BIOGAS - BIOENERGIE - Fachagentur ...
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IMPRESSUM Herausgeber Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR) OT Gülzow, Hofplatz 1 18276 Gülzow-Prüzen Tel.: 03843/6930–0 Fax: 03843/6930–102 info@fnr.de www.nachwachsende-rohstoffe.de www.fnr.de Gefördert durch das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages Redaktion Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR), Abteilung Öffentlichkeitsarbeit Bilder Titel: PlanET Biogastechnik GmbH, Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR) Sofern nicht am Bild vermerkt: Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR) Gestaltung/Realisierung www.tangram.de, Rostock Druck www.druckerei-weidner.de, Rostock Gedruckt auf 100 % Recyclingpapier mit Farben auf Pflanzenölbasis Bestell-Nr. 175 9. überarbeitete Auflage FNR 2013
INHALT 1 Erneuerbare Energie aus Biogas 4 Energiepotenziale von Biogas 6 2 Ökologie und Nachhaltigkeit 8 3 Vielseitige Nutzungsmöglichkeiten 11 3.1 Strom und Wärme 11 3.2 Biomethan und Kraftstoff 14 4 Prozessbiologie 17 5 Ausgangsstoffe 19 6 Anlagentechnik und Betrieb 22 6.1 Verfahren 22 6.2 Anlagentechnik 24 6.3 Gasaufbereitung und Einspeisung 26 6.4 Mess- und Regeltechnik, Sicherheit 28 6.5 Gärrückstände 28 7 Rechtliche Rahmenbedingungen, Förderungen und Wirtschaftlichkeit 30 7.1 Rechtliche Rahmenbedingungen 30 7.2 Erneuerbare-Energien-Gesetz und Förderungen 33 7.3 Wirtschaftlichkeit 35 8 Anhang 37 8.1 Weitergehende Informationen 37 8.2 Faustzahlen 38 8.3 Abkürzungsverzeichnis 39 8.4 Publikationen 41 3
1 ERNEUERBARE ENERGIE AUS BIOGAS Um die zur Neige gehenden fossilen Ener- nachwachsende Rohstoffe mit steigender gieträger zu schonen und den Klimawandel Tendenz, wenngleich der Ausbau hier lang- aufzuhalten, ist ein sukzessiver Umstieg auf samer voran geht als bei der energetischen erneuerbare Energien in den nächsten Jahr- Nutzung. zehnten notwendig. Biomasse insgesamt trägt heute mit ca. Die Bundesregierung hat sich daher eine mo- 66 % maßgeblich zur Energiebereitstellung derne, klimafreundliche, nachhaltige und si- aus erneuerbaren Energien in Deutschland chere Energieversorgung durch den Ausbau bei. Der Anteil von Biogas an der Strompro- der erneuerbaren Energien zum Ziel gesetzt. duktion aus Biomasse belief sich 2012 auf Dieses Ziel ist eingebunden in die Energie- 50,2 %. Bezug nehmend auf die erneuer- und Klimapolitik der Europäischen Union. Die baren Energien betrug der Anteil von Biogas EU hat folgende Teilziele für 2020 festgelegt: bei der Stromerzeugung 15,1 % und an der • Senkung der Treibhausgasemissionen um Wärmebereitstellung 7,8 % (zuzüglich Bio- mindestens 20 %, abfallvergärung, Deponie- und Klärgas sind • Verringerung des Energieverbrauches um es sogar 20,1 % bei Strom und 14,6 % bei 20 % durch bessere Energieeffizienz und Wärme). Biogas und Biomasse werden auch • Deckung von 20 % unseres Energiebe- in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Holz, darfes aus erneuerbaren Energien. Energiepflanzen, Stroh und tierische Exkre- mente bieten das Potenzial, einen erhebli- Auf dieser Grundlage sollen die erneuerba- chen Teil unserer Energie nachhaltig, klima- ren Energien mittelfristig einen Hauptanteil neutral und verhältnismäßig kostengünstig an der Energieversorgung übernehmen. Bis zu erzeugen. 2020 soll ihr Anteil auf mindestens 35 % der Stromversorgung, 14 % der Wärmebe- Biogas aus Biomasse nimmt unter den er- reitstellung und 10 % des Kraftstoffverbrau- neuerbaren Energien eine besondere Rolle ches ansteigen. Bis 2020 sollen sich auch ein, es eignet sich zur gleichzeitigen Er- die Treibhausgasemissionen im Vergleich zeugung von Strom und Wärme, als Kraft- zu 1990 um 40 % verringern. stoff und als Erdgassubstitut. Hinzu kommt, dass es flexibel nutzbar und relativ einfach Bioenergie, die von allen regenerativen Ener- speicherbar ist. Die Energieerzeugung aus giequellen in Deutschland heute den größten Biogas unterliegt keinen jahres- und ta- Beitrag leistet, spielt dabei auch zukünftig geszeitlichen oder witterungsbedingten eine zentrale Rolle. Schließlich ist Biomasse Schwankungen und kann somit langfristig ein weitgehend CO2-neutraler Energieträger. zur Absicherung der Grundversorgung mit Auch im stofflichen Bereich verwendet man Strom (sog. Grundlast) und auch für Bedarfs- 4
ENERGIEBEREITSTELLUNG AUS ENERGIEBEREITSTELLUNG AUSERNEUERBAREN ERNEUERBARENENERGIEN ENERGIEN2012 2012 Biokraftstoffe 10,7 % 6,8 % Wasserkraft 14,7 % Windenergie Biomasse 13,0 % (Strom) gesamt 1,9 % Solarthermie 313,9 TWh 2,2 % Geothermie ca. 66 % durch Bioenergie 8,9 % Photovoltaik Biomasse 41,8 % (Wärme) Strom und Wärme aus Biomasse inkl. Klär-, Deponiegas und biogener Anteil des Abfalls Quelle: BMU, AGEE-Stat (März 2013) © FNR 2013 Abb. 1: Bedeutung der Bioenergie innerhalb der erneuerbaren Energien spitzen herangezogen werden. Deshalb liegt produziert. Ende 2012 gab es in Deutsch- ein aktueller Schwerpunkt darin, die flexible land 7.515 Biogasanlagen mit einer in- und bedarfsorientierte Biogasproduktion stallierten elektrischen Gesamtleistung von auszubauen. 3.352 MW. Im Durchschnitt hat eine Bio- gasanlage hierzulande also eine installierte Die Energiegewinnung aus Biogas ist seit elektrische Leistung von ca. 440 kW. Zum Langem bekannt, doch erst seit Anfang der Vergleich verfügen durchschnittliche Koh- 90er Jahre kommt es zu einer nennenswer- lekraftwerke über eine Leistung von etwa ten Nutzung. Ein massiver Zuwachs setzte 600 MWel und das größte deutsche Atom- im Wesentlichen mit dem Inkrafttreten des kraftwerk (AKW) Isar 2 über ca. 1.485 MWel. Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ein. Be- Biogasanlagen in Deutschland ersetzen da- sonders förderlich wirkten sich die EEG-No- mit bereits heute mehr als 5 Kohle- oder 2 vellierungen 2004 und 2009 aus (Abb. 2). große AKWs und führen den Beweis, dass viele kleine Energieerzeuger zusammen Zum überwiegenden Teil wird Biogas hier- eine nicht unerhebliche Energiemenge er- zulande in landwirtschaftlichen Anlagen zeugen können. Deutlich wird an diesen 5
BESTANDSENTWICKLUNG BIOGASANLAGEN BESTANDSENTWICKLUNG BIOGASANLAGEN Anlagenzahl installierte elektrische Leistung (MW) 1. Novelle EEG 2. Novelle EEG 3. Novelle EEG 9.000 (Aug. 2004) (Jan. 2009) (Jan. 2012) 5.000 8.000 4.000 7.772 7.515 7.000 7.175 3.500 3.530 6.000 3.000 3.352 5.905 3.097 5.000 4.984 2.500 4.000 3.891 2.000 2.291 3.711 3.500 1.893 3.000 1.500 2.680 2.000 2.050 1.000 1.377 1.750 1.271 1.100 1.000 500 390 190 650 0 0 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013* Anlagenzahl Prognose Anlagenzahl installierte elektrische Leistung * Prognose Quelle: FNR nach FvB (2013) © FNR 2013 Abb. 2: Entwicklung der Anzahl und elektrisch installierte Leistung der Biogasanlagen in Deutschland Zahlen auch, dass Biogasanlagen wie Kindergärten und Schwimmbäder oder Ge- alle anderen Kraftwerke zur Nutzung er- werbe- und Industriebetriebe, wie Gärtne- neuerbarer Energien zu den dezentralen reien oder Fertigungshallen. Technologien gehören, während die fossi- len Rohstoffe in zentralen Großkraftwerken Auch wer keinen direkten Zugang zu Ener- in Energie umgewandelt werden. gie aus Biogas hat, kann virtuell „grünen“ Strom und „grüne“ Wärme von Energie- Mit Biogas lässt sich jedoch nicht nur „grü- versorgern beziehen, immer mehr Unter- ner“ Strom produzieren. Inzwischen gibt es nehmen bieten dies inzwischen an. Und viele erfolgreiche Multinutzungsmodelle. an zahlreichen Erdgas-Tankstellen kann Bio- Beispielsweise wird die erzeugte Energie methan heute als Reinkraftstoff oder im Ge- über Gas- oder Wärmeleitungen direkt zum misch mit Erdgas getankt werden. Verbraucher gebracht, seien es Wohnhäu- ser, öffentliche Einrichtungen wie Schulen, 6
Energiepotenziale von Biogas Primärenergiepotenzial rund 500 PJ, wovon das mögliche Biogasaufkommen des land- Potenzialermittlungen für die Biogaspro- wirtschaftlichen Sektors mit ca. 88 % den duktion werden von diversen Faktoren be- größten Anteil hat. einflusst. Wie groß das landwirtschaftliche Rohstoffpotenzial ist, hängt z. B. von der Die Erschließung der vorhandenen Poten- notwendigen Flächenvorhaltung für die ziale ist im Wesentlichen über den land- Nahrungsmittelproduktion und Tierernäh- wirtschaftlichen Sektor möglich, da hier rung ab, der regionalen Anbaustruktur und der Großteil anfällt. Dieses wird bereits den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. zukünftig noch verstärkt ermöglicht durch Die Biogasproduktion aus Abfall- und Rest- weiter steigende Wirkungsgrade bei der stoffen wird ebenfalls durch eine Vielzahl Stromproduktion und Wärmebereitstellung, von Faktoren bestimmt. die Optimierung von Fermenterbiologie und Anlagentechnik, die verstärkte Nutzung von Das technische Potenzial von Biogas aus Ernterückständen und Exkrementen sowie den verschiedenen Quellen ist in Abb. 3 dar- den Züchtungsfortschritt bei Energiepflan- gestellt. Für 2020 beträgt das technische zen. TECHNISCHES PRIMÄRENERGIEPOTENZIAL FÜR BIOGAS TECHNISCHES PRIMÄRENERGIEPOTENZIAL FÜR BIOGAS Jahr 2007 108 114 86 102 2020 47 13 105 86 252 0 100 200 300 400 500 Technisches Primärenergiepotenzial (in P J/a) Kommunale Reststoffe Industrielle Rückstände Ernterückstände und Exkremente min. NawaRo max. NawaRo vom Potenzial genutzter Anteil (0,55 Mio. ha 2007) (1,15 Mio. ha 2007 und 1,6 Mio. ha 2020/Ertragssteigerung: 2 %/a) Quelle: IE, DBFZ (2009) © FNR 2011 Abb. 3: Technisches Primärenergiepotenzial für Biogas in Deutschland 7
2 ÖKOLOGIE UND NACHHALTIGKEIT Eine Grundvoraussetzung für die verstärkte zuentwickeln. Zu den verfolgten Strategien Nutzung pflanzlicher Rohstoffe und Ener- gehören unter anderem: gieträger ist deren nachhaltige Erzeugung • die Erhöhung der Artenvielfalt beim und Verwendung. Nachhaltigkeit, so wie Energiepflanzenanbau, sie im Brundtland-Bericht von 1987 defi- • die Züchtung neuer Sorten, niert wurde, bedeutet, dass die gegenwär- • neue Anbaumethoden mit verringertem tige Generation ihre Bedürfnisse befriedigt, Pflanzenschutz- und Düngemitteleinsatz ohne die Fähigkeit zukünftiger Generatio- sowie ganzjährig begrünten Feldern, nen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse • der Einsatz besonders effizienter zu befriedigen.1 Nachhaltigkeit hat somit Umwandlungsprozesse, eine ökologische, eine ökonomische und • Kaskadennutzungsmodelle mit einer eine soziale Dimension. Auf nachwach- stofflichen und anschließenden ener- sende Rohstoffe übertragen heißt das, bei getischen Nutzung nachwachsender der Nutzung ein Gleichgewicht zu finden Rohstoffe und zwischen dem, was ökonomisch notwendig • die Wiederverwertung der Reststoffe als ist, wie zum Beispiel hohe und sichere Bio- Dünger. masseerträge, und dem, was den Naturräu- men ökologisch zugemutet werden kann. Aufgabe des BMELV ist es, mithilfe ange- Die soziale Komponente betrifft u. a. die messener und abgestimmter Forschungs- Arbeitsbedingungen der Menschen, neue förderung geeignete Methoden einer nach- Einkommensmöglichkeiten und Teilhabe haltigen Energie- und Rohstoffwirtschaft an Wertschöpfungsprozessen. herauszuarbeiten. Für deren anschließende Überführung in die Praxis ist die gesamte Ansätze einer noch nachhaltigeren Pro- Gesellschaft gefragt: Wirtschaft und Verbrau- duktionsweise von nachwachsenden Roh- cher sind es, die die neuen Verfahren und stoffen existieren viele. Es ist einer der Produkte in ihren Alltag integrieren müssen. Schwerpunkte des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau- Auch für den Biogassektor gilt das Prinzip cherschutz (BMELV), diese Ansätze in For- der Nachhaltigkeit. Produktion und Verwer- schungsprojekten zu erproben und weiter- tung von Biogas bringen ökologische, öko- 1 1983 verwendete die von den Vereinten Nationen eingesetzte Weltkommission für Umwelt und Entwicklung (Brundt- land-Kommission) unter dem Vorsitz der ehemaligen norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland erstmals den ursprünglich aus der Forstwirtschaft stammenden Begriff „Nachhaltigkeit“ in einem entwicklungspoli- tischen Kontext. Die genannte Definition stammt aus dem Abschlussdokument der Brundtland-Kommission „Unsere gemeinsame Zukunft“ (auch bekannt als Brundtland-Bericht) aus dem Jahr 1987. 8
nomische und soziale Vorteile mit sich. Aber Die größten CO2-Einsparungspotenziale nur bei Beachtung der Nachhaltigkeitskrite- werden mit einem möglichst hohen Anteil rien kann Biogas langfristig und dauerhaft an Wirtschaftsdüngern, wie Gülle oder Mist als Energieträger zur Verfügung stehen. im Gärsubstrat erreicht. Denn im Gegensatz zu Energiepflanzen, die extra für die Bio- Der wichtigste Effekt der Umweltentlastung gasnutzung angebaut werden, verursachen durch Biogas ist die Vermeidung von CO2- ohnehin anfallende Reststoffe wie Gülle und Emissionen im Vergleich zu fossilen Energie- Mist keinen Energieaufwand zu ihrer Herstel- trägern. Die Erzeugung von Energie aus Bio- lung. Bei Energiepflanzen muss dieser Auf- gas ist weitgehend CO2-neutral, d. h. das bei wand von dem CO2-neutralen Energieertrag der Verbrennung des Biogases freigesetzte der Anlage abgezogen werden, denn heute CO2 wurde vorher der Atmosphäre durch die kommt meistens noch fossile Energie beim Bildung der Biomasse entnommen. Anbau (z. B. als Kraftstoff in Traktoren) zum THG-EMISSIONEN THG-EMISSIONENVON VONBIOGASANLAGEN IM IM BIOGASANLAGEN VERGLEICH ZUM VERGLEICH DEUTSCHEN STROMMIX ZUM DEUTSCHEN STROMMIX in kg CO2-Äq/kWhel 0,6 0,5 Strommix 2011 (EE Anteil 20,0 %) 0,4 0,3 0,2 0,1 0,0 0,17 0,16 0,17 –0,1 –0,04 –0,2 –0,3 –0,4 75 kW 150 kW 500 kW 1 MW Saldo Gesamtemissionen Errichtung Anlage Substratbereitstellung und Transport Anlagenbetrieb Gutschrift Ersatz fossile Wärme Gutschrift Gülle-Nutzung Quelle: KTBL (2011) © FNR 2012 Abb. 4: Treibhausgasemissionen Biogasstromerzeugung im Vergleich zum deutschen Strommix 9
Einsatz. Die Vergärung von Wirtschaftsdün- Zu den ökologischen Vorteilen ist auch die gern verringert auch die Emissionen von Abfallverwertung und -reduzierung hinzu- Methan, das ansonsten unkontrolliert ent- zufügen, denn die energetische Nutzung weicht und wesentlich klimaschädlicher ist von organischen Abfällen zum Beispiel aus als CO2. der Biotonne und von Abwässern ist nicht nur ein exzellenter Weg um Strom oder Wär- Neuere Untersuchungen deuten darauf hin, me zu erzeugen, der Gärrückstand ist hier dass durch die Vergärung auch die Emission nach entsprechender Behandlung auch als des klimawirksamen Lachgases gemindert Dünger nutzbar. Besonders vorteilhaft sind wird. Die Vergärung reduziert außerdem die insbesondere Konzepte mit einer möglichst Geruchsentwicklung bei der Lagerung und vollständigen Energieausnutzung. der Ausbringung von Gülle, weil im Verlauf des Gärprozesses die Geruchsstoffe der Als wichtige Komponente der Nachhaltig- Gülle abgebaut und neutralisiert werden. keit ist sicher auch die zunehmende Unab- hängigkeit von Energieimporten zu nennen. Ebenso wie Deutschland sind die meisten europäischen Länder abhängig von diesen Importen. Mit dem gezielten Ausbau der er- neuerbaren Energiesysteme erreichen wir eine zunehmende Unabhängigkeit und die Stabilität der Energiebereitstellung. Ökonomisch bedeutsam ist die dezentrale Energiebereitstellung durch Biogas für die Stärkung des ländlichen Raumes. Dieses führt nicht nur zu besseren Einkommens- situationen bei Landwirten, sondern zieht auch Folgeinvestitionen nach sich, die zu Wertschöpfungen vor Ort führen. Weiterhin sorgen die erneuerbaren Energien für neue Jobs. Allein in Deutschland waren es ©© PlanET Biogastechnik GmbH im Jahr 2012 bereits fast 380.000 Beschäf- tigte, davon etwa 50.000 im Bereich Biogas. Und die Tendenz ist steigend, denn dieser junge Wirtschaftszweig partizipiert sowohl am Inlandsmarkt als auch am wachsenden Aus- landsmarkt. Inzwischen sind deutsche Unter- Arbeitsplatz Biogasanlage nehmen weltmarktführend im Biogassektor. 10
3 VIELSEITIGE NUTZUNGSMÖGLICHKEITEN Biogas bietet eine Vielzahl von Nutzungs- 3.1 Strom und Wärme optionen, z. B. die dezentrale Strom- und Wärmeproduktion, die Verteilung über Derzeit wird der größte Teil des in Deutsch- Wärmenetze, die Einspeisung in das Gas- land produzierten Biogases direkt am Ent- netz und die Verwendung als Erdgassub- stehungsort verstromt. Dank der Einspeise- stitut oder der Einsatz als Kraftstoff. Un- vergütung für Strom aus Biomasse gemäß abhängig von der gewählten Anwendung Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ist die sollte eine möglichst effektive Energieaus- Erzeugung von Strom und Wärme durch nutzung das Ziel sein. Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) in Blockheiz- kraftwerken (BHKW) die derzeit vorrangige Nutzungsart von Biogas. BHKW bestehen prinzipiell aus einem mit Biogas betriebenen VIELFÄLTIGE NUTZUNG VON BIOGAS Quelle: FNR Abb. 5: Nutzungsmöglichkeiten von Biogas 11
erbrennungsmotor, der einen Generator zur V Erzeugung von elektrischer Energie antreibt. Hierfür stehen mehrere Motorbauarten und Verbrennungsverfahren zur Verfügung. Es werden insbesondere Gas-Otto-Motoren und Zündstrahlmotoren eingesetzt. Aber auch die Stromerzeugung über Stirlingmoto- ren, Mikrogasturbinen oder Brennstoffzellen ist möglich. BHKW-Aggregat einer Biogasanlage Gas-Otto-Motoren sind in der Lage, das Bio- menutzung oder einen verminderten War- gas ab einer Methankonzentration von 45 % tungsaufwand. Als Nachteil zu nennen sind direkt zu verbrennen. Zündstrahlmotoren der geringere Wirkungsgrad und die höhe- benötigen zur Verbrennung des Biogases ren Investitionskosten. ein Zündöl zur Einleitung des Verbrennungs- prozesses. Optimierte Zündstrahlmotoren Alternativen bieten auch der Einsatz von Stir- kommen mit einer Menge von 2–4 % Zündöl lingmotoren und Brennstoffzellen. aus, ältere Anlagen benötigen noch bis zu 10 %. Gemäß den Regelungen des EEG darf Stirlingmotoren (Heißgasmotoren) stellen seit 2007 für Neuanlagen kein Zündöl auf geringe Ansprüche an die Gasqualität, fossiler Basis mehr eingesetzt werden. haben aber nur einen Wirkungsgrad von 24–28 %. Sie sind derzeit nur in kleinen Bei der Auswahl des BHKW ist auf hohe Leistungsklassen (bis 100 kWel) erhältlich. Wirkungsgrade und einen geringen Repa- raturbedarf zu achten. Besonders bei Kofer- Biogas lässt sich auch in verschiedenen mentationsanlagen sind Schwankungen bei Brennstoffzellentypen nutzen. Hierzu muss der Qualität und Menge des Gases möglich, das Biogas aufbereitet (insbesondere die dadurch kann es zu Schäden am Motor kom- Entfernung von Schwefel, Kohlenmonoxid men. Abhilfe lässt sich durch elektronische und weiteren Schadstoffen) und reformiert Motorkontrollsysteme schaffen. Beim Betrieb werden (Überführung von Biogas in Wasser- von BHKW sind bestimmte Rahmenbedin- stoff). Dem sehr guten Wirkungsgrad von bis gungen, wie insbesondere die vorgeschrie- zu 50 % und fast emissionsfreier Betriebs- benen Wartungsintervalle und die Anforde- weise stehen derzeit die sehr hohen Inves- rungen an den Aufstellraum, zu beachten. titionskosten und weiterer technischer Ent- wicklungsbedarf gegenüber. Mikrogasturbinen haben einige Vorteile gegenüber Verbrennungsmotoren, wie die Bei der KWK-Nutzung fallen als Koppel- kostengünstigere und einfachere Abwär- produkte Strom und Wärme an. Aus öko- 12
logischer Sicht und für eine effiziente Aus- menge genutzt. Die produzierte Wärme wird lastung sowie einen wirtschaftlichen Betrieb für verschiedenste Anwendungen eingesetzt. der Anlage ist eine Wärmenutzung sinnvoll Den größten Anteil haben das Beheizen von und notwendig. So spielt bei der Planung Wohn- und Wirtschaftsgebäuden des land- von neuen Anlagen ein geeignetes Wärme- wirtschaftlichen Betriebes und der Anschluss konzept eine entscheidende Rolle. Von der an Nah- und Fernwärmenetze, womit auch zur Verfügung stehenden Wärme werden weiter entfernte Verbraucher mit Wärme ver- je nach Anlagentyp und Jahreszeit etwa sorgt werden. Es gibt inzwischen viele Beispie- 10–30 % der Abwärme für die Beheizung le der Versorgung von Wohngebieten, kom- des Fermenters benötigt. Abzüglich der Ver- munalen und gewerblichen Einrichtungen mit luste (ca. 15 %) stehen dann 50–60 % für Biogaswärme. Die Abwärme wird ebenfalls eine externe Wärmenutzung zur Verfügung. genutzt für die Trocknung von Getreide und anderen landwirtschaftlichen Produkten, Holz In den letzten Jahren ist eine deutlich ver- oder auch den anfallenden Gärrückständen. stärkte Wärmenutzung festzustellen. Laut Ebenfalls zu nennen sind Direktleitungen zu Monitoringbericht zum EEG wird bereits etwa Wärmekunden, wie z. B. Gärtnereien. die Hälfte der extern verfügbaren Wärme- WÄRMENUTZUNG AUS BIOGASANLAGEN 2012 WÄRMENUTZUNG AUS BIOGASANLAGEN 2012 Einspeisung in Wärmenetze 25,8 % 18,1 % Trocknungsprozesse 11,1 % Stallbeheizung gesamt 11,3 TWh 2,5 % öffentliche Gebäude 1,9 % Gärtnerei/ Gewächshaus 1,6 % Gewerbe/ Industrie Wohn- und Betriebsgebäude 35,8 % 3,2 % sonstige (inkl. Warmwasserbereitung) Wärmenutzung Quelle: FNR nach DBFZ-Betreiberumfrage 2012/13 © FNR 2013 Abb. 6: Wärmenutzung aus Biogasanlagen 2012 13
Mit der im KWK-Prozess entstehenden zunehmend Interesse und kann eine ver- Wärme kann im ORC-Prozess (Organic Ran- besserte Wärmenutzung in den Sommer- kine Cycle) zusätzlicher Strom produziert monaten ermöglichen. werden. In diesem sogenannten Nachver- stromungsverfahren verdampft die Wärme Wärmenetzen sind bei größeren Entfernun- ein organisches Arbeitsmedium (z. B. Sili- gen zwischen Biogasanlage und Nutzer und konöl). Mit dem hierbei entstehenden Gas den dann hohen Übertragungsverlusten wird eine Turbine angetrieben, die über Grenzen gesetzt. Eine Alternative sind Mik- einen gekoppelten Generator nachfolgend rogasnetze, durch die das Rohbiogas vom Strom erzeugt. Fermenter zu einem bzw. mehreren Satel- liten-BHKW, die direkt beim Wärmenutzer Über sogenannte Sorptionsverfahren kann stehen, gelangt. Vorteilhaft und wertschöp- die Wärme auch in Kälte umgewandelt wer- fend ist auch hier die Steigerung des Ge- den, die dann z. B. im landwirtschaftlichen samtwirkungsgrades durch eine optimale Betrieb für die Milchkühlung oder in Kühl- Wärmeausnutzung. häusern genutzt wird. Die Kraft-Wärme- Kälte-Kopplung bei Biogasanlagen findet 3.2 Biomethan und Kraftstoff In den letzten Jahren hat sich die Biogas- aufbereitung und Einspeisung in das Erd- gasnetz etabliert. Um Biogas als Erdgas- substitut nutzen zu können, wird es von unerwünschten Bestandteilen gereinigt, das CO2 weitgehend abgetrennt und damit der Methangehalt erhöht. Das aufbereitete Biogas, nun Biomethan oder auch Bioerd- gas genannt, wird dann durch die Infra- struktur des Erdgasnetzes transportiert. Da- durch ist die Nutzung an einem beliebigen Standort mit hohem ganzjährigen Wärme- bedarf möglich. Außerdem kann das Bio- methan im vorhandenen umfangreichen Gasnetz mit den unterirdischen Kavernen gespeichert werden und damit helfen, die Stromnetze zu entlasten. Dieses reduziert darüber hinaus auch den Bedarf, neue Abwärmenutzung einer Biogasanlage im Stromleitungen zu bauen. Die Einspeisung Gewächshaus in das Erdgasnetz ermöglicht die von der 14
Produktion entkoppelte direkte Wärme- äquivalente Menge Erdgas an seinem Stand- nutzung (z. B. mittels Gasbrennwertther- ort. Privathaushalte und Gewerbekunden men) sowie die gekoppelte Wärme- und können das Biomethan in KWK-Anlagen zur Stromerzeugung in Gas-Heizkraftwerken Erzeugung von Wärme und Strom, zur allei- mit kommunalen Wärmenetzen. Das Er- nigen Wärmeerzeugung in Gasheizkesseln neuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWär- oder für gasbetriebene Haushaltsgeräte ein- meG) regelt die Nutzung von erneuerbaren setzen. Grundsätzlich kann Biomethan auch Energien bei Neubauten. Zur Erfüllung der in der chemischen Industrie anstelle von Erd- gesetzlichen Vorgaben kann der Wärme- gas stofflich genutzt werden. energiebedarf zu mindestens 30 % durch Biogas (in KWK-Anlagen) gedeckt werden. Zum Ende des Jahres 2012 wurden in Deutschland 117 Biogasaufbereitungs-An- Wie beim Prinzip des Öko-Stroms wird das lagen mit einer Biomethanproduktion von Biomethan vom Hersteller am Erzeugungs- etwa 73.000 Kubikmetern pro Stunde be- ort in das Erdgasnetz eingespeist. Der End- trieben. Das Ziel der Bundesregierung ist es, kunde entnimmt dann das Biomethan als bis 2020 jährlich 6 Milliarden Kubikmeter BIOGASANLAGEN ZUR BIOMETHAN-PRODUKTION IN DEUTSCHLAND BIOGASANLAGEN ZUR BIOMETHAN-PRODUKTION IN DEUTSCHLAND Anlagenzahl Aufbereitungskapazität Biomethan (Nm3/h) 180 178 135.000 160 120.000 140 105.000 109.810 120 117 90.000 100 75.000 80 85 60.000 73.170 60 45.000 54.055 50 40 30.000 35.145 20 15.000 0 0 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013/14* Anlagenzahl Prognose Anlagenzahl Aufbereitungskapazität * Prognose Quelle: FNR nach dena (Deutsche Energie-Agentur GmbH) (2013) © FNR 2013 Abb. 7: Biogasanlagen zur Biomethan-Produktion 15
Erdgas durch Biogas zu ersetzen. Die Ge- In Deutschland steht diese Nutzungsart samtkapazität 2012 entspricht ca. 10 % allerdings noch in den Anfängen. Trotz ein- dieses Ausbauzieles. satzbereiter Technik werden die Potenziale nicht ausgeschöpft. Derzeit gibt es wenige Biomethan kann auch als Kraftstoff in Erd- Tankstellen, an denen reines Biomethan er- gasfahrzeugen genutzt werden. In Europa hältlich ist, aber etwa 1/3 der 900 Erdgas- sind Schweden und die Schweiz als Vorrei- tankstellen deutschlandweit bieten bereits ter zu nennen, wo schon seit Jahren Biogas Biomethan-Erdgas-Gemische an, Tendenz als Kraftstoff in PKW, Bussen und LKW oder steigend. auch Schienenfahrzeugen eingesetzt wird. Im Vergleich zu den herkömmlichen Kraft- Fast alle Hersteller haben inzwischen aus- stoffen zeichnet sich Biomethan durch ein gereifte Modelle mit mono- oder bivalentem sehr hohes CO2-Einsparpotenzial aus. Be- Antrieb (Gas und Benzin) im Sortiment. Bio- reits bei Beimischungen von 20 % Biome- methan als Kraftstoff kann auf die Erfüllung than im Erdgas kann der Kohlendioxidaus- der Biokraftstoffquote angerechnet werden stoß gegenüber Benzin deutlich verringert bzw. ist alternativ außerhalb der Quotenver- werden. pflichtung zunächst bis 2015 steuerbefreit. Biogas tanken 16
4 PROZESSBIOLOGIE Biogas ist ein Produkt des mikrobiellen Ab- In der Hydrolyse (Verflüssigungsphase) baus von organischen Stoffen in feuchter werden die komplexen organischen Ver- Umgebung unter Luftabschluss (anaerobes bindungen in einfachere Verbindungen zer- Milieu). Dieser Abbau wird auch als Vergä- legt. In der anschließenden Acidogenese rung bezeichnet. In der Natur findet dieser (Versäuerungsphase) erfolgt deren Abbau biologische Zersetzungsprozess u. a. auf zu niederen Fettsäuren. Hierbei entste- dem Grund von Gewässern, in Mooren oder hen außerdem Alkohole, Wasserstoff und auch im Pansen von Wiederkäuern statt. Kohlendioxid als Ausgangsstoffe für die Methanproduktion. In der nachfolgenden Der Vergärungsprozess läuft prinzipiell in Acetogenese (Essigsäurephase) werden die vier voneinander abhängigen Teilschritten organischen Säuren und Alkohole zu Essig- (Hydrolyse, Acidogenese, Acetogenese und säure, Wasser und Kohlendioxid abgebaut. Methanogenese) ab, an denen jeweils ver- Die Produkte der vorangegangenen Phasen schiedene Gruppen von Mikroorganismen werden dann in der abschließenden Metha- beteiligt sind. nogenese (Methanbildungsphase) zu Me- than, Kohlendioxid und Wasser umgesetzt. Das gebildete Gasgemisch besteht über- wiegend aus Grundsätzlich finden die vier Phasen im • 50–75 % Methan (CH4), Fermenter zeitlich parallel statt. Aufgrund • 25–45 % Kohlendioxid (CO2), der unterschiedlichen Milieubedingungen • 2–7 % Wasserdampf (H2O), der verschiedenen Mikroorganismen muss • < 2 % Sauerstoff (O2), daher ein bestmöglicher Kompromiss der • < 2 % Stickstoff (N2), wichtigsten Parameter, wie Temperatur, • < 1 % Ammoniak (NH3), pH-Wert oder Nährstoffversorgung gefun- • < 1 % Schwefelwasserstoff (H2S) und den werden. Der Vergärungsprozess ist • < 2 % Spurengasen. empfindlich gegenüber Störungen, die aus betriebstechnischen Gründen oder durch Hemmstoffe entstehen. Letztere können bereits in geringen Mengen negativ auf den Vergärungsprozess wirken. 17
SCHEMATISCHE DARSTELLUNG DES FERMENTATIONSPROZESSES Substrate Fette, Eiweiße, Kohlenhydrate (langkettige Polymere) 1. Phase: Verflüssigung (Hydrolyse) Fettsäuren, Aminosäuren, Zucker (kurzkettige Monomere und Dimere) 2. Phase: Versäuerung (Acidogenese) Kurzkettige organische Säuren (z. B. Propionsäure), Alkohole 3. Phase: Essigsäurebildung (Acetogenese) u.a. Essigsäure (CH3COOH), Kohlendioxid (CO2), Wasserstoff (H2) 4. Phase: Methanbildung (Methanogenese) u. a. Methan (CH4), Kohlendioxid (CO2) Biogas Abb. 8: Vereinfachte Darstellung des Abbaus organischer Substanz bei der Biogasgewinnung 18
5 AUSGANGSSTOFFE Für die Biogasgewinnung lässt sich eine Viel- (Monitoringbericht zum EEG) in den bun- zahl organischer Substrate verwenden. In desweit betriebenen Biogasanlagen auf landwirtschaftlichen Anlagen dienen über- 54 % nachwachsende Rohstoffe (Energie- wiegend tierische Exkremente (z. B. Rinder- pflanzen), 41 % tierische Exkremente, 4 % und Schweinegülle) und gezielt angebaute Bioabfälle sowie auf 1 % Reststoffe aus In- Energiepflanzen als Substrate. Mit deren dustrie und Landwirtschaft. Hilfe wird jedes Jahr aufs Neue Biomasse be- reitgestellt. Aber auch Bioabfälle aus der Ver- Als nachwachsende Rohstoffe kommen zum arbeitung und Kommunalentsorgung oder Beispiel Mais, Getreide, Gräser und Zucker- Reststoffe aus Landwirtschaft und Industrie rüben in Frage, wobei derzeit Mais aufgrund eignen sich für die Biogasproduktion. der besten Flächeneffizienz, technologi- schen Eignung und Kostenstruktur den ein- So verteilte sich 2012 der Substrateinsatz deutig größten Nutzungsumfang einnimmt. gemäß einer aktuellen Betreiberumfrage Für Mais sprechen hohe Trockenmasse- und MASSEBEZOGENER SUBSTRATEINSATZ MASSEBEZOGENER BIOGASANLAGEN 2012 SUBSTRATEINSATZ IN BIOGASANLAGEN 2012 nachwachsende Rohstoffe 54 % 4 % Bioabfall 1 % industrielle und landw. Reststoffe 41 % Exkremente Quelle: DBFZ-Betreiberumfrage (2013) © FNR 2013 Abb. 9: Massebezogener Substrateinsatz in Biogasanlagen (Betreiberumfrage) 19
Energieerträge sowie der geringere Dünger- problemlos mit den meisten anderen Ein- und Pflanzenschutzaufwand im Vergleich zu satzstoffen kombinierbar, zudem wird ihr Getreide. Als Risiken sind insbesondere der auch eine prozessstabilisierende Wirkung negative Einfluss auf Bodenfruchtbarkeit zugeschrieben. und Biodiversität zu nennen. Neben nachwachsenden Rohstoffen, Exkre- Als Folge der zunehmenden Kritik am stark menten, Futterresten und weiteren land- wachsenden Maisanbau wird vermehrt wirtschaftlichen Abfällen und Reststoffen an Alternativen geforscht. Ziel ist es, den eignen sich auch außerlandwirtschaftliche Energiepflanzenanbau nachhaltig und um- Substrate wie Rückstände aus der Lebens- weltschonend durchzuführen. Zunehmen- mittelindustrie (z. B. Trester, Schlempe, de Bedeutung kommt der Rübe zu, die ein Fettabscheiderrückstände), Gemüseabfälle ähnliches Ertragspotenzial wie Mais hat. Ak- von Großmärkten, Speiseabfälle, Rasen- tuell gibt es zahlreiche und aussichtsreiche schnitt, Landschaftspflegematerial oder Forschungsprojekte, die diese Entwicklung Bioabfälle aus der Kommunalentsorgung forcieren. für die Biogasproduktion. Weiterhin wird derzeit auch der Anbau von Die verschiedenen Substrate führen wie in Mischkulturen, Wildpflanzen und neuen Abb. 10 gezeigt zu unterschiedlichen Gas- Energiepflanzen wie der Durchwachsenen erträgen. Je nach Zusammensetzung des Silphie oder Sorghum-Arten in Forschungs- Gärsubstrates schwanken somit auch Gas- projekten untersucht. Insgesamt soll der ertrag und Methangehalt. Die Gasausbeu- Energiepflanzenanbau in mehrgliedrige te der verschiedenen Substrate wird nicht Fruchtfolgen eingebunden werden und nur durch deren Gasbildungspotenzial be- durch weitere geeignete Maßnahmen, wie stimmt. Einfluss hierauf haben auch die z. B. Blühstreifen, entzerrt werden (mehr In- technologischen und biologischen Kennzif- formationen unter http://energiepflanzen. fern der Anlage und des Gärprozesses. Die fnr.de). Allerdings ist bei der alternativen Energieproduktion ergibt sich aus dem Pro- Nutzung von Gräsern, Sonnenblumen und dukt von täglicher Gasmenge und spezifi- den meisten anderen Energiepflanzen im schem Energieinhalt (Ø 6 kWh/m3 Biogas). Gegensatz zu Mais mit einer größeren An- baufläche zu kalkulieren. Mit der Kofermentation (gemeinsame Ver- gärung) außerlandwirtschaftlicher Reststof- Durch den Einsatz von Gülle und anderen fe werden zwar natürliche Stoffkreisläufe Wirtschaftsdüngern kommt es nicht nur zu geschlossen, doch es können auch Schad- einer sinnvollen energetischen Nutzung stoffe (insbesondere Schwermetalle) und dieses vorhandenen Potenzials, es ist auch Störstoffe in die Anlagen und nachfolgend aus Sicht des Klimaschutzes (Emissionsver- mit den Gärrückständen auf die landwirt- meidung) von großer Bedeutung. Gülle ist schaftlichen Nutzflächen gelangen. Deshalb 20
sind hier die Vorschriften des Abfall- und sollen. Auch zu hohe Ammoniumkonzen- Düngerechts zu beachten. Desinfektions- trationen hemmen die Methanproduktion, und Hygienisierungsmittel sowie bestimm- weshalb man Geflügelkot sowie gelegent- te Medikamente gehören nicht in die Bio- lich auch Schweinegülle verdünnen oder gasanlage, da sie den Gärprozess stören mit stickstoffarmen Kosubstraten vermi- und ebenfalls nicht auf den Acker gelangen schen sollte. BIOGASAUSBEUTEN BIOGASAUSBEUTEN Substrat Schweinegülle 60 % Kartoffelschlempe 54 % Rindergülle 55 % Methangehalt in % Getreideschlempe 55 % Futterrübensilage 52 % Rindermist 55 % Speisereste 60 % Landschaftspflegegras* 50 % Sonnenblumensilage 57 % Bioabfall* 60 % Grünroggensilage 53 % Klee-/Luzerngras 55 % Sorghumsilage 52 % Zuckerrübensilage 52 % Geflügelmist* 55 % Grassilage 53 % Getreide-GPS 53 % Maissilage 52 % 0 50 100 150 200 * variierend nach TS-Gehalt bzw. Zusammensetzung Biogasertrag (in Nm³/t FM) Quelle: KTBL (2010) © FNR 2013 Abb. 10: Biogaserträge verschiedener Substrate 21
6 ANLAGENTECHNIK UND BETRIEB 6.1 Verfahren führte feste Biomasse muss gut zerkleinert und gemeinsam mit der Flüssigkeit ver- Bei der Biogasgewinnung werden verschie- mischt sein. dene Anlagenkonzepte angewendet. Diese unterscheiden sich nach Verfahrensmerk- Die Trockenvergärung ist hingegen beson- malen wie Trockensubstanzgehalt, Art der ders für Betriebe von Interesse, denen we- Beschickung oder Anzahl der Prozessphasen. der Gülle noch andere flüssige Basissubst- rate zur Verfügung stehen, die jedoch über Bezug nehmend auf den TS-Gehalt wird zwi- genügend stapelbare Biomasse verfügen. schen Nass- und Trockenvergärung unter- Denn im Gegensatz zur Nassvergärung ist schieden, es gibt allerdings keine eindeutige bei der Trockenvergärung das Gärgut we- Abgrenzung. Derzeit sind fast alle landwirt- der pump- noch fließfähig, noch erfolgt schaftlichen Anlagen Nassfermentations- eine ständige Durchmischung während der anlagen mit den bekannten Rundbehältern, Biogasherstellung. Aber wie bei der Nass- d. h. der TS-Gehalt des Fermenterinhalts liegt fermentation ist ein feuchtes Milieu für bei < 15 % (bei höheren TS-Gehalten ist das den biologischen Vergärungsprozess not- Material in der Regel nicht mehr pump- und wendig. Dieses wird durch Vermischen mit rührfähig). Bei der Nutzung von Gülle kommt Prozessflüssigkeit vor der Vergärung oder nur die Nassvergärung in Frage, die zuge- durch ständiges Besprühen mit Gärflüs- TAB. 1: EINTEILUNG DER VERFAHREN ZUR BIOGASGEWINNUNG NACH VERSCHIEDENEN KRITERIEN Kriterium Unterscheidungsmerkmale • Nassvergärung Trockensubstanzgehalt der Substrate • Feststoffvergärung • diskontinuierlich Art der Beschickung • quasikontinuierlich • kontinuierlich • einphasig Anzahl der Prozessphasen • zweiphasig • psychrophil Prozesstemperatur • mesophil • thermophil Quelle: Leitfaden Biogas (FNR, 2010) 22
sigkeit während des Vergärungsvorgangs In Speicheranlagen (diskontinuierliches hergestellt. Die Verfahren zur Vergärung oder Batch-Verfahren) sind Fermenter und von stapelbarer organischer Biomasse wur- Gärrückstandslager zusammengefasst. Der den ursprünglich für die Bioabfallvergärung Fermenter wird komplett befüllt und luft- entwickelt und finden nun Einsatz im land- dicht verschlossen. Nach Abschluss des wirtschaftlichen Bereich. So lassen sich Bio- Gärprozesses wird der Fermenter dann bis massen mit Trockensubstanzgehalten von auf einen kleinen Rest zum Animpfen ent- 20–40 % vergären. Zu den einsetzbaren leert und nachfolgend die nächste Charge Substraten gehören Festmist, nachwach- eingebracht. Bei hohen TS-Gehalten und sende Rohstoffe, Ernterückstände wie auch faserigen Substraten wird dieses Verfahren Grünschnitt und andere Bioabfälle. angewandt. Finden alle vier Phasen der anaeroben Gä- rung (unter Luftabschluss) in einem Behäl- ter statt, spricht man von einem einstufigen Verfahren. Ein zweiphasiger Betrieb besteht bei räumlicher Trennung von Verflüssigung/ Versäuerung und Essigsäurebildung/Me- thanbildung. Dadurch lassen sich günsti- gere Milieubedingungen für die verschiede- nen Mikroorganismen schaffen. Trockenfermentationsanlage Die Unterteilung nach der Beschickung mit dem Gärsubstrat wird in kontinuierliche (z. B. Pfropfenstrom-Verfahren) und diskon- tinuierliche (z. B. Perkolations-Verfahren) Systeme vorgenommen. Die meisten An- lagen arbeiten im kontinuierlichen Verfah- ren (sog. Durchflussanlagen). Das Substrat wird dem Fermenter ständig oder in kurzen Intervallen zugeführt und Biogas sowie Gär- Durchflussanlage mit Folienhaube als rückstände werden laufend entnommen. integrierter Gasspeicher Etwa 70 % der Anlagen in Deutschland entsprechen dieser Bauart. Unterteilt wird diese Bauart außerdem in Durchfluss- und Durchfluss-Speicher-Verfahren. 23
6.2 Anlagentechnik strates. Sie ist so zu dimensionieren, dass Schwankungen beim Substratanfall ausge- Landwirtschaftliche Biogasanlagen be- glichen werden können. Durch geeignete stehen in der Regel aus Vorgrube, Faul- Maßnahmen wie Homogenisierung, Hygi- behälter und Gärrückstandslager. Für das enisierung, Vorrotte, Hydrolyse und Des- entstehende Gas und dessen Verwertung integration kann die nachfolgende Gärung folgen Gasspeicher, Gasreinigung und i. d. R. positiv beeinflusst werden. Der Faulbehäl- BHKW bzw. Gasaufbereitungsanlage. ter oder Fermenter, das Kernstück einer Biogasanlage, wird aus der Vorgrube mit Die Vorgrube dient der Zwischenlagerung Gärsubstrat beschickt. Viele unterschiedli- von Gülle und Kosubstraten und dem Auf- che Ausführungen sind möglich (Stahl oder bereiten (Störstoffentfernung, Zerkleinern, Beton, rechteckig oder zylindrisch, liegend Verdünnen, Mischen etc.) des Gärsub oder stehend). Entscheidend ist, dass der SCHEMA EINER LANDWIRTSCHAFTLICHEN BIOGASANLAGE Quelle: FNR Abb. 11: Schema einer landwirtschaftlichen Biogasanlage 24
Behälter gas- und wasserdicht sowie licht- gerechte Verwertung der Gülle in der Pflan- undurchlässig ist. In der Regel sorgt eine zenproduktion ergeben (Düngeverordnung). Rühreinrichtung für die Homogenität des Werden in der Anlage Kosubstrate vergoren, Substrates, das je nach Ausgangsmaterial können je nach deren Eigenschaften zusätz- unterschiedlich stark zur Ausbildung von liche Baugruppen zur Annahme und Auf- Schwimm- und Sinkschichten neigt. Durch bereitung der Substrate erforderlich sein. die Rührbewegung wird auch das Entwei- Neben der Zerkleinerung und Hygienisierung chen des Gases aus dem Substrat unter- hat die Störstoffabtrennung besondere Be- stützt. Wenn sich Sinkschichten bilden, z. B. deutung für einen störungsfreien Prozessver- bei Vergärung von Hühnermist oder Bioab- lauf und für die Qualität des Gärrückstandes. fällen, müssen sie regelmäßig mit geeigne- ten Austragsvorrichtungen entfernt werden. Für die Kofermentation von seuchenhygie- Ein Heizsystem sorgt für die Aufrechterhal- nisch bedenklichen Substraten wie Bioab- tung der Prozesstemperatur, die bei den fall, Flotatschlamm, Magen- und Pansen- meisten Anlagen im mesophilen Bereich inhaltsstoffen, Speiseabfällen u. a. sind die (zwischen 32 und 42 °C) und nur selten im Bereiche Substratannahme und Substrat- thermophilen Bereich (zwischen 50 und verarbeitung durch Einhaltung einer un- 57 °C) liegt. Geheizt wird meistens mit der reinen und einer reinen Seite zu trennen. Abwärme aus dem BHKW, bei Anlagenkon- Ferner ist eine Hygienisierungseinrichtung zepten mit entfernt aufgestelltem BHKW erforderlich, in der die Substrate für die oder bei Biomethananlagen z. B. auch mit Dauer von mindestens 60 Minuten auf Holzhackschnitzel-Heizungen. Vom Fer- 70 °C erhitzt werden. Dadurch wird verhin- menter gelangt das ausgefaulte Substrat in dert, dass gesundheitsgefährdende Erreger das Gärrückstandslager. Dieses ist oft zum im Substrat verbleiben. Nachgärbehälter ausgebaut bzw. es finden sich Nachgärbehälter und separates Gär- Gasspeicher dienen zum Ausgleich von rückstandslager. Bei Anlagen, die seit 2009 Schwankungen zwischen Gasproduktion nach dem Bundesimmissionsschutz-Gesetz und Gasverbrauch und eine Speicherka- (BImSchG) genehmigt worden sind und bei pazität von ein bis zwei Tagesproduktio- allen Anlagen, die ab 2012 in Betrieb ge- nen wird empfohlen. Sie müssen gasdicht, hen, muss das Gärrückstandslager gasdicht druckfest, UV-, temperatur- und witterungs- abgedeckt sein. Dadurch wird die Nutzung beständig sein. Der Fermenter kann selbst des Biogases aus der Nachgärung ermög- als Gasspeicher verwendet werden, indem licht und gleichzeitig werden Emissionen Folienhauben auf dem Reaktor zum Einsatz und Gerüche vermindert. kommen. Als externe Gasspeicher werden überwiegend relativ preiswerte Folienspei- Die Größe des Gärrückstandslagers richtet cher verwendet. sich nach den erforderlichen Lagerzeiten, die sich aus den Vorgaben für eine umwelt- 25
6.3 Gasaufbereitung und allerdings nicht für eine anschließend vor- Einspeisung gesehene Aufbereitung auf Erdgasqualität geeignet. Nach der Entschwefelung wird Bevor das Gas verwertet wird, müssen Par- das Rohbiogas getrocknet, für die Aufbe- tikel und Kondensat entfernt werden. Eine reitung auf Erdgasqualität werden Kohlen- wichtige Maßnahme zum Schutz der BHKW- dioxid sowie Sauerstoff und Spurengase Motoren gegen Korrosion ist die Entschwefe- abgeschieden. lung. Es kommen unterschiedliche Verfahren zum Einsatz, wobei sich in landwirtschaftli- Für die Einspeisung von Biogas in das Gas- chen Anlagen vorrangig ein kostengünstiges netz wird der Methangehalt von 50–55 % Entschwefelungsverfahren durchgesetzt hat, auf den im jeweiligen Erdgasnetz vorlie- bei dem 3–5 % Luft in den Gasraum zudo- genden Methangehalt von bis zu 98 % siert werden. Bei guter Steuerung lassen gemäß DVGW-Arbeitsblätter G260 und sich so Schwefelabscheide grade von bis G262 erhöht. Die Anordnung der Verfah- zu ca. 95 % erzielen. Dieses Verfahren ist rensschritte zum Erreichen der benötigten VERFAHRENSSCHRITTE ZUR BIOGASAUFBEREITUNG Organisches Material Biogasproduktion Rohbiogas Gasreinigung und -aufbereitung (Entschwefelung, Entfeuchtung/Trocknung, Kohlendioxidabscheidung, Sauerstoffentfernung, Entfernung weiterer Spurengase) Reinbiogas Aufbereitung auf Erdgasqualität (Odorierung, Brennwertanpassung, Druckanpassung) Biomethan Abb. 12: Schema Aufbereitung 26
Aufbereitungsanlage Mindestqualität ist hauptsächlich von der die Bedingungen, unter denen die Gasnetz- gewählten Technologie und der Gasqualität betreiber den Biomethan-Produzenten den des jeweiligen Gasnetzes abhängig. Derzeit Zugang zu den Gasnetzen gewähren müs- genutzte Aufbereitungsverfahren sind die sen. Gemäß GasNZV sind Netzbetreiber auf Druckwasserwäsche, die Druckwechsel- allen Druckstufen verpflichtet, Biomethan- adsorption, physikalische und chemische anlagen auf Antrag vorrangig an das Gas- Wäschen sowie die Membrantechnologie. netz anzuschließen und die Verfügbarkeit In Abbildung 12 sind die generellen Verfah- des Netzanschlusses dauerhaft (zu mind. rensschritte der Aufbereitung dargestellt. 96 %) sicherzustellen. Zusammen mit der Verordnung über die Entgelte für den Zu- Die Übergabe des Biomethans in das Erd- gang zu Gasversorgungsnetzen (GasNEV) gasnetz erfolgt über eine Einspeisestation, wird damit dafür Sorge getragen, dass Bio- bestehend aus Gasdruck-Regel-Messan- methan zu wirtschaftlichen Konditionen lage, Verdichteranlage und Mengenmes- eingespeist und transportiert werden kann. sung. An dieser Stelle wird die Gasbeschaf- fenheit ermittelt und die Kompatibilität zum Für die Aufbereitung und die nachfolgende örtlichen Erdgasnetz hergestellt. Die Gas- Einspeisung in das Erdgasnetz sind, aufgrund netzzugangsverordnung (GasNZV) regelt der hohen Investitions- und Betriebskosten, 27
insbesondere größere Biogasaufbereitungs- Biogasanlagen > 100 kWel mit entsprechen- anlagen prädestiniert. Dezentrale landwirt- den technischen Vorrichtungen ausgerüstet schaftliche Biogasanlagen können durch die sein, damit der Netzbetreiber bei drohender Rohbiogasproduktion, die anschließende Überlastung des Stromnetzes die Anlage ab- Einspeisung in eine Biogassammelleitung schalten kann. und Zuführung zu einer Aufbereitungsan- lage an diesem Markt partizipieren. Zudem Biogas ist brennbar und in Mischungen mit schreitet die Neu- und Weiterentwicklung 6–12 % Luft explosiv. Aus diesem Grund von Aufbereitungstechnologien zügig voran sind die Sicherheitsregeln für Biogasanla- und bietet künftig möglicherweise auch für gen und die entsprechenden allgemeinen kleinere Anlagen Perspektiven. Regelwerke zu beachten (siehe Liste der Publikationen im Anhang). Grundsätzlich sind die Entstehung und das Entweichen 6.4 Mess- und Regeltechnik, von gefährlichen Gasen zu vermeiden. Eine Sicherheit Abnahme der Anlage nach der Betriebssi- cherheitsverordnung ist vorgeschrieben. Die Der Biogasprozess lässt sich durch die Er- Betreiber haben darüber hinaus eine Gefähr- fassung verschiedener Parameter kont- dungsbeurteilung zu erstellen, eine Vielzahl rollieren und steuern. Zu den wichtigsten von Nachweisen zu erbringen und Prüfun- gehören: Temperatur, pH-Wert, Gasmenge, gen durchzuführen, welche den sicheren Methangehalt, CO2- und Schwefelwasser- Betrieb gewährleisten. Hierbei sind die euro- stoffgehalt. Wichtig für die zuverlässige Er- päischen und nationalen Vorschriften sowie kennung beginnender Versäuerungen ist die technischen Normen und Regelwerke die Bestimmung der Flüchtigen Organischen (wie z. B. VDI, DVGW, DIN) zu beachten. Bei Säuren (FOS) im Verhältnis zur Carbonat- Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und Pufferkapazität (TAC). Mit Hilfe elektroni- Erfüllung der Sicherheitsstandards stellt der scher Messgeräte können sämtliche Werte Umgang mit Biogas kein größeres Risiko dar kontinuierlich gemessen und ausgewertet als der mit Erdgas. werden. Die Auswertungen lassen dann z. B. Rückschlüsse zur Gasproduktion oder zum BHKW-Wirkungsgrad zu. Wegen der hohen 6.5 Gärrückstände Klimawirksamkeit von Methan muss eine zusätzliche Gasverbrauchseinrichtung (z. B. Die Rückstände der Vergärung werden ein Gasbrenner oder eine Gasfackel) zur allgemein Gärrückstand, Gärrest, Gär- Verfügung stehen, in der das Biogas bei Stö- produkt oder Biogasgülle genannt. Die rungen des BHKW verbrannt werden kann. Rückführung dieser Gärrückstände auf Vor 2012 in Betrieb gegangene Anlagen die substratliefernden Ackerflächen führt müssen diese bis 2014 nachrüsten. Zum zu einem geschlossenen Nährstoffkreis- Schutz vor Stromnetzüberlastungen müssen lauf. Generell sind Gärrückstände aus 28
©© Fotolia Gärrückstandsausbringung landwirtschaftlichen Biogasanlagen, wie Werden Bioabfälle mitvergoren, gelten dann übrigens auch Wirtschaftsdünger, dem abfallrechtliche und seuchenhygienische Düngerecht unterstellt. Vorgaben. In der Regel wird der Gärrück- stand hier vor der Ausbringung hygienisiert Unbelastete Gärrückstände aus landwirt- (z. B. durch Erhitzen). Die Ausbringung hat schaftlichen Biogasanlagen werden als entsprechend Düngeverordnung und ggf. hochwertige organische Dünger genutzt. weiterer anzuwendender Vorschriften zu er- Insgesamt wird die Qualität der Wirtschafts- folgen. Hierfür kann die vorhandene Gülle- dünger verbessert, da Krankheitserreger bzw. Dungtechnologie genutzt werden. Nach und Unkrautsamen zum Teil abgetötet und der Ausbringung auf unbestelltem Ackerland Nährstoffe besser pflanzenverfügbar wer- sind Gärrückstände, wie auch andere ammo- den, sodass deren gezieltere Anwendung niakhaltige Düngemittel unverzüglich einzu- als Ersatz für Mineraldünger ermöglicht arbeiten. Ziel ist eine optimale Ausnutzung wird. Auch sind Gärrückstände im Vergleich der Nährstoffe und die Verringerung von zu Gülle weniger geruchsintensiv und wir- Nährstoffverlusten. ken weniger verätzend auf die Pflanzen. Die Nährstoffzusammensetzung kann je nach Insbesondere in Regionen mit hoher An- Ausgangssubstraten stark schwanken. Gär- lagen- und Viehdichte ist eine verantwor- rückstände aus der Trockenfermentation tungsvolle Düngenutzung von Gülle und sind dem Stallmist ähnlich. Gärrückständen häufig nicht mehr gege- ben. Hier ist eine Aufbereitung der Gärrück- Für die Gärrückstandslagerung müssen ge- stände und Vermarktung (getrocknet oder eignete wasserdichte Behälter verwendet pelletiert) in andere Regionen sinnvoll. werden. Aufgrund von Ammoniak-, Methan- Mittels verschiedener Verfahren werden so und weiteren klimarelevanten Emissionen Trockensubstanzgehalt und Nährstoffkon- ist eine gasdichte Abdeckung inzwischen zentration erhöht und dadurch die Gärrück- gesetzlich vorgeschrieben. stände transportfähig. 29
7 RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN, FÖRDERUNGEN UND WIRTSCHAFTLICHKEIT 7.1 Rechtliche trieben wird und die entsprechenden Vor- Rahmenbedingungen aussetzungen erfüllt sind. Für die Errichtung und den anschließenden Die immissionschutzrechtlichen Anforderun- Betrieb von Biogasanlagen sowie die Aus- gen zielen darauf ab, die bei Bau und Betrieb bringung der Gärrückstände sind eine Viel- von Biogasanlagen auftretenden Immissio- zahl von Gesetzen und Verordnungen zu nen (Luftverschmutzung, Lärm, Geruch) zu beachten. Diese Anforderungen umfassen minimieren. Die Betreiber immissionschutz- das Planungs-, Bau-, Wasser-, Dünge- und rechtlich genehmigungsbedürftiger Anlagen Abfallrecht. Ebenso sind die Vorschriften haben entsprechende Vorsorgemaßnahmen von Immissionsschutz-, Naturschutz- und zu treffen. Grenzwerte sind in den TA Luft Hygienerecht relevant. und TA Lärm sowie der Geruchsimmis- sions-Richtlinie festgelegt. Innerhalb des In Abhängigkeit von der Anlagengröße BImSchG-Verfahrens wird gegebenenfalls oder der Art der zu verarbeitenden Sub- auch eine Umweltverträglichkeitsprüfung strate ist ein baurechtliches oder ein immis- durchgeführt. sionsschutzrechtliches Verfahren erforder- lich (Abb. 13). Soll die Anlage biogene Abfälle vergären, sind die Vorgaben der EU-Verordnung Das Baugenehmigungsverfahren richtet mit Hygienevorschriften für nicht für den sich nach der jeweiligen Landesbauord- menschlichen Verzehr bestimmte tierische nung. In der Regel ist dieses einfacher und Nebenprodukte, kurz: VO (EG) 1069/2009, weniger zeit- und kostenintensiv als ein und des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) Verfahren nach dem Bundesimmissions- einzuhalten. Während die EU-VO 1069/2009 schutzgesetz (BImSchG). Unterschieden beim Einsatz von tierischen Nebenproduk- wird zwischen Bauplanungsrecht (be- ten (einschließlich der Gärrückstände) gilt, planter oder unbeplanter Innenbereich, greift für pflanzliche Abfälle (auch Speise- Außenbereich) und Bauordnungsrecht. abfälle und Biotonne) die Bioabfallverord- Im letzten werden Fragen von Abstands- nung (BioAbfV). flächen, Zufahrtsstraßen, Brandschutz usw. geregelt. Im unbeplanten Außenbereich ist Grundsätzlich dürfen alle im Anhang 1 eine Biogasanlage nach § 35 Baugesetz- der BioAbfV gelisteten Stoffe in der Bio- buch zulässig, wenn sie im Zusammenhang gasanlage eingesetzt werden. Die EU-VO mit einem landwirtschaftlichen Betrieb be- 1069/2009 unterteilt die Materialien 30
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