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03 | 2017 Zusammenarbeit. Transnational. B Journa LIEBE LESERINNEN UND LESER, die Sommerpause ist nun endgültig vorbei und die transnationale Zusammenarbeit befindet sich mitten in einem turbulenten Herbst: Am 21. September 2017 fei- erte das Mitteleuropa-Programm seinen 20. Geburts- tag mit einer Konferenz in Berlin und öffnete zu dieser Gelegenheit den dritten Aufruf zum Einreichen von Projektvorschlägen in der aktuellen Förderperiode. Auch aus dem Nordwesten gibt es Neues: Das Monito- ring Committee des Nordwesteruopa-Programms hat im September 76 Prozent der eingereichten Vollanträ- ge aus Call 3 und 4 genehmigt. Damit liegt die Erfolgs- quote so hoch wie nie in dieser Programmperiode. Zum vierten Call des Nordseeraum-Programms sind 41 Interessensbekundungen eingegangen. Das Steering Committee entscheidet voraussichtlich im November 2017, welche davon zur Einreichung eines Vollantrags genehmigt werden. Und auch im Alpenraumprogramm steht im Oktober die Entscheidung an, welche der 112 eingereichten Projektvorschläge zur zweiten Stufe des dritten Calls zugelassen werden. Wie bereits auf interreg.de angekündigt, ist der näch- ste Stichtag für das Einreichen von Anträgen im Bun- desprogramm Transnationale Zusammenarbeit der 20. Oktober 2017. Dieser Aufruf richtet sich an Vorlaufvor- haben und Andockvorhaben. Die Aktivitäten sollen noch in diesem Jahr aufgenommen werden. In unserer Herbst-Ausgabe stellen wir Ihnen die Pro- jekte RE-DIRECT und VirtualArch vor und halten Sie mit drei weiteren Artikeln über die Zukunftsdiskussion zu Interreg ab 2020 auf dem Laufenden. Viel Spaß beim Lesen! Ihr Interreg-Team im BBSR © Alekss, Fotolia.com Interreg B Reportage: RE-DIRECT Seite 2 ‒ 3 Bundesprogramm Transnationale Seite 4 Zusammenarbeit: VirtualArch Kohäsionspolitik ab 2020: Seite 5 Vereinfachter Rechtsrahmen Im Gespräch: Dr. Katharina Erdmenger Seite 6 Zukunft der transnationalen Seite 7 Zusammenarbeit Aktuelle Veröffentlichungen Seite 8 www.interreg.de
Interreg V B Reportage ~ North-West E ~~DIRECT urope l!J ~"1Fund RE-DIRECT: Aktivkohlefilter aus Reststoffen generieren Jedes Jahr werden in Nordwesteuropa mehrere Millionen Ton- 'e l 1Chlorampheni~; I Mikroschadstoffe, nen Biomasse in ländlichen Gebieten und Städten weggewor- ~ru :!! ~Perfluoroctylsulfonat ~ U PFOA, fNfl Dichlormethan i• © cpt212, Fotolia.com fen. Dies bedeutet gerade in städtischen Kommunen einen ~ enormen personellen und finanziellen Aufwand für die öffent- :~ l lbunrofen ]i t Carbamazepin Phe11azor Ketoprofen lich-rechtlichen Entsorgungsträger: Die Biomassen, wie bei- t::1halam1csäure i:i:: ~Perfluoroctanoat i~ g ~ o 5i PFPA NTA spielsweise Grünschnitt, abgemähtes Gras oder Laub, sind häu- .? ca a. .= a5 C..o o g fig stark verunreinigt und sehr uneinheitlich in ihrer C "E ~EDTÄ ~ h:. Fenoprofenu. O c ~ Cl.! -g_l1FB1 ~ Zusammensetzung. Außerdem haben sie aufgrund eines hohen c ~~ _ 2" . "· o::: Cl) ·g ~ Bisoprolol~ Wasser- und Ascheanteils einen geringen Energiegehalt. Daher werden sie für eine energetische oder stoffliche Verwertung Fop;;:1l ~i M GadlK lol 1lam1 .S, UI olmR1uo mscu.. ~~ HAoDSToOCCC rr~ i ii U) .,2 -~ e NA bisher nur in Ausnahmefällen in Betracht gezogen. Ziel des Pro- 1Diclofenac i Sulfamethoxazol Perfluorl)entanoat PFH, s Metrop.-Ölol jektes RE-DIRECT („Regional Development and Integration of Doxicyclin ' Sulfadimidin Sulfolan Perfluorhexylsulfonat Ketoprofen -0 ·'= PFBA unused biomass wastes as Resources for Circular products and C Tetracyclin c3 -~.."E ~ :§ PF~ ~ . !s o ·;:c .E economic Transformation”) ist es, diese Art Biomasse aufzube- Es gibt zwar bereits einige Aktivkohle- reiten, sie zu verkohlen und die so entstandene Biokohle zu ak- Produktions- und Wiederaufberei- PFOS f g-;B tivieren. Biokohle ist ein hochwertiges Produkt, das vielfältig tungsanlagen in Europa, jedoch wer- einsetzbar ist. So findet sie zum Beispiel Verwendung in Luft- den große Mengen aus Asien l und Wasserfiltern. eingeführt, um den Bedarf zu decken. - 154 Millionen Euro, im Jahr 2000 waren SUlfolan} ·§~ es noch 61 Millionen. Mit RE-DIRECT Ritalinsäure -" Perfluordecanoat.! "''? möchten die elf Projektpartner aus Bisoprolol :z' Deutschland, Großbritannien, Frank- reich, Irland und Belgien dazu beitra- gen, die Import-Abhängigkeit Europas in diesem Bereich zu ver- mindern. Die Partnerschaft umfasst neben öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern, Universitäten und Energieagenturen auch Nichtregierungsorganisationen und Bildungseinrichtungen. Die Universität Kassel hat die Federführung im Projekt inne. Dabei steht der Einsatz von Aktivkohle zur Eliminierung von Spurenschadstoffen in Kläranlagen im Mittelpunkt. Die Europä- ische Union legt großen Wert auf den Schutz der Ressource Wasser und hat dafür verschiedene Strategien etabliert. So hat sie zum Beispiel eine Warnliste mit bedenklichen Stoffen he- rausgegeben, die in Europa vermehrt im Wasser zu finden sind. Darin aufgeführt sind auch pharmazeutische Substanzen, deren Verbreitung und Konzentration in Gewässern in den letzten Jah- ren stark zugenommen haben. Im Rahmen des Projektes planen die Partner eine dezentrale, regionale Aktivkohleproduktions- anlage in Baden-Baden, die getestet und anschließend in Be- trieb genommen werden soll. Diese soll aus den regional vor- handenen Restbiomassen ausreichend Aktivkohle produzieren, um die Abwässer der Einwohner von Mikroschadstoffen zu be- freien, etwa von Rückständen von Medikamenten, Antibiotika und Hormonen. Hierbei werden alle Aspekte der Nachhaltigkeit Grünschnitt © Katrinz, Fotolia.com betrachtet – sowohl finanzielle als auch soziale und ökologische Aspekte. Interreg B Journal 03|2017 [2]
Öffentlich-rechtliche Entsorgung mit Laubbläsern © Miss Mafalda, Fotolia.com In einem ersten Schritt analysieren die Partner die Restbiomas- sen in den jeweiligen Regionen, ebenso wie die bestehenden Aktivkohleverbrauchswege und die Kläranlageninfrastruktur. Relevante regionale Akteure werden identifiziert und über das Prof. Dr. Michael Wachendorf Vorhaben informiert. In einem nächsten Schritt wird geprüft, Fachbereichsleiter für Ökologische Agrar- inwiefern sich die identifizierten Restbiomassen für die Herstel- wissenschaften an der Universität Kassel lung von Aktivkohle eignen. Dafür untersuchen die Partner die gesamte technische Prozesskette. Diese besteht zunächst aus „RE-DIRECT zielt darauf ab, in Nordwesteuropa ein Entsor- Bergung und Transport der Biomassen. Anschließend werden gungsproblem zu lösen und gleichzeitig eine größere Unab- diese gewaschen, mit warmen Wasser verrührt und mecha- hängigkeit von nicht nachhaltig erstellten Importprodukten nisch entwässert. Der bei der Entwässerung entstehende Press- zu erreichen. Zudem trägt das Projekt dazu bei, kommunale saft wird als Rohstoff mit hohem Gasbildungspotenzial in einer Abwässer in großem Umfang von Spurenschadstoffen zu be- Biogasanlage verwendet. Der gewaschene und mineralstoff- freien.“ arme Presskuchen wird verkohlt. Die Biokohle wird anschlie- ßend mit Wasserdampf aktiviert. Untersucht werden im Projekt neben den technischen Frage- stellungen auch die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit. Was die Wirtschaftlichkeit angeht, so wird im Rahmen des Projektes RE-DIRECT ein einfach zu bedienendes Instrument entwickelt, mit dem re- Regional Development and Integration of gionale Interessenten dann eine Fallstudie berechnen können. unused biomass wastes as Resources for Circular Dies gibt ihnen die Chance, die ökonomische Machbarkeit des products and economic Transformation RE-DIRECT Ansatzes in ihrer Region zu testen. Die ökologischen Auswirkungen auf Klimawandel, Energieverbrauch, Wasserqua- Kooperationsraum: Nordwesteuropa lität, Versauerung und Nährstoffanreicherung in Gewässern Laufzeit: 2016 - 2019 werden mit einer Lebenszyklusanalyse untersucht. Nicht zuletzt Themenschwerpunkt: Wirtschaft, Arbeit, Leben sorgen die Partner aus dem sozialen Bereich dafür, dass auch Lead Partner: Universität Kassel die Auswirkungen auf die soziale Nachhaltigkeit berücksichtigt werden, wie etwa die Schaffung neuer Arbeitsplätze. www.nweurope.eu/re-direct Interreg B Journal 03|2017 [3]
Bundesprogramm Transnationale Zusammenarbeit ~ VirtualArch: Verborgenes Kulturerbe ins Blickfeld rücken CENTRAL ELJROPE ~ VirtualArch • '""P•aoUn~ European Reg Developmen ional t Fund Das im Boden verborgene archäologische Kulturerbe ist für die breite Öffentlichkeit kaum erlebbar. Zwar zeugen in den Mu- seen archäologische Objekte wie Gefäße, Schmuckstücke oder Gerätschaften aus vergangenen Kulturen – das Denkmal selbst wird aber erst bei archäologischen Ausgrabungen, etwa vor Bauvorhaben, Schicht für Schicht freigelegt und dokumentiert. So tritt es in der Regel nur kurz in Erscheinung, bevor es voll- ständig abgetragen wird. Vor diesem generellen Problem ste- hen Denkmalämter, Forschungsinstitute und Museen, aber auch Tourismuseinrichtungen in ganz Europa. Das Mitteleuro- pa-Projekt „VirtualArch - Visualize to Valorize. For a better utili- sation of hidden archaeological heritage” möchte deshalb ver- borgenes archäologisches Kulturerbe mithilfe neuester Informations- und Kommunikationstechniken wie etwa 3D- Technik für Denkmalschutz und Tourismus sicht- und nutzbar Dokumentationsarbeiten in einem mittelalterlichen Silberbergwerk in Dippoldiswalde machen. © Landesamt für Archäologie Sachsen, Martin Jehnichen Ausgangspunkt für das Projekt war die europaweit außerge- wöhnliche Entdeckung von mittelalterlichen Bergwerken unter- Pfahlbausiedlung im Laibacher Moor in Slowenien werden auf halb der sächsischen Stadt Dippoldiswalde. Dort werden seit diese Weise wieder in das Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt. 2008 einzigartige Stollen- und Gangsysteme mit gut erhaltenen Vor Ort sollen Infopoints mithilfe von W-LAN-Transmittern und organischen Funden des 12. bis 13. Jahrhunderts dokumentiert Apps eine virtuelle Erlebnisreise in die Vergangenheit ermögli- und geborgen. Das Landesamt für Archäologie Sachsen beglei- chen. Der virtuelle Ansatz trägt nicht nur zur Sichtbarmachung tet die durch das Sächsische Oberbergamt Freiberg veran- des archäologischen Kulturerbes bei, er fördert ebenso die regi- lassten Sicherungsarbeiten der unterirdischen Hohlräume, die onale Tourismusentwicklung. Darüber hinaus bietet sich bei ge- die Öffentlichkeit aus Sicherheitsgründen nicht betreten darf. planten Infrastrukturvorhaben die Möglichkeit, den Bauherren Teilweise müssen die mittelalterlichen Stollen sogar mit Beton- und Investoren ein wesentlich anschaulicheres Bild vom mögli- mörtel verfüllt werden, was auch den Zutritt von Fachleuten cherweise betroffenen Denkmal zu vermitteln und denkmalge- unmöglich machen wird. Bevor dies geschieht, setzt Virtual rechte Umplanungen anzuregen. Arch an: Das Landesamt für Archäologie Sachsen dokumentiert mit hochmodernen Methoden wie Bildmessung oder 3D-Laser- Das Landesamt für Archäologie Sachsen als Lead Partner erhält scanning die Strukturen untertage, um die Schächte, Quer- für seine Projektbeteiligung an VirtualArch eine Kofinanzierung schläge und durch den Erzabbau entstandene Hohlräume mög- aus dem Bundesprogramm Transnationale Zusammenarbeit. lichst vollständig zu erfassen und dreidimensional zu rekonstruieren. Diese Daten bilden die Grundlage für die ge- www.interreg-central.eu/VirtualArch plante Visualisierung der Bergwerke mithilfe von Informations- techniken wie Virtual oder Augmented Reality. Zukünftig sollen Interessierte, Planer oder Archäologen so die Möglichkeit er- halten, die mittelalterlichen Bergwerke zumindest virtuell zu besichtigen und sich mit den verschiedenen Aspekten dieses Dr. Regina Smolnik einzigartigen archäologischen Erbes auseinanderzusetzen. Landesarchäologin des Freistaats Sachsen In Kooperation mit Partnern aus Italien, Österreich, Polen, „Bei unserem Projekt geht es darum, moderne Informations- Tschechien, Slowenien, Kroatien und der Slowakei entwickelt und Kommunikationstechniken in den Dienst von Archäolo- das Landesamt nun überregional einsetzbare Instrumente, mit gischem Denkmalschutz und Tourismus zu stellen. VirtualArch denen archäologische Denkmäler erleb- und erfahrbar gemacht zeigt damit fernab bekannter Vermittlungsstrategien neue werden können. In ausgewählten Pilotregionen der Projekt- Wege auf, gibt Anregungen, auf weitere Zielgruppen zuzuge- partner werden nicht nur Bergwerke wie die Silberwerkwerke hen und eröffnet Laien wie Fachleuten zahlreiche Möglich- im Erzgebirge oder das prähistorische Salzbergwerk von Hall- keiten, sich mit dem bisher unbekannten archäologischen Er- statt visualisiert. Auch der unter Wasser liegende römische Ha- be auseinanderzusetzen.“ fen im kroatischen Sukošan oder die mit Moor überdeckte Interreg B Journal 03|2017 [4]
Zukunft der Transnationalen Zusammenarbeit Kohäsionspolitik: Empfehlungen zur Vereinfachung des Rechtsrahmens Experten empfehlen eigene Verordnung und eigene Indikatoren für ETZ-Programme Am 11. Juli 2017 stellte die von der EU-Kommission 2015 ins Leben gerufene „High Level Group“ ihren Empfehlungsbericht vor. Darin machen die zwölf Experten Vorschläge zur Vereinfachung der Rechtsvorschriften bei der Gewährung von Mitteln aus den Europä- ischen Struktur- und Investitionsfonds (ESIF) nach 2020. In ihren Schlüsselhinweisen schlagen die Experten insbesondere die Kürzung des derzeitigen Regelwerks und die Harmonisierung der Rechtsvorschriften für die verschiedenen EU-Fonds vor. Für die Programme der Europäischen Territorialen Zusammenarbeit (ETZ), zu denen auch Interreg zählt, empfehlen sie unter anderem eine eigene Ver- ordnung, eigene Indikatoren und eine Befreiung von den Beihilfe-Regelungen. Vorschriften verschiedener EU-Fonds anpassen Prozeduren zu entwickeln etc. Die Notwendigkeit zur Wiederbe- Unterschiedliche Vorschriften erschweren Synergien zwischen nennung der Verwaltungsbehörden verursacht Verzögerungen zu verschiedenen EU-Fonds, obwohl die Programme oft die gleichen Beginn der Förderperioden. Für mehr Kontinuität empfehlen die Ziele verfolgen, nämlich mehr Arbeitsplätze, Wachstum und Experten, die aktuellen Verordnungen zu bereinigen und überflüs- Wettbewerbsfähigkeit. Diese Komplexität macht es den Antrag- sige Anforderungen zu entfernen, anstatt die Vorschriften jedes stellern nicht leicht, die sich ja oft für Fördermittel aus verschie- Mal komplett neu zu entwerfen. Um sich dennoch an aktuelle He- denen Fonds bewerben. Die High Level Group empfiehlt, dass die rausforderungen anpassen zu können, sollten die Programme der Bedingungen für die Gewährung von EU-Mitteln aus der Kohäsi- Kohäsionspolitik gleichzeitig leichter modifiziert werden können. onspolitik nicht strenger sein sollten, als bei vergleichbaren Pro- jekten unter zentraler europäischer Verwaltung. Dabei sollte das Interreg: Eigene Verordnung und Indikatoren Prinzip der Gleichbehandlung auch bei der Anwendung von In ihrem Empfehlungsbericht betont die High Level Group die Be- Finanzinstrumenten gelten. deutung der Europäischen Territorialen Zusammenarbeit für den Austausch nationaler, regionaler und lokaler Akteure aus ver- Kürzere Verordnungen und Richtlinien schiedenen europäischen Mitgliedstaaten. Mit ihrem Ansatz, Aktuell wird die Kohäsionspolitik geregelt durch mehr als 600 Sei- Probleme gemeinsam anzugehen, stehe die die ETZ „ganz klar“ ten an Verordnungen und mehr als 5.000 Seiten an Richtlinien. für den europäischen Mehrwert. Maßgeschneiderte und zielge- Diese wiederum bilden die Grundlage für 532 Operationelle Pro- richtete Vereinfachungs-Maßnahmen seien notwendig, um auf gramme auf nationaler, regionaler und Interreg-Ebene, mit je- die spezifische Natur der ETZ-Programme zu reagieren, bei denen weils eigenen, detaillierten Vorgaben zur Förderfähigkeit. Antrag- verschiedene Mitgliedstaaten an einem einzigen Programm teil- steller sind somit überflutet von verschiedenen und sich oft nehmen. In dieser Hinsicht sei eine einzige, separate und umfas- überschneidenden Vorschriften. Die Experten empfehlen weni- sende Verordnung für die Programme der Europäischen Territori- ger sowie kürzere Verordnungen und Richtlinien. Operationelle alen Zusammenarbeit essentiell. Programme sollten präzise strategische Dokumente sein. Für jede neu geschaffene Regelung sollte eine andere abgeschafft wer- Die Experten bekräftigen, dass die ETZ-Programme aufgrund den. ihres speziellen Charakters auch weiterhin von den ex-ante-Be- dingungen ausgenommen bleiben sollten, die nationale und regi- Doppelte Prüfungen vermeiden onale Programme sonst anwenden müssen. Aufgrund des nied- Um Fehler zu vermeiden, wurden in der Vergangenheit zu- rigen Budgets der Interreg-Projekte und der geringen nehmend doppelte Prüfungen eingeführt, selbst wenn die zu er- Wahrscheinlichkeit, dass diese Handel und Wettbewerb negativ stattenden Ausgaben bereits nach nationalen Budget-Richtlinien beeinflussen, sollten sie auch von der Anwendung der Beihilfe- geprüft worden waren. Für die Fördermittel-Empfänger bedeute- Regelungen befreit werden. te das, dass sie zwei verschiedenen Standards gerecht werden mussten. Die Experten empfehlen, dass nationale Prüfungen für Die Experten sprechen sich dafür aus, Indikatoren zu entwickeln, öffentliche Ausgaben künftig ausreichen sollen. Zudem enthält die speziell auf die Programme der territorialen Zusammenarbeit die aktuelle Kohäsionspolitik bereits ein System, bei dem natio- ausgerichtet sind. Zudem sollten Daten auf NUTS III Niveau in nale Richtlinien und Verwaltungskapazitäten bereits zu Beginn Grenzregionen den Programmen bereitwillig zur Verfügung ge- einer Förderperiode geprüft werden. stellt werden, um die aktuell auftretenden Unterschiede bei der Datensammlung in den Mitgliedstaaten zu vermeiden. Verordnungen nicht alle sieben Jahre neu schreiben Gemäß den Förderperioden werden momentan alle sieben Jahre Das Papier der High Level Group finden Sie hier (auf Englisch): neue Verordnungen entwickelt, selbst wenn die Verwaltungsbe- http://ec.europa.eu/regional_policy/de/policy/how/ hörden die gleichen bleiben. Das bedeutet jedes Mal, IT-Systeme improving-investment/high-level-group-simplification/ zu aktualisieren, Bewerbungsformulare zu verändern und neue Interreg B Journal 03|2017 [5]
Im Gespräch: Dr. Katharina Erdmenger „Interreg macht Europa erfahrbar“ Die Zukunft der transnationalen Zusammenarbeit, ja der Kohäsionspolitik generell, ist momentan ein Schlüsselthema - und das längst nicht nur in der „Interreg-Community“. Dr. Katharina Erdmenger ist als Leiterin des Referates „Europäische Raum- und Entwicklungspo- litik/territorialer Zusammenhalt“ im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur aktiv an den Diskussionen und Arbeits- kreisen auf nationaler und europäischer Ebene beteiligt. Im Gespräch erzählt sie von ihrer Einschätzung der neuen Förderperiode und von möglichen Entwicklungstrends. Was macht die Erfolge der transnationalen Zusammenarbeit Wo liegen die größten Herausforderungen der kommenden aus Sicht des Bundes aus? Förderperiode? Drei Dinge. Erstens: die Zusammenarbeit in funktionalen Räu- „Geography matters“: Die Tatsache, dass die Entwicklungspfade men, die es erlaubt, für die Regionalentwicklung die Verbin- an der Nord- oder Ostsee nicht dieselben sind wie in den Alpen dungen zu nutzen, die durch Geographie entstehen, die wir oder Zentraleuropa, muss wieder viel stärker die Richtschnur bei aber auch dem europäischen Binnenmarkt und den offenen der Programmgestaltung sein. Die Grundlagen sind alle da, schon Grenzen und Märkten verdanken. Zweitens: Die Zusammenar- im EU-Vertrag steht, dass man den „territorialen Zusammenhalt“ beit zwischen vielen verschiedenen Akteuren, die lernen, dass fördern will. Das muss wieder sehr viel konsequenter umgesetzt sie stärker sind, wenn sie gemeinsame Herausforderungen ge- werden als in der jetzigen Förderperiode. meinsam lösen. Drittens: Die Stärkung der europäischen Idee! Konkreter als in Interreg-Projekten lässt sich Europa kaum er- Wo sehen Sie die größten Potentiale einer transnationalen fahrbar machen. räumlichen Zusammenarbeit für die Zukunft? Können Sie einen Entwicklungstrend bei den transnationalen In der Kompetenz zur Zusammenarbeit, die in den Interreg-Pro- Programmen seit ihrer Entstehung ausmachen? Wie bewerten jekten entwickelt wurde. Es gibt jetzt in Verwaltungen, Unis und Sie diesen? Unternehmen viele Menschen, die wissen, wie man mit Kollegen in anderen Regionen zu konkreten Fragen zusammenarbeitet und Interreg hat sich von einer eindeutigen raumplanerischen Per- gemeinsame Lösungen entwickelt. Dieses Potential und dieses spektive hin zu einer vorrangigen Förderung von Wettbewerbs- Wissen sollte genutzt werden, auch über Interreg hinaus: Gerade fähigkeit und Innovation entwickelt – so wichtig beides für die auch in den „Mainstream-Programmen“ sollte viel stärker auf Regionalentwicklung ist, ist dabei leider doch der „place-based- grenzübergreifende Zusammenarbeit gesetzt werden, da kann approach“ aus dem Fokus geraten. Das ist schade, denn es ist ja viel aus den Interreg-Erfahrungen gelernt werden. . gerade die Stärke von Interreg, passgenaue Entwicklungsstrate- gien für die jeweiligen Kooperationsräume zu entwickeln. Nicht überall ist die Förderung von Nanotechnologie der beste Weg in die Zukunft. ©Pixabay, Pexels.com Interreg B Journal 03|2017 [6]
Zukunft der transnationalen Zusammenarbeit Territorialer Ansatz, Laborcharakter, angepasste Evaluation Arbeitspapiere der AG Interreg und von Interact zur transnationalen Zusammenarbeit nach 2020 veröffentlicht Wie könnte die transnationale Zusammenarbeit im Rahmen von Interreg nach 2020 aussehen? Welche Erfahrungen gibt es, an die in der zukünftigen Förderperiode angeknüpft werden sollte, wo besteht Verbesserungsbedarf? Diesen Fragen sind sowohl deutsche Vertreter aus Bund und Ländern in der „AG Interreg“ nachgegangen, als auch eine Interact-Arbeitsgruppe, bestehend aus Experten der EU-Mitgliedstaaten, der Europäischen Kommission, der Verwaltungsbehörden und der gemeinsamen Sekretariate der Interreg B-Programme. In beiden Arbeitsgruppen ist jeweils ein Papier mit Vorschlägen für die Zukunft der transnationalen Zusammenarbeit entstanden. Beide Arbeitspapiere möchten wir im Folgenden kurz vorstellen. Denn auch wenn viele Projekte jetzt erst starten, steht die Gestaltung der Förderperiode ab 2020 unmittelbar vor der Tür: Die Europäische Kommission wird voraussichtlich Mitte 2018 die Vorschläge für die neuen Verordnungen für die Europäische Struktur- und Investitionspolitik (ESIF) vorlegen, in denen auch die Grundlagen für Interreg B nach 2020 geregelt werden. Bedeutung der Interreg B-Programme heute makroregionale Strategien sollten künftig ineinandergreifen Beide Papiere machen zunächst deutlich, dass sich die trans- und Programme bei Bedarf auch ergänzt werden können. Wei- nationale Zusammenarbeit als ein wichtiger Baustein der euro- terhin befürwortet die AG Interreg klare Rechtsvorschriften, päischen Kohäsionspolitik etabliert hat: Ihre Kooperationsräu- vereinfachte Verfahren und Kontrollsysteme, eine Entlastung me, wie etwa der Alpen- oder Ostseeraum, sind funktionale beim Beihilferecht sowie angemessene Anforderungen bei der Räume, die zwischen EU- und nationaler Ebene liegen und für Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit. die es keine formalen Verwaltungsstrukturen gibt. Auf diesem Level ist die transnationale Zusammenarbeit eine wichtige Vo- Input-Papier von Interact raussetzung für eine harmonische Entwicklung nachhaltiger Dieses Input Papier ist das Ergebnis einer von Interact organi- Strategien. Damit sind zwei ihrer wesentlichen Merkmale ange- sierten Workshop-Reihe mit Experten zur Zukunft der transnati- sprochen: Der territoriale Ansatz und die Governance-Orientie- onalen Zusammenarbeit. Es fließt als gemeinsamer Beitrag in rung. Interreg hilft, Vertrauen zwischen Individuen und europä- die interne Diskussion der Europäischen Kommission über In- ischen Institutionen aufzubauen und damit die europäische terreg nach 2020 ein und spiegelt die Erfahrungen aus 30 Staa- Identität zu stärken. ten und 15 Programmen wider. Arbeitspapier der AG Interreg V B Für die Fortentwicklung der transnationalen Zusammenarbeit Was die strategische Positionierung der Interreg B-Programme nach 2020 schlägt die Expertengruppe ein verstärktes Zusam- nach 2020 angeht, so spricht sich das Arbeitspapier der AG In- menwirken mit anderen Förderinstrumenten der EU vor. Dafür terreg V B, das von den Vorsitzenden der Deutschen Ausschüs- sollten mögliche Synergien bereits beim Programmierungspro- se der sechs Programmräume auf Länderebene unter Vorsitz zess mitgedacht werden. Zudem fordert sie, dass der Laborcha- des Bundesministeriums für Verkehr digitale Infrastruktur (BM- rakter von Interreg-Projekten betont und politische Lernpro- VI) erarbeitet wurde, für eine bessere Einbettung der geför- zesse bzw. der Ergebnistransfer verstärkt werden. Transnationale derten Projekte in die EU-Kohäsionspolitik aus. Auch künftig Zusammenarbeit ist komplex in der Verwaltung und verfügt sollten die Interreg B-Kooperationsräume auf Grundlage ihrer über ein vergleichsweise geringes Budget. Vor diesem Hinter- jeweiligen Stärken, Schwächen, Möglichkeiten und bestehen- grund regen die Experten eine Anpassung des Rechtsrahmens der Trends weiterentwickelt werden. Zudem wird betont, dass an und fordern eine eigene Verordnung. Insbesondere beim es Synergien, etwa durch Makroregionen, noch stärker zu nut- Evaluationsrahmen sprechen sie sich für eine bessere Ausgewo- zen gilt. Die individuellen Voraussetzungen der einzelnen Räu- genheit zwischen der Prüfung und der Ergebnisorientierung der me sollten, was Geographie sowie Strukturen in Verwaltung, Programme aus. Ergebnisse der Interreg-Projekte sollten zu- Politik und Wirtschaft betrifft, auch nach 2020 berücksichtigt dem künftig sichtbarer sein, insbesondere für die Bürger. werden. Das Papier der AG Interreg V B finden Sie auf der Startseite von In Hinblick auf Rahmenbedingungen und Vereinfachungen der www.interreg.de Interreg B-Programme spricht sich die AG Interreg für ange- passte, spezifische Indikatoren zur Darstellung der Ergebnisse Das Input-Paper von Interact finden Sie auf www.interact-eu.net von Interreg B aus. Projektergebnisse sollten besser genutzt unter dem Punkt „Ideas for Interreg post 2020“ und in Entscheidungsprozesse eingebunden werden. Außer- dem fordert die AG die Förderung weicher und intersektoraler Themen sowie die Ermöglichung von kleinen, niedrigschwel- ligen Projekten. Interreg B, die Mainstream-Programme und Interreg B Journal 03|2017 [7]
Aktuelle Veröffentlichungen von BBSR und BMVI Bilanz, Erfahrungen, Modelllösungen Wie sieht die Bilanz der transnationalen Zusammenarbeit zur Halbzeit der aktuellen Förderperiode aus? Welche langfristigen Wir- kungen hat sie bislang erzielt? Wie lassen sich europäische Modelllösungen, die im Rahmen von Interreg B erarbeitet wurden, bes- ser verwerten und verbreiten? Welche Erfahrungen haben Kooperationspartner mit europäischen Verbünden für die territoriale Zusammenarbeit (EVTZ) gemacht? Diesen Fragen sind verschiedene aktuelle erschienene Publikationen des BBSR und des BMVI nachgegangen. Europäische Zusammenarbeit stärkt Städte und Regionen! Europäische Modelllösungen nutzen! BMVI-Veröffentlichung, Hrsg.: BMVI, Berlin, April 2017; MORO-Informationen, Hrsg.: BMVI, Berlin, Mai 2017; Stichwort: Städte und Regionen Stichwort: MORO-Informationen Heft Nr. 17/1 2017 Nach etwa der Hälfte der offiziellen Programmlaufzeit (2014- Die Publikation zeigt auf, wie gute Interreg-Ergebnisse über das 2020) wird in der Broschüre Bilanz gezogen und ein Ausblick auf Projektende hinaus ihren Weg in die Praxis finden können. An- die zukünftige Zusammenarbeit gegeben. Dazu werden die Pro- hand von beispielhaften Projekten wird gezeigt, welchen Wert gramme der transnationalen Zusammenarbeit, ihre Funktions- die Zusammenarbeit in den transnationalen Kooperationsräu- weise und ihr Mehrwert vorgestellt. Langfristige Wirkungen men hat. Für alle, die Interreg-Projekte planen oder durchfüh- und die Übertragbarkeit von Modelllösungen werden themati- ren, enthält die Veröffentlichung Tipps, wie die eigenen Pro- siert und die sechs Programmräume mit deutscher Beteiligung jektergebnisse besser verwertet werden können. sowie beispielhafte Projekte zu verschiedenen Themen der transnationalen Zusammenarbeit vorgestellt. Abschließend widmet sich die Broschüre den Perspektiven für die künftige Zu- sammenarbeit ab 2021. Erfahrungen aus Europäischen Verbünden für territoriale Zu- sammenarbeit (EVTZ) MORO Praxis-Heft, Hrsg.: BMVI, Berlin, Mai 2017; Stichwort: MORO Praxis Heft 7 / 2017 „Europäische Verbünde für territoriale Zusammenarbeit“ (EVTZ) sind ein Instrument zur verbesserten Kooperation zwi- schen Mitgliedstaaten, regionalen und lokalen Gebietskörper- schaften in der EU. Die Bildung solcher Verbände ist bereits seit 2006 möglich, allerdings gibt es in Deutschland bislang wenig Alle Publikationen liegen auf Deutsch sowie teilweise auf Eng- Erfahrung mit diesem Instrument. Anhand von drei Beispielen lisch vor. Sie sind unter Nennung des Stichworts kostenfrei zu be- beleuchtet die Veröffentlichung die Erfahrungen von Regionen ziehen bei beatrix.thul@bbr.bund.de bei der Gründung, in der Startphase und während der lau- Weitere Informationen: fenden Arbeit von EVTZ. Das MORO-Praxis-Heft trägt dazu bei, www.interreg.de >> Service >> Veröffentlichungen von den Erfahrungen anderer zu lernen und sie im Spiegel der eigenen Situation zu interpretieren. i1 Bundesinstitut Im Rahmen der „Europäischen territorialen Zusammenarbeit“ der europäischen Strukturpolitik – besser bekannt unter dem Programmtitel Interreg B – för- für Bau-, Stadt- und dert die Europäische Union die transnationale Zusammenarbeit in staatenübergreifenden Kooperationsräumen mit dem Ziel einer integrierten räumlichen Raumforschung Entwicklung. Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung informiert die Fachöffentlichkeit und befördert den Ergebnistransfer, organisiert den bundesweiten im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung Austausch, vertritt den Bund in Lenkungsausschüssen und unterstützt im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur Projekte von besonderem Bundesinteresse im Rahmen des „Bundesprogramms Transnationale Zusammenarbeit“. IMPRESSUM Herausgeber: Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) | Deichmanns Aue 31-37 | 53179 Bonn Ansprechpartnerin: BBSR | Referat I 3 | Europäische Stadt- und Raumentwicklung | Brigitte Ahlke | interreg@bbr.bund.de | www.bbsr.bund.de | www.interreg.de Redaktion & Gestaltung: Deutscher Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e.V. | Littenstraße 10 | 10179 Berlin Druck: Spree Druck Berlin GmbH | Wrangelstraße 100 | 10997 Berlin Bezugsquelle: beatrix.thul@bbr.bund.de | Stichwort: Interreg Journal Bildnachweis: Titelbild: Alekss, Fotolia.com | Seite 2: Katrinz, Fotolia.com | Seite 2: cpt212, Fotolia.com | Seite 3: Miss Mafalda, Fotolia.com | Seite 3: Uni Kassel Seite 4: Landesamt für Archäologie Sachsen, Martin Jehnichen | Seite 4: Landesamt für Archäologie Sachsen, Klaus Bostelmann | Seite 6: Ursula Clever | Seite 6: Pixabay, Pexels.com Nachdruck und Vervielfältigung: Alle Rechte vorbehalten | Nachdruck nur mit genauer Quellenangabe gestattet. Bitte senden Sie uns zwei Belegexemplare zu. Die vom Auftragnehmer vertretene Auffassung ist nicht unbedingt mit der des Herausgebers identisch. Bonn 2017 Interreg B Journal 03|2017 [8]
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