Break Fee-Vereinbarungen bei Unternehmensüber-nahmen
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
www.jusletter.ch Markus Gysi Break Fee-Vereinbarungen bei Unternehmensüber- nahmen Mittels Break Fee-Vereinbarungen werden die Risiken des Scheiterns einer geplanten Übernahme abgesichert. Solche Vereinbarungen treten seit einiger Zeit auch im Rah- men von Übernahme von schweizerischen Unternehmen auf. Aufgrund der fehlenden gesetzlichen Regelung und der noch jungen Praxis stellt sich die Frage, wie solche Break Fee-Vereinbarungen unter Schweizer Recht zu beurteilen sind. Rechtsgebiet(e): Gesellschaftsrecht Zitiervorschlag: Markus Gysi, Break Fee-Vereinbarungen bei Unternehmensübernahmen, in: Jusletter 29. Oktober 2007 ISSN 1424-7410, www.jusletter.ch, Weblaw AG, info@weblaw.ch, Tel. 031 380 57 77
Markus Gysi, Break Fee-Vereinbarungen bei Unternehmensübernahmen, in: Jusletter 29. Oktober 2007 Inhaltsübersicht Break Fee-Vereinbarungen sollen die Risiken eines mög- 2 I. Einleitung lichen Scheiterns der geplanten Übernahme absichern. II. Break Fee-Vereinbarungen Solche Break Fee-Vereinbarungen sind ursprünglich in 1. Begriff den USA entstanden und auch dort weiter entwickelt 2. Aufbau von Break Fee-Vereinbarungen worden. Sie kommen dort regelmässig zur Anwendung. 2.1. Festlegung der Verpflichteten 2.2. Auslöser einer Break Fee Auch in der Schweiz treten solche Vereinbarungen in 2.3. Höhe der Break Fee und weitere Modalitäten letzter Zeit immer wieder auf, obwohl hierzulande eine 3. Funktion gesetzliche Regelung für Break Fee-Vereinbarungen 3.1. Vermögensrechtliche Interessenswahrung fehlt und – soweit ersichtlich – auch keine einschlägige 3.2. Unternehmerische Erfolgssicherung Gerichtspraxis besteht. Ausserdem haben sich weder 3.3. Weitere Zwecke die Übernahmekommission (UEK) noch die Eidgenös- 4. Beispiele von Break Fee-Vereinbarungen in der Schweiz sische Bankenkommission (EBK) bisher eingehend mit III. Break Fee-Vereinbarungen unter schweizerischem Recht 1. Rechtliche Qualifizierung dieser Thematik auseinandergesetzt. 1.1. Konventionalstrafe Der vorliegende Beitrag zeigt auf, wie solche Break Fee- 3 1.2. Schadenspauschalierung Vereinbarungen bei Übernahmen in der Praxis ausge- 1.3. Zwischenfazit staltet werden und welche rechtlichen Aspekte – vor 2. Formelle Zulässigkeitsvoraussetzungen allem unter schweizerischem Recht – mit zu berück- 2.1. Formerfordernis 2.2. Aktienrechtliche Kompetenzzuweisung sichtigen sind. Der erste Teil (II) erläutert Begriff, Auf- 2.2.1. Verwaltungsrat bau und Zweck solcher Break Fee-Vereinbarungen und 2.2.2. Generalversammlung zeigt auf, wie sie in der Schweiz verwendet wurden. Im 2.2.3. Zwischenfazit zweiten Teil (III) wird aufgezeigt, wie solche Klauseln in 3. Materielle Schranken der Schweiz rechtlich zu qualifizieren sind und welche 3.1. Aktienrechtliche Kompetenzzuweisung schweizerischen Gesetzesnormen bei einer rechtlichen 3.2. Eigentümerrechte der Aktionäre Würdigung einer Break Fee-Klausel zu berücksichtigen 3.3. Aktienrechtliche Pflichten des Verwaltungsrats sind. Dabei beschränkt sich die gesellschaftsrechtliche 3.3.1. Treuepflicht 3.3.2. Gleichbehandlungspflicht Beurteilung auf das schweizerische Aktienrecht, da es 3.3.3.Zwischenfazit sich bei schweizerischen Zielgesellschaften meist um 3.4. Börsenrechtliche Pflichten Aktiengesellschaften (AG) handelt. Abschliessend (IV) 3.4.1. Verbot von börsenrechtswidrigen Abwehrmassnahmen werden die Erkenntnisse zusammengefasst und in einer 3.4.2. Gleichbehandlungspflicht der Zielgesellschaft gegenüber An- Schlussfolgerung gewürdigt. bietern bei konkurrierenden Angeboten 3.4.3. Zwischenfazit IV. Schlussfolgerungen II. Break Fee-Vereinbarungen V. Anhang VI. Literatur- und Materialienverzeichnis 1. Literaturverzeichnis 1. Begriff 2. Verzeichnis der Empfehlungen 3. Verzeichnis der Angebotsprospekte In der weltweiten Literatur werden verschiedene Begrif- 4 fe für den Ausdruck «Break Fee»1 synonym verwendet. Nebst diesen begrifflichen Verschiedenheiten variieren I. Einleitung aber auch die genauen Definitionen einer Break Fee-Ver- 1 Seit einiger Zeit kommt es weltweit täglich zu Unterneh- mensübernahmen. Auch in der Schweiz sind diese Ten- denzen deutlich spürbar. Trotzdem ist eine bevorstehen- de Übernahme aus Sicht der beteiligten Unternehmen oft keine alltägliche Situation und mit hohen Kosten und 1 So wird z.B. im englischen Sprachraum oft von «Break-up Fee», Risiken verbunden. Es erstaunt deshalb nicht, dass in «Termination Fee», «Inducement Fee», «Broken Deal Fee», «Faild Cost Agreement» oder «Cancellation Fee» gesprochen, vgl. Guino - der Praxis die Abläufe solcher Übernahmen in den letz- met, Fn. 26, S. 28; vgl. ferner Saywell /Gamble, S. 31; Sieger /Has- ten Jahren stets verfeinert wurden. Dies nicht zuletzt, selbach, S. 625. Im deutschen Sprachraum findet man auch den um die damit verbundenen Risiken zu minimieren. Durch Ausdruck «Misserfolgsentschädigung», vgl. Guinomet, S. 29. Die die globale Vernetzung und die Aktivitäten von auslän- Übernahmekommission (UEK) nahm in ihren Empfehlungen jeweils dischen Käufern auf dem schweizerischen Übernahme- unter dem Untertitel «Überbinden der Transaktionskosten an die Zielgesellschaft» (Cost Coverage) Bezug auf die vereinbarte Break markt kommen auch in der Schweiz immer mehr im Aus- Fee, vgl. statt vieler UEK Empfehlung i.S. Forbo Holding AG vom 7. land entwickelte spezifische Vertragsbestimmungen zur März 2005, E. 8. Der Ausdruck «Break Fee» ist allerdings der am Anwendung. meisten verwendete Ausdruck. Aus diesem Grund wird in dieser Abhandlung ausschliesslich diese Bezeichnung verwendet. 2
Markus Gysi, Break Fee-Vereinbarungen bei Unternehmensübernahmen, in: Jusletter 29. Oktober 2007 einbarung.2 In seiner Dissertation definiert Guinomet eine unterschiedlichsten Formen auftreten, lässt sich bei den Break Fee-Vereinbarung wie folgt: bekannten Klauseln dennoch ein gewisser Grundaufbau erkennen. «Vertragliches Versprechen der Zahlung einer ver- einbarten Geldsumme für den Fall, dass die geplan- te Transaktion aufgrund von bestimmten, vertrag- 2.1. Festlegung der Verpflichteten lich festgelegten Gründen scheitert, die entweder Meistens werden die Break Fee-Klauseln durch die Nen- 9 durch eine Partei zu vertreten sind oder zwar von nung der bedingt verpflichteten Partei eingeleitet.11 Die keiner Partei zu vertreten sind, jedoch die Transak- Verpflichtung der Gesellschaft selbst ist vor allem dann tion nicht mehr durchführbar machen.»3 zweckmässig, wenn sich ihre Aktien in einem breiten Streubesitz befinden.12 Dadurch wird versucht, das Ver- 5 Diese Definition hat m.E. den Vorteil, dass sie festhält, dass Break Fee-Vereinbarungen Vertragsklauseln sind, halten des obersten Leitungsorgans – bei Übernahmen die spezifisch bei M&A-Transaktionen4 verwendet wer- ein sehr wichtiges Organ13 – zu beeinflussen. den und die Rechtsfolgen eines Scheiterns der Trans- Bei Übernahmen sind vor allem einseitig verpflichtende 10 aktion regeln. Sie ist aber auch genügend offen for- (unilateral) Break Fee-Vereinbarungen verbreitet.14 Übli- muliert, um die verschiedensten Arten von Klauseln zu cherweise wird die zu übernehmende Gesellschaft ver- erfassen. pflichtet und die Anbieterin berechtigt15, was das typische 6 Break Fee-Vereinbarungen sind somit vertragliche Rege- Stärkeverhältnis bei einer Übernahme widerspiegelt. lungen von suspensiv bedingten Rechten und Pflichten.5 Demgegenüber finden sich beidseitig verpflichtende (reciprocal) Klauseln typischerweise im Zusammenhang Als Bedingung wird ein Scheitern der Transaktion aus ei- mit Fusionen.16 Im Rahmen von Übernahmen werden nem in der Klausel selbst enthaltenen Grund vereinbart. Der konkrete Inhalt wird aufgrund der Vertragsfreiheit reciprocal Break Fee-Vereinbarungen nur dann abge- von den Parteien bestimmt und variiert je nach deren schlossen, wenn die potentielle Käuferin durch ein er- Stärkeverhältnis. Als Rechtsfolge des Eintritts der Bedin- höhtes Interesse an der Übernahme eine geschwächte gung wird sodann die Break Fee geschuldet, die Zahlung Verhandlungsposition innehat.17 Vereinzelt treten auch einer im Voraus vereinbarten Geldsumme.6 Mit deren Mischformen zwischen reciprocal und unilateral Break Fee-Vereinbarungen auf.18 Als Auslöser werden dabei Leistung wird der Aufwand der berechtigten Partei ver- ringert, während sich die Kosten der leistenden Partei spezifische Käufer- und Verkäuferpflichten vereinbart, erhöhen. Dies schafft direkt einen Anreiz zum positiven bei deren Missachtung die Break Fee ausgelöst wird.19 Abschluss einer geplanten Transaktion.7 2.2. Auslöser einer Break Fee 7 Bei Übernahmen werden Break Fees üblicherweise im Rahmen von Transaktionsvereinbarungen (Transaction Ausgelöst wird eine Break Fee beim Scheitern der Trans- 11 Agreements8) schriftlich geregelt. Als Vertragsparteien aktion aufgrund des Eintretens der in der Vereinbarung treten dabei meist die potentielle Käuferin und die Ziel- gesellschaft auf, deren oberste Leitungsorgane9 diesen Vertrag unterzeichnen.10 11 Siehe oben II.1. 12 Vgl. Guinomet, S. 62. 13 Siehe unten III.2.2.1. 2. Aufbau von Break Fee-Vereinbarungen 14 Vgl. Gerhard, S. 61. 8 Obwohl Break Fee-Vereinbarungen in den 15 Vgl. Guinomet, S. 45. 16 Vgl. Guinomet, S. 45; Gerhard, S. 61; Fusionsverträge zwischen Credit Suisse Group/«Winterthur» Schweizerische Versicherungs- 2 Vgl. für die verschiedenen in der Lehre auftretenden Definitionen Gesellschaft vom 10.8.1997, Punkt 3.7; Sandoz AG/Ciba-Geigy AG/ Guinomet, S. 29 f. Novartis AG vom 6.3.1996, Punkt 7.3; Feldschlösschen-Hürlimann 3 Guinomet, S. 30. Holding AG/Prime Site AG vom 14.4.2001, Punkt 10.3. Alle aufge- führten Vertragsklauseln in Isler, S. 84 ff. 4 Vgl. Tschäni, M&A-Transaktionen, S. 1. 17 Siehe oben II.1. Als Beispiel: Angebotsprospekte der Smith & Ne- 5 Vgl. Schwenzer, Rz. 11.05; BSK OR I-Ehrat, N. 6 Vorbem. zu Art. 151- phew Group plc bez. Centerpulse AG vom 25.4.2003,S. 25 und bez. 157. Siehe ferner unten III.1. InCentive Capital AG vom 25.4.2003, S. 25 6 Vgl. Guinomet, S. 29. 18 Vgl. Guinomet, S. 45. und die verschiedenen Auslöser in den An- 7 Vgl. von Salis-Lütolf, Rz. 159. gebotsprospekten von Smith & Nephew Group plc bez. Centerpul- 8 Vgl. Tschäni/Diem, S. 90 f. se AG vom 25.4.2003, S. 25 und bez. InCentive Capital AG vom 9 Bei Aktiengesellschaften unter schweizerischem Recht der Verwal- 25.4.2003, S. 25. tungsrat, siehe unten III.2.2.1. 19 Vgl. z.B. die unterschiedlichen Bedingungen, deren Nichterfüllung 10 Ein Sonderfall stellt die Konstellation dar, bei der eine Zielgesell- eine Break Fee auslösen im Angebotsprospekt der Smith & Ne- schaft über einen Kontrollaktionär verfügt und dieser anstelle der phew Group plc bez. InCentive Capital AG vom 25.4.2003, S. 25, Zielgesellschaft als Vertragspartei auftritt, vgl. Tschäni/Diem, S. 91. jeweils Unterpunkt (iii) angegeben. 3
Markus Gysi, Break Fee-Vereinbarungen bei Unternehmensübernahmen, in: Jusletter 29. Oktober 2007 festgelegten Ereignisse (Auslöser oder Trigger Events). Indiz für den von den Parteien verfolgten Zweck.32 Um In Ausschöpfung der geltenden Vertragsfreiheit hat aufschlussreiche Aussagen zu machen, wird die Break die Praxis eine Vielzahl von möglichen Auslösern ent- Fee oftmals in ein Verhältnis mit der jeweiligen Transak- wickelt.20 Sie sind vor allem davon abhängig, welchen tionssumme gesetzt.33 Zweck die Vertragsparteien verfolgen und welche Si- Weiter kann es sein, dass die Vereinbarung genau fest- 15 cherheitsbedürfnisse sie abdecken wollen.21 Verbreitete hält, welche Arten von Kosten durch die Break Fee abge- Trigger Events sind die fehlende Zustimmung der Gene- deckt werden34 bzw. welche weiteren Ansprüche gegen- ralversammlung (GV) zur Übernahme22, das Scheitern über der vertragsverletzenden Partei neben der Break der geplanten Übernahme aufgrund einer erfolgreichen Fee noch geltend gemacht werden können.35 Konkurrenzofferte23, die Verweigerung einer für die Übernahme notwendigen Statutenänderung durch die GV24 und der Umstand, dass der Verwaltungsrat (VR) 3. Funktion der Zielgesellschaft das Angebot des Anbieters nicht zur Einer Übernahme gehen oftmals komplexe Verhandlun- 16 Annahme empfiehlt.25 Seltener kommt es vor, dass eine gen voraus, deren Scheitern jederzeit möglich ist.36 Die Break Fee geschuldet wird, wenn eine Due Diligence26 Parteien versuchen deshalb ihre vermögensrechtlichen nicht befriedigend ausfällt27 oder andere Deal Protec- und unternehmerischen Interessen bei einer Übernah- tion-Massnahmen28 verletzt wurden.29 me zu schützen. Je nach den Bedürfnissen der Parteien 12 Ein Behördeentscheid wird nur ganz selten als Trigger wird einer dieser Zwecke hauptsächlich verfolgt und die Event vereinbart, da keine Partei gewillt ist, eine Zahlung Break Fee-Klausel entsprechend formuliert. In gewissen für ein Verhalten zu leisten, welches sie nicht selber be- Fällen haben Break Fee-Vereinbarungen auch zusätzli- einflussen kann.30 che Funktionen. 2.3. Höhe der Break Fee und weitere Modalitäten 3.1. Vermögensrechtliche Interessenswahrung 13 Durch das Eintreten eines Auslösers und dem daraus Im Vorfeld einer Übernahme entstehen in der Regel für 17 folgenden Scheitern der Transaktion wird die Break Fee alle an der Transaktion Beteiligten hohe externe und geschuldet. Diese ist durch ihre Höhe, die meist betrags- interne Kosten.37 Grundsätzlich hat jede Partei die ihr mässig in der Klausel festgelegt wird31, und allenfalls entstandenen Kosten selber zu tragen. Eine Break Fee weitere Modalitäten gekennzeichnet. ermöglicht – im Falle eines Scheiterns der Transaktion – eine Überwälzung dieser Kosten auf die Gegenpartei38 14 Die Höhe der vereinbarten Geldleistung ist für die rechtli- und schützt somit die vermögensrechtlichen Interessen che Beurteilung von entscheidender Bedeutung und ein der berechtigten Partei («cost protection in the event of deal failure»39). Die Break Fee hat somit eine Sicherungs- funktion, damit die Zielgesellschaft nicht einseitig von 20 Vgl. für Beispiele der in den USA und Grossbritannien vereinbarten einer Wertschöpfung durch die bereits fortgeschritte- Trigger Events Guinomet, S. 46 ff. und 59. 21 Vgl. Sieger/Hasselbach, S. 629. 22 Vgl. Smith & Nephew Group plc bez. Centerpulse AG vom 25.4.2003, Unterpunkt (iv) der Verpflichtung von Smith & Nephew 32 Siehe unten II.3. Group plc, S. 25, i.V.m. Bedingung 1.a, S. 16. 33 Vgl. Tschäni/Diem, S. 98; Isler, S. 94. Der Letztere geht zwar in sei- 23 Vgl. Angebotsprospekt von Crucell N.V. bez. Berna Biotech AG vom nem Beitrag spezifisch auf Break Fee-Vereinbarungen im Rahmen 15.12.2005, S. 16. von Unternehmenszusammenschlüssen ein. Die aufgeführten 24 Vgl. Angebotsprospekt von AFB Investment S.A. bez. Forbo Hol- Grundsätze gelten jedoch auch für Break Fee-Vereinbarungen im ding AG vom 8.3.2005, S. 10; Angebotsprospekt von Gatebrook Li- Rahmen von Unternehmensübernahmen. Vgl. ferner Sieger/Hassel- mited bez. Saia-Burgess Electronics Holding AG vom 27.8.2005, S. bach, S. 628. 12. 34 Vgl. Fusionsverträge zwischen Credit Suisse Group/«Winterthur» 25 Vgl. Smith & Nephew Group plc bez. Centerpulse AG vom Schweizerische Versicherungs-Gesellschaft vom 10.8.1997, Punkt 25.4.2003, jeweils Unterpunkt (i), S. 25 3.7; Sandoz AG/Ciba-Geigy AG/Novartis AG vom 6.3.1996, Punkt 26 Mit Due Diligence wird das Verfahren bezeichnet, durch welches 7.3; Feldschlösschen-Hürlimann Holding AG/Prime Site AG vom eine Unternehmensprüfung bei einer M&A-Transaktion vorgenom- 14.4.2001, Punkt 10.3. Alle aufgeführten Vertragsklauseln in Isler, men wird. Vgl. Tschäni, M&A-Transaktionen, S. 21 ff. S. 84 ff. 27 Vgl. Sieger/Hasselbach, S. 629. 35 Vgl. Angebotsprospekt der Crucell N.V. bez. Berna Biotech AG vom 28 Z.B. No-Shop-Vereinbarungen, vgl. Watter, S. 7; Tschäni/Diem, S. 15.12.2005, S. 16. 98; Bahar, S. 163; oder No Talk-Vereinbarungen, vgl. Watter, S. 7; 36 Vgl. Guinomet, S. 64; Bouchon, S. 96. Tschäni/Diem, S. 98; Bahar, S. 163. 37 Vgl. Tschäni, M&A-Transaktionen, S. 23; Guinomet, S. 63; Tschäni, S. 29 Vgl. Guinomet, S. 52 f. 425; Tschäni/Diem, S. 80; Bouchon, S. 96. 30 Vgl. Guinomet, S. 50. 38 Vgl. Saywell /Gamble, S. 31. 31 Vgl. Beispiel in Guinomet, Fn. 67, S. 50. 39 Sieger/Hasselbach, S. 625. 4
Markus Gysi, Break Fee-Vereinbarungen bei Unternehmensübernahmen, in: Jusletter 29. Oktober 2007 nen, aber fruchtlosen Verhandlungen profitiert.40 Diese eine Konkurrenzofferte zu lancieren.48 Die Zahlung der Wertsteigerung resultiert aus der Schaffung einer Aus- entsprechenden Break Fee würde zu einem Wertverlust gangslage – mitunter die Ergebnisse einer durchlaufe- der Zielgesellschaft führen und somit die wirtschaftliche nen Due Diligence –, die einen zukünftigen Verkauf der Attraktivität der Übernahme negativ beeinflussen. Eine Unternehmung erst ermöglicht. solche Break Fee-Klausel hat somit die Funktion einer Lock-up-Vereinbarung.49 18 Nicht nur die Zielgesellschaft, sondern auch ein Dritter, der eine Konkurrenzofferte lanciert, kann von der durch die Erstanbieterin geschaffenen Ausgangslage profitie- 3.3. Weitere Zwecke ren. Dieser Konkurrent ist unter Umständen erst durch Mit Abschluss einer Break Fee-Vereinbarung können 22 das vorgängige Erstangebot auf die Zielgesellschaft auf- weitere Zwecke verfolgt werden, wie z.B. Erreichung des merksam geworden, womit ihm die Kosten, welche eine gewünschten Mindestpreises, Ablauf des Bietverfahrens intensive Suche nach einem geeigneten Übernahme- auf hohem Niveau50, eigenes Verkaufsanstreben der Ziel- kandidaten verursacht, erspart bleiben. Die vereinbarte gesellschaft oder Feststellung des eigenen Marktwertes. Break Fee mit der Erstanbieterin wird deshalb zum Teil In diesen Konstellationen ist die vereinbarte Break Fee auch als Finder's Fee legitimiert.41 Ausserdem kann ein als Kompensation an die Erstanbieterin anzusehen.51 Dritter auch einen Nutzen aus der bereits entstandenen Wertsteigerung der Zielgesellschaft ziehen, da er die be- 4. Beispiele von Break Fee-Vereinbarungen reits entstandenen Kosten der Due Diligence nicht zu tra- gen hat. Durch die Break Fee soll somit verhindert wer- in der Schweiz den, dass ein möglicher Konkurrent als Trittbrettfahrer Im Zusammenhang mit schweizerischen Übernahmen 23 von den geleisteten Aufwendungen der Erstanbieterin wurden bis heute nur wenige Break Fee-Vereinbarungen profitieren kann.42 öffentlich bekannt gemacht.52 Aufgrund dieser Fälle lässt 19 Eine Break Fee-Vereinbarung erleichtert dem Berech- sich feststellen, dass oftmals eine Verletzung der in der tigten die Durchsetzung seines Schadensanspruchs in Transaktionsvereinbarung auferlegten Pflichten oder zweifacher Hinsicht. Erstens bildet sie eine vertragliche ein erfolgreiches Drittangebot als Auslöser bestimmt Grundlage, was mit Blick auf die schwierig durchsetzba- wurde.53 Die Höhe der Break Fees beträgt in den meis- re Haftung nach den Grundsätzen von culpa in contra- ten Fällen im Verhältnis zur Transaktionssumme deut- hendo von besonderer Bedeutung ist.43 Zweitens erspart lich weniger als 1%.54 Damit sind diese Break Fees als sie dem Berechtigten die sehr aufwändige Berechnung verhältnismässig moderat zu bezeichnen, auch wenn es und Bezifferung seines erlittenen Schadens.44 sich dabei um Millionenbeträge handelt.55 Die Übernahmekommission (UEK) hat sich im Rahmen 24 3.2. Unternehmerische Erfolgssicherung ihrer Empfehlungen bis anhin in vier Fällen mit Break Fee- 20 Eine Break Fee-Vereinbarung kann auch hauptsächlich Vereinbarungen auseinandergesetzt.56 Die Beurteilung die Funktion einer Deal Protection-Massnahme haben.45 Durch die drohende Zahlungspflicht wird das Interesse 48 Vgl. Gerhard, S. 61. der bedingt verpflichteten Partei an einer erfolgreichen 49 Bei Lock-up-Vereinbarungen handelt es sich um Vereinbarungen Transaktion erhöht.46 Um diese Sanktionierungsfunktion zwischen der Erstanbieterin und der Zielgesellschaft, welche ein aber vollumfänglich zu erfüllen, muss die vereinbarte konkurrierendes Drittangebot erheblich erschweren oder gar ver- Geldsumme prohibitiv hoch sein.47 unmöglichen. Vgl. Tschäni/Diem, S. 94; ferner Gerhard, S. 61; Büh- ler, S. 34; Frauenfelder, S. 175; Watter, Unternehmensübernah- 21 Durch eine genügend hohe Break Fee kann auch er- men, Rz. 709 ff.; Bahar, S. 163. reicht werden, dass ein Dritter davon abgeschreckt wird, 50 Vgl. Guinomet, S. 67. 51 Vgl. Guinomet, S. 67. 52 Siehe unten Anhang Tabelle 1 53 Vgl. Angebotsprospekt der Smith & Nephew Group plc bez. InCen- 40 Vgl. Isler, S. 96. tive Capital AG vom 25.4.2003, Unterpunkt (iv) der Verpflichtung In- Centive Capital AG, S. 25; Angebotsprospekt von Crucell N.V. bez. 41 Vgl. Tschäni/Diem, S. 97; Watter, S. 7. Berna Biotech AG vom 15.12.2005, S. 16; X-Rite Incorporated bez. 42 Vgl. Isler, S. 92; von Salis-Lütolf, Rz. 160. Amazys Holding AG vom 24.3.2006, S. 18. 43 Vgl. Tschäni, M&A-Transaktionen, S. 19. Zu Begriff und Vorausset- 54 Siehe unten Anhang Tabelle 1. zungen der culpa in contrahendo Haftung vgl. Schwenzer, Rz. 47.01 55 In den USA betragen die vereinbarten Break Fees durchschnittlich ff. rund 2.6%. Siehe unten IV.A. 44 Vgl. Guinomet, S. 64. 56 Vgl. UEK Empfehlung i.S. Forbo Holding AG vom 7. März 2005, E. 8; 45 Vgl. Tschäni, S. 426. UEK Empfehlung i.S. Saia-Burgess Electronics Holding AG vom 8. 46 Vgl. Gerhard, S. 61. September 2005, E. 7; UEK Empfehlung i.S. Berna Biotech AG vom 47 Vgl. Tschäni/Diem, S. 95; Guinomet, S. 65 f. 13. Dezember 2005, E. 8; UEK Empfehlung i.S. Amazys Holding AG 5
Markus Gysi, Break Fee-Vereinbarungen bei Unternehmensübernahmen, in: Jusletter 29. Oktober 2007 der entsprechenden Abreden nahm sie jeweils in der mit rechtliche oder unsittliche Zwecke verfolgt werden (Art. «Überbinden der Transaktionskosten an die Zielgesell- 157 OR).59 schaft» bezeichneten Erwägung vor. Die Break Fee-Ver- In der Schweiz sind Break Fee-Vereinbarungen rechtlich 29 einbarung wurde jeweils spezifisch im Kontext des Ein- als Schadenspauschalierung oder als Konventionalstrafe zelfalls geprüft. Es lässt sich nicht erkennen, dass sich zu qualifizieren.60 Oftmals ist die genaue rechtliche Qua- die UEK von einem vorgegebenen Grenzwert des Ver- lifizierung nicht auf den ersten Blick ersichtlich. Nicht hältnisses der Break Fee zur Transaktionssumme leiten selten muss deshalb die konkrete Vereinbarung anhand liess, wie es zum Beispiel der Praxis in Grossbritannien der bekannten Grundsätze des Vertragsrechts ausgelegt entspricht.57 Vielmehr prüft die Kommission die konkret werden.61 vereinbarte Break Fee anhand der jeweils anwendbaren gesetzlichen Normen des schweizerischen Rechts. Auf 1.1. Konventionalstrafe die gesetzlichen Schranken wird im anschliessenden Teil näher eingegangen. Es bleibt an dieser Stelle fest- In der Regel wird eine Transaktionsvereinbarung von den 30 zuhalten, dass die UEK die geprüften Fälle bisher alle als obersten Leitungsorganen der Anbieterin und der Ziel- rechtsmässig beurteilt hat und aufgrund der Fallkons- gesellschaft unterzeichnet, wodurch die vertretenen Ge- tellationen eine detaillierte Prüfung bislang noch ausge- sellschaften vertraglich gebunden werden.62 Ein Schei- blieben ist. tern der Transaktion wird hingegen meistens durch das Verhalten der Aktionäre der Zielgesellschaft ausgelöst. Diese müssen als von der AG unabhängige Rechtssub- III. Break Fee-Vereinbarungen unter jekte ihre Entscheidung frei fällen können. Das oberste Leitungsorgan kann somit die Aktionäre nicht mittels schweizerischem Recht Vertrages mit der Käuferin zu einem bestimmten Verhal- 25 Um die einzelnen Auswirkungen aufzuzeigen, werden ten zwingen.63 Aufgrund dieser Tatsache ist eine Break die generell-abstrakt geltenden Normen des schweize- Fee-Vereinbarungen meist nicht als echte64 sondern als rischen Rechts anhand des nachfolgenden Modellfalls unechte65 Konventionalstrafe zu qualifizieren. angewendet: Da die unechte Konventionalstrafe ein vertraglich nicht 31 26 Die Anbieterin A AG will die Aktien von der Zielgesell- erzwingbares Verhalten absichern soll, ist ihre Siche- schaft Z AG kaufen. Der Verwaltungsrat der Z AG unter- rungsfunktion besonders ausgeprägt.66 Weist eine Break stützt grundsätzlich die Absichten der A AG. Die beiden Fee-Vereinbarung einen primären Sicherungscharakter obersten Leitungsorgane schliessen im Laufe der Ver- auf, ist sie folglich als unechte Konventionalstrafe zu handlungen eine Transaktionsvereinbarung ab, die u.a. qualifizieren. Beträgt die Break Fee des Modellfalls nicht eine Break Fee-Klausel enthält. In dieser Klausel ver- CHF 2 Mio. sondern CHF 20 Mio. und macht somit 5% der pflichtet sich die Z AG zur Zahlung einer Break Fee für Transaktionssumme aus, ist die hauptsächliche Siche- den Fall, dass die geplante Übernahme scheitert, da der rungsabsicht der A AG klar ersichtlich und als unechte VR der Z AG den Aktionären der Z AG das Angebot der A Konventionalstrafe anzusehen. AG nicht zur Annahme empfiehlt oder seine Empfehlung Diese rechtliche Qualifizierung hat einen Einfluss auf die 32 widerruft. Die Break Fee beträgt CHF 2 Mio. und somit möglichen Rechtsfolgen. Nach herrschender Lehrmei- 0.5% der Transaktionssumme von CHF 400 Mio. nung sind die Art. 160 ff. OR bezüglich der echten Kon- 27 Durch Modifikationen dieses Modellfalls im folgenden ventionalstrafe auch auf die unechte – die im OR nicht Teil des Beitrags soll aufgezeigt werden, wie sich Verän- explizit geregelt ist – anwendbar.67 Demnach wird die derungen der Modalitäten auf die rechtliche Beurteilung auswirken können. 59 Vgl. BSK OR I-Ehrat, N. 3 Vorbem. zu Art. 151-157. 60 Vgl. Isler, S. 86 f.; Tschäni/Diem, S. 95 f.; Schnydirg/Vischer, S. 1194; 1. Rechtliche Qualifizierung BSK OR I-Ehrat, N. 12a zu Art. 160. 28 Wie bereits erörtert, handelt es sich bei einer Break Fee- 61 Vgl. zu den Auslegungsgrundsätzen im schweizerischen Vertrags- recht Schwenzer, Rz. 33.04 ff. Vereinbarung um eine suspensiv bedingte Vertragsklau- 62 Siehe oben II.1. sel58, die nur dann unzulässig ist, wenn damit wider- 63 Vgl. Isler, S. 87. 64 Eine Qualifikation als echte Konventionalstrafe ist nur im Sonder- fall möglich, in dem die Break Fee-Vereinbarungen zwischen einem Kontrollaktionär und der Käuferin abgeschlossen wird, siehe oben vom 23. März 2006, E. 9. Fn. 10) 57 In Grossbritannien wurde der Grenzwert bei 1% festgelegt. Vgl. das 65 Vgl. Mabillard, S. 548. Statement 1999/10 des Takeover Panel vom 16.7.1999. 66 Vgl. Mabillard, S. 549. 58 Siehe oben II.1. 67 Vgl. Bucher, S. 525; Mabillard, S. 552; BSK OR I-Ehrat, N. 3 zu Art. 6
Markus Gysi, Break Fee-Vereinbarungen bei Unternehmensübernahmen, in: Jusletter 29. Oktober 2007 unechte Konventionalstrafe dem Gläubiger geschuldet, anzutreten.74 Dies führt zu einer Beweislastumkehr be- auch wenn ihm kein Schaden entstanden ist (Art. 161 züglich des Schadens in der Höhe der vereinbarten Abs. 1 OR). Dies erleichtert die Durchsetzbarkeit des Gläu- Pauschale. Dem Gläubiger steht umgekehrt der Beweis bigeranspruchs wesentlich, da der Gläubiger bezüglich eines die Pauschale übersteigenden Betrags ebenfalls des Schadens nicht nach Art. 8 ZGB beweispflichtig ist. offen.75 Diese zweite Sichtweise ist zu bevorzugen, da Ferner ist auch das richterliche Herabsetzungsrecht von die Parteien mit einer Schadenspauschalierung primär Art. 163 Abs. 3 OR auf die unechte Konventionalstrafe einen Kostenausgleich verfolgen und nicht eine Siche- anwendbar. Eine Konventionalstrafe gilt allerdings nicht rungsabsicht, wie sie für die Konventionalstrafe charak- als übermässig, «wenn sie in ihrer Höhe den Betrag nicht teristisch ist. unverhältnismässig übersteigt, den die Parteien im Zeit- punkt der Vereinbarung als höchstmöglichen Schaden 1.3. Zwischenfazit betrachten.»68 M.a.W. gilt der mögliche Schaden nicht Für die Qualifizierung einer Break Fee-Vereinbarung unter 36 als Höchstgrenze einer zulässigen Konventionalstrafe. schweizerischem Recht ist der von den Parteien verfolg- te Zweck das ausschlaggebende Abgrenzungskriterium. 1.2. Schadenspauschalierung Weist die Break Fee-Vereinbarung eine primäre Siche- 33 Wie die unechte Konventionalstrafe ist auch die Scha- rungsfunktion auf, ist sie als unechte Konventionalstrafe denspauschalierung nicht ausdrücklich im OR geregelt. zu qualifizieren; die Art. 160 ff. OR sind entsprechend an- Der Gläubiger muss bei einer Schadenspauschalierung wendbar. Wird hingegen primär ein Kostenausgleich an- den Eintritt eines Schadens zwar beweisen,69 doch bleibt gestrebt, ist die entsprechende Break Fee-Vereinbarung ihm dessen genaue Bezifferung erspart.70 Da sich die als Schadenspauschalierung anzusehen, welche die Be- Schadenspauschale an dem «nach dem gewöhnlichen weisregeln von Art. 8 ZGB modifiziert. Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden»71 orientiert, er- Die Abgrenzung kann im Einzelfall erhebliche Schwie- 37 füllt sie in erster Linie eine Ausgleichsfunktion. Die durch rigkeiten bereiten und orientiert sich v.a. an der Höhe die drohende Zahlung bestehende Sicherungsfunktion der vereinbarten Break Fee. Um Qualifizierungsproble- ist sekundär. Eine Break Fee, die vorwiegend einen Kos- me zu vermeiden, ist es ratsam, den verfolgten Zweck tenausgleich bezweckt und die sich am typischerweise ausdrücklich festzuhalten und die Klausel entsprechend zu erwartenden Schaden orientiert, ist somit als eine genau auszuarbeiten.76 Schadenspauschalierung zu qualifizieren. 34 Die Break Fee des Modellfalls ist als Schadenspauscha- 2. Formelle Zulässigkeitsvoraussetzungen le anzusehen, da die vereinbarten CHF 2 Mio. auf eine hauptsächliche Kostenausgleichsabsicht der Parteien Im Folgenden wird erläutert, welche formellen Voraus- 38 schliessen lassen. Unter Berücksichtigung der Transakti- setzungen erfüllt sein müssen, damit eine Break Fee- onssumme von CHF 400 Mio. und den hohen Kosten von Vereinbarung gültig abgeschlossen werden kann. Vorverhandlungen ist eine Schadenserwartung von CHF 2 Mio. durchaus vertretbar. 2.1. Formerfordernis 35 Die Rechtsfolgen einer als Schadenspauschalierung Dem Prinzip der allgemeinen Vertragsfreiheit folgend 39 qualifizierten Vereinbarung sind in der Lehre umstritten. gilt in der Schweiz die Formfreiheit (Art. 11 Abs. 1 OR). Es wird teilweise die Auffassung vertreten, dass auch im Das Gesetz enthält diesbezüglich weder für die Kon- Falle einer Schadenspauschale die Herabsetzungsnorm ventionalstrafe noch für die Schadenspauschalierung von Art. 163 Abs. 3 OR analog zur Anwendung kommen eine gesetzliche Ausnahmeregelung. Somit unterliegen soll.72 Eine andere Lehrmeinung lehnt diese analoge An- Break Fee-Vereinbarungen bei Unternehmensübernah- wendung von Art. 163 Abs. 3 OR ab.73 Dieser zweiten men grundsätzlich keinen gesetzlichen Formvorschrif- Meinung folgend wird die Problematik einer überhöhten ten.77 In der Praxis werden Break Fee-Klauseln in der Pauschale dadurch gelöst, dass es dem Schuldner vor- Regel schriftlich vereinbart. Dies ist im Hinblick auf eine behalten bleibt, den Beweis eines niedrigeren Schadens 74 Vgl. Fischer, S. 169. 160; Bentele, S. 132. 75 Vgl. Fischer, S. 169 f. 68 Isler, S. 88; vgl. ferner BGE 103 II 109. 76 Vgl. Angebotsprospekt von AFB Investment S.A. bez. Forbo Hol- 69 Vgl. Fischer, S. 162. ding AG vom 8.3.2005, S. 10, in dem die vereinbarte Break Fee als 70 Vgl. Fischer, S. 102; Santoro, S. 38; Bucher, S. 525. «pauschalierten Kostenersatz» bezeichnet wird. 71 Fischer, S. 172. 77 Vgl. Isler, S. 89, der sogar bei Unternehmenszusammenschlüs- 72 Vgl. BSK OR I-Ehrat, N. 12 zu Art. 160; Bucher, S. 525. sen eine Formbedürftigkeit einer Break Fee ablehnt, obwohl das 73 Vgl. Fischer, S. 163 f.; Santoro, S. 39; ferner Urteil des Obergerichts Grundgeschäft, der Fusionsvertrag, nach Art. 12 FusG der einfa- Obwalden vom 23.10.1984, SJZ 1986, S. 67. chen Schriftlichkeit bedarf. 7
Markus Gysi, Break Fee-Vereinbarungen bei Unternehmensübernahmen, in: Jusletter 29. Oktober 2007 allfällige Beweisführung und als gegenseitige Absiche- Vermutungsweise steht die Vertretungsmacht jedem rung zweifellos empfehlenswert. Verwaltungsratsmitglied einzeln zu (Art. 718 Abs. 1 OR). Da diese Vertretungsmacht delegiert werden kann (Art. 2.2. Aktienrechtliche Kompetenzzuweisung 718 Abs. 2 OR), wird die Gesellschaft durch Rechtsge- schäfte verpflichtet, die ein entsprechend Zeichnungs- 40 Sämtliche Handlungen einer Aktiengesellschaft als ju- berechtigter abschliesst. ristische Person werden durch ihre Organe vorgenom- men (Art. 55 ZGB). Somit stellt sich die Frage, welchem Obwohl sich das Angebot bei einer Übernahme direkt 45 Organ das Gesetz die Vertretungsmacht zuspricht, um an die Aktionäre richtet, ist doch meistens der VR der die Gesellschaft durch eine Break Fee-Klausel bedingt Ansprech- und Verhandlungspartner einer potentiellen zu verpflichten. Bei der AG kommen dafür nur der Ver- Käuferin.83 Der VR spielt somit im Vorfeld einer Über- waltungsrat oder die Generalversammlung in Betracht. nahme eine zentrale Rolle. Aufgrund der Geschäfts- Beiden Organen weist das OR (Art. 716a Abs. 1 OR und leitungsbefugnis und der Vertretungsmacht fallen die Art. 698 Abs. 2 OR) unübertragbare und unentziehbare Verhandlungen und der Abschluss von Transaktions- Kompetenzen zu (Paritätsprinzip).78 vereinbarungen in den ausschliesslichen Kompetenz- bereich des Verwaltungsrats. Diese Tätigkeiten bilden 41 Da bei Übernahmen vorwiegend einseitig (unilateral) durch ihre strategische Bedeutung einer Übernahme verpflichtende Vereinbarungen abgeschlossen werden, einen Teil der Oberleitungsaufgaben und sind deshalb stellt sich diese Frage meist nur auf der Seite der bedingt nicht übertragbar.84 Zwar können einzelne Vertragsver- verpflichteten Zielgesellschaft. Aus diesem Grund wird handlungen delegiert werden (Decision Shaping), doch in den weiteren Ausführungen ausschliesslich auf die bleibt die Entscheidungsverantwortung zwingend beim Zielgesellschaft eingegangen. Die folgenden Erläuterun- VR (Decision Taking). «Zentrale Weichenstellungen»85 gen sind aber im Falle einer reciprocal Break Fee-Verein- im Übernahmeprozess müssen demnach vom Gesamt- barung ohne weiteres auch auf die Anbietergesellschaft verwaltungsrat beschlossen werden. Eine solche Wei- anzuwenden. chenstellung ist auch der Entscheid, eine konkrete Break 2.2.1. Verwaltungsrat Fee-Vereinbarung in einem Transaction Agreement ab- zuschliessen.86 Der Gesamtverwaltungsrat trägt somit 42 Die ausschliessliche Geschäftsführungskompetenz des die Verantwortung für die genaue inhaltliche Ausgestal- Verwaltungsrats (Art. 716 Abs. 2 OR) steht vermutungs- tung der Break Fee-Klausel. weise allen Mitgliedern gesamthaft zu (Art. 716b Abs. 3 OR). Der VR kann allerdings unter Einhaltung der gesetz- 2.2.2. Generalversammlung lichen Vorschriften die Geschäftsführung ganz oder teil- Die Generalversammlung wird vom Gesetz als oberstes 46 weise an einzelne Mitglieder oder an Dritte delegieren Organ der AG bezeichnet (Art. 698 Abs. 1 OR). « [Sie] (Art. 716b Abs. 1 OR). Aufgaben, die vom Gesetz zwin- ist die Versammlung der Aktionäre, also das Willens- gend dem VR zugewiesen sind (Art. 716a Abs. 1 OR), bildungsorgan der stimmberechtigten Eigentümer der können jedoch nicht delegiert werden. Gesellschaft.»87 Auch ihr werden in Art. 698 Abs. 2 OR 43 Die wichtigste unübertragbare und unentziehbare Auf- unübertragbare Kompetenzen zugewiesen. Erwähnens- gabe des Verwaltungsrats stellt die Oberleitung der Ge- wert ist hier die unübertragbare Kompetenz der GV, sellschaft dar (Art. 716a Abs. 1 Ziff. 1 OR).79 Er kann zwar Statutenänderungen vorzunehmen (Art. 698 Abs. 2 Ziff. die Ausarbeitung von Entscheidungsgrundlagen an an- 1), da eine solche Statutenänderung in einer Break Fee- dere delegieren (Decision Shaping), muss aber schluss- Klausel als Trigger Event vereinbart werden kann.88 endlich selber entscheiden und dafür auch die volle Ver- Der Spielraum der GV, sich selber weitere Kompeten- 47 antwortung übernehmen (Decision Taking).80 zen durch eine Statutenänderung zuzuweisen, ist auf- 44 Ausserdem wird durch Art. 718 Abs. 1 OR dem VR die grund der gesetzlichen Regelung im OR sehr klein.89 So alleinige Vertretungskompetenz zugewiesen.81 Die- verbietet die zwingende Kompetenzzuteilung, dass die se Vertretungsmacht wird durch den Gesellschafts- GV durch entsprechende Statutenänderung z.B. den zweck eingeschränkt, wobei dieser diesbezüglich von Lehre und Rechtsprechung sehr weit ausgelegt wird.82 von Büren/Stoffel /Weber, Rz. 640. 83 Vgl. Tschäni/Diem, S. 53; Watter, S. 2. 78 Vgl. Böckli, § 13 Rz. 286; Frauenfelder, S. 8. 84 Vgl. Tschäni/Diem, S. 70. 79 Vgl. von Büren/Stoffel /Weber, Rz. 655; Böckli, § 13 Rz. 306 f.; BSK 85 Tschäni/Diem, S. 71. OR II-Watter, N. 4 zu Art. 716a 86 Vgl. Tschäni/Diem, S. 71. 80 Vgl. Böckli, § 13 Rz. 303. 87 Von Büren/Stoffel /Weber, Rz. 467. 81 Vgl. BSK OR II-Watter, N. 1 zu Art. 718. 88 Siehe oben II.2.2. 82 Vgl.BGE 116 II 320 E. 3.a. S. 323; BGE 111 II 284, E. 3.b. S. 288 f.; 89 Vgl. Böckli, § 13 Rz. 286. 8
Markus Gysi, Break Fee-Vereinbarungen bei Unternehmensübernahmen, in: Jusletter 29. Oktober 2007 Gesamtverwaltungsratsbeschluss bezüglich einer Break die Aktionäre in ihrer freien Entschlussfassung an der Fee-Vereinbarung unter eine Genehmigungspflicht der GV in unzulässigem Ausmass eingeschränkt. Eine ent- GV stellt.90 sprechend vereinbarte Break Fee ist somit nach schwei- zerischem Recht nicht zulässig. 2.2.3. Zwischenfazit Schränkt ein Gesamtverwaltungsratsbeschluss die Be- 53 48 Als formelle Voraussetzung muss die Break Fee-Verein- schlussfassungsfreiheit der GV in unzulässiger Weise barung auf einem Gesamtverwaltungsratsbeschluss ein, so verletzt er die Grundstruktur der AG und ist somit beruhen und von einer zeichnungsberechtigten Person nichtig (Art. 714 OR i.V.m. Art. 706b Ziff. 1 OR).95 Die unter- unterzeichnet werden. zeichnete Break Fee-Vereinbarung ist für die Zielgesell- 49 Die gesetzliche Zuweisung der Kompetenz zu Verhand- schaft jedoch weiterhin verbindlich, wenn die Anbieterin lung und Abschluss von Break Fee-Vereinbarungen an gutgläubig auf die Vertretungsbefugnis der unterzeich- den VR ist aus verschiedenen Gründen sinnvoll und nenden Person vertraut (Art. 718a Abs. 2 OR i.V.m. Art. zweckdienlich. Die GV ist schon aufgrund ihrer Einberu- 3 Abs. 1 ZGB).96 Die Gutgläubigkeit kann der Anbieterin fungsfrist (Art. 700 Abs. 1 OR) nicht in der Lage, rasche einzig mit dem Nachweis abgesprochen werden, dass Entscheidungen zu fällen.91 Meistens fehlen den Aktio- sie wusste oder hätte wissen müssen (Art. 3 Abs. 2 ZGB), nären auch das nötige Wissen bezüglich des Tagesge- dass der für die Zielgesellschaft Unterzeichnende mit der schäfts und die nötige Erfahrung, um in einer solchen Unterzeichnung der Vereinbarung seine Vertretungsbe- Situation richtig zu entscheiden.92 Ausserdem wäre eine fugnis überschritten hat. Wird die Beschlussfassungs- Geheimhaltung der Verhandlungen – vielfach ein wichti- freiheit der GV durch die hohe Break Fee offensichtlich ges Element für beide Verhandlungsparteien – aufgrund eingeschränkt, kann berechtigterweise davon ausgegan- der grossen Anzahl von Aktionären praktisch nicht gen werden, dass die Anbieterin von der Unzulässigkeit möglich. der Break Fee-Vereinbarung hätte wissen müssen, da sie meist genaue Kenntnisse der Finanzlage der Zielgesell- schaft hat. In einem solchen Fall kann sich die Anbieterin 3. Materielle Schranken nicht mehr auf die Gutgläubigkeit berufen und die Break 50 Auch die inhaltliche Ausgestaltung von Break Fee-Ver- Fee-Klausel wäre für die Zielgesellschaft nicht bindend einbarungen muss geltendem Recht entsprechen. (Art. 718a Abs. 2 OR e contrario). Ausserdem riskieren die Verwaltungsräte der Zielgesellschaft mittels einer er- 3.1. Aktienrechtliche Kompetenzzuweisung folgreichen Verantwortlichkeitsklage nach Art. 754 Abs. 51 Die Einhaltung der gesetzlichen Kompetenzzuweisung 1 OR, für den durch ihre Pflichtverletzung entstandenen ist nicht nur bezüglich der formellen Gültigkeitsvoraus- Schaden persönlich haftbar gemacht zu werden. setzung einer Break Fee-Vereinbarung zu beachten, son- dern sie schränkt auch die Ausgestaltung einer solchen 3.2. Eigentümerrechte der Aktionäre Vereinbarung ein.93 Dadurch wird sichergestellt, dass Bei jedem Übernahmeangebot hat schlussendlich der 54 der zwingende Kompetenzbereich eines Organs nicht in Aktionär selber zu entscheiden, ob er verkaufen oder sei- missbräuchlicher Weise durch ein anderes Organ unter- ne Aktien doch behalten will. Dieser Entscheid, der sich laufen werden kann. So ist eine Handlung des Verwal- aus der Eigentümerstellung des Aktionärs ergibt, darf tungsrats unzulässig, welche die Entscheidungsfreiheit nicht von einer Handlung des Verwaltungsrates unzuläs- der Aktionäre zu stark einschränkt bzw. zu einer fakti- sig erschwert oder verunmöglicht werden.97 Wie oben schen Vorwegnahme eines GV-Beschlusses führt.94 dargelegt, ist eine Break Fee von rund 5% der Transak- 52 Hier sei als Beispiel eine Break Fee-Vereinbarung an- tionssumme geeignet, die Wahlfreiheit der Aktionäre in geführt, die im Gegensatz zum Modellfall als Auslöser unzulässiger Weise einzuschränken.98 eine durch die GV abgelehnte Statutenänderung enthält Es kann nun argumentiert werden, dass jede noch so 55 und die Break Fee auf CHF 20 Mio. (5% der Transakti- moderate Break Fee den Entscheid der Aktionäre beein- onssumme) festsetzt. Die Zahlung dieser beträchtlichen flusse. Gemäss herrschender Lehre ist jedoch eine Break Geldsumme würde zu einem Wertverlust der Z AG und Fee, die sich auf den Ersatz der Auslagen der Anbieterin damit der Z Aktien führen. In dieser Konstellation sind beschränkt, nicht geeignet, die Freiheit der Aktionäre 90 Vgl. Böckli, § 12 Rz. 33. 91 Vgl. Tschäni/Diem, S. 72. 95 Vgl. Böckli, § 13 Rz. 270a. 92 Vgl. Bahar, S. 162. 96 Vgl. Böckli, § 13 Rz. 498. 93 Vgl. Isler, S. 89. 97 Vgl. Schnydrig/Vischer, S. 1195. 94 Vgl. Isler, S. 90. 98 Siehe oben III.3.1. 9
Markus Gysi, Break Fee-Vereinbarungen bei Unternehmensübernahmen, in: Jusletter 29. Oktober 2007 rechtswidrig einzuschränken.99 Eine Break Fee, die sich Im Falle, dass der VR durch den Abschluss einer zu ho- 58 an den Kosten orientiert, kann damit legitimiert werden, hen Break Fee-Vereinbarung die Entscheidungsfreiheit dass die Zielgesellschaft selber von den Auslagen der der Aktionäre in unzulässiger Weise einschränkt, ist Erstanbieterin profitiert.100 Diese Wertsteigerung wirkt der entsprechende Gesamtverwaltungsratsbeschluss sich auch positiv auf den Wert der Aktien aus. nichtig (Art. 714 OR i.V.m. Art. 706b Ziff. 1 OR). Für die Begründung der Nichtigkeit sowie für deren rechtliche 56 Es ist aber auch die Konstellation vorstellbar, dass eine Auswirkung auf die Break Fee-Vereinbarung und die Haf- Break Fee-Vereinbarung zwischen der Zielgesellschaft tung der Verwaltungsräte kann auf bereits Erwähntes und einem Dritten im Zusammenhang mit dessen Kon- verwiesen werden.104 kurrenzofferte abgeschlossen wird. Dabei hat der Kon- kurrent möglicherweise kleinere Kosten, da er von den durch die Erstanbieterin geleisteten Auslagen profitie- 3.3. Aktienrechtliche Pflichten des Verwaltungsrats ren kann. Eine kostenorientierte Break Fee würde dann Neben der Einschränkung des Handlungsspielraums 59 entsprechend niedriger vereinbart. Das Versprechen der des Verwaltungsrates durch den Gesellschaftszweck Zielgesellschaft, die Kosten im Falle eines Scheiterns (Art. 718a Abs. 1 OR) schreibt das Gesetz dem VR u.a. zu tragen, kann ausschlaggebend dafür sein, dass der die Treuepflicht gegenüber der AG und die Gleichbe- Dritte überhaupt ein Konkurrenzangebot lanciert. Diese handlungspflicht gegenüber den Aktionären (Art. 717 Konkurrenzofferte ist v.a. bei einer drohenden unfreund- OR) vor. Diese beiden Pflichten bilden für die inhaltliche lichen Übernahme im Interesse der Zielgesellschaft, Ausgestaltung und den Abschluss einer Break Fee-Ver- wenn der VR das Erstangebot aufgrund des zu niedrig einbarung weitere gesetzliche Schranken und werden gebotenen Preises ablehnt. Durch den Abschluss einer im Folgenden näher analysiert. entsprechenden Break Fee-Vereinbarung erfüllt der VR Selbstverständlich ist auch bei Übernahmen vom VR 60 somit seine Pflicht, eine möglichst gute Entscheidungs- stets die Sorgfaltspflicht zu beachten (Art. 717 Abs. 1 grundlage für den Aktionär zu schaffen. Diese Pflicht des OR), was dazu führen kann, dass der VR unter Umstän- VR leitet sich aus der Geschäftsführungskompetenz und den externe Spezialisten hinzuziehen muss.105 der Oberleitungsaufgabe ab.101 57 Das eben angeführte Beispiel zeigt, dass eine gesetzli- 3.3.1. Treuepflicht che Regelung der Break Fee als starrer Prozentsatz der Durch die Treuepflicht ist der Verwaltungsrat verpflich- 61 Transaktionssumme abzulehnen ist.102 Die durch die tet, die Interessen der Gesellschaft nach guten Treuen Break Fee auszugleichenden Aufwendungen können für zu wahren (Art. 717 Abs. 1 OR).106 Eine Legaldefinition ein späteres Konkurrenzangebot wesentlich kleiner sein für den Begriff des Gesellschaftsinteresses fehlt im Ge- als für das Erstangebot. Zwar hat ein fixer Grenzwert den setz. Aufgrund der fehlenden Legaldefinition ist es der Vorteil, dass für die Unternehmen eine klare Ausgangs- Praxis überlassen, den Begriff des Gesellschaftsinteres- lage bezüglich der Zulässigkeit von Break Fee-Klauseln ses näher zu definieren. Allgemein anerkannt ist, dass geschaffen würde. Er wird jedoch der grossen Vielfalt sich das Gesellschaftsinteresse einerseits vom Gesell- von möglichen Übernahmeszenarien nicht gerecht. Des- schaftszweck und andererseits vom Gewinnstreben der halb ist die Einzelfallprüfung unter Einbezug aller jeweili- AG ableiten lässt107, wobei der statuierte Gesellschafts- gen Umstände zu bevorzugen, wie dies bei der heutigen zweck aufgrund seiner meist offenen Formulierung nur Gesetzeslage in der Schweiz insbesondere von der UEK eine kleine Hilfe bietet.108 vorgenommen wird.103 Das Bundesgericht hat in seiner Rechtsprechung dar- 62 auf hingewiesen, dass eine AG als juristische Person ein eigenes Interesse hat, welches sich vom Interesse 99 Vgl. Schnydrig/Vischer, S. 1195; Watter, S. 7; Tschäni, M&A-Trans- der einzelnen Verwaltungsräte, der Aktionäre und auch aktionen, S. 411. von Dritten unterscheiden lässt.109 Bezüglich einer nä- 100 Siehe oben II.3.1. heren Begriffserläuterung sind die Urteile des Bundes- 101 Vgl. Isler, S. 91. gerichts jedoch nicht einheitlich.110 In der Lehre finden 102 Gl.M. Tschäni/Diem, S. 98; a.M. Isler, S. 94, der mit Verweis auf die teilweise in Deutschland vertretene Meinung einen Grenzwert von 1% als grundsätzliche Richtschnur für die Zulässigkeit annimmt. Ein starrer Prozentsatz von 1% der Transaktionssumme entspricht auch 104 Siehe oben III.3.1. der Regelung des Takeover Panels in Grossbritannien; Statement 105 Vgl. Tschäni/Diem, S. 60. 1999/10 des Takeover Panel vom 16.7.1999. 106 Vgl. Böckli, § 13 Rz. 599 f. 103 Vgl. UEK Empfehlung i.S. Forbo Holding AG vom 7. März 2005, E. 8; 107 Vgl. Daeniker, S. 116. UEK Empfehlung i.S. Saia-Burgess Electronics Holding AG vom 8. September 2005, E. 7; UEK Empfehlung i.S. Berna Biotech AG vom 108 Vgl. Kissling, Rz. 72. 13. Dezember 2005, E. 8; UEK Empfehlung i.S. Amazys Holding AG 109 Vgl. BGE 113 II 52, E. 3.a. S. 57. vom 23. März 2006, E. 9. 110 Vgl. Kissling, Rz. 41; ferner Fn. 91 und 92, S 19, m.w.H. auf die 10
Markus Gysi, Break Fee-Vereinbarungen bei Unternehmensübernahmen, in: Jusletter 29. Oktober 2007 sich verschiedene Definitionsansätze.111 Ein Teil der er dies als nötig erachtet, um den Unternehmenswert Lehre geht dabei vom Shareholdervalue aus.112 Danach nachhaltig zu steigern. Die Gründe dafür können unter- richtet sich das Gesellschaftsinteresse allein nach den schiedlich sein.119 Weil der VR der A AG aufgrund sei- Interessen der Aktionäre. Ein anderer Teil der Lehre ist ner eigenen Verwaltungsratspflichten kein Kostenrisiko der Ansicht, dass bei der Definition des Gesellschafts- eingehen will, ist er nur bereit, über eine Übernahme zu interesses auch die Interessen der Stakeholder, wie z.B. verhandeln, wenn die Z AG im Falle eines Scheiterns die diejenigen der Mitarbeiter, zu berücksichtigen sind.113 entstandenen Kosten der A AG übernimmt. Die Break Obwohl beide Theorien von verschiedenen Ansätzen Fee-Vereinbarung des Modellfalls sichert somit die fi- ausgehen, kann ihr gemeinsamer Nenner darin gefun- nanziellen Interessen der A AG. Da sie aber ein notwen- den werden, dass beide die nachhaltige Wertsteigerung diges Mittel ist, um überhaupt ein Angebot für die Z Ak- des Unternehmens als Kern des Gesellschaftsinteresses tien zu erhalten, liegt sie auch im Interesse der Z AG. Der ansehen.114 Wie aber diese Wertsteigerung innerhalb Abschluss dieser Break Fee-Vereinbarung liegt demnach der gesetzlichen Schranken konkret erreicht werden soll, im Ermessen des Z VR und stellt keine Treuepflichtver- liegt im Ermessen des jeweiligen Verwaltungsrats. Ob letzung dar. ein konkreter Verwaltungsratsentscheid als zulässiger Nicht im Gesellschaftsinteresse der Zielgesellschaft 67 Ermessensentscheid oder als treuwidrig gegen das Ge- handelt ihr VR hingegen, falls er durch eine Break Fee- sellschaftsinteresse verstossend zu beurteilen ist, muss Vereinbarung ihre Liquidität in unzulässiger Weise aufs im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände ent- Spiel setzt und damit ihr Überleben gefährdet.120 schieden werden.115 Im Modellfall wäre dies z.B. vorstellbar, wenn die Z AG 68 63 Unbestritten ist jedenfalls, dass der VR die eigenen In- als kleine Gesellschaft nur über wenig Kapital verfügt teressen gegenüber dem Gesellschaftsinteresse zu- und ihre flüssigen Mittel stark begrenzt sind. Diese rückzustellen hat.116 Angesichts der Tatsache, dass nach schwache Finanzlage kann ein Argument für eine ange- Übernahmen oftmals auch die einzelnen Verwaltungs- strebte Übernahme sein. Aufgrund des Produktes der Z ratsmandate neu vergeben werden, ist dieser Grundsatz AG, dem der Markt ein grosses Potential zuspricht, weist von besonderer Bedeutung.117 die Z AG aber einen hohen Ertragswert auf, was sich ent- 64 Erhält im Modellfall der Z VR von der A AG die Zusiche- sprechend auf den Übernahmepreis auswirkt.121 Somit rung, weiterhin als Z VR im Amt zu bleiben, versucht er kann die Transaktionssumme im Verhältnis zum Subs- mit der Break Fee-Vereinbarung die Transaktion abzusi- tanzwert relativ hoch sein. Eine Break Fee, die wie im chern und wahrt damit seine Eigeninteressen. Falls die Modellfall nur 0.5% der Transaktionssumme ausmacht, Übernahme durch die A AG aber nicht auch im Interesse bedeutet in dieser Konstellation aber bereits ein erheb- der Z AG selber liegt, ist die vereinbarte Break Fee nicht liches Risiko der Liquidität. Diese Gefährdung des nach- legitim. Somit liegt eine Verletzung der Treuepflicht haltigen Überlebens der Z AG ist nicht im Interesse der durch den Z VR vor. Gesellschaft, auch wenn eine Übernahme durch die A AG angestrebt werden muss. Durch Abschluss einer li- 65 Nach schweizerischem Recht muss der VR auch in Über- quiditätsgefährdenden Break Fee verletzt der Z VR seine nahmesituationen das Gesellschaftsinteresse wahren Treuepflicht. und seine Tätigkeit nach der Richtschnur der nachhal- tigen Wertsteigerung ausrichten. Er bleibt somit Lei- Das eben angeführte Beispiel zeigt ebenfalls auf, dass 69 tungsorgan der Gesellschaft und wird nicht aufgrund eine gesetzliche Regelung der Break Fee als starrer Pro- der Übernahmesituation zum Aktionärsvertreter.118 zentsatz der Transaktionssumme der grossen Vielfalt von möglichen Übernahmeszenarien nicht gerecht wer- 66 Im Modellfall handelt der Z VR dann im Gesellschaftsin- den kann und deshalb abzulehnen ist.122 teresse, wenn er einen Verkauf der Z AG anstrebt, weil Das Gesellschaftsinteresse ist auch verletzt, wenn mit- 70 Rechtsprechung des Bundesgerichts. tels einer mit der Erstanbieterin zu hoch vereinbarten 111 Vgl. für eine Übersicht der verschiedenen Ansätze Kissling, Rz. 42 Break Fee ein höheres Konkurrenzangebot praktisch ff. verhindert wird. Eine solche Break Fee hat – wie erwähnt 112 Vgl. BSK OR II-Watter, N. 16 zu Art. 717; Forstmoser, S. 210. 113 Vgl. Forstmoser/Mayer-Hayoz /Nobel, § 28 Rz. 26; Forstmoser, S. 210. 119 Z.B. Zugang zu einem breiteren Vertriebsnetz oder betriebsnotwen- 114 Vgl. Forstmoser, S. 219 ff.; Watter, S. 4. dige zusätzliche Finanzkraft. Vgl. Watter, Unternehmensübernah- 115 Vgl. Kissling, Rz. 52. men, Rz. 84. 116 Vgl. Daeniker, S. 116; Forstmoser/Mayer-Hayoz /Nobel, § 28 Rz. 27. 120 Vgl. Tschäni/Diem, S. 92. 117 Vgl. Watter, Unternehmensübernahmen, Rz. 164. 121 Vgl. zu den genauen, in der Praxis angewendeten Bewertungsver- 118 Vgl. Böckli, § 7 Rz. 221; Tschäni/Diem, S. 74; Schnydrig/Vischer, S. fahren Tschäni, M&A-Transaktionen, S. 9 ff. 1198. 122 Siehe oben III.3.2. 11
Markus Gysi, Break Fee-Vereinbarungen bei Unternehmensübernahmen, in: Jusletter 29. Oktober 2007 – die Funktion einer Lock-up-Vereinbarung.123 Das Glei- 3.3.3. Zwischenfazit che muss auch für Break Fee-Vereinbarungen gelten, Da der VR auch in Übernahmesituationen seine aktien- 75 die in der Absicht abgeschlossen werden, andere dem rechtlichen Pflichten zu beachten hat, muss eine Break Gesellschaftsinteresse widersprechende Deal-Protec- Fee-Vereinbarung immer im Gesellschaftsinteresse lie- tion-Massnahmen abzusichern. So verstösst z.B. der gen und darf den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht VR gegen seine Treuepflicht, wenn er mittels Break Fee- verletzen. Es ist im konkreten Einzelfall jedoch immer Vereinbarung eine unzulässige No-Talk-Vereinbarung124 unter Berücksichtigung der Gesamtumstände genau zu absichert. prüfen, ob der VR mit der konkreten Break Fee-Verein- barung sein Ermessen pflichtwidrig überschritten hat. 3.3.2. Gleichbehandlungspflicht Verletzt der VR seine Pflichten, kann er für den daraus 71 Der Grundsatz der Gleichbehandlung (Art. 717 Abs. 2 OR) resultierenden Schaden haftbar gemacht werden (Art. begrenzt sich darauf, dass die Aktionäre unter gleicher 754 Abs. 1 OR).128. Die Break Fee-Vereinbarung bindet die Voraussetzung gleich zu behandeln sind.125 Eine absolu- Zielgesellschaft jedoch auch in diesem Fall gegenüber te Gleichstellung wird durch das Gesetz nicht verlangt. dem gutgläubigen Vertragspartner.129 Vielmehr ist eine Ungleichbehandlung zulässig, falls ein sachlicher Grund diese rechtfertigt und dieses Vorgehen 3.4. Börsenrechtliche Pflichten verhältnismässig ist.126 Wird eine Break Fee-Vereinbarung im Rahmen eines öf- 76 72 Relevant ist das Gleichbehandlungsgebot bei Über- fentlichen Kaufangebots abgeschlossen bzw. handelt es nahmen im Falle eines Angebots, welches sich sich bei der Zielgesellschaft um eine an einer Schweizer nicht an alle Aktionäre richtet. Bei einer Unterstüt- Börse kotierte Aktiengesellschaft (Art. 2 lit. e BEHG), sind zung eines solchen Angebots verletzt der VR seine zudem die börsenrechtlichen Normen (Art. 22 ff. BEHG) Gleichbehandlungspflicht.127 bei ihrer konkreten Ausgestaltung zu beachten.130 73 Durch Vereinbarung einer Break Fee unterstützt der Z VR Die Normen des BEHG und der dazugehörenden Verord- 77 im Modellfall das Angebot der A AG. Falls sich dieses nungen zielen darauf ab, mittels Fairness-, Transparenz- nicht an alle Aktionäre richtet, verletzt er damit seine und Gleichbehandlungsvorschriften für möglichst aus- Gleichbehandlungspflicht. gewogene Stärkeverhältnisse auf dem Übernahmemarkt 74 Es ist auch die Konstellation vorstellbar, dass die Erstan- zu sorgen. Die Hauptzwecke dieser börsenrechtlichen bieterin und ein konkurrierender Drittanbieter schon be- Erlasse sind somit der Anlegerschutz und der Schutz ei- reits Aktionäre der Zielgesellschaft sind. Bei Vorliegen nes funktionierenden Kapitalmarkts (Art. 1 BEHG).131 einer Break Fee-Vereinbarung zwischen der Erstanbiete- Das BEHG setzt bei öffentlichen Kaufangeboten die 78 rin und der Zielgesellschaft stellt sich die Frage, ob der Übernahmekommission als Überwachungsbehörde ein Dritte aufgrund des aktienrechtlichen Gleichbehand- (Art. 23 Abs. 3 BEHG). Die UEK überprüft die Einhaltung lungsgebots einen Anspruch darauf habe, eine gleiche der börsenrechtlichen Bestimmungen und erlässt ent- Break Fee-Vereinbarung abschliessen zu können. Dies sprechende Empfehlungen (Art. 23 Abs. 3 BEHG). Wird ist nur für den Fall zu bejahen, dass die Angebote beider diesen nicht Folge geleistet oder werden sie abgelehnt, Anbieter gleich sind. Sind die Angebote nicht identisch, meldet die UEK dies der Eidgenössischen Bankenkom- liegt ein sachlicher Grund zur Ungleichbehandlung vor; mission, die daraufhin eine verbindliche Verfügung er- somit ist eine verhältnismässige Ungleichbehandlung lassen kann (Art. 23 Abs. 4 BEHG i.V.m. Art. 34 BEHG). gerechtfertigt. Ebenfalls ein rechtfertigender Grund zur Ungleichbehandlung liegt vor, wenn die Break Fee-Ver- Für die folgenden Ausführungen ist anzunehmen, dass 79 einbarung dasjenige Angebot betrifft, welches aufgrund es sich bei der Z AG des Modellfalls um eine börsenko- des Gesellschaftsinteresses bzw. der nachhaltigen Wert- tierte Aktiengesellschaft im Sinne des BEHG handelt. steigerung zu bevorzugen ist. 3.4.1. Verbot von börsenrechtswidrigen Abwehrmass- nahmen Das BEHG verbietet dem VR der Zielgesellschaft, zwi- 80 123 Siehe oben II.3.2. Vgl. bez. der Diskussion über die Zulässigkeit von schen der Veröffentlichung des Angebots und des Er- Lock-up-Vereinbarungen Tschäni/Diem, S. 94 f.; Gerhard, S. 61 f.; gebnisses Rechtsgeschäfte abzuschliessen, welche die Bühler, S. 34 f.; Frauenfelder S. 175 f.; Watter, Unternehmensüber- Aktiven oder Passiven der Gesellschaft in bedeutender nahmen, Rz. 709 ff. 124 Siehe oben II.2.2. 125 Vgl. von Büren/Stoffel /Weber, Rz. 684; BSK OR II-Watter, N. 23 zu 128 Siehe oben III.3.1. Art. 717. 129 Siehe oben III.3.1. 126 Vgl. BSK OR II-Watter, N. 23 zu Art. 717; Böckli, § 13 Rz. 680. 130 Vgl. Böckli, § 7 Rz. 153. 127 Vgl. BSK OR II-Watter, N. 34 zu Art. 717; Watter, S. 3. 131 Vgl. Tschäni, S. 421. 12
Sie können auch lesen