Bedeutung des Open-Book Verfahrens - Positionspapier der DAK-Gesundheit
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Bedeutung des Open-Book Verfahrens – Positionspapier der DAK-Gesundheit 1. EINLEITUNG Die DAK-Gesundheit schließt seit Juli 2013 generische Wirkstoffverträge nach § 130a Abs. 8 SGB V im Open-Book Modell (auch als Zulassungsverfahren oder Open-House Verfahren bezeichnet), um eine qualitativ hochwertige und wirtschaftliche Versorgung ihrer Versicherten zu gewährleisten, nachdem die Portfolioverträge zum 30 April 2013 per Gesetz unwirksam wurden. Dabei setzt die DAK-Gesundheit auf ein transparentes und diskriminierungsfreies Modell, dem alle potentiellen Anbieter zu gleichen Bedingungen den Verträgen jederzeit beitreten können. Die DAK-Gesundheit verfolgt mit dem Abschluss dieser Verträge das Ziel, Versorgungssicherheit, Patienten-Compliance und die Etablierung generischer Wirkstoffe nach Patentablauf in Einklang zu bringen. Dieses Modell wurde im Februar 2014 von einem pharmazeutischen Unternehmen vergaberechtlich angegriffen. Das OLG Düsseldorf hält nach seinem Beschluss vom 13.08.2014 das Open-Book Modell unter bestimmten Voraussetzungen mit Unionsrecht vereinbar. Dennoch hat das OLG Düsseldorf den Sachverhalt dem EuGH vorgelegt. Im Folgenden stellt die DAK-Gesundheit ihre Position dar.
2. RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN UND EINSCHÄTZUNG Im Ergebnis ist der Einschätzung des OLG Düsseldorf in seinem Vorlagebeschluss vom 13.08.2014 (Az. VII-Verg 13/14) vollends zuzustimmen. Das Kartellvergaberecht hat die europarechtlich geprägte Schutzrichtung bei Beschaffungen von öffentlichen Auftraggebern den Grundprinzipien von • Transparenz und • Gleichbehandlung Rechnung zu tragen. Will der öffentliche Auftraggeber daher bei Beschaffungen mit einem Vertragspartner kontrahieren, muss er zur Sicherung dieser Prinzipien ein förmliches Vergabeverfahren nach den in § 101 GWB normierten Verfahrensordnungen durchführen. Nur so kann gewährleistet werden, dass die Auswahl unter den Bietern den genannten Grundprinzipien, z.B. durch die Festsetzung von einheitlichen Fristen, formalen Vorgaben und der vorherigen Veröffentlichung der Zuschlagskriterien sowie der europaweiten Bekanntmachung des Auftrages, entspricht. Zutreffend weist das OLG Düsseldorf jedoch darauf hin, dass Beschaffungen öffentlicher Aufträge nicht allein in Form dieser selektiven öffentlichen Aufträge stattfinden müssen. Anerkannt ist so z.B. auch durch den EuGH eine Vergabe im Rahmen von Konzessionen. Diese unterfallen besonderen rechtlichen Bestimmungen, insbesondere wiederum dem Transparenz- und Gleichbehandlungsgrundsatz. In der Vergangenheit (seit 2007) ist auch die DAK-Gesundheit dazu übergegangen Arzneimittelrabattverträge nach § 130a Abs. 8 SGB V mit einem oder drei Unternehmen abzuschließen, wobei jeweils offene Vergabeverfahren durchgeführt wurden. Zuschlagskriterium ist jeweils die maximal erzielbare Einsparung (Rabattsatz). Es findet also ein selektiver Prozess statt, der dem Kartellvergaberecht unterfällt. Dies ist bei den von der DAK-Gesundheit genannte Open-Book Verfahren jedoch dann nicht der Fall, wenn • die Durchführung eines solchen Open-Book Verfahrens europaweit publiziert wird,
• eindeutige Regeln über den Vertragsschluss und den Vertragsbeitritt festgelegt werden, • die Vertragsbedingungen (insbesondere der Preis, bzw. der Rabattsatz) im Vorhinein in der Weise festgelegt werden, dass kein Wirtschaftsteilnehmer auf den Inhalt des Vertrags Einfluss nehmen kann, • Wirtschaftsteilnehmern ein jederzeitiges Beitrittsrecht gewährt wird und • die Vertragsschlüsse europaweit bekannt gegeben werden. Denn schon allein durch Einhaltung dieser Grundsätze wird eine Diskriminierung von Marktteilnehmern verhindert. Alle interessierten Unternehmen haben durch die Bekanntmachung Kenntnis von dem Vorhaben und können sich unternehmerisch entscheiden, ob sie einen Rabattvertrag zu den von der DAK-Gesundheit festgesetzten und nicht vorher verhandelten Konditionen abschließen wollen. Ein förmliches Vergabeverfahren ist vor Vertragsabschluss somit nicht notwendig, da dieses nur die Rahmenbedingungen vorgibt, um die Gleichbehandlung im Selektivprozess zu gewährleisten. Eine solche Selektion findet jedoch im Open-Book Modell nicht statt, so dass es ausreicht, interessierte Unternehmen im Wege der Bekanntmachung in Kenntnis zu setzten und Ihnen den gleichlautenden Vertrag zu einheitlichen Bedingungen anzubieten. 3. SOZIALVERSICHERUNGSRECHTLICHE GRÜNDE FÜR DAS OPEN-BOOK MODELL Klassische Vergabeverfahren zum Abschluss von Arzneimittelrabattverträgen über Generika führen zu erheblichen Einsparungen. In der Vergangenheit hat sich jedoch gezeigt, dass in bestimmten Situationen alternative Modelle erforderlich sind, um einen Ausgleich zu schaffen, Versorgungssicherheit, Patienten-Compliance und die Etablierung generischer Wirkstoffe nach Patentablauf in Einklang zu bringen. Das Open-Book Modell bietet den gesetzlichen Krankenkassen diesen notwendigen Ausgleich. Ziel des Open-Book Modells ist es nämlich, mit möglichst vielen, bestenfalls mit allen Anbieten bestimmter Wirkstoffe Rabattverträge abzuschließen. Besonders nach einem Patentablauf erweist sich das von der DAK-Gesundheit gewählte Open-Book Modell für alle Seiten als vorteilhaft. So können mit dem gewählten Open- Book Modell mit Patentablauf sofort Rabattverträge geschlossen werden, die zwar zu
signifikanten Einsparungen bei der gesetzlichen Krankenkasse führen, jedoch keine Exklusivität gewähren. Auf Grund der nicht-vorhandenen Exklusivität können sich generische Anbieter auf dem Markt nach Patentablauf etablieren, ohne das die Gefahr besteht, dass sie sofort auf Grund von schnellen Ausschreibungsprozessen mit einer Exklusivität vom Markt gedrängt werden. Für den pharmazeutischen Anbieter entsteht mit dem Open-Book Modell ein Zeitraum, in dem sich ihre Kosten für Zulassung, Entwicklung und Produktion amortisieren können. Für die gesetzlichen Krankenkassen ist es neben den Strategien für eine zeitnahe Generierung von Einsparungen sehr wichtig, dass genügend generische Anbieter dem Markt zur Verfügung stehen, so dass auch in Ausnahmefällen von Unverträglichkeit eines Generikums die Patienten-Compliance gesichert ist, so dass Ärzte und Apotheker frei zwischen diesen auswählen können. Auch in Fällen von Lieferengpässen und Produktionsausfällen ist es wichtig, dass genügend Anbieter zur Verfügung stehen. Darin liegt auch begründet, warum sich die DAK-Gesundheit in Ausschreibungsprozessen mit exklusivem Zuschlag in den meisten Fällen für ein Mehr-Partner-Modell entschieden hat. Um diese Balance nach Patentablauf zu wahren, dass einerseits die gesetzlichen Krankenkassen zeitnah Einsparungen generieren können, aber andererseits genügend Anbieter sich am Markt etablieren können, ohne dass eine Oligopolisierung entsteht, kann zukünftig aus Sicht der DAK-Gesundheit nicht auf das Open-Book Modell verzichtet werden. Einen weiteren Vorteil bietet das Modell für umsatzschwache Wirkstoffe, für die das klassische Ausschreibungsverfahren in der Vergangenheit zu keinen Erfolgen geführt hat. Denn sowohl auf Seiten der gesetzlichen Krankenkassen als auch auf Seiten der pharmazeutischen Anbieter entsteht im Ausschreibungsverfahren ein vergleichsweise hoher Aufwand. Das Open-Book Modell bietet hier die Möglichkeit ohne großen Aufwand Rabattverträge zu schließen, an denen beide Seiten partizipieren können und Versorgungssicherheit als auch Patienten-Compliance nicht außer Acht lassen, da alle möglichen Unternehmen diesen Verträgen beitreten können. Gleiches gilt für Wirkstoffe, für die in einem Ausschreibungsverfahren aus unterschiedlichen Gründen keine Vertragspartner gefunden werden können. Auch hier hat die DAK-Gesundheit in den letzten Monaten positive Erfahrungen gemacht, so dass für generische Wirkstoffe nach einem Ausschreibungsverfahren ohne Zuschlag Vertragspartner gefunden werden konnten.
Aus den genannten Gründen kann sich die DAK-Gesundheit vorstellen, dass das Open- Book Modell zukünftig auch eine besondere Bedeutung für folgende Situationen bekommen kann: • Abschluss von Rabattverträgen über kritische Wirkstoffe, • Impfstoffe und / oder • Zytostatika. Das Modell entspricht auch den sozialrechtlichen Grundansprüchen, welche gerade eine Vielzahl von Anbietern fordert (z.B. § 130a Abs. 8 Satz 7 SGB V) und wirkt, wie oben dargelegt, der Bildung von Oligopolen entgegen, welche langfristig zu einer Schwächung der Position der gesetzlichen Krankenkassen führen könnten. Bei der DAK-Gesundheit wurden seit 2013 bisher 60 Verfahren allein für Arzneimittel durchgeführt. Bislang wurde nur eines dieser Verfahren angegriffen. Die Resonanz der pharmazeutischen Industrie ist nach Erachten der DAK-Gesundheit sehr positiv. In der Regel sind den Verträgen mehr als drei Unternehmen pro Wirkstoff beigetreten, so dass insgesamt 296 Verträge geschlossen wurden. Durch die konsequente Nutzung dieser Verträge konnten signifikante Einsparungen erzielt werden, die in den folgenden Haushaltsjahren weiter ausgebaut werden sollen. Übertragbar ist das Open-Book Modell auf jegliche Beschaffungen, in denen die zu beschaffenden Waren und Güter vergleichbar sind und es dem Versicherten oder dem öffentlichen Auftraggeber selbst im besonderen Maße auf eine Versorgungssicherheit / Liefersicherheit ankommt, z.B. bei • Hilfsmittelbeschaffungen, • Beschaffung von Medizinprodukten und • Beschaffungen durch Krankenhäuser. All diese aufgezeigten Gründe zeigen, dass es sich um ein unverzichtbares Modell für die DAK-Gesundheit und alle anderen gesetzlichen Krankenkassen handelt. Das Open-Book Modell ermöglicht den Vollzug von optimalen Beschaffungen, ohne die Unternehmen zu stark zu belasten. Das Open-Book Modell findet auch nicht im rechtsfreien Raum statt: Rechtsschutz besteht insbesondere in dem Maße, dass die Einhaltung der Grundsätze des
OLG Düsseldorfs vor den Nachprüfungsinstanzen geprüft werden können. Zudem unterliegen die vertraglichen Bedingungen der AGB Kontrolle. Ein positives Votum des EuGH zum Open-Book Modell hätte auch keine negativen Auswirkungen auf sonstige Beschaffungen öffentlicher Auftraggeber, da die Anwendungsvoraussetzungen vom OLG Düsseldorf klar hinterfragt und über den Arzneimittelbereich hinaus aufgestellt wurden. Es besteht somit Rechtssicherheit. Ansprechpartner: Dr. Claudia Heilig Ulrike Wendler Produktmanagement Zentraleinkauf und Vergabestelle Arzneimittel (0032 10) Gruppenleiterin IT- und SGB-Leistungen (0042 60) Nagelsweg 27-31 Nagelsweg 27-31 20097 Hamburg 20097 Hamburg Tel.: 040 2396-2351 Tel.: 040 2396-2565 Fax: 040 2396-4351 Fax: 040 2396-4565 claudia.heilig@dak.de ulrike.wendler@dak.de
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