Beanspruchung und Achtsamkeit im Referendariat: Theoretische Einbettung des Konzepts Achtsamkeit in den Diskurs zur Beanspruchung in der ...

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PR 2021, 75. Jahrgang, S. 425-436
              © 2021 Philipp Beuchel / Colin Cramer - DOI https://doi.org/10.3726/PR042021.0038

                               Philipp Beuchel / Colin Cramer

           Beanspruchung und Achtsamkeit
                   im Referendariat:
         Theoretische Einbettung des Konzepts
            Achtsamkeit in den Diskurs zur
          Beanspruchung in der Lehrerbildung

1. Einführung                                              eigene Bewertungssituation, hinzu. Solche
                                                            Belastungen gehen mit eingeschränktem
Der Lehrerberuf wird von Lehrpersonen                       Wohlbefinden und ungünstigeren Ein-
als besonders beanspruchend wahrge-                         stellungen gegenüber der Arbeit einher
nommen. Insbesondere der tätigkeitsbe-                      und das Beanspruchungserleben, z.B. in
dingte Stress aufgrund der Komplexität                      Form der Burnout-Merkmale Erschöpfung
der Handlungssituationen und die Unsi-                      und Zynismus, nimmt im Verlauf des Refe-
cherheit bezüglich der Folgen des eigenen                   rendariats zu.4 Die zweite Ausbildungspha-
Handelns werden dafür verantwortlich ge-                    se stellt somit einen sensiblen Abschnitt
macht.1 Zwar äußern Lehrpersonen häufig                     im Berufsleben von Lehrpersonen dar.
trotz hoher beruflicher Beanspruchung im                    Im Gegensatz zum späteren Berufsalltag
Vergleich zu vielen anderen Berufsgrup-                     drängt sich hier die Frage nach der poten-
pen eine große Zufriedenheit mit ihrem                      ziell durch Belastung und Beanspruchung
Beruf, und Aussagen, nach denen der                         beeinträchtigten individuellen Professiona-
Lehrerberuf offenbar Menschen mit einem                     lisierung (z.B. mit Blick auf den Kompeten-
stress- bzw. burnoutanfälligeren Persön-                    zerwerb) im Referendariat auf.
lichkeitsmuster anzieht und für den auffäl-                      Dieser Beitrag kontextualisiert vor dem
lig viele Frühverrentungen charakteristisch                 Hintergrund von Theorien zur Belastung
sind, wurden relativiert, in dem Sinne,                     und Beanspruchung im Lehrerberuf em-
dass diese Merkmale ähnlich ausgeprägt                      pirische Befunde zur spezifischen Belas-
sind wie in vergleichbaren Berufsgrup-                      tungssituation im Referendariat und stellt
pen.2 Dennoch sind Lehrpersonen starken                     das Konzept Achtsamkeit als ein mögli-
berufsspezifischen Belastungen ausge-                       ches Werkzeug des Umgangs mit Bean-
setzt, wie z.B. Lärm, oder dem Umgang                       spruchung vor. Hierzu werden Theorien
mit sogenannten „schwierigen“ Schülern.3                    der spezifischen Wirkungsweise von Acht-
     Im Referendariat kommen zu diesen                      samkeit für den Diskurs von Belastung und
allgemeinen Belastungen noch spezifische                    Beanspruchung fruchtbar gemacht sowie
Faktoren, wie z.B. Rollenkonflikte und die                  empirische Befunde diskutiert. Diese

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können das Potenzial von Achtsamkeit                        voraussetzt), emotionsorientiertes Coping
im Kontext der Lehrerbildung aufzeigen                      (es wird hauptsächlich die in Folge einer
und bilden die theoretische Grundlage                       Belastung entstandene emotionale Erre-
für weitere Teilstudien eines bestehenden                   gung gemindert) und bewertungsorientier-
Forschungsprojekts, in dem wir eine Acht-                   tes Coping (dieses betrifft die individuellen
samkeitsintervention empirisch auf ihre                     Einschätzungen zur Intensität der Belas-
Wirkungen sowohl auf der beobachtbaren                      tung und den zur Verfügung stehenden
Verhaltensebene (Videostudie) als auch                      Ressourcen). Das Individuum ist an der
auf biophysiologischer Ebene (klinische                     Umwelt-Person-Wechselwirkung               ent-
Studie) überprüfen werden.                                  scheidend beteiligt durch seine Bewer-
                                                            tung von potenziellen Belastungsfaktoren,
                                                            wie Lautstärke oder Schülerverhalten,
2. Theoretische Rahmung                                    im Hinblick auf deren Bedeutung für das
                                                            persönliche Wohlbefinden sowie deren
Die Begriffe Belastung und Beanspru-                        Kontrollierbarkeit. Diese Bewertungen re-
chung werden in der einschlägigen                           kurrieren auf vorhergehende Erfahrungen
Literatur unterschiedlich definiert. Wir ver-               und Einschätzungen der eigenen zur Ver-
wenden sie in dieser Arbeit in Anlehnung                    fügung stehenden Ressourcen. Sie sind
an die DIN-Norm EN ISO 10075-15 wie                         interindividuell und intraindividuell variabel.
folgt: Belastung bezeichnet eine objek-                     Das besondere Potenzial des Transakti-
tive Umweltbedingung oder einen Reiz,                       onalen Stressmodells zur theoretischen
die oder der auf das Individuum wirkt und                   Rahmung der spezifischen Situation von
dabei eine Anforderung darstellt. Bean-                     Lehrpersonen im Referendariat liegt in der
spruchung wird die subjektive Aufnahme                      Betrachtung der Flexibilität der kognitiven
der Umweltfaktoren eines Individuums ge-                    Bewertungen als wichtiger Ressource für
nannt, welche durch dessen individuelle                     einen adäquaten Umgang mit Belastun-
Voraussetzungen (persönliche Geschich-                      gen. Das Job Demands-Resources Mo-
te, momentaner Zustand und verfügbare                       dell8 schreibt vorhandenen Ressourcen
Bewältigungsstrategien) beeinflusst ist.                    einen puffernden Einfluss auf den Effekt
Sie wird durch abfragbare Einstellungen                     von Belastungen beim Entstehen von Be-
oder Bewertungen und messbare Ver-                          anspruchung zu. Beispielsweise erhöht
änderung von Körperfunktionen gekenn-                       eine Einschränkung der Ressource Er-
zeichnet.                                                   holung die Wahrscheinlichkeit, dass eine
    Im lehramtsspezifischen Diskurs zur                     hohe Arbeitsbelastung als beanspruchend
Belastung und Beanspruchung wird auf                        oder gar als Überforderung wahrgenom-
arbeits- und organisationspsychologische                    men wird.
Modelle rekurriert.6 Dem Transaktiona-                          Es stellt sich folglich die Frage, wie
len Stressmodell7 zufolge entsteht Stress                   Referendare darin unterstützt werden
(im Sinne einer Beanspruchung) aus der                      können, ihre Ressourcen möglichst opti-
Wechselwirkung zwischen Umwelt und                          mal zu nutzen. Wenn belastende Situati-
Individuum. Beim Umgang mit Belastun-                       onen nicht mehr adäquat durch sinnvolle
gen unterscheidet das Transaktionale                        Coping-Mechanismen oder eine Erholung
Stressmodell zwischen verschiedenen                         im Nachhinein bewältigt werden können,
Bewältigungsstrategien: Problemorientier-                   dann werden auf lange Sicht Ressourcen
tes Coping (die belastende Situation wird                   des Organismus gebunden, um Stress zu
durch direkte Handlung verändert, was ent-                  bewältigen.9 Dies ist einerseits der Ge-
sprechende Fähigkeiten als Ressourcen                       sundheit abträglich, andererseits besteht

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vor dem Hintergrund einer verminderten                      in den einschlägigen empirischen Studien
Arbeitsgedächtnisleistung und kognitiven                    bislang allerdings kaum aufgenommen.
Flexibilität unter Belastung das Risiko,                    Dietrich, der in Bezug auf Belastung im
dass andere berufliche Aufgaben und                         Referendariat von „Krisenkonstellationen“
Ziele nur in verminderter Intensität verfolgt               spricht, weist zudem auf eine Divergenz
bzw. die motivationalen Ressourcen für                      zwischen quantitativ erhobenen Daten zur
komplexere Aufgaben nicht bereit gestellt                   Einschätzung des Referendariats, welche
werden können.                                              ein positiveres Bild zeichnen, und quali-
                                                            tativ erhobenen Daten, welche deutliche
                                                            Hinweise auf berufsphasenspezifische
3. Spezifische Belastungsfaktoren                          Belastungen geben, hin.12 Es stellt sich
    im Referendariat                                        die Frage, welche Belastungsfaktoren im
                                                            Referendariat besonders prominent sind
Das Referendariat wird von den Beteilig-                    und ob es von den Charakteristika dieser
ten (Referendaren sowie Ausbildenden)                       Phase mit abhängt, warum genau diese
als eine besonders beanspruchende                           Faktoren persönlich als besonders bean-
Phase des Berufslebens angesehen.                           spruchend wahrgenommen werden.
Eine zwar aus dem Jahr 1984 stammen-                             Als ein typischer Belastungsfaktor
de, aber in diesem Umfang singuläre in-                     im Referendariat gilt die hohe Arbeits-
ternationale Meta-Analyse von Veenman                       zeit bzw. fehlende Freizeit. Zusätzlich zu
erwähnt acht zentrale Belastungsfaktoren                    Belastungsspitzen, wie z.B. Unterrichts-
in der Zeit des Berufseinstiegs, und zwar                   besuchen, nimmt ebenso die alltägliche
Disziplin, Motivierung, Umgang mit indi-                    Unterrichtsvorbereitung neben dem ei-
viduellen Unterschieden, Bewertung der                      genverantwortlichen Unterrichten erhebli-
Lernleistung, Elternarbeit, Unterrichts-                    che Zeit ein. Weiterhin sind die Kurse am
organisation, ungenügendes und/oder                         Studienseminar und die Prüfungsvorberei-
unpassendes Lehrmaterial, Umgang mit                        tung sowie die Kooperation im Kollegium
individuellen Problemen der Lernenden.10                    in die hohe Arbeitszeit mit einzubeziehen.
Die darauf aufbauende Schlussfolgerung,                     Die Kombination aus kontinuierlich hoher
Referendare seien im Grunde keinen an-                      Arbeitsbelastung und zusätzlichen Belas-
dersartigen Belastungen ausgesetzt als                      tungsspitzen kann es für die Referendare
erfahrene Lehrpersonen, kann angesichts                     schwieriger als für Studierende oder regu-
von Befunden zur berufsphasenspezifisch                     lär arbeitende Lehrkräfte machen, die An-
höheren Beanspruchung durch Unterricht                      forderungen im Sinne des Transaktionalen
und Organisation von Arbeitsabläufen                        Stressmodells als kontrollierbar oder zu
während des Referendariats im Vergleich                     bewältigen zu bewerten.
zu den ersten Berufsjahren11 kritisch be-                        Weiterhin stehen viele Referendare
trachtet werden. Des Weiteren erscheinen                    vor der Schwierigkeit, dass sie sich von
in der genannten Arbeit für den Berufsein-                  der Arbeit auch während der Freizeit in-
stieg charakteristische Belastungsfaktoren                  nerlich schlecht distanzieren können und
wie z.B. ungenügende Vorbereitungszeit                      folglich die Erholungszeit kritisch sinkt.13
oder die (Un-)Kenntnis der schulinternen                    Einerseits stellt die enge Einbindung in die
Regeln, welche eine sehr hohe Relevanz                      neue Arbeitsumgebung mit pädagogischer
besitzen, was sich in einem hohen Rang-                     Verantwortung eine phasenspezifische An-
median-Score (priorisierte Wichtigkeit in-                  forderung dar. Andererseits wird hier die
nerhalb der Nennung mehrerer Faktoren)                      strukturell bedingte, schwierige Trennung
widerspiegelt. Solche Faktoren wurden                       von Beruflichem und Privatem als Ursache

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angeführt, welche das Erwerben von Di-                      die Abwesenheit transparenter, objektiver
stanzierungsfähigkeit als wichtigen Faktor                  Beurteilungskriterien sowie eine „unpas-
für den Aufbau der Ressource Erholung                       sende“ Zuteilung der ‚Lehrproben‘-Klasse
erscheinen lassen.                                          als mögliche Belastungen erwähnt.17 Die
     Ein von den Ausbildenden im Refe-                      empfundene Intransparenz der Anforde-
rendariat häufig genannter Belastungsfak-                   rungen mag dadurch verstärkt werden,
tor, der von den Referendaren ebenfalls                     dass die geprüfte ‚Lehrproben‘-Stun-
wahrgenommen wird, ist der systemim-                        de durch ausführliche Vorbereitung ein
manente Rollenkonflikt, in dem sich die                     Niveau haben soll, welches im schulischen
jungen Lehrpersonen befinden: Einerseits                    Alltag der Mentorierenden kaum erreicht
stehen sie nun vor Klassen in der Rolle                     wird. Dies kann zu Gefühlen fehlender
als Lehrperson, andererseits sind sie im                    Wertschätzung, unfairer Behandlung und
Studienseminar und im beobachteten Un-                      der Unkontrollierbarkeit der Prüfungssi-
terricht weiterhin selbst in der Rolle der                  tuation führen, welche zusammen mit der
Lernenden. Dies kann Auswirkungen auf                       hohen Bedeutung der Prüfungsnoten für
die Erfahrung von Selbstwirksamkeit sei-                    die eigene berufliche Zukunft eine erheb-
tens der Referendare haben. Eine vermin-                    liche Belastung in dieser Phase darstellen,
derte Selbstwirksamkeit wird wiederum                       die zu massivem Beanspruchungserleben
mit negativen Konsequenzen für das Be-                      führen kann.
anspruchungserleben (wie z.B. emotiona-                          Zusammenfassend kann im Referenda-
ler Erschöpfung) in Verbindung gebracht.14                  riat von einem im Vergleich zum Lehramts-
Des Weiteren sind Dozierende am Studien­-                   studium und zur regulären Berufsausübung
seminar sowie die Mentorierenden an der                     eher höheren Beanspruchungsrisiko der
Schule nicht zwangsläufig und oft nur in                    (angehenden) Lehrpersonen ausgegan-
sehr geringem Umfang zusätzlich für ihre                    gen werden. Dieses leitet sich von einem
Lehr- bzw. Mentoratstätigkeit qualifiziert,                 höheren Zeitdruck, Rollenkonflikten, spe-
was bei nicht wenigen Referendaren der                      zifischen Anforderungen und Gratifikati-
Potsdamer Lehrerstudie, trotz eines posi-                   onskrisen sowie organisationsspezifischen
tiven Gesamturteils der Betreuung, dazu                     Faktoren ab. In der Kombination können
führte, dass die Referendare das metho-                     solche Belastungen individuell zu einer
dische Repertoire ihrer Mentorierenden                      besonders beanspruchenden Phase in der
als begrenzt einschätzten, eine intensive-                  Berufsbiografie führen.
re Fortbildung ihrer Mentorierenden für                          Es gibt empirische Befunde, welchen
notwendig hielten und ihnen eine geringe                    zufolge Referendare positivere Einstellun-
Offenheit für Kritik bescheinigten.15 Vor                   gen als erfahrene Lehrpersonen bezogen
diesem Hintergrund birgt der Rollenkon-                     auf ihr Entwicklungspotenzial, die Bedeu-
flikt mit den Mentorierenden das Potenzial                  tung der Arbeit und die Verbundenheit mit
für Gratifikationskrisen16 im Sinne eines                   dieser zeigen; die emotionale Erschöpfung
als unfair wahrgenommenen impliziten Ar-                    steigt im Verlauf zwar an, bleibt aber auf
beitsvertrags, ebenfalls in Verbindung mit                  einem ähnlichen Niveau wie bei erfahre-
einem erhöhten Beanspruchungserleben.                       nen Lehrpersonen und sinkt zum Ende
     Schließlich verbindet sich mit den so-                 des Referendariats sogar wieder etwas.18
genannten ‚Lehrproben‘ als zentralem Prü-                   Gleichzeitig finden sich jedoch höhere Be-
fungselement eine gewisse Unsicherheit                      wertungen der Anforderungen in quantita-
der Prüfungspraxis, die mit Beanspruchung                   tiver wie emotionaler Hinsicht im Vergleich
einhergehen kann. In ethnografischer und                    zu erfahrenen Lehrpersonen und gleich-
rekonstruktiver Sozialforschung werden                      altrigen anderweitig Berufstätigen, die mit

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einer stärkeren Ausprägung von Bean-                        und (c) Kosten für die Gesellschaft durch
spruchung in Form von erhöhten Werten                       Arbeitsunfähigkeit und krankheitsbeding-
von Burnout, Gedanken an Berufsauf-                         te Leistungseinschränkungen. Während
gabe und kognitiven Stresssymptomen                         des Referendariats kommen die genann-
einhergehen.19 Im Verlauf des Referenda-                    ten Folgen zwar weniger zum Tragen, da
riats nehmen körperliche Beschwerden zu                     sie wahrscheinlicher auf eine länger an-
sowie psychisches Wohlbefinden ab und                       haltende Beanspruchungsdauer zurück-
junge Lehrpersonen berichten zudem von                      zuführen sind. Allerdings zeigte sich eine
weniger positiven und mehr negativen be-                    Stabilität von Bewertungs- und Bewäl-
ruflichen Erlebnissen als in den ersten Be-                 tigungsmustern im Referendariat sowie
rufsjahren nach dem Referendariat.20 Im                     von Belastungserleben über die ersten
Überblick erscheint demnach ein über den                    Berufsjahre hinweg.23 Dies unterstreicht
Verlauf des größten Teils des Referenda-                    die Relevanz des Erlernens eines ge-
riats steigendes Beanspruchungserleben                      sunden Umgangs mit den „besonderen
als gesichert. In Bezug auf den Vergleich                   Anforderungen des Lehrerberufs“, wie
von Referendaren mit erfahrenen Lehrkräf-                   in den Standards für Lehrerbildung der
ten oder anderen Berufsgruppen liegen                       Kultusministerkonferenz beschrieben24,
gemischte Befunde vor, welche zudem                         zur Minderung der Beanspruchungsfol-
schwierig zu vergleichen sind, da oftmals                   gen in der Berufsbiografie. Als vierter
unterschiedliche Testzeitpunkte innerhalb                   Bereich ist während dieser Phase zudem
des Referendariats vorliegen.                               (d) verminderter Kompetenzerwerb wäh-
     Die insgesamt beschränkte Anzahl                       rend der Ausbildung besonders relevant.
von Studien zu Belastungsfaktoren und                       Das Referendariat zielt auf einen deut-
Beanspruchung im Referendariat sowie                        lichen Zuwachs an berufspraktischen
deren durch divergierende Methodik bzw.                     Kompetenzen und an Reflexivität – Fä-
Studiendesigns eingeschränkte Vergleich-                    higkeiten, die für das zukünftige Berufs-
barkeit lassen eine systematische Review                    leben als sehr bedeutsam angenommen
oder gar Meta-Analyse der zum Refe-                         werden, spätestens seit der Forschung
rendariat vorliegenden Befunde derzeit                      zum sog. „Praxisschock“ im Übergang
noch als wenig sinnvoll erscheinen.                         vom Referendariat in das reguläre Be-
                                                            rufsleben. Die Belastung im Referendari-
                                                            at kann zwar in angemessenem Ausmaß
4. Folgen hoher Beanspruchung                              eine „professionalisierende Irritation von
    im Referendariat                                        Routine“25 darstellen; kritisch erscheinen
                                                            demgegenüber allerdings Ergebnisse
Im Vergleich zu den personen- und be-                       der empirischen Forschung, wonach die
rufsbezogenen Ursachen von Beanspru-                        Selbstwirksamkeit und Einschätzung ei-
chung im Referendariat gibt es zu den                       gener überfachlicher Kompetenzen (Re-
Folgen hoher Beanspruchung wenige                           flexionskompetenz, sozial-kommunikative
gesicherte Erkenntnisse. In Bezug auf                       Kompetenz, Selbstregulationskompetenz,
den Lehrerberuf im Allgemeinen las-                         Selbstorganisationskompetenz, Verände-
sen sich drei Bereiche von negativen                        rungsbereitschaft) von angehenden Lehr-
Beanspruchungsfolgen     unterscheiden:                     personen im Referendariat sinken oder
(a) häufigere Erkrankungen, wobei vor                       allenfalls sehr gering steigen und mit der
allem psychische Erkrankungen eine ver-                     wahrgenommenen Beanspruchung ne-
gleichsweise große Rolle spielen;21 (b)                     gativ korrelieren; auch können die Wahr-
Verminderung der Unterrichtsqualität;22                     nehmung der eigenen Person und die

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Fähigkeit, bewusste Entscheidungen zu                       die Bewusstheit, die durch die intendierte
treffen, im Ausbildungsverlauf nachlas-                     Lenkung der Aufmerksamkeit auf die Er-
sen.26 Eine zu hohe Beanspruchung steht                     fahrung des jetzigen Moments entsteht,
demzufolge im Widerspruch mit dem in-                       ohne diese Erfahrung abzuwerten oder
tendierten Kompetenzerwerb und der                          überzubetonen,29 oder als offene und re-
Steigerung von Reflexivität und kann sich                   zeptive Aufmerksamkeit mit häufigerer
damit als ungünstig für die individuelle                    oder länger andauernder Bewusstheit der
Professionalisierung erweisen.                              vor sich gehenden Ereignisse und Erfah-
    Das Argument einer möglichen Selekti-                   rungen.30 Das Konstrukt Achtsamkeit kann
on geeigneter Referendare durch erhöhte                     über Selbstauskünfte mittels Fragebögen
Belastungen erscheint nicht nur aus ethi-                   erfasst werden: Am weitesten verbreitet
scher Perspektive höchst fraglich. Die Pro-                 erscheinen die Inventare Mindful Atten-
fessionalisierungsanforderung ‚Umgang                       tion and Awareness Scale (MAAS) und
mit Stress‘ erfährt im Gegenzug während                     Five Facets of Mindfulness Questionnaire
des Referendariats kaum eine systemati-                     (FFMQ).31 Achtsamkeitsbasierte Interven-
sche Unterstützung, obwohl hinreichend                      tionen wurden beginnend mit dem Kursfor-
erforscht wurde, dass gerade in Mentors-                    mat Mindfulness-Based Stress Reduction
hips wie dem Referendariat eine Balance                     (MBSR) seit den 1980er Jahren entwickelt
zwischen ‚challenge‘ und ‚support‘ der                      und später für andere Kontexte adaptiert,
Professionalisierung zuträglich ist.27                      beispielsweise zur kognitiven Therapie
    Bezogen auf die Prävention und Inter-                   von Depressionen. Für deren klinische
vention werden in der Literatur verschiede-                 Wirksamkeit wurden mehrfach Hinweise
ne Programme des Stress-Managements,                        gefunden, ebenso wie positive Effekte auf
Entspannungsverfahren usw. diskutiert.28                    Immunsystem und Neurophysiologie.32
Eine explizitere Thematisierung des The-                        In der jüngeren Vergangenheit wur-
menkomplexes Belastung und Beanspru-                        den bereits einige Achtsamkeitstrainings
chung in der Lehrerbildung könnte einen                     mit Lehrpersonen implementiert und er-
Weg darstellen, um eine gewisse Belas-                      forscht. Die bisherigen Einzelbefunde an
tungstoleranz als zum Berufsbild gehörig                    zumeist kleineren, nicht randomisierten
wahrzunehmen und im Sinne der Stan-                         Stichproben geben Anhaltspunkte für
dards für die Lehrerbildung potenzielle                     positive Wirkungen: Die Teilnehmenden
Handlungsoptionen aufzuzeigen.                              berichteten über eine gesteigerte Acht-
                                                            samkeit, verringerten allgemeinen sowie
                                                            berufsbezogenen Stress, ein geringeres
                                                            Maß an burnoutbezogenen Merkmalen,
5. Achtsamkeit als eine
                                                            ein größeres Wohlbefinden und eine
    Möglichkeit des Umgangs                                 bessere berufsbezogene Selbstfürsor-
    mit hoher Belastung                                     ge.33 Achtsamkeitsbasierte Trainings für
    im Referendariat                                        Lehrpersonen stellen allerdings bisher
                                                            ein (methodisch) unzureichend erforsch-
Die bislang sehr geringe Beachtung des                      tes Feld dar. Studien, welche neben den
Ansatzes der Achtsamkeit im Kontext der                     Selbstauskünften noch andere Daten-
Lehrerbildung ist angesichts der Populari-                  quellen nutzen, sind die Ausnahme. For-
tät in anderen Bereichen, der praktischen                   schung zu Achtsamkeitsinterventionen
Durchführbarkeit und der Befunde zu                         speziell im Referendariat ist bis jetzt noch
dessen Effizienz erstaunlich. Achtsamkeit                   nicht bekannt. Konform zu den erwähnten
wird klassischerweise beschrieben als                       Befunden aus der späteren Berufsphase

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und den stabilen Resultaten in anderen                      erforscht. In der nachfolgenden Darstel-
Stichproben gehen wir davon aus, dass                       lung leiten wir daher auf der Basis der
sich die positiven Wirkungen ebenfalls bei                  Einordnung empirischer Befunde und the-
Referendaren zeigen sollten.                                oretischer Überlegungen spezifische Hy-
    Neben der direkten Beanspruchungs-                      pothesen ab.
reduktion, wie sie ebenfalls in anderen                          Die Fähigkeit, die eigene Aufmerk-
auf den Lehrerberuf zugeschnittenen                         samkeit selbst zu regulieren, d.h. neben
Programmen oder einzelnen Entspan-                          dem ersten Eindruck bewusst verschie-
nungstechniken intendiert wird, wurden                      dene Wahrnehmungen, Assoziationen
bei Achtsamkeitstrainings eine Vielzahl                     und Deutungen zuzulassen, gilt als die
weiterer positiver Effekte auf Aufmerksam-                  profundeste Wirkung von Achtsamkeit
keitsregulation, Konzentration, Empathie,                   und wird von Teasdale als metakognitive
Emotionsregulation und Lebenszufrie-                        Einsicht bezeichnet.37 Belastende Ge-
denheit gefunden.34 Damit stellt sich die                   danken und Gefühle können mit innerer
Frage, ob insbesondere die im Bereich                       Distanz beobachtet und als temporäre
der beruflichen Kompetenzen bzw. deren                      mentale Ereignisse im Gegensatz zu fest-
Voraussetzungen angesiedelten Effek-                        stehenden Wahrheiten aufgefasst werden,
te vergleichbar mit Programmen sind,                        wodurch sie als weniger beanspruchend
die bestimmte pädagogisch-didaktische                       bewertet werden können. Diese Fähig-
Kompetenzen (z.B. Classroom-Manage-                         keit setzt somit am Umgang mit dem Be-
ment) fördern, zu einer Vorentlastung von                   anspruchungserleben an, welches durch
potenziell beanspruchenden Situationen                      vorteilhafte bzw. ungünstige Denkmuster
führen können und damit einen kombinier-                    jeweils vermindert bzw. verstärkt werden
ten Mehrwert von Achtsamkeitstrainings                      kann. Dass die persönlichen Eigenschaf-
darstellen. Die Ergebnisse zu gesteigerter                  ten, zu denen eigene Bewertungs- und
Selbstwirksamkeit, verbesserter Emoti-                      Deutungsmuster zählen, für die Beanspru-
onsregulation sowie weniger Angst und                       chung im Lehrerberuf letztlich offenbar
Problemen in Beziehungen deuten in                          bedeutsamer als die Umgebungsfaktoren
Stichproben mit Lehrpersonen in diese                       sind, untermauern die Daten einer Studie
Richtung.35 Allerdings ist die Befundlage                   mit einer Stichprobe von 1789 Mathema-
im Bereich der Kompetenzen und auf Un-                      tiklehrkräften: Die größten Unterschiede
terrichtsebene im Vergleich zum Bereich                     im Belastungserleben (hier: emotionale Er-
der Beanspruchung als noch dünner zu                        schöpfung) zeigten sich innerhalb und nicht
bewerten. Zudem fanden Klingbeil und                        zwischen den Schulen, und selbst Fakto-
Renshaw in ihrer Meta-Analyse von 2018                      ren der Schulebene, wie Unterstützung
in diesem Bereich geringere Effektstär-                     durch die Schulleitung oder Disziplinprob-
ken als bezüglich der gesundheitsbezo-                      leme, hatten nur einen geringen Einfluss.38
genen Outcomes, welche mittlere Effekte                     Das im Kontext von Achtsamkeitstrainings
aufwiesen.36                                                verstärkte Einüben der Aufmerksamkeits-
                                                            regulation kann hilfreich sein, um im Sinne
                                                            bewertungsorientierten Copings die im
6. Wirkungsweise von                                       Referendariat neu auftauchenden Belas-
    Achtsamkeit                                             tungen nicht als erdrückend wahrzuneh-
                                                            men oder rein external zu attribuieren,
Bezogen auf das Referendariat oder den                      sondern eigene Zuschreibungsmuster zu
Lehrerberuf wurde die Wirkungsweise                         durchschauen und möglicherweise gleich-
von Achtsamkeit noch nicht spezifisch                       zeitig den Wert von Anforderungen für

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die Professionalisierung oder die zeitliche                      Neben diesen vorrangig mittelfris-
Begrenztheit im Bewusstsein zu halten                       tig wirksamen Veränderungen vermitteln
und dadurch Beanspruchungserleben zu                        Achtsamkeitstrainings Fähigkeiten, die
mindern.                                                    das Beanspruchungserleben kurzfristig
     Damit zusammenhängend kann Acht-                       beeinflussen können, wie z.B. Entspan-
samkeit die Unterbrechung von Gedan-                        nung mittels Atemübungen,42 was die
kenkreisen schulen, d.h. von ungünstigen                    Ressource Erholung stärkt. Durch positive
Kognitionen, wie dem wiederholten Durch-                    Erfahrungen damit können zudem ähnliche
spielen von mit negativen Emotionen ver-                    Belastungen neu bewertet und als eher zu
bundenen Situationen (Ruminieren). Diese                    bewältigen eingestuft werden, was das
können innerlich distanziert betrachtet                     Beanspruchungserleben wiederum auf
werden und deswegen frühzeitiger als                        lange Sicht mindern kann.
nicht hilfreich erkannt und abgebrochen                          Über die gesundheitspsychologisch
werden. Es zeigte sich etwa, dass unter                     ressourcenstärkende und damit beanspru-
Lehrpersonen, die ruminieren, der Cor-                      chungsmindernde Wirkung hinaus werden
tisolspiegel nachmittags an Arbeitstagen                    Achtsamkeit noch weitere positive Effekte
im Gegensatz zum Wochenende und an                          zugeschrieben, welche ein problemori-
freien Tagen nicht absinkt.39 Diese nach-                   entiertes Copingverhalten unterstützen
mittägliche Persistenz des Stresshormons                    sollten43: Lehrpersonen, die an einem Acht-
legt eine eingeschränkte Erholung unter                     samkeitstraining teilnahmen, erreichten
der Woche nahe. Hülsheger und Kollegen                      eine verbesserte, fokussierte Aufmerksam-
fanden in einer Stichprobe Arbeitstätiger                   keit und eine größere Arbeitsgedächtnis-
einen positiven Zusammenhang zwischen                       kapazität. Außerdem zeigte sich in einer
der am Tag erlebten Achtsamkeit und der                     Gruppe von Ärzten nach der Teilnahme an
Schlafqualität in der folgenden Nacht,                      einem Achtsamkeitstraining ein häufigeres
welche über psychische Distanzierung                        Teilen von berufsrelevanten Erfahrungen
mediiert wurde.40 Achtsamkeit hat mittels                   sowie eine erhöhte Fähigkeit, Patienten
Distanzierungsfähigkeit das Potenzial, dem                  zuzuhören. Psychotherapeuten in Ausbil-
Organismus öfter zu Erholungspausen zu                      dung beschrieben sich selbst nach einem
verhelfen und somit die Beanspruchung                       Achtsamkeitstraining bei ihrer Arbeit wahr-
punktuell immer wieder abzusenken.                          scheinlicher als geduldig im Umgang mit
     Außerdem thematisieren Achtsam-                        Stille, aufmerksamer mit Blick auf die Klien-
keitstrainings die Kultivierung positiver                   ten sowie klarer in ihren Gedanken und als
Emotionen, wie z.B. Dankbarkeit und                         reflexionsfähiger. Übertragen auf das Refe-
Wertschätzung. Neben dem allgemeinen                        rendariat könnte Achtsamkeit zur erfolgrei-
Wohlbefinden kann sich dadurch die Fä-                      cheren Reflexion von selbst unterrichteten
higkeit verbessern, mit negativen Emoti-                    Stunden beitragen und den kollegialen
onen, wie z.B. Angst und Wut, und den                       Austausch befördern.
ihnen folgenden Handlungsimpulsen, um-                           Achtsamkeitstrainings könnten dem
zugehen.41 Eine gesteigerte Fähigkeit mit                   Forschungsstand zufolge positive Effek-
„schwierigen Emotionen“ und damit eben-                     te auf mehrere berufsphasenspezifische
falls Gratifikationskrisen umzugehen, kann                  Anforderungen im Referendariat haben
im Referendariat den Umgang mit der als                     (Rollenkonflikte, innere Distanzierung,
sensibel wahrgenommenen Leistungs-                          Unsicherheit der Bewertungspraxis, Zeit-
beurteilung (z.B. durch Mentorierende)                      management) und damit den Prozess der
als relevanten phasenspezifischen Belas-                    Professionalisierung unterstützen. Empi-
tungsfaktor unterstützen.                                   risch ist eine solche Vermutung bislang

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nicht geklärt. Ein Achtsamkeitstraining                     Gewissenhaftigkeit besteht.47 Unter ver-
stellt eine zusätzliche Anforderung dar,                    schiedenen Persön­lichkeitsmerkmalen,
indem es mit einer zeitlichen Verpflich-                    pädagogischen Vor­erfahrungen und pro-
tung einhergeht und weil ein zusätzlicher                   fessionellen Kompetenzen zeigt Neuro-
kognitiver Aufwand beim anfänglichen                        tizismus die größte prädiktive Wirkung
Erlernen der Achtsamkeitsübungen in die-                    auf das Erleben starker emotionaler Er-
ser Zeit nötig ist: Dieser Aufwand kann                     schöpfung und geringer beruflicher Zu-
zu geringerer Leistungsfähigkeit in ande-                   friedenheit von Referendaren; eine starke
ren Bereichen führen und zum regulären                      Ausprägung von Gewissenhaftigkeit sagt
Übungsverlauf gehören auch unange-                          hingegen eine günstige Ausprägung dieser
nehme Erfahrungen (körperlich wie psy-                      Variablen voraus.48 Des Weiteren erwei-
chisch).44 Insbesondere im Rahmen einer                     sen sich bei den etablierten Formaten im
zeitlich straffen und sehr herausfordern-                   klinischen Bereich motivationale Faktoren
den beruflichen Phase wie dem Refe-                         wie Interesse, Problembewusstsein und
rendariat muss dies einschränkend mit                       Veränderungsbereitschaft sowie die Frei-
bedacht werden. Ungewollte Effekte, wie                     willigkeit der Kursteilnahme als vorteilhaft.
z.B. ein Rückgang des beruflichen Ehrgei-
zes infolge einer Entspannung bzw. erhöh-
ten Distanzierungsfähigkeit, sind denkbar.                  7. Zusammenfassung
Dies deuten Ergebnisse aus einer Studie                         und Diskussion
zur Lehrerfortbildung an,45 wobei es rele-
vant ist, ob der Rückgang einen auf Dauer                   Das Referendariat stellt eine besonders
ungesunden oder einen angemessenen                          anforderungsreiche Phase in der Berufs-
Ehrgeiz betrifft. Des Weiteren könnte eine                  biografie von Lehrpersonen dar. Neben
rasche Steigerung der Wahrnehmungsfä-                       den tätigkeitsspezifischen Anforderungen
higkeit bei langsamerer Entwicklung der                     sind zusätzliche Belastungsfaktoren wie
Aufmerksamkeitsregulation in einer zu Ver-                  z.B. besondere Rollenkonflikte, Bewer-
antwortungsübernahme verpflichtenden                        tungsdruck, die Neuartigkeit der genann-
Umgebung zu Beanspruchung führen. Von                       ten Anforderungen und die Umstellung
solchen funktional einschränkenden Er-                      vom universitären Lernen zum Lernen im
fahrungen wird in qualitativen Studien zu                   Beruf charakteristisch. Diese Zuspitzung
negativen Wirkungen von zumeist fortge-                     der Belastungssituation führt in Deutsch-
schrittener Meditationspraxis berichtet.46                  land mit seinem strukturierten Referenda-
Solche Risiken sollten im Zusammenhang                      riat zwar im Vergleich zu anderen Ländern
mit einem Achtsamkeitstraining in der Leh-                  zu keiner dramatisch hohen Ausfallrate von
rerbildung kritisch geprüft werden.                         Berufseinsteigenden, doch die individuelle
    Insbesondere für Personen mit star-                     Professionalisierung kann unter diesen Vo-
ker Ausprägung des Persönlichkeits-                         raussetzungen suboptimal verlaufen und
merkmals Neurotizismus oder geringer                        im späteren Berufsleben können vermehrt
Gewissenhaftigkeit scheint ein Achtsam-                     psychische Erkrankungen auftreten: Die
keitstraining vielversprechend, da Acht-                    Referendare setzen sich kaum mit einem
samkeit einen mildernden moderierenden                      angemessenen Umgang mit Belastungen
Einfluss auf die beanspruchungsverstär-                     auseinander. Es besteht das Risiko, dass
kende Wirkung des Persönlichkeitsmerk-                      sie häufiger auf bekannte, einfache Hand-
mals Neurotizismus zu haben scheint                         lungsstrategien zurückgreifen, die sie
sowie negativ mit diesem korreliert ist,                    bereits aus ihrer eigenen Schulzeit ken-
während eine positive Korrelation mit                       nen, anstatt auf das in der Lehrerbildung

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erworbene Professionswissen zu rekurrie-                    oder Fremdeinschätzungen zu bemessen,
ren. Das Referendariat läuft dann Gefahr,                   um Beanspruchung valider und zuverläs-
seine Funktion für die berufsbezogene                       siger zu erfassen. Sollen die potenziellen
individuelle Professionalisierung aufgrund                  Effekte von Beanspruchung in diesem
zu hohen Beanspruchungserlebens nicht                       Kontext solider erfasst werden, etwa im
wie gewünscht zu erfüllen. Die negativ                      Sinne der im Referendariat erworbenen
beeinflusste Entwicklung professioneller                    Kompetenzen, so ist auch eine stabile
Kompetenz kann wiederum als fehlende                        Messung des Kompetenzniveaus erfor-
Ressource verstanden werden: Belastun-                      derlich, wie dies etwa durch den Einsatz
gen im Beruf können schneller zu Bean-                      geeigneter vignettenbasierter Tests mög-
spruchungserleben führen.                                   lich sein kann. Im Hinblick auf das vielver-
     Achtsamkeit kann das Verhältnis von                    sprechende Konzept Achtsamkeit gilt es
Ressourcen und Belastungen beeinflus-                       zu untersuchen, ob eine darauf basieren-
sen, indem situativ durch Entspannung                       de Intervention während dem Referenda-
und ausgleichend durch Erholung und                         riat tatsächlich die gewünschten positiven
Wohlbefinden hohe Belastungen abgepuf-                      Effekte zeigt sowie ob und mit welchen un-
fert werden können, mit der Folge geringe-                  günstigen Nebeneffekten zu rechnen ist.
ren Beanspruchungserlebens, wie es das
Job Demands-Resources Modell annimmt.
Des Weiteren kann Achtsamkeit im Sinne
des Transaktionalen Stressmodells durch                     Anmerkungen
eine erhöhte Bewertungsflexibilität emo-                    1     Vandenberghe, R., & Huberman, A. M.
tional-kognitive Voraussetzungen für den                          (1999). Understanding and preventing tea-
Erwerb berufsrelevanter Kompetenzen                               cher burnout. Cambridge: University Press.
und einige dieser Kompetenzen selbst,                       2     Klusmann, U., & Waschke, N. (2018). Ge-
d.h. letztlich Bewältigungsressourcen für                         sundheit und Wohlbefinden im Lehrerberuf.
berufliche Belastungen, stärken. Außer-                           Göttingen: Hogrefe.
                                                            3     Cramer, C., Merk, S., & Wesselborg, B.
dem wirkt Achtsamkeit mindernd auf die
                                                                  (2014). Psychische Erschöpfung von Lehre-
für das Beanspruchungserleben negativen                           rinnen und Lehrern. Lehrerbildung auf dem
Einflüsse bestimmter Persönlichkeitsmerk-                         Prüfstand, 7(2), 138–156.
male. Die gängigen Achtsamkeitstrainings                    4     Dicke, T., Parker, P. D., Holzberger, D., Kunina-
(z.B. MBSR) nehmen neben emotions- und                            Habenicht, O., Kunter, M., & Leutner, D.
problemorientierten Bewältigungsstrategi-                         (2015). Beginning teachers’ efficacy and
en, welche in bestehenden Entspannungs-                           emotional exhaustion. Contemporary Educa-
                                                                  tional Psychology, 41, 62–72.
oder Kompetenztrainings im Mittelpunkt
                                                            5     Deutsches Institut für Normung e.V. (2018).
stehen, insbesondere das bewertungsori-                           DIN EN ISO 10075-1. Ergonomische
entierte Coping in den Blick.                                     Grundlagen bezüglich psychischer Arbeits-
     Die bislang vorliegenden Befunde                             belastung – Teil 1: Allgemeine Aspekte und
zu Belastung und Beanspruchung re-                                Konzepte und Begriffe. Berlin: Beuth.
kurrieren häufig auf Selbstauskünfte der                    6     im Überblick: Cramer, C., Friedrich, A., &
                                                                  Merk, S. (2018). Belastung und Beanspru-
Berufsinhabenden. Hier besteht für die
                                                                  chung im Lehrerinnen- und Lehrerberuf.
Forschung insgesamt das Desiderat, Be-                            Bildungsforschung, 15(1), 1–23.
anspruchung als Prädiktor zunehmend                         7     Lazarus, R. S., & Folkman, S. (1984). Stress,
an manifesten Merkmalen wie etwa Ge-                              appraisal, and coping. New York: Springer.
sundheitsdaten (z.B. physiologische In-                     8     Bakker, A. B., & Demerouti, E. (2007). The
dikatoren), Krankheitssymptomen (z.B.                             Job Demands-Resources model. Journal of
Schlafstörungen oder Kopfschmerzen)                               Managerial Psychology, 22(3), 309–328.

434                                      Pädagogische Rundschau                                           4 / 2021

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                             wiederverwendbar. http://creativecommons.org/licenses/by/4.0
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11   Schmidt, J., Klusmann, U., & Kunter, M.                      60(2), 202–224.
     (2016). Wird alles besser? Positive und ne-            23    Abele, A. E., & Candova, A. (2007). Prädikto-
     gative berufliche Ereignisse von Referenda-                  ren des Belastungserlebens im Lehrerberuf.
     rinnen bzw. Referendaren und Lehrkräften                     Zeitschrift für Pädagogische Psychologie,
     im Vergleich. Psychologie in Erziehung und                   21(2), 107–118.
     Unterricht, 63(4), 278–291.                            24    KMK [Kultusministerkonferenz] (2014). Stan-
12   Dietrich, F. (2014). Professionalisierungskri-               dards für die Lehrerbildung. Berlin: KMK.
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13   Weiß, S., Braun, A., Schlotter, P., Hillert, A.,             rung ohne Beanspruchung? Psychologie in
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     rendariat erholen? Schulpädagogik heute,               26    Košinár, J. (2010). Belastungserleben im Re-
     12(6).                                                       ferendariat. Schulpädagogik heute, 2(1).
14   Dicke, T., Parker, P. D., Marsh, H. W., Kun-           27    Wenz, K., & Cramer, C. (2019). Die Mentor-
     ter, M., Schmeck, A., & Leutner, D. (2014).                  Mentee-Beziehung in der schulpraktischen
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     Die Deutsche Schule, 106(4), 358–372.                  34    Sedlmeier, P., Eberth, J., Schwarz, M.,
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4 / 2021                                 Pädagogische Rundschau                                                 435

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