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Stationsäquivalente Behandlung - erste Schritte in der Umsetzung - A. Bechdolf und S. Weinmann Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik mit Vivantes Klinikum am Urban, Berlin Akademisches Lehrkrankenhaus Charite-Medizin Berlin
Übersicht 1. Verbreitung und Evidenz 2. Gesetzliche Vorgaben 3. Umsetzung und erste Erfahrungen 1. Bewertung und Ausblick -2-
Gemeindepsychiatrische und teilhabebezogene Versorgungsansätze Evidenzgrad 1a Home Treatment (Akutbehandlung ohne Bett) Assertive Community Treatment (längerfristige nachgehende Behandlung) Supported Employment - Individual Placement and Support (rasche Platzierung direkt auf einen Arbeitsplatz des ersten Arbeitsmarktes und unterstützendem Training/Coaching) -4-
Überblick über gemeindepsychiatrische Behandlungsansätze – DGPPN Leitlinie „Psychosoziale Therapien“ (Neuversion 2018) Darstellung ambulanter gemeindepsychiatrischer Ansätze (modifiziert nach Becker et al 2008) (CMHT: Community Mental Health Team, ACT: Assertive Community Treatment, ICM: Intensive Case Management) -5-
EMPFEHLUNGEN (2012 UND 2018) Empfehlung (2012 modifiziert im Wortlaut): In allen Versorgungsregionen soll eine gemeindepsychiatrische, teambasierte und multiprofessionelle Behandlung zur Versorgung von Menschen mit schwerer psychischer Erkrankung zur Verfügung stehen. Empfehlungsgrad: A, Evidenzebene: Ia Empfehlung (2012 unverändert): Menschen mit schweren psychischen Störungen in akuten Krankheitsphasen sollen die Möglichkeit haben, von mobilen multiprofessionellen Teams definierter Versorgungsregionen in ihrem gewohnten Lebensumfeld behandelt zu werden. Empfehlungsgrad: A, Evidenzebene: Ia Empfehlung (2012 unverändert): Menschen mit chronischen und schweren psychischen Störungen sollen die Möglichkeit haben, auch über einen längeren Zeitraum und über akute Krankheitsphasen hinaus gehend, nachgehend aufsuchend in ihrem gewohnten Lebensumfeld behandelt zu werden. Empfehlungsgrad: A, Evidenzebene: Ia -6-
Metaanalyse Metaanalyse NICE-Leitlinie Cochrane Review Schizophrenie 6 RCTs 8 RCTs NICE 2014 Murphy 2015 Krankheitsassoziierte Merkmale Sterbefälle ~ Symptomschwere ++1 Allgemeinzustand ~ Effekte von soziale Funktionen ~ Behandlungsassoziierte Merkmale Akut- stationäre Wiederaufnahmeraten ++ ++1 behandlung (ohne initiale Aufnahme) stationäre Behandlungszeiten ++1 im Behandlungsabbrüche ++ häuslichen Merkmale sozialer Umfeld Inklusion/Exklusion Beschäftigungssituation ~ Haftstrafen, Gewaltaktivitäten ~ Wohnungslosigkeit ~ Zufriedenheit und erlebte Belastungen erlebte Belastungen, Angehörige ++ Behandlungszufriedenheit, ++1 ++1 Patienten Behandlungszufriedenheit, ++1 Angehörige Lebensqualität ~ Kosteneffektivität Kosteneffektivität -7- ++1
Evaluation: Stationäre Aufnahmen (Beobachtungszeitraum 424 Tage) Kein Behandlungsabbruch in der IV Stat. Aufnahme: IV: 15.3 % vs TAU: 53.8 % (p = 0.051) Zeit bis zur Aufnahme: IV: 384 Tage vs TAU: 234 Tage (p= 0.038) -11- Müller et al., 2016
Zufriedenheit der Patienten mit der Behandlung - stationär vs. Flexiteam (n=26) Δ = + 12,8 p < 0,01 PSQ16[ Range 16-80] Weinmann et al., in Vorbereitung -12-
Positive Aspekte Akutbehandlung im häuslichen Umfeld aus Nutzer-Sicht Akzeptanz als „normal“ Sicherheit zu Hause mit Krise Zugang und Verfügbarkeit • Respekt, • Erfahrung, eine • Niedrigschwelliger Verständnis und Krise „sicher“ in Zugang Vertrauen spüren der eigenen • Rasche Hilfe • Ressourcen Wohnung zu • Verfügbarkeit an 7 betonen handeln bedeutet Tagen die Woche • Verantwortung eine sehr wichtige • Telefonische für den eigenen Erfahrung Erreichbarkeit Recovery-Prozess • Erfahrung nähre • Management und übernehmen Hoffnung und Koordination aller erhalte die anderen Hilfen Kontinuität der Alltagsroutine aufrecht -13-
Gemeinsames Eckpunktepapier zur Stationsäquivalenten Behandlung (StäB) -14-
Übersicht 1. Verbreitung und Evidenz 2. Gesetzliche Vorgaben 3. Umsetzung 4. Erste Erfahrungen 5. Bewertung und Ausblick -15-
StäB – OPS Version 2018 9-701 Stationsäquivalente psychiatrische Behandlung bei Erwachsenen • Voraussetzung Vorliegen einer psychischen Erkrankung und einer Indikation für eine stationäre Behandlung • umfasst eine psychiatrische Behandlung im häuslichen Umfeld des Patienten • stellt bei Bedarf neben der aufsuchenden Behandlung auch die Nutzung weiterer Ressourcen der psychiatrischen Klinik für ergänzende Diagnostik und Therapie sicher -16-
StäB – OPS Version 2018 • Therapiezielorientierte Behandlung durch ein mobiles multiprofessionelles Team unter Leitung eines Facharztes • Team bestehend aus ärztlichem Dienst, pflegerischem Dienst und mindestens einem Vertreter einer weiteren Berufsgruppe oder Spezialtherapeuten • mindestens ein direkter Patientenkontakt durch mindestens ein Mitglied des multiprofessionellen Teams pro Tag im Umfeld des Patienten • wöchentliche fachärztliche Visite (bei stationsäquivalenter Behandlung an mehr als 6 Tagen in Folge) im direkten Patientenkontakt, i. d. Regel im häusl. Umfeld • wöchentliche multiprofessionelle Fallbesprechung zur Beratung des weiteren Behandlungsverlaufs • Erreichbarkeit Behandlungsteams werktags im Rahmen des üblichen Tagesdienstes • ärztliche Eingriffsmöglichkeit durch das Krankenhaus jederzeit -17-
StäB OPS- Kodes 9-70 Spezifische Behandlung bei psychischen und psychosomatischen Störungen und Verhaltensstörungen bei Erwachsenen 9-701 Stationsäquivalente psychiatrische Behandlung bei Erwachsenen 9-701.0 – 9.701.3 Therapiezeiten pro Tag am Patienten je Dienstart 30 Minuten Cluster – bis 30 Minuten … mehr als 240 Minuten -18-
Vereinbarung zur Stationsäquivalenten psychiatrischen Behandlung nach § 115d Abs. 2 SGB V vom 01.08.2018 - zwischen dem • GKV-Spitzenverband, • dem Verband der Privaten Krankenversicherung, • der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) weitere Aspekte: • Eignung des häuslichen Umfeldes (adäquate Behandlungsdurchführung; Kindeswohl) • Zustimmung des häuslichen Umfeldes (Personen im Haushalt; Pflegeeinrichtung; Jugendhilfe- Einrichtungen) • Berücksichtigung des Kindeswohl • Beauftragung von Dritten (max. 50% der Therapiezeiten) -19-
Übersicht 1. Verbreitung und Evidenz 2. Gesetzliche Vorgaben 3. Umsetzung 4. Erste Erfahrungen 5. Bewertung und Ausblick -20-
Unsere Klinik -21-
2 Standorte -22-
Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik Behandlungsplätze: 170 stationäre (Betten) 50 tagesklinische 2100 ambulante 10-20 FlexiTeam Home Treatment/intensiviert ambulant (Modellprojekt § 64b mit DAK) 6 (-8) Home Treatment (Stationsäquivalente Behandlung) -23-
Entwicklungsleitlinien präventiv aufsuchend inklusiv sektorübergreifend multiprofessionelle psychotherapeutische Schwerpunkte evidenzbasiert -24-
Vivantes Klinikum Am Urban und im Friedrichshain Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie mit Stationär teilstationär/ambulant Allgemeinpsychiatrie geschützt (Safewards) 2 Tageskliniken Allgemeinpsychiatrie geschützt (Safewards) Schwerpunkt Suchterkrankungen (CRA geplant) Modellprojekt Allgemeinpsychiatrie -Recovery §64b Flexiteam Schwerpunkt Depressionsbehandlungen (IPT) Schwerpunkt Persönlichkeitsstörungen (DBT/TP) FRITZ (Frühinterventions- und Therapiezentrum) soulspace Kriseninterventionszentrum 2 Ambulanzen (PIA) Schwerpunkt Psychiatrie des höheren Lebensalters Home Treatment (StäB) -25-
www.fritz-am-urban.de -26-
www.soulspace-berlin.de -27-
Modellprojekt §64b (Intensivierte ambulante Behandlung und Home Treatment) Stationsäquivalente Behandlung StäB (Home Treatment) -28-
StäB – Umsetzung im Vivantes Klinikum am Urban -29-
StäB – Umsetzung im Vivantes Klinikum am Urban – Modell und Begründung • Modell: ambulante Begleitung psychiatrisch behandlungsbedürftiger Patienten in akuten Krankheitsphasen (Crisis intervention, Crisis resolution, Home Treatment) • Begründung: Patienten- und Angehörigenpräferenz Einbezug des sozialen Netzes erleichtert Stigma der Behandlung reduziert Effekte mindestens der stationären Therapie vergleichbar weniger Behandlungsabbrüche besonders für Schwerkranke leichter akzeptabel -30-
StäB – Umsetzung im Vivantes Klinikum am Urban – Ziele Besserung der belastenden psychischen Beschwerden auch ohne Aufnahme ins psychiatrische Krankenhaus Begleitung durch die Krankheitsepisode, Bewältigung der Krise und Förderung von Remission im sozialen Umfeld Hilfe und Unterstützung der Betroffenen bei der Bewältigung der Erkrankung, beim Umgang mit Symptomen und Beschwerden, bei der Vermeidung von Chronifizierung und Folgen der Krankheitsepisode Förderung von Gesundung, Reintegration und Recovery im sozialen Umfeld Vermeidung von Selbstschädigung von Betroffenen in der Krankheitsphase und von negativen Auswirkungen auf andere (wie bspw. Angehörige, Nachbarn) Vermeidung von Zwangseinweisungen und Zwangsmaßnahmen gegen den Willen der Betroffenen in der Krankheitsepisode Unterstützung von Angehörigen und Freunden im Umgang mit krankheitsbedingten Verhaltensweisen der Betroffenen und Mobilisierung des gesamten Umfelds zur Bewältigung der Krise beim Betroffenen Planung und Vorbereitung weiterführender Behandlungs-, Rehabilitations- und Teilhabeleistungen -31-
StäB – Umsetzung im Vivantes Klinikum am Urban – Ziele Hauptzielgruppe: Menschen mit einer schweren psychischen Erkrankung mit deutlich reduziertem Funktionsniveau insbesondere High-Utilizer Einschlusskriteriterien: Alle psychiatrischen Diagnosen ausser - Menschen mit einer primären Suchterkrankung, bei denen die Suchterkrankung vollständig im Vordergrund steht, können nicht für die Behandlung der Suchterkrankung ins Home Treatment-Team eingeschlossen werden - Menschen mit einer primären organischen Erkrankung wie einer Demenz oder einer anderen eindeutig organisch-körperlichen Erkrankung -32-
StäB – Umsetzung im Vivantes Klinikum am Urban – Indikationen Indikationen und Voraussetzungen für die Behandlung im Home Treatment-Team: - Alter mind. 18 Jahre - Vorliegen einer psychiatrischen Erkrankung nach ICD-10 - Vorliegen einer akuten Krankheitsphase, welche einen stationären Aufenthalt rechtfertigen würde - Meldeadresse in Kreuzberg-Friedrichshain. Allerdings können Menschen, die in Grenzbereichen zum Bezirk Kreuzberg-Friedrichshain in einem Nachbarbezirk wohnen, ebenfalls eingeschlossen werden. - Versicherung bei einer gesetzlichen Krankenkasse Absolute Kontraindikationen: - Akute Eigen- oder Fremdgefährdung, welche eine sofortige stationäre Aufnahme und Sicherung im Sinne eines psychiatrischen Notfalls bedingt - Schwere akute somatische Erkrankung, welche einen somatischen Krankenhausaufenthalt erforderlich macht Die übliche Dauer der Behandlung umfasst die aktuelle Kriese (1 Woche bis 12 Wochen.) -33-
StäB – Umsetzung im Vivantes Klinikum am Urban Organisation Start: 1. Juni 2018 mit 6 Behandlungsplätzen Separates Team (VK): 1 Arzt (fortgeschr. Weiterbildung) 1,0 1 Oberarzt 0,3 3 Pflegekräfte 3,0 1 Psychologin 0,5 1 Sozialarbeiter/in 0,5 (ab 01.01.2019) 2 Autos und 2 Fahrräder zusammen mit dem FlexiTeam (Modellprojekt) Organisatorisch Vernetzung mit Flexiteam (Modellprojekt) 1x /Woche Oberarztvisite, 1x/Woche Fallbesprechung mit OA -34-
StäB – Umsetzung im Vivantes Klinikum am Urban – Konzeptionell (II) -35-
Schnittstellen Nieder- Gelassene Ärzte/ Psychologen Psycho- soziale SPDi Träger StäB-Team Station, Rettungs- Tages- stelle klink PIA -36-
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Übersicht 1. Verbreitung und Evidenz 2. Gesetzliche Vorgaben 3. Umsetzung 4. Erste Erfahrungen 5. Bewertung und Ausblick -41-
StäB - Erste Erfahrungen seit 01.06.2018 (I) mit Stand 19.09.2018 wurden bereits 35 Patienten behandelt davon wurden bereits 28 Patienten wieder entlassen, 7 befinden sich zur Zeit in Behandlung Diagnoseverteilung 18 16 14 12 10 8 6 4 2 0 -42-
StäB - Erste Erfahrungen seit 01.06.2018 (II) Zugangswege 60 50 40 30 20 10 0 geschützt offen PIA SpD Tagesklinik stationär stationär -43-
StäB - Erste Erfahrungen seit 01.06.2018 (III) Die durchschnittliche Verweildauer bei bereits entlassenen Patienten betrug: 19,8 Tage (28 Patienten) Die durchschnittliche Verweildauer bei den aktuellen Patienten beträgt bis Stand heute: 12,3 Tage (7 Patienten) Im Juni waren es pro Tag durchschnittlich 4,2 Patienten pro Tag, was 126 Behandlungstagen entspricht. Im Juli waren es pro Tag durchschnittlich 5,9 Patienten pro Tag, was 184 Behandlungstagen entspricht. Im August waren es pro Tag durchschnittlich 6,9 Patienten pro Tag, was 213 Behandlungstagen entspricht. Im September sind es bisher durchschnittlich 6,8 Patienten pro Tag, bei 130 Behandlungstagen. -44-
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Kasuistik 1 – StäB Home Treatment Herr A. – 35 LJ, bipolare Störung, Substanzmissbrauch Soziobiographie: Gelernter Gas-Wasser-Installateur, erwerbslos seit 15 J, Migrationshintergrund (V Jordanier) verheiratet (Ehefrau aus Jordanien, geringe Deutschkenntnisse), vier Kinder (9, 6, 4 u 2LJ), Wohnen in Zweizimmerwohnung, wenig soziale Unterstützung Krankheitsanamnese: FA: leer Depressive Störung seit Jugend, seit 2 J amb. Behandlung, keine stationären Vorbehandlungen, keine psychoth. Vorbehandlungen. Bis vor 5 J pathologisches Spielen im Internet Aktuell gelegentlicher bis täglicher THC-Konsum. Ambulante Vorbehandlung mit Venlaflaxin -47-
Kasuistik 1 – StäB Home Treatment Herr A. – 35 LJ, bipolare Störung, Substanzmissbrauch Zuweisung in die StäB: - Vorstellung über die Rettungsstelle mit Feuerwehr und Polizei, Pat war aufgefallen in Öffentlichkeit, habe verworrene Angaben gemacht. - Freiwillige Aufnahme auf geschützte Station bei fehlenden akuten Gefährdungsaspekten - Ausgeprägte Antriebssteigerung, Logorrhoe, z. T. zerfahren, massiv gehobene Stimmung, Bedrohungserleben - Anbehandlung mit Olanzapin und Diazepam - Nach zehn Tagen: Jüngstes Kind erleidet Fieberkrampf, Ehefrau ist überfordert mit den Kindern und der notwendigen Krankenhausbehandlung, Pat lässt sich gegen ärztlichen Rat entlassen. - Behandler stellen Kontakt zum StäB-Team her -48-
Kasuistik 1 – StäB Home Treatment Herr A. – 35 LJ, bipolare Störung, Substanzmissbrauch Behandlungsverlauf StäB: - Behandlungsdauer 8 Wochen - Flexible Gestaltung der täglichen Hausbesuche wg. manischer Antriebssteigerung - Beginn einer Behandlung mit Lithium, engmaschige Kontrolle des Blutspiegels, tägliches Stellen und z. T. Einnahmekontrolle der Medikation, kindersichere Aufbewahrung - Zusätzlich Diazepamgabe, da Pat Selbstmedikation mit THC betreibt - Einbeziehen der Ehefrau durch gedolmetschte Gespräche - Einbeziehen des Jugendamts, Installation Familienhilfe - Nach circa 6 Wochen Remission der Manie, Ausschleichen Diazepam, Beginn Reduzieren von Olanzapin - Weitere Begleitung für 2 Wochen nach Remission, gedolmetschte Psychoedukation, Netzwerkgespräche von Pat und Ehefrau - Entlassung in ambulante Weiterbehandlung beim Niedergelassenen -49-
Kasuistik 2 – StäB Home Treatment Frau M. – 57j, schizoaffektive Störung Soziobiographie: Gelernte Fachkraft für Schreibtechnik, EU- berentet seit 31. LJ, geschieden, 1 Tochter (kein Kontakt), seit einigen Jahren Partnerschaft zu jüngerem Mann, gemeinsames Wohnen in Mietwohnung, einige lebhafte soziale Kontakte, gesetzliche Betreuung Krankheitsanamnese: ED schizoaffektive Störung im 21. LJ, bis zum 30. LJ Stabilität, kaum stationäre Aufenthalte unter Behandlung mit Lithium. Absetzen von Lithium wg Intoxikation und beginnender Niereninsuffizienz. Seit 2007 ca. 30 stationäre Aufenthalte im Hause, zumeist im schizomanischen Zustand nach Absetzen der Medikation, mit Zuweisung durch die Polizei und Unterbringungen nach BGB. Zwischenzeitlich ambulante Behandlung über Niedergelassene. Außerhalb schizomanischer Phasen kaum Kontakt zur Klinik. -50-
Kasuistik 2 – StäB Home Treatment Frau M. – 57j, schizoaffektive Störung Zuweisung in die StäB: - Vorstellung über die Rettungsstelle mit Pol in schizomanischem Zustand, Alarmierung der Pol durch Passanten, Pat lief nackt auf Straße, zuvor eigenständiges Absetzen der Psychopharmazie - Unterbringung nach BGB auf geschützter Station - Läppischer Affekt, entgrenztes Verhalten, psychotisches Erleben, auf Station z. T. Fixierungen notwendig - Reetablierung Olanzapin und Valproat ret., passager Diazepam - Gruppenspsychotherapie, Ergotherapie - Teilremission nach 8 Wochen - Behandler stellen Kontakt zum StäB-Team her zwecks Weiterbehandlung in der Häuslichkeit -51-
Kasuistik 2 – StäB Home Treatment Frau M. – 57j, schizoaffektive Störung Behandlungsverlauf StäB: - Behandlungsdauer 8 Wochen - In der Häuslichkeit rascher Switch in depressiven Zustand - Wunsch nach Absetzen der Medikation wg sedierender UAW, Kompromiss auf Reduzierung und Umverteilung - Einbeziehen des Partners in Behandlung - Psychotherapeutische Behandlung der depressiven Symptomatik, gemeinsamer Aufbau von Aktivitäten - Beziehungsaufbau zum StäB-Team als primärer Ansprechpartner bei Verschlechterung, zwecks Vermeidung stationärer Behandlungen - Weitere eigenständige Reduzierung der Phasenprophylaxe, hierunter leicht manische Entwicklung - Entlassung in ambulante Weiterbehandlung bei Niedergelassener -52-
Kasuistik 3 + 4 Frau Z. – 58 LJ, persistierende psychotische Symptome bei bek. schizophrener Störung - Gestufte Verhaltensexperimente und Exposition Frau B. – 35 LJ, rezidivierende depressive Störung - Aufbau positiver Aktivitäten in der realen Welt -53-
Übersicht 1. Verbreitung und Evidenz 2. Gesetzliche Vorgaben 3. Umsetzung 4. Erste Erfahrungen 5. Bewertung und Ausblick -54-
Erfahrungen mit Home Treatment (StäB) • Hohe Akzeptanz bei Betroffenen und Angehörigen • sehr hohe therapeutische Dichte (tgl. Einzeltherapie!) • Symmetrischere Beziehungsgestaltung durch Gastgeber/Besucher-Rolle (Nutzer mehr Einfluss auf Gesprächsrahmen etc.) • häusliches Umfeld generiert grössere Vertrautheit • Patient in all seinen Facetten umfassender wahrnehmen (Wohnung reflektiert viele Aspekte z. B. Hobbies, Interessen, aktuelle Schwierigkeiten im Alltag durch Erkrankung, Probleme mit bzw. Unterstützung durch Nachbarn…) • Viel mehr Möglichkeiten direkt im (sozialen) Umfeld des Patienten zu intervenieren/trainieren • Bisher keine gefährlichen Situationen für Mitarbeiter -55-
Limitationen / Herausforderungen • eingeschränkte Flexibilität: tägliche persönliche Kontakte, keine Reduktion der Frequenz der Kontakte möglich („Belastungserprobung“) • Wochenendbesuche primär durch Pflegende bisher unproblematisch • Keine 24h Anwesenheit des Teams Rettungsstelle, Handy Nummer • Nutzung therapeutischer Angebote im Krankenhaus in Kombination mit Home Treatment Ansatz (?) • Behandlerwechsel zwischen Station und StäB-Team • Integration StäB-Team in Klinikabläufe Schnittstellen • Nutzung anderer SGB-Leistungen durch Patient möglich (Interventionen in Wohnheimen, BEW möglich) • Therapeutisches Milieu auf Station fehlt und weniger Austausch/emotionale Entlastung durch Kontakt zu Mitpatienten • Begrenzte Verfügbarkeit von Plätzen, deshalb wenig Aufnahmen direkt aus der Rettungsstelle möglich (2018: 6-8, 2019: 8-10) • Klinische Schwerpunktteams? -56-
Übersicht 1. Verbreitung und Evidenz 2. Gesetzliche Vorgaben 3. Umsetzung 4. Erste Erfahrungen 5. Bewertung und Ausblick -57-
Bewertung und Ausblick Implementation leichter gelungen als erwartet Angebot gerade von Patienten mit SMI sehr wertgeschätzt Besonders effektiv durch „Real Life“ – Interventionen „Praktische“ Recovery-Orientierung (Arbeit an Funktion, Selbstkonzept, sozialem Netz vs. Symptomen) Notwendigkeit der tgl. Behandlung im StäB-Modell wenig an Patientenwünschen orientiert Wie Behandlerkontinuität über die Sektoren hinweg verbessern? Peermitarbeiter? Jobcoaching? Möglichkeiten mit SGB XII Leistungen ACT Teams für „High Utilizer“ zu gründen Langfristig „Enthospitalisierung“ von Professionellen und Nutzern nötig (Evidenz/Haltung vs. historisch gewachsene Struktur/Gewohnheit) Könnte grosse Teile der stationären Behandlung ersetzen Modell für eine „neue Psychiatrie“ (Nutzer- und Angehörigenbedürfnisse im Mittelpunkt, weniger stigmatisierend, weniger stigmatisiert) -58-
andreas.bechdolf@vivantes.de
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