren,
zen. (46) Dabei sieht auch die hier vorgeschlagene                  Kolumnen und Glossen, wobei Letztere als solche
Konzeption von Medienqualität vor, dass sich unter-                 ausgewiesen werden müssen. Auch Interviews wird
schiedliche Qualitätsdimensionen gegenseitig aus-                   eine höhere Interpretationsleistung zugerechnet. Am
gleichen können, wodurch auch „Medienangebote                       niedrigsten sind hier einfache Nachrichten und Be-
auf unterschiedliche Art und Weise ‚gut‘ sein kön-                  richte einzuordnen.
nen“. (47) Während sich die „Tagesschau“ hinsicht-
lich ihrer Themenorientierung im Mittelfeld einord-                 Hier heben sich – wie schon bei der Themenorien-                             Wochenzeitungen
net, erreicht tagesschau.de überdurchschnittliche                   tierung als weitere Komponente der Einordnungs-                              haben höchsten
Werte. Dieser Befund unterstreicht, wie wichtig er-                 leistung – Die Zeit und mit etwas Abstand der Spie-                          Anteil an
gänzende Onlineangebote sind, die neben kompak-                     gel als Wochenzeitungen klar positiv ab, indem sie                           kommentierenden
ten und zeitlich begrenzten Fernseh- und Radioan-                   einen hohen Anteil an Reportagen und Ähnlichem,                              Formaten
geboten tiefergehende Einordnung leisten können.                    aber auch an kommentierenden Formate sowie In-
                                                                    terviews aufweisen (vgl. Abbildung 6). Auch die Be-
Der zweite Qualitätsindikator für die Einordnungs-                  richterstattung der taz stützt sich in einem über-
leistung bezieht sich auf das Beitragsformat und                    durchschnittlichen Maß auf Formate, wie sie Mei-
erfasst das Potenzial für eine angemessene Mei-                     nungsbildungsprozesse unterstützen können. Fast
Birgit Stark/Andreas Riedl/Mark Eisenegger/Jörg Schneider/Linards Udris/Olaf Jandura
                        Media
             440        Perspektiven
                        9/2021

                        Abbildung 5
                        Themenorientierung des politischen Nachrichtenangebots in Deutschland

                                    Tagesschau                                      -0,020
                         WDR aktuell - Der Tag       -0,603
                                     RTL Aktuell            -0,472
                                             FAZ                                                    0,108
                                               SZ                                              0,012
                                            BILD -0,680
                               Rheinische Post                         -0,240
                                              taz                                 -0,064
                                             ZEIT                                                                              0,623
                                         Spiegel                                                            0,223
                                 tagesschau.de                                                              0,232
                                         faz.net                                                   0,083
                                          bild.de                        -0,201
                                      spiegel.de                                                        0,145
                                     t-online.de                                                0,034
                        tagesschau@facebook                                         -0,016
                                FAZ@facebook                                                                   0,244
                               BILD@facebook              -0,511
                       Spiegelonline@facebook                                                            0,173

                        Anmerkung: Basis: n=6 293; z-standardisierte Werte des vierteiligen additiven Diskursindex (0-8)
                        bestehend aus dem Vorhandensein von Kontext, Bewertungen, Gründe und Folgen (je 0=nicht
                        vorhanden, 1=grundsätzlich vorhanden, 2=ausführlich)) (für das der z-Standardisierung zugrunde
                        liegende arithmetische Mittel wurden die Daten gemäß des Verhältnisses zwischen Stichprobengröße
                        und Grundgesamtheit der jeweiligen Medienangebote gewichtet).

                        Quelle: Projekt „Media Performance and Democracy“.

                        ausschließlich auf Nachrichten und Berichte bauen            gen, welche in einer Variablen erfasst wurden (vgl.
                        die beiden kompakten TV-Formate „Tagesschau“                 Abbildung 8). Die Quellentransparenz stützt sich auf
                        und „RTL Aktuell“ sowie tagesschau.de.                       die simple Unterscheidung, ob nachvollziehbar ist,
                                                                                     wer einen Beitrag verfasst oder produziert hat. (49)
                        Professionalität des politischen Nachrichten-                Innerhalb des Print- und Onlinesektors zeigt sich
                        angebots                                                     hier eine klare Achse, die zwischen den Angeboten
Sachlichste Bericht-    Sachlichkeit als ein Indikator der Professionalität          der Bild als Boulevardzeitung und den Qualitätsme-
      erstattung bei    journalistischer Berichterstattung überprüft, inwie-         dien verläuft: Während die Qualitätsmedien konsis-
Regionalpresse und      fern Nachrichtenbeiträge kognitiv und rational oder          tent nur im kleineren einstelligen Prozentbereich die
        ö.-r. Medien    aber emotional und affektiv verfasst sind. (48) Bei          Quellen ihrer Nachrichtenbeiträge nicht offenlegen
                        diesem Qualitätsindikator hebt sich die Rheinische           – die taz „führt“ hier mit 7 Prozent –, liegt dieser
                        Post als Repräsentantin für die Regionalzeitungen            Anteil bei der Bild bei mehr als einem Viertel, bei
                        positiv ab, indem sie Nachrichten auf überdurch-             bild.de und Bild@facebook sogar bei über der Hälf-
                        schnittlich rationale und sachliche Weise präsentiert        te, wie es als klares Defizit der Quellentransparenz
                        (vgl. Abbildung 7). Außerdem positionieren sich die          für das Publikum zu werten ist.
                        untersuchten öffentlich-rechtlichen Medienangebo-
                        te an oberster Stelle: Allen voran „WDR aktuell – Der        Die Eigenleistung spiegelt abschließend wider, in       Hohes Maß an Eigen-
                        Tag“, aber auch „Tagesschau“, tagesschau.de und              welchem Ausmaß ein Nachrichtenbeitrag das Resul-        leistung bei ö.-r.
                        tagesschau@facebook zeichnen sich durch die hohe             tat von eigenen redaktionellen Leistungen ist. Am       Angeboten und auch
                        Sachlichkeit ihrer Berichterstattung aus. Überdurch-         positivsten werden hier demnach Nachrichtenbei-         bei „RTL Aktuell“
                        schnittlich emotionalisierend zeigen sich in der Ana-        träge von der Redaktion gesehen, innerhalb dieser
                        lyse dagegen nicht nur die untersuchten Medien-              jene von Korrespondentinnen und Korrespondenten.
                        angebote der Bild, sondern auch Zeit und Spiegel             Es folgen in der abgestuften Reihenfolge Beiträge
                        weisen in der Berichterstattung häufiger emotionali-         von Gastautorinnen und Gastautoren und am Ende
                        sierende Elemente auf.                                       der Skala finden sich (un)bearbeitete Meldungen von
                                                                                     Nachrichtenagenturen. Dem liegt die Idee zugrunde,
 Angebote der Bild-     Als weitere Qualitätsindikatoren für die Professiona-        dass eine zu starke Orientierung an Agenturmeldun-
zeitung mit geringer    lität des politischen Nachrichtenangebots werden             gen zu einem Gleichklang der massenmedial the-
 Quellentransparenz     Quellentransparenz und Eigenleistung herangezo-              matisierten Perspektiven führen kann. In der Quali-
Qualität des politischen Nachrichtenangebots in Deutschland
                                                                                                                                               Media
                                                                                                                                         Perspektiven     441
                                                                                                                                              9/2021

                   Abbildung 6
                   Interpretationsleistung des politischen Nachrichtenangebots in Deutschland
                   in %
                               Tagesschau                                                   98
                     WDR aktuell - Der Tag                                  73                                          12                   15
                               RTL Aktuell                                             91                                                     32 4
                                       FAZ                                  74                                          9                16
                                        SZ                                  73                                      7                18               2
                                      BILD                                   78                                         3            17               3
                           Rheinische Post                                   77                                             6        14               3
                                       taz                             57                          7                26                         10
                                      ZEIT             26                         32                           32                             10
                                   Spiegel                            54                               25                       12                9
                            tagesschau.de                                             88                                                 3        7
                                    faz.net                                 75                                      5                18               2
                                    bild.de                                           86                                             4        8       2
                                spiegel.de                                       80                                             7         10          3
                                t-online.de                                      81                                             5         9           4
                    tagesschau@facebook                                           83                                                     14           2
                            FAZ@facebook                                    74                                      5               17                4
                           BILD@facebook                                          83                                            2        11           4
                   Spiegelonline@facebook                                    76                                         5            16               3

                                                    Nachricht, Bericht                             Reportage, Feature; Porträt
                                                    Kommentar, Kolumne, Glosse, Leitartikel        Interview

                   Basis: n=6 293; Prozentwerte ab 2 % beschriftet.

                   Quelle: Projekt „Media Performance and Democracy“.

                   tätsbewertung führend zeigen sich hier die öffent-            zu können und zu einer Gesamtbewertung zu ge-
                   lich-rechtlichen Angebote, die ein hohes Maß an Ei-           langen, sieht die als Benchmark dienende Qualitäts-
                   genleistung einerseits durch ihr Korrespondenten-             messung in der Schweiz ein Qualitätsscoring vor:
                   netz, aber auch andererseits durch den Verzicht auf           Anhand langjähriger Erfahrungswerte wurde ein Mo-
                   die Verbreitung bestenfalls bearbeiteter Agentur-             dell entwickelt, das den verschiedenen Ausprägun-
                   meldungen sicherstellen. Auch „RTL Aktuell“ fällt             gen der einzelnen Qualitätsindikatoren einen be-
                   hier mit dem für privat organisierte Medien höchsten          stimmten Wert zuweist, wobei die einzelnen Scores
                   Anteil an Meldungen von Korrespondenten und eben-             jeweils maximal den Wert 10 annehmen können
                   falls dem weitgehenden Verzicht auf Agenturma-                (vgl. Tabelle 2). Einzig die beiden Qualitätsindikato-
                   terial positiv auf. Ein sehr niedriges Maß an Eigen-          ren thematische Vielfalt und Akteursvielfalt werden
                   leistung beweist t-online.de, wo nur rund ein Drittel         nicht auf Beitragsebene durch ein Scoring quantifi-
                   der Berichterstattung nicht originär einer Agentur            ziert, sondern in diesen beiden Fällen wurde auf
                   entstammt. Auch faz.net und FAZ@facebook fallen               Ebene der gesamten Berichterstattung eines Ange-
                   durch ihre niedrige Eigenleistung auf – obwohl die            bots mit dem Shannon-Index (Shannon’s H) ein eta-
                   FAZ in ihrer Printausgabe überwiegend als solche              bliertes Maß der Vielfaltsmessung angewendet. (50)
                   deklarierte, redaktionell erarbeitete Berichterstat-          In der hier verwendeten standardisierten Variante
                   tung anbietet.                                                kann er Werte von 0 (keine Vielfalt: ein Medienange-
                                                                                 bot berichtet z. B. nur zu einem Thema) bis zu 10
                   Gesamtqualität des politischen Nachrichten-                   (volle Vielfalt: ein Medienangebot berichtet z. B. über
                   angebots                                                      alle Themen im gleichen Umfang) annehmen. Die so
Qualitätsscoring   Die bisherige Analyse hat gezeigt, welche spezifi-            auf Ebene der Qualitätsindikatoren erfassten Werte
nach Vorbild der   schen Charakteristika die untersuchten Medienana-             werden zu Scores auf Ebene der vier Qualitätsdi-
        Schweiz    gebote hinsichtlich ihrer Vielfalt, Relevanz, Einord-         mensionen zusammengefasst, welche ebenfalls je-
                   nungsleistung und Professionalität auszeichnen. Um            weils maximal den Wert 10 annehmen können. (51)
                   diese systematisch in Beziehung zueinander setzen             Diese vier Qualitätsdimensionen fließen abschlie-
Birgit Stark/Andreas Riedl/Mark Eisenegger/Jörg Schneider/Linards Udris/Olaf Jandura
                 Media
        442      Perspektiven
                 9/2021

                 Abbildung 7
                 Sachlichkeit des politischen Nachrichtenangebots in Deutschland

                              Tagesschau                                                                            0,130
                    WDR aktuell - Der Tag                                                                                    0,257
                               RTL Aktuell                                                                  0,004
                                       FAZ                                                                      0,071
                                         SZ                                                      -0,010
                                      BILD                      -0,514
                         Rheinische Post                                                                                     0,263
                                        taz                                                                     0,077
                                      ZEIT      -0,766
                                   Spiegel                            -0,417
                           tagesschau.de                                                                                    0,236
                                   faz.net                                                                    0,039
                                   bild.de                                  -0,317
                                spiegel.de                                                    -0,047
                               t-online.de                                                                  0,009
                   tagesschau@facebook                                                                                  0,176
                          FAZ@facebook                                                       -0,064
                         BILD@facebook                                        -0,297
                 Spiegelonline@facebook                                  -0,383

                 Anmerkung: Basis: n=6 293; z-standardisierte Werte der fünfstufigen Skala (1="emotional“ bis 5="sachlich-
                 nüchtern“) (für das der z-Standardisierung zugrunde liegende arithmetische Mittel wurden die Daten gemäß des
                 Verhältnisses zwischen Stichprobengröße und Grundgesamtheit der jeweiligen Medienangebote gewichtet).

                 Quelle: Projekt „Media Performance and Democracy“.

                 ßend gleichgewichtet in einen Score der Gesamt-               gabe der FAZ und tagesschau.de mit äußerst knap-
                 qualität ein, der ebenfalls einen Maximalwert von 10          pem Vorsprung an. Die FAZ hebt sich dabei primär
                 annehmen kann:                                                durch eine höhere Vielfalt der Themen und Akteure
                                                                               ab (vgl. auch Tabelle 3), indem sie, wie dargelegt,
                                     Vielfalt + Relevanz +                     das bestehende Spektrum der Perspektiven anderer
                             Einordungsleistung + Professionalität             Medienangebote um eine wirtschaftliche erweitert.
                 Gesamt-
                          = ––––––––––––––––––––––––––––––                     tagesschau.de zeichnet sich vor allem durch eine
                 qualität
                                                4                              überdurchschnittliche Professionalität in der Bericht-
                                                                               erstattung aus, welche in hoher Sachlichkeit und Ei-
                 Die hier realisierte Qualitätsmessung und -berech-            genleistung der redaktionellen Inhalte begründet liegt.
                 nung entspricht damit weitgehend jener des Schwei-
                 zer Forschungszentrums Öffentlichkeit und Gesell-             Die taz folgt mit konstant etwas überdurchschnittli-
                 schaft (fög) und weicht nur in einigen Aspekten ab,           chen Werten gleich dahinter, genauso wie „WDR
                 die sich primär aus dem hier spezifischen Fokus auf           aktuell – Der Tag“ mit der höchsten Professionalität,
                 politische Nachrichten ergeben. (52)                          aber unausgeschöpften Potenzialen bei der Einord-
                                                                               nungsleistung, sowie der „Tagesschau“, die eine ver-
                 Medien unterscheiden sich vor allem bei                       gleichsweise niedrige Vielfalt und Einordnungsleis-
                 Professionalität und Einordnungsleistung                      tung ebenfalls durch ihre Professionalität kompen-
      FAZ und    In der Gesamtschau (vgl. Abbildung 9) zeigt sich, dass        siert. Im Mittelfeld positionieren sich zum einen
tagesschau.de    vor allem die Professionalität die am stärksten diffe-        Nachrichtenangebote mit spezifischen Stärken, aber
haben höchste    renzierende Dimension von qualitativ hoch- und nied-          auch Schwächen wie beispielsweise Die Zeit, die
Gesamtqualität   rigwertigen Angeboten in der deutschen Medienland-            sich durch ihre stark einordnende Berichterstattung
                 schaft darstellt. Auch hinsichtlich der Einordnungs-          prägnant von allen anderen Angeboten abhebt, durch
                 leistung der untersuchten Nachrichtenbeiträge kommt           einen hohen Grad der Emotionalisierung die hier ver-
                 es auf der Ebene der Medienangebote zu deutlich               tretene Auffassung eines professionellen Standards
                 positiven wie negativen Diskrepanzen – bezüglich              der Sachlichkeit aber nicht erfüllt. Andererseits be-
                 Vielfalt und Relevanz unterscheiden sich die analy-           finden sich Medienangebote im Mittelfeld, welche
                 sierten Angebote jedoch vergleichsweise wenig. Das            auf allen vier Qualitätsdimensionen ausgewogen
                 Ranking der Gesamtqualität des politischen Nach-              im Schnitt scoren, wie beispielsweise die SZ oder
                 richtenangebots in Deutschland führen die Printaus-           spiegel.de. Auf allen Achsen unterdurchschnittlich
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