HUMANE BILDUNG - Digitale Medien im Kreuzfeuer der Kritik - Bündnis für - aufwachs ...

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Vier Perspektiven - eine Botschaft für die Bildungspolitik

        Digitale Medien
    im Kreuzfeuer der Kritik

        Bündnis für

        HUMANE BILDUNG
"Lehrpläne sind das Ergebnis des Kampfes der gesellschaft-
lichen Interessengruppen um ihren Einfluss auf die heran-
                 wachsende Generation."

               Erich Weniger (Göttinger Erziehungswissenschaftler)

Lektorat und Design
grafik.werkstatt der Hochschule Offenburg, Badstr. 24, 77652 Offenburg
V.iS.d.P: Prof. Dr. phil. Ralf Lankau (futur-iii.de; ralf.lankau@futur-iii.de)
Vier Perspektiven - eine Botschaft für die Bildungspolitik

  Digitale Medien im Kreuzfeuer der Kritik

                     Positionspapier
                Bündnis für humane Bildung

Michaela Glöckler, Ralf Lankau, Ingo Leipner, Gertraud Teuchert-Noodt

                                2020
"Wo alle das Gleiche denken, wird nicht viel gedacht."

                                     (Karl Valentin)

Die Autorinnen und Autoren gehören zu zwei Organisationen:

Bündnis für humane Bildung
Hochschullehrer, Wissenschaftler und engagierte Bürger gründeten 2017 das „Bündnis
für humane Bildung“. Ihre Überzeugung lautet: Bildung lässt sich nicht digitalisieren! Di-
gitale Instrumente können Bildungsprozesse nur unterstützen. Alternativen sind gefragt.
Website: http://www.aufwach-s-en.de

Allianz ELIANT
2006 gründeten zehn europaweit tätige Dachorganisationen die „Europäischen Allianz von
Initiativen angewandter Anthroposophie“ (ELIANT). Die Allianz setzt sich auf verschiede-
nen Lebensgebieten und Arbeitsfeldern für mehr Lebensqualität und kulturelle Vielfalt in
Europa ein. Website: https://eliant.eu

Petition
Grundschulen und Kindergärten sollen digitalfreie Zonen bleiben, um Raum für reale Le-
benserfahrungen zu bieten. Um diese Forderung zu untermauern, haben das „Bündnis
für humane Bildung“ und ELIANT eine europaweite Petition ins Leben gerufen. Website:
http://www.aufwach-s-en.de/2018/03/petition-eliant-und-buendnis-fuer-humane-bil-
dung/

Die Stiftung „Kind und Jugend“ trägt dieses Papier mit:
Die Stiftung fördert Versorgungsleistungen, Präventionsarbeit und das soziale Engage-
ment von Kinder- und Jugendärzten. Dazu beteiligt sie sich an wissenschaftlichen Pro-
jekten (u. a. Koordination), um die Qualität der kinder- und jugendärztlichen Versorgung
zu verbessern. Website: https://www.stiftung-kind-und-jugend.de

2
Vier Perspektiven - eine Botschaft für die Bildungspolitik
Digitale Medien im Kreuzfeuer der Kritik

„Eine Kindheit ohne Computer ist der beste Start ins digitale Zeitalter“ 1, heißt
es im Buch „Die Lüge der digitalen Bildung“ … und Prof. Ralf Lankau schreibt
kurz und knapp: „Kein Mensch lernt digital“ 2. Für diese provokativen Positionen
gibt es gute Gründe. Wir veröffentlichen sie zum ersten Mal gebündelt in einem
Papier, das aus vier Perspektiven wesentliche Aspekte der Kritik zusammen-
fasst. Schnell auf den Punkt gebracht - mit aller Tiefe, die angemessen ist. Eine
Publikation des „Bündnis für humane Bildung“ in Zusammenarbeit mit dem
Netzwerk „ELIANT“, unterstützt von der Stiftung „Kind und Jugend“.

1. Perspektive: psychische Entwicklung des Kindes
Das Positionspapier von ELIANT beleuchtet die individuelle Situation von Kin-
dern, die zu früh mit digitalen Medien konfrontiert werden. Das kann negative
Folgen für deren psychische Entwicklung haben, etwa bei der emotionalen Intelli-
genz oder kognitiven Reifeprozessen (Impulskontrolle, Belohnungsaufschub,
Suchtverhalten etc.). Daher fordert ELIANT u. a. eine evidenzbasierte Forschung,
um den Einfluss digitaler Technologie auf die Gesundheit der Kinder zu untersu-
chen.

2. Perspektive: Gehirnreife aus Sicht der Neurobiologie
Die Neurobiologin Prof. Dr. Gertraud Teuchert-Noodt vertieft aus ihrer Perspek-
tive die Erkenntnisse von ELIANT. Sie zeigt, wie stark digitale Medien in das Ge -
hirn von Kindern eingreifen, indem sie u. a. suchtauslösende Impulse setzen.
„Dauerhaft trainierte Muskeln vollbringen gute körperliche Leistung“. Das gilt
auch für das Gehirn, das nur durch eine „größtmögliche Eigenaktivierung“ zu
geistigen Leistungen in der Lage ist. Es ist ratsam, das Gehirn (=„brainy“) mehr zu
benutzen als das „handy“.

1 Lembke, Gerald / Leipner, Ingo (2018): „Die Lüge der digitalen Bildung. Warum unsere Kinder das Lernen verler-
  nen“, 3. Aufl. Redline, München
2 Lankau, Ralf (2017): „Kein Mensch lernt digital: Über den sinnvollen Einsatz neuer Medien im Unterricht“, Beltz,
  Weinheim

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3. Perspektive: Schule ohne Überwachung
Prof. Ralf Lankau verortet digitale Konzepte für Unterricht nicht in der Pädago-
gik, sondern in Kybernetik und Behaviorismus. Lernen wird zu einem mess- und
steuerbaren Prozess umgedeutet, wobei der Erfolg mit Methoden des Total Quali-
ty Managements (TQM) zu bestimmen ist. Bildung wird ökonomisiert, obwohl
sie eigentlich an menschliches Bewusstsein gebunden ist, nicht an Medien(tech-
nik). Daher ist Lernen endlich wieder als individueller und sozialer Prozess zu ver-
stehen.

4. Perspektive: gesellschaftliche Dimensionen
Die moderne Daten-Ökonomie beginnt im Bildungssystem, wo sich bereits wert-
volle Erkenntnisse über Schüler gewinnen lassen, etwa durch Lernprogramme, die
jeden Schritt am Rechner dokumentieren (Learning Analytics). Daher wirft Ralf
Lankau die prinzipielle Frage auf: „Bleibt der Mensch als Individuum, Persönlich-
keit und autonomes Subjekt das Ideal freier Gesellschaften oder wird er zum Da-
tenlieferanten eines zu perfektionierenden Datenverarbeitungssystems?“

     Vier Perspektiven - eine Botschaft für die Bildungspolitik: Statt sich einem öko-
nomisch und technologisch getriebenen Hype kritiklos in den Rachen zu werfen,
sollte die Bildungspolitik grundlegend darüber nachdenken, was Kinder in einer
sich digitalisierenden Welt wirklich brauchen: realweltliche Erfahrungen, zwi-
schenmenschliche Interaktion, Entwicklung emotionaler Intelligenz. Das macht
sie stark, um später gut mit Computern arbeiten zu können.

                                            Ingo Leipner (Bündnis für humane Bildung)

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1. Perspektive: psychische Entwicklung des Kindes

ELIANT-Positionspapier zur Medienerziehung
Bildung ist für breite Bevölkerungsschichten zugänglich geworden und hat ein ho-
hes Niveau der Inklusion erreicht. Es wurden auch weltweit bemerkenswerte Er-
folge bei der Alphabetisierung erzielt. Diese Entwicklung alleine garantiert aber
keine positiven Ergebnisse, wenn sie nicht begleitet wird durch eine unverzerrte
Reflexion der Rahmenbedingungen für eine gesunde Entwicklung. Dazu gehört
auch die Freiheit, in Kenntnis aller Informationen ein hohes Maß an individueller
Wahlmöglichkeit auch bei der digitalen Bildung zu erhalten.
    Was meinen wir damit? ELIANT engagiert sich dafür, im Rahmen der früh-
kindlichen Bildung, sowie der Primar- und Sekundarstufe des Schulsystems die
Wahlmöglichkeiten für Bildungsmittel zu erhalten. Lehrer, Erzieherinnen und El-
tern haben das Recht, die jeweils bevorzugten Methoden und eine adäquate Lern -
umgebung auszuwählen, damit die Medienerziehung auf die Entwicklungsbedürf-
nisse der Kinder ausgerichtet wird. ELIANT hat zu diesem Thema eine Vision
entworfen, die auf den wachsenden wissenschaftlichen Erkenntnissen beruht, die
aus Verhaltensforschung, Neurologie und Psychologie kommen. Diese Erkennt-
nisse spiegeln die notwendigen Schritte wider, damit sich Menschen von Geburt
an gesund entwickeln. Es ist essentiell, diese Phasen in ein künftiges Bildungskon-
zept zu integrieren, so dass Kinder in die Lage versetzt werden, ein Optimum an
sozialer, emotionaler, kognitiver und geistiger Gesundheit zu erreichen. 3

Frühe digitale Bildung
Die Erfahrungen in der frühen Kindheit sind entscheidend für die Entwicklung
im späteren Leben. Der technologische Fortschritt durchdringt alle Lebensberei-
che und macht auch vor Kindern und Kleinkindern nicht halt. Unabhängige For-
schung hat in umfassender Weise Effekte für die kindliche Entwicklung aufge-
zeigt, die den oft behaupteten Nutzen elektronischer Geräte für die Bildung in
Frage stellen.4

3 Linn, S., Almon, J., & Levin, D. E. (2012). Facing the screen dilemma: Young children, technology
  and early education. Campaign for a Commercial Free Childhood. Available at: http://www.com-
  mercialfreechildhood.org/sites/default/files/facingthescreendilemma.pdf

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Reifungsprozesse im Gehirn
Die Entwicklung des menschlichen Gehirns weist in den ersten Jahren des Lebens
die stärkste Intensität auf. Die weiteren Entwicklungsschritte hängen von diesen
frühen Erfahrungen ab. In den ersten Lebensjahren braucht das reifende Gehirn
vor allem die ganzkörperliche Betätigung und den Gebrauch aller Sinne, um in
den verschiedenen natürlichen (analogen!) Umgebungen aktiv sein zu können.
Durch diese ganzkörperliche sensomotorische Integrationsarbeit übt das Gehirn,
seine komplexe Verarbeitungsfähigkeit und zwar auf der Informations-, Kontroll-
und Kommandoebene. Nur so kann das Kind in umfassender Weise lernen, sein
Gehirn zur Orientierung in der Umwelt und mit Bezug auf den eigenen Körper
zu nutzen.
    Dieses Erforschen der realen Umgebung während der ersten Jahre ist wichtig,
weil es den Kindern die Möglichkeit gibt, sich gesund im Raum- und Zeitkontext
zu verankern. Ohne wiederholtes intensives Üben und das Verknüpfen kognitiver
Erfahrungen mit koordinierten körperlichen Handlungsweisen ist dies nicht mög-
lich.5 In ähnlicher Weise ist eine reale Interaktion zwischen Menschen erforder-
lich, wenn das Vorderhirn reifen soll. Es ist der Sitz der exekutiven Funktionen,
die unser Leben kontrollieren. Seine Entwicklung ist Grundlage für unser Denk-
und Erinnerungsvermögen; es gibt dem Menschen die Möglichkeit, rational und
eigenverantwortlich zu handeln. Fundamentale Voraussetzung dafür ist jedoch die
Art der Betätigung in den ersten Lebensjahren – das Kind wird selbst aktiv sein in
Nachahmung und eigenständiger Erforschung seiner realweltlichen Umgebung.
    Die Nervenzellen im Gehirn eines kleinen Kindes sind sehr sensitiv, was es
möglich macht, viel stärker als ein Erwachsener Sinneseindrücke aufzunehmen
und zu speichern. Doch nicht alle Sinnesreize sind nützlich! 6 7 Aktuelle For-
schung lenkt den Blick auf das Risiko neuronaler Hyperaktivierung, die einen ne-

4 Linn, S., Almon, J., & Levin, D. E. (2012). Facing the screen dilemma: Young children, technology
    and early education. Campaign for a Commercial Free Childhood. Available at: http://www.com-
    mercialfreechildhood.org/sites/default/files/facingthescreendilemma.pdf
5 Teuchert-Noodt: 20 Theses from the perspective of Brain Research, July 25, 2017. Available at:
    https://eliant.eu/fileadmin/user_upload/Conference2017/Thesenpapier_2017_Teuchert-Nood.pdf
6 Cheung et al., (2017). Daily touchscreen use in infants and toddlers is associated with reduced
    sleep and delayed sleep onset. Scientific Reports 7, 46104. Available at: https://www.nature.com/
    articles/srep46104
7 Hunt, Melissa G., Rachel Marx, Courtney Lipson, and Jordyn Young. "No More FOMO: Limiting Social Media De-
  creases Loneliness and Depression.“ Journal of Social and Clinical Psychology 37, no. 10 (2018): 751-768. Avail-
  able at: https://roguemedialabs.com/wpcontent/uploads/2018/11/jscp.2018.37.10.751.pdf

6
gativen Einfluss auf die Entwicklung des Vorderhirns haben kann. 8 Es gibt einen
direkten Zusammenhang zwischen der Nutzung digitaler Technologie und der
Aktivierung des Belohnungssystems im Gehirn. Werden Bildschirm-Medien vor
der vollständigen Gehirnreife ausgiebig genutzt, kann die Balance zwischen dem
Bedürfnis nach Belohnungen und einem gesunden Selbstvertrauen erschüttert
werden. Auf diese Weise steigt das Risiko, von solcher Technologie abhängig zu
werden.9

Kognitive Fähigkeiten
Die Face-to-Face-Kommunikation mit anderen Menschen stellt eine entscheiden-
de Grundlage dar, damit sich komplexe kognitive Fähigkeiten entwickeln, wie
etwa Sprechen, Zuhören, Lesen und Schreiben. Es hat sich herausgestellt, dass di-
gitale Medien weitgehend nicht in der Lage sind, solche Kompetenzen zu fördern;
in einigen Fällen zeigten sich unter ihrem Einfluss sogar Verzögerungen in der
Sprachentwicklung. Im Kontext formaler Lernprozesse zeigten sich keine positi-
ven Ergebnisse, wie es zum Beispiel die PISA-Berichterstattung dokumentiert. 8
Kognitive Fähigkeiten sind in einem hohen Maß davon abhängig, wie gesund die
Umgebung für die Gehirnentwicklung ist. Die emotionale und soziale Intelligenz
hingegen braucht zu ihrer Entwicklung die unmittelbare Auseinandersetzung mit
anderen Menschen.
    Auch die sozialen Kompetenzen eines Kindes entwickeln sich früh im Leben -
durch die verbale und non-verbale Kommunikation mit Eltern, Erzieherinnen
und Lehrern. Um stabile Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen, ist es
unerlässlich zu lernen, die Emotionen anderer zu erkennen und darauf zu reagie-
ren. Die Entwicklungspsychologie betont dabei die Bedeutung der unmittelbaren
Interaktion zwischen Bezugsperson und Kleinkind, das auf diese Weise lernt, die
Eltern zu beobachten und auf deren Handlungen passend zu reagieren. Der engli-
sche Begriff „technoference“ 10 (technische Interferenz) steht für das heutige Phä-
nomen, dass technische Geräte täglich mehrfach die oben genannte Interaktion
unterbrechen. Unsere Fixierung auf Bildschirm-Technologie im Alltag gerät in
8 Hyung Suk Seo et al., (2017). Neurotransmitters in Young People with Internet and Smartphone Addiction: A Com-
  parison with Normal Controls and Changes after Cognitive Behavioral Therapy.
9 Sigman A: Screen Dependency Disorders: a new challenge for child neurology. JICNA 2017. Available at:
  https://www.researchgate.net/profile/Aric_Sigman/publication/317045692_Screen_Dependency_Disorders_a_new
  _challenge_for_child_neurology/links/592; 2ef56aca27295a8a7b29b/Screen-Dependency-Disorders-a-new-chal-
  lenge-for-child-neurology.pdf
10 Brandon T. McDaniel, Jenny S. Radesky. Technoference: longitudinal associations between parent technology use,
   parenting stress, and child behavior problems. Pediatric Research, 2018; DOI: 10.1038/s41390-018-0052-6

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Konflikt mit zwischenmenschlichen Beziehungen und reduziert häufig für kleine
Kinder die Gelegenheiten, etwas über sich und die Welt zu lernen. Studien zeigen
auch, je weniger kleine Kinder digitale Medien nutzen, desto besser sind sie in der
Lage, unterschiedliche menschliche Emotionen wahrzunehmen und zu verste-
hen.11

Verhalten
Aktuelle unabhängige Forschung auf dem Gebiet der Verhaltenspsychologie rückt
das Problem der „sofortigen Belohnung“ („instant gratification“) in den Mittel-
punkt. Diese Form der Belohnung ist direkt verbunden mit digitalen Medien, wie
sie kleine Kinder nutzen. Kinder lernen die Regulation ihrer Gefühle, indem sie
sich in kleinen Projekten engagieren, sich selbst Ziele setzen und diese Schritt für
Schritt erreichen. Heute verspricht den Kindern der ständige Zugriff auf digitale
Unterhaltung, dass sie jederzeit eine „sofortige Belohnung“ erhalten können. Die-
se Möglichkeit zerstört für Kinder die Notwendigkeit, sich aktiv Anerkennung zu
erarbeiten. Außerdem werden Kinder dabei beeinträchtigt, Geduld, Willenskraft
und Selbstbeherrschung zu entwickeln. Mit dem Phänomen des Belohnungsauf-
schubs müssen sich viele Kinder nicht mehr auseinandersetzen, was verhindert,
dass sie entsprechende Bewältigungsstrategien einüben. Stattdessen nähren diese
Technologien die Erwartung, dass jedes Bedürfnis sofort gestillt wird. Geschieht
das nicht, tauchen überwältigende Gefühle des Ärgers, der Frustration und Trau-
rigkeit auf - großes Leid für Kind und Eltern, sowie eine starke Belastung für de-
ren gesunde Beziehung.12

Fazit
Echte Kommunikation zwischen Menschen und die Verwurzelung in der Realität
lassen sich nicht ersetzen durch digitale Technologie, egal wie ausgefeilt moderne
Soft- und Hardware sein mag. Um eine gesunde Entwicklung zu ermöglichen,
braucht jedes Kind intensive Begleitung durch Erwachsene. Nur auf diese Weise
können sich seine körperlichen, kognitiven und seelischen Fähigkeiten optimal
11 Uhls, Y. T., Michikyan, M., Morris, J., Garcia, D., Small, G. W., Zgourou, E., & Greenfield, P. M. (2014).
    Five days at outdoor education camp without screens improves preteen skills with nonverbal emo-
    tion cues. Computers in Human Behavior, 39, 387-392. Available at: https://www.sciencedirect.-
    com/science/article/pii/S0747563214003227
12 W. R. Cummings: The negative effects of technology on childhood behavior. Childhood behavioral concerns. Psych-
   Central. Available at: https://blogs.psychcentral.com/childhood-behavioral/2017/11/the-negative-effects-of-tech-
   nology-on-childhood-behavior/

8
entwickeln. ELIANT fordert eine breite interdisziplinäre Forschung zu den hier
aufgezeigten Tatbeständen. Die Frage ist daher: Wie kann ein gesunde Entwick-
lung im Bildungsprozess gestaltet werden? Auf dieser Basis sollte die Bildungspoli-
tik die genannten wissenschaftlichen Resultate zur Kenntnis nehmen. Und: Eltern
sollten in der Lage sein, sich für eine Form der Medienerziehung zu entscheiden,
die dem Alter der Kinder entspricht und auf deren Entwicklungsbedürfnisse zuge-
schnitten ist. Dieses Ziel lässt sich am besten erreichen, wenn folgende Forderun-
gen erfüllt werden:

1. Ein unabhängiges, evidenzbasiertes, interdisziplinäres Forschungsprogramm
   ist aufzulegen. Dazu zählt eine Längsschnittstudie über einen größeren Zeit-
   raum, um den Einfluss digitaler Technologie auf die gesundheitliche Entwick-
   lung der Kinder zu untersuchen. Ebenso ist die Rolle zu prüfen, die Bildung
   spielen kann, um eine förderliche Umgebung für eine gesunde Entwicklung
   in der Kindheit aufzubauen.

2.    Es ist eine EU-weite Kampagne ins Leben zu rufen, die Eltern, Schulen und
     Lehrer darüber informiert, wie Bildschirm-Technologie die kognitive und
     emotionale Entwicklung von Kindern beeinflusst.

3. Eltern, Lehrer und Erzieherinnen ist das Recht zuzusichern, dass sie frei zwi-
   schen verschiedenen pädagogischen Ansätzen wählen können. Diese Ansätze
   müssen leicht zugänglich und finanzierbar sein. Dazu hat auch eine bild-
   schirmfreie Option für Kindergärten und Grundschulen zu gehören, so lange
   die Schüler am Ende der Schulzeit ihre Lernziele erreichen, die als verpflich-
   tender Bildungskanon vorgeschrieben sind.

4. Es ist ein dauerhafter Dialog mit Stakeholdern einzurichten, inklusive zivilge-
   sellschaftlichen Organisationen, um eine geeignete Bildungspolitik zu entwer-
   fen und durchzusetzen.

5. Die Ziele einer Bildungspolitik nach dem Motto: „Entwicklung first - Digita-
   lisierung second!“ sind so zu entwickeln, dass der Schutz der menschlichen
   Gesundheit im Mittelpunkt steht, und potenzielle gesundheitliche Risiken
   für jedes Kind ausgeschlossen werden. Diese Vermeidung von Risiken sollte
   im Sinne des Vorsorgeprinzips allgemein anerkannt werden, so wie es im Arti-
   kel 191 des EU-Vertrags geregelt ist.
                                     Dr. med. Michaela Glöckler (ELIANT-Präsidentin)

                                                                                   9
„Nichts kann den Menschen mehr stärken, als das
        Vertrauen, das man ihm entgegenbringt.“

                        Paul Claudel

10
2. Perspektive: Gehirnreife aus Sicht der Neurobiologie

Erziehung zur Medienmündigkeit

Die Nutzung digitaler Medien in Kindergarten und Grundschule verhindert die
gesunde Entwicklung des Gehirns, führt zu Lernstörungen und zur Sucht. Das
stellt die Gehirnforschung fest. Die bereits eingetretenen Schädigungen dokumen-
tieren Studien der Bundesregierung, pädagogischer Institutionen und Kranken-
kassen. Digitale Medien führen deshalb im Unterricht nicht zu besserem Lernen,
sondern schaden. Deshalb sollen Kinder vor dem 16. Lebensjahr nicht mit digita-
len Medien lernen.

20 Thesen aus der Hirnforschung begründen diese Feststellung:

1. Je reichhaltiger die Kinderjahre mit Bewegungsaktivitäten gefüllt werden, um
   so optimaler wirkt sich das auf die Reifung mentaler Funktionen aus. Denn
   Kinder sind auf vielfältige körperliche Bewegungen angewiesen, um reale Er-
   fahrungen in Raum und in Zeit im Gehirn zu verankern. Laufen, klettern,
   purzeln, balanzieren sind und bleiben deswegen die initialen Stimulanzien,
   ohne die sich Verschaltungen in den motorischen und den nachgeschalteten
   Hirnregionen nicht normal auszubilden vermögen.

2. Das Gehirn von Homo sapiens ist genetisch nicht darauf eingestellt, mentale
   Fähigkeiten per Apps implementieren zu können. Stattdessen dient die über
   die ersten zwei Lebensjahrzehnte andauernde Reifung und zunehmende Dif-
   ferenzierung der Nervennetze im Kortex dazu, immer feiner werdende Muster
   von Verschaltungen in kortikalen Rindenfeldern anzulegen – etwa durch
   schreiben, rechnen, lesen lernen - und daraus neue Gedächtnisinhalte und
   geistige Leistungen entstehen zu lassen.

3. Wenn Computer und Tablets das Lernen des Grundschulkindes bestimmen,
   dann erleiden die reifenden Nervennetze in assoziativen Rindenfeldern des
   Großhirns durch neuronale Überaktivierung eine Notreifung. Damit findet

                                                                             11
die Vorbahnung von differenzierten Verknüpfungen nicht statt, die zeitlebens
     eine notwendige Grundlage für das Denken ist.

4. Digitale Medien haben ebenso wie stoffliche Drogen ein Sucht induzierendes
   Potential. Denn limbische Schaltkreise unterliegen im Gehirn des Kindes ei-
   ner höchst sensiblen neuronalen Anpassung von Rezeptoren und Neuronen
   an jegliche Umweltreize sowie an (nicht-)stoffliche Drogen. Sobald sich Kin-
   der in Tablets und Co verlieben, entsteht ein unauslöschliches Verlangen nach
   mehr, und eine opioide Sucht verankert sich in dem verfügbaren Schaltkreis
   des sog. “Belohnungssystems“ (=Reward System).

5. Es ist ein Trugschluss davon auszugehen, das Gehirn von Kindern und Ju-
   gendlichen könnte den Umgang mit digitalen Medien – aufgrund des mini-
   malen technischen Aufwandes – unmittelbar von den Erwachsenen überneh-
   men. Das Denken und sich Erinnern kann dem Gehirn nicht digital einge-
   impft werden sondern nur durch selbständiges Lernen und durch Gedächt-
   nisübungen erworben werden. Kurz gesagt: „Lernen ist Erfahrung – alles an-
   dere ist Information“ (Albert Einstein).

6. Auf einen inhaltlichen Umgang mit den Medien wird sich nach Erkenntniss-
   tand der Hirnforschung das Gehirn des Kindes auch in den nächsten tausend
   Jahren nicht vorbereiten lassen. Die natürlicherweise sehr langsame Hirnrei-
   fung des Menschen untersteht genetischen und epigenetischen Regelmecha-
   nismen, die wie ein Uhrwerk ineinander greifen und umweltbezogen funktio-
   nalisiert werden.

7. Das alles wissende Smartphone in der Schultasche entbindet den Schüler au-
   tomatisch von der Anstrengung, sich das notwendige Schulwissen wirklich in
   die Rindenfelder des Gehirns einzuprogrammieren.

8. Erst Lerninhalte, die man durch Kopfarbeit aktiv und wiederholt aufnimmt
   und in Funktionsmodulen des Kortex verankert, hinterlassen ein lebendiges
   geistiges Konzept, schulen Wachheit und Neugierde, kreatives Denken und
   Bewusstsein. Nur Wissen schafft Bewusstsein und mehr Wissen erweitert das
   Bewusstsein.

9. Erst ab der Adoleszenz kann das fortschreitend gereifte Stirnhirn als überge-
   ordnete Kontrollinstanz mit den im Unterbewusstsein arbeitenden limbi-

12
schen Schaltkreisen annähernd kooperieren. Erst dann kann der Erwachsene
    eine Sucht bewusst verhindern und sinnbezogen mit Medien umgehen.

10. Das Stirnhirn ist das höchste Gut des Menschen, das im jungen Menschenle-
    ben durch Nachahmung, Erfahrung und Nachdenken reift. Warum nur
    glaubt man im digitalen Zeitalter, technische Fortschritte könnten das Stirn-
    hirn beschleunigt mitnehmen? Kein Bauherr beginnt den Hausbau mit dem
    Dachstuhl, kein Bauer wird seinen frisch gepflügten Acker mit reifendem
    Korn bepflanzen, und keine Gesellschaft würde es zulassen, dass bereits Kin-
    der den Führerschein für das Autofahren machen.

11. Das Stirnhirn managed die Gedächtnisbildung, das vernunftbezogene Den-
    ken und Handeln, erschafft Kulturen. Die dafür nötigen Bauelemente sind
    plastische Nervennetze und Neurotransmitter, die das Kind /der Jugendliche
    handlungsbezogen immer und immer wieder zum Einsatz bringen muß, um
    zuständige Neuronenverbände zu verknüpfen und leistungsstark zu machen.
    Es wäre das Aus einer menschlichen Gesellschaft, wenn diese Qualitäten
    durch die „kognitive Informatik“ ersetzt würden.

12. Aus hirnphysiologischer Sicht bleibt das Leben digitalisierter Kinder zeitle-
    bens doppelt gefährdet: das sog. „Belohnungssystem“ führt die Regie und das
    Stirnhirn wird entmündigt. Das heißt, das Stirnhirn unterliegt einer nicht-in-
    vasiven Lobotomie (das ist die physiologische Durchtrennung der aufsteigen-
    den Dopaminbahn), die Neurochirurgen im letzten Jahrhundert bei psy-
    chisch Schwerkranken zur Minderung des Leidens eingesetzt haben.

13. Wenn sich Jugendliche einem hohen Einfluss von Smartphone und Co. aus-
    setzen, dann wird das Stirnhirn von der menschlichen Raum- und Zeitverar-
    beitung entkoppelt. Aber was fangen wir in der realen Welt mit den vielen
    Spezialisten für virtuelle Welten an?

14. Nur dauerhaft trainierte Muskeln vollbringen gute körperliche Leistung. Nur
    eine größtmögliche Eigenaktivierung des Großhirns vollbringt geistige Leis-
    tung. Deswegen ist es ratsam, das Gehirn (=brainy) mehr zu benutzen als das
    „handy“ und „navi“.

15. Nur anhaltendes Training der für psycho-kognitive Fähigkeiten verantwortli-
    chen Hirnfelder im assoziativen und limbischen Kortex erzeugt antizipatori-
    sche Fähigkeiten, Wachheit und Mut. Der „digitale Assistent“ entbindet diese

                                                                               13
Hirnsysteme der Möglichkeit, kreativ zu denken und ein selbstbestimmtes
     Leben ohne Ängste zu erwerben.

16. Hirnrhythmusstörungen haben sich neuerdings zur Volkskrankheit Nummer
    Eins ausgewachsen. Denn durch hohen Gebrauch digitaler Medien verlieren
    hirneigene Oszillatoren und neurochemische Stoffwechselprozesse ihre not-
    wendige Kommunikationsbasis.

17. Cyberattacke auf Nervennetze: Medien-User setzen in ihrem Gehirn Teile
    der Steuerzentrale (= Stirnhirn) außer Kraft. Attackiert werden speziell dieje-
    nigen Subsysteme, die für die Gedächtnisbildung und die kognitiv-emotiona-
    len Leistungen verantwortlich sind. Das kann zum Verlust der Urteilsfähig-
    keit führen, ein Angst- und Suchtsyndrom, Burnout und Depression auslö-
    sen.

18. Lebenslang bleiben psycho-kognitive Funktionen einer raum-zeitlichen Ar-
    beit der Nervennetze im limbisch-präfrontalen System unterstellt. Erstmals in
    der Menschheitsgeschichte wird uns durch die Digitalisierung diese für
    Denkprozesse absolut notwendige neuronale Grundlage streitig gemacht.

19. Auch und gerade aus Sicht der aktuellen Erkenntnisse zu den Leistungsfähig-
    keiten und den Grenzen des menschlichen Gehirns ist es gesellschaftspolitisch
    dringend erforderlich, humane Arbeitsplätze neu zu definieren und den neu-
    ronalen Kapazitäten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer anzupassen.

20. Biologisch betrachtet ist die ökologische Nische von Homo sapiens ganz kon-
    kret einer neu entstandenen hirneigenen Konstruktion zu verdanken, dem
    Stirnhirn. Bewusstes Denken, Planen und Handeln versetzt(e) den Menschen
    in die allen anderen Lebewesen überlegene Lage, sich auf diesem Planeten
    eine neue bis dahin in der Tierwelt nicht vorhandene eigene Welt in Raum
    und in Zeit zu erschaffen und sich in ihr einzurichten, Kulturen zu entwi-
    ckeln und Traditionen zu pflegen. Eben dies macht uns die digitale Revoluti-
    on streitig!
                       Prof. Dr. Gertraud Teuchert-Noodt (Bündnis für humane Bildung)

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3. Perspektive: Schule ohne digitale Überwachung

Humaner Einsatz von IT in der Bildung
Digital-Agenda, Digitalgipfel, Digitalpakte, Smart City und Smart School,
Deutschland ist im Digitalfieber. So fordern auch die Kultus- und Schulminister/
innen im „Digitalpakt Schule“, dass alle Schulen und Lehrkräfte – unabhängig
vom Alter der Schülerinnen und Schüler, unabhängig von der Schulform und un-
abhängig von den konkreten Fachinhalten – digitale Geräte und Techniken einset-
zen sollen. Derart undifferenziert ist Medientechnik weder fachlich noch pädago-
gisch zu begründen.
    Statt einem demokratischen und humanistischen Bildungsverständnis, bei
dem das Individuum und das gemeinsame Lernen im Mittelpunkt stehen, definie-
ren Bundesregierung und IT-Industrie mit „Digitalpakt#D“ und „Digitalpakt
Schule“ eine zunehmend vollautomatisierte, digital gesteuerte „Lernfabrik 4.0“.
Unterricht im Klassenverband findet nicht mehr statt. Kinder sitzen mit Kopfhö-
rer vor Monitoren an Lernstationen und werden durch Computerprogramme und
Sprachsysteme automatisiert beschult. Lehrkräfte werden zu Lernbegleitern und
Sozialcoaches degradiert.
    Diese Konzepte kommen nicht aus der Pädagogik, sondern aus der Kybernetik
und dem Behaviorismus. In Verbindung mit Methoden des Total Quality Ma-
nagements (TQM) und der empirischen Bildungsforschung wird Lernen zu ei-
nem mess- und steuerbaren Prozess umgedeutet. Dabei wird das Pferd von hinten
aufgezäumt. Denn Bildung ist immer und notwendig an Personen und an ein le-
bendiges Bewusstsein gebunden, nicht an Medien(technik). Lernen ist ein indivi-
dueller und sozialer Prozess, der sich weder technisieren noch digitalisieren lässt,
wenn darunter mehr verstanden wird als automatisiert abprüfbare „Kompeten-
zen“.
    Die Bildungspolitik muss sich daher von der einseitigen Fixierung auf Digital-
technik als vermeintliche Heilslehre lösen und sich wieder den Menschen und
ihren Lern- und Bildungsprozessen mit allen Sinnen und allen Medien zuwenden.
Bildungsauftrag und Erziehungsziel von Schulen sind selbstbestimmte Persönlich-
keiten, die durch ihr Reflexionsvermögen und kritische Urteilsfähigkeit gesell-
schaftliche Entwicklungen verantwortlich mitgestalten können, damit auch die
kommenden Generationen eine humane und demokratische Zukunft haben.

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Dazu hat das Bündnis für humane Bildung für das Projekt „aufwach(s)en mit
digitalen Medien“ die folgenden Positionen formuliert.

Autonomie des Menschen vs. autonome Systeme
Kommen neue Technologien auf den Markt und erschließen sich dadurch neue
Geschäftsfelder, profitieren zunächst die Rücksichtslosen, bevor rechtliche und so-
ziale Strukturen greifen. Das galt für den Manchesterkapitalismus, das gilt heute
für den Digitalkapitalismus aus dem Silicon Valley. Dabei ist es nicht „die Digita-
lisierung“, die Geschäftsfelder sucht und sich ausbreitet. Es sind ganz konkrete
Konzerne wie Apple, Google oder Microsoft und Dienstleister wie die Telekom,
die ihre Produkte und Dienstleistungen verkaufen wollen und dafür Digitaltech-
nik in die Schulen drückt. Das galt für die PCs in den 1980er Jahre, das galt für
die Laptops in den 1990ern, das gilt heute für Tablets und Smartphones. Unter-
stützt werden sie dabei von Wirtschaftsverbänden und IT-Lobbygruppen wie Bit-
Kom, die immer mehr Digitaltechnik an Schulen sowie Informatik und Wirt-
schaft als Fächer fordern. In Frage steht daher (wieder einmal), wer über Medien-
technik und Lehrinhalte an öffentlichen Schulen bestimmt. In Frage steht (wieder
einmal), ob Schulen allgemeinbildende Schulen bleiben oder eine Vorstufe der
(Berufs-)Ausbildung werden. In Frage steht nicht zuletzt, ob und ggf. wie sich
Märkte für digitale Angebote sozialverträglich und zum Nutzen der Menschen
(statt der IT-Konzerne) umformen lassen und wie diese notwendige Regulierung
des Web zu gestalten ist. Dafür sind hier erste Thesen und Alternativen formuliert,
die zeigen, wie sich Netztechnologien zum Nutzen und Wohl der Allgemeinheit
einsetzen lassen.

Zehn Thesen und Forderungen für Schulen ohne Überwachung

1. Die Daten-Ökonomie etabliert eine Überwachungsstruktur
Daten-Ökonomie und digitaler Überwachungskapitalismus (Zuboff 2018) aus
dem Silicon Valley bestimmen heute das Web. Sie basieren auf immer mehr perso-
nenbezogen Daten jedes Einzelnen. Mobile Geräte und Kameras oder Sensoren
im privaten wie im öffentlichen Raum (Internet of Things, IoT) ermöglichen es,
den Menschen mit seinem Verhalten nahezu vollständig aufzuzeichnen und auszu-
werten. Er wird zum unfreiwilligen Datenspender für Big Data und die Daten-
analyse weniger IT-Monopole. In Schulen funktioniert das über Tablets, Smart-
phones, Netzdienste und die (Bundes-)Schulcloud.

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2. Bewegungs-, Verhaltens- und Persönlichkeitsprofile als Produkt
Der permanente Rückkanal für personenbezogene Daten etabliert immer umfang-
reichere Mess- und Kontrollstrukturen in allen Lebensbereichen. Daraus entste-
hen immer exaktere Bewegungs-, Verhaltens- und Persönlichkeitsprofile. Diese
Profile ermöglichen es, das Nutzerverhalten zu prognostizieren und Nutzer – mit
persuasiven Technologien* der Werbe-Psychologie – in ihrem Verhalten zu beein-
flussen. In Schulen ist das Instrument dafür Learning Analytics, das Aufzeichnen
und Auswerten des Arbeitens am Smartphone, Tablet, Laptop oder PC von Schü-
ler/innen.
3. Rechtsnormen für das Web statt rechtsfreier Raum
Freie, demokratische und soziale Gesellschaften bleiben nur dann freie, demokra-
tische und soziale Gemeinschaften, wenn sie andere IT- und Netzkonzepte entwi-
ckeln, anstatt neoliberale und marktradikale Strukturen zu übernehmen. Auch In-
frastruktur- und Kommunikationssysteme unterliegen in Rechtsstaaten dem gel-
tenden Recht, dass sich für Netzanwendungen erst entwickeln muss. Mit dem
Netzwerkdurchsetzungsgesetz, der europaweit gültigen Datenschutzgrundverord-
nung (DSGVO) und dem europäischen Urheberrecht sind erste Grundpfeiler ein-
geschlagen, um das vermeintlich „rechtsfreie“ Internet und Web zu zivilisieren.
Für Schulen und Bildungseinrichtungen mit z.T. minderjährigen Schutzbefohle-
nen (das sind Schülerinnen und Schüler juristisch) sind besonders strenge Regeln
festzulegen und einzuhalten.
4. Transparenz der Algorithmen statt Transparenz der Schüler/innen.
Statt permanenter Datenmaximierung nach der Logik der IT-Konzerne müssen
Datenschutz, Datenvermeidung und Datenreduktion zu den obersten Geboten
der neuen Datenwirtschaft werden. Eine zentrale Rechtsgrundlage muss die ver-
pflichtende und vollständige Transparenz der eingesetzten Algorithmen werden.
(Gigerenzer 2018) Dazu zählen als weitere Prämissen Datensparsamkeit, Dezen-
tralisierung der technischen Infrastruktur (statt Zentralisierung in Server-Farmen),
freier Zugriff der Nutzer auf ihre und generelle Löschpflicht für alle nicht (mehr)
benötigten Daten.
5. Datensparsamkeit und Datenhoheit bei den Nutzern
Personenbezogene Daten dürfen nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Nut-
zer genutzt und kommerzialisiert werden. Die Nutzer müssen an den mit diesen
Daten generierten Umsätzen beteiligt werden. Daten schutzbefohlener Minder-

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jähriger (Kinder, Jugendliche) dürfen weder für die Profilierung noch zur Kom-
merzialisierung genutzt werden. Gleiches gilt für Gesundheitsdaten, die aus-
schließlich für wissenschaftliche Zwecke in klar definierten Umgebungen und für
konkrete Forschungsfragen genutzt werden dürfen.
6. Digitaltechnik an Schulen nur lokal und ohne Rückkanal ins Netz
Digitaltechnik in Schulen wird nur lokal (Intranet, Edge Computing) und nur
zur Unterstützung der Lehrenden beim Unterrichten in den Präsenzlehrphasen
bzw. für Lernende bei Gruppenarbeiten und/oder in Selbstlernphasen eingesetzt.
Dabei werden weder Schülerdaten gesammelt noch werden Lern- oder Persönlich-
keitsprofile erstellt. Keine Daten gehen ins Netz.
7. IT neu denken, als Kinder- und Bürgerschutz
Wenn wir das Web weiter nutzen wollen, müssen wir IT neu denken, vor allem an
Bildungseinrichtungen mit Kindern und Jugendlichen. Denn aus dem Verspre-
chen eines freien Netzes und hierarchiefreier Kommunikation ist ein Überwa-
chungs- und Konsuminstrument zum Nutzen weniger IT-Konzerne und staatli-
cher Überwachungsorgane geworden. Das kommerzielle Netz wird von Fake
News, Spam und Gewalt dominiert. Die Utopie eines unreguliertes Netzes in ei-
gener Verantwortung der Nutzer hat sich als nicht tragfähig erwiesen. Arbeiten
wir an einer tragfähigen Alternative auf rechtsstaatlicher Basis.
8. Argument und Diskurs statt Datengläubigkeit
Eine freie und reflektierende Gesellschaft weiß, dass Daten immer nur der Aus-
gangspunkt und die Grundlage für Diskussionen und Entscheidungen sein kön-
nen, alleine, ohne Kontext und Vorverständnis, nicht aussagekräftig sind. Daher
muss die Daten- wie die Digitalgläubigkeit aufgebrochen, der interpersonale Dis-
kurs und die Kontoverse wieder in ihr Entscheidungsrecht eingesetzt werden.
Denn wer datengläubig Maschinen entscheiden lässt, was Menschen tun oder ler-
nen oder wünschen sollen, zerstört die Autonomie des Menschen und seine
Handlungsfreiheit zugunsten eines algorithmisch berechneten Regimes autoritärer
technischer Systeme und technischer Willkür.
9. Autonomie des Menschen statt autonome Systeme
Technologische Systeme zur automatisierten (algorithmisch berechneten) Verhal-
tensmanipulation verstoßen gegen die Würde des Menschen, seine Grundrechte

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und Selbstbestimmung. Sie sind in demokratischen und humanen Rechtsstaaten
untersagt.
10. Elektrosmog durch WLAN
Die Gesundheitsschädlichkeit von Mikrowellenstrahlung (WLAN) ist durch drei
große Übersichtsstudien belegt. Im Februar 2018 erschien der Review „Biologi-
sche und pathologische Wirkungen der Strahlung von 2,45 GHz auf Zellen, Ko-
gnition und Verhalten" von Isabel Wilke. Diese bisher größte Überblickstudie zu
WLAN dokumentiert mehr als 100 Studien, die die Gesundheitsschädlichkeit der
Trägerfrequenz 2,45 GHz und ihrer gepulsten Variante WLAN untermauern.
Eine Studie mit fast 700 Jugendlichen aus der Schweiz ergab, dass die kumulative
Hirn-HF-EMF-Exposition1 durch Mobiltelefone über ein Jahr hinweg einen ne-
gativen Einfluss auf die Entwicklung der figuralen Gedächtnisleistung bei Jugend-
lichen haben kann. Selbst die Telekom warnt vor der Strahlenbelastung durch ihre
Router: "Funksignale: Die integrierten Antennen Ihres Speedport senden und
empfangen Funksignale bspw. für die Bereitstellung Ihres WLAN. Vermeiden Sie
das Aufstellen Ihres Speedport in unmittelbarer Nähe zu Schlaf-, Kinder- und
Aufenthaltsräumen, um die Belastung durch elektromagnetische Felder so gering
wie möglich zu halten." Das sollte auch für Klassenzimmer gelten. Da es mit ka-
belgebundenem Netzzugang Alternativen gibt, sollte man auf WLAN in Schulen
verzichten.
                                  Prof. Dr. Ralf Lankau (Bündnis für humane Bildung)

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"Nicht alles, was zählt, ist zählbar,
     und nicht alles, was zählbar ist, zählt."

                    Albert Einstein

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4. Perspektive: Gesellschaftliche Dimensionen

Humanismus vs. Data-Ismus
Viele reden von Digitalisierung und sogenannter „Künstlicher Intelligenz“ (sKI)
als entscheidenden Zukunftsfaktoren. Nur wenige wissen, was sich konkret an
technischen Systemen dahinter verbirgt. Nur selten werden die wirtschaftlichen
Interessen klar benannt und warum Digitaltechnik und Netzdienste flächende-
ckend installiert werden sollen. Das Ziel ist, Nutzerdaten zu sammeln und auszu-
werten. Selten werden die Konsequenzen klar ausgesprochen, die diese Systeme
für jeden Einzelnen haben (können): kleinteilige Verhaltenskontrolle und, per
Smartphone, Web und App, Ökonomisierung auch des Privaten.
    Dabei sind die Fakten bekannt: Die fünf wertvollsten Unternehmen der Welt
– die Big Five des Web: Alphabet/Google, Amazon, Apple, Facebook und
Microsoft – sind so wertvoll nur durch Nutzerdaten und das Versprechen, noch
mehr Nutzerdaten sammeln und auswerten zu können. Die Werkzeuge dafür sind
Big Data und die sog. „Künstliche Intelligenz“ (sKI). Diese „künstlichen Intelli-
genzen“ dienen, wie die Kybernetik als Mess- und Regelungstechnik, vor allem
zur Automatisierung von Prozessen und ist im Wesentlichen eine automatisierte
Datenverarbeitung.
    Im Netz dienen automatisierte Methoden dazu, (Verhaltens-)Muster zu erken-
nen und z.B. menschliches Verhalten zu prognostizieren. Aber es sind und bleiben
(z.T. sehr komplexe) Rechenmodelle. Die Microsoft-Deutschland-Chefin Sabine
Bendiek formuliert es für die FAZ so: "Eine KI kann viele Dinge ganz toll, aber
letztlich rechnet sie auf Basis von großen Datenmengen." (Armbruster 2019)
    Gleichwohl sind die zu erwartenden Folgen der „Digitalisierung aller Lebens-
bereiche“ gar nicht zu überschätzen. Alles wird verdatet, in Big-Data-Rechennet-
zen gesammelt und mit Methoden des Data Analytics ausgewertet, um mit Hilfe
dieser Daten und Muster das Verhalten der Menschen zu steuern. Der Einzelne
wird zum Datensatz. Je früher Daten von Menschen gesammelt werden können,
desto besser.
    Daher sind KiTas und Schulen so wichtig für die Datensammler. Kinder und
Jugendliche sind begeisterungsfähig, nutzen neue Techniken problemlos und un-
reflektiert und haben noch lange Konsumbiografien. Die Gretchen-Frage der IT
heißt daher schlicht: Wie hältst Du es mit den Daten? Für Nutzer/innen lautet die

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Frage schlicht: Bleibt der Mensch als Individuum, Persönlichkeit und autonomes
Subjekt das Ideal freier Gesellschaften oder wird er zum Datenlieferanten eines zu
perfektionierenden Datenverarbeitungssystems, wie es die Daten-Ökonomie und
Verfechter des Data-Ismus (Harari 2017) verlangen? Für Dataisten ist klar:
    „Menschen sind lediglich Instrumente, um das Internet der Dinge zu schaffen,
das sich letztlich vom Planeten Erde aus auf die gesamte Galaxie und sogar das ge-
samte Universum ausbreiten könnte. Dieses kosmische Datenverarbeitungssystem
wäre dann wie Gott. Es wird überall sein und alles kontrollieren, und die Men-
schen sind dazu verdammt, darin aufzugehen." (Harari, 2017, 515)
    Deutschland und Europa hingegen haben dabei die Wahl. Sie können demo-
kratische und soziale Gesellschaften bleiben oder sich den Bedingungen der Da-
ten-Ökonomie unterordnen.

Zwei Systeme stehen zur Wahl:
‒    Das US-amerikanische System des digitalen Überwachungskapitalismus
     (Zuboff, 2018) aus dem Silicon Valley steuert die Nutzer mit Techniken aus
     der Werbepsychologie („persuasive technolgies“), um die Umsätze der Big
     Five der IT zu optimieren. Die Parameter dieser Daten-Ökonomie: neolibe-
     ral, marktradikal und a-sozial, da die Nutzer/innen an ihren Bildschirmen
     und Displays sozial isoliert werden (Twenge 2016). Das Ziel ist die Maximie-
     rung der Nutzerzeiten, in der Werbung geschaltet und verkauft werden kann.

‒    Das zweite System ist das staatstotalitäre chinesische Überwachungsnetz. Alle
     Bürger werden komplett überwacht, der Staat hat Zugriff auf alle privaten
     Geräte und hat ein Sozialpunktesystem (Citizen Scoring) eingeführt. Er-
     wünschtes Verhalten wird belohnt, unerwünschtes Handeln sanktioniert. Ab-
     hängig vom Punktestand bekommt man besser oder schlechter bezahlte Ar-
     beit, gute, schlechte oder gar keine Schul- und Studienplätze für die Kinder
     usw. Selbst die medizinische Betreuung wird nach Punktestand gewährt oder
     verweigert.

Da beide Optionen – sowohl der neoliberal und martkradikale Valley-Kapitalis-
mus wie der chinesische Staatstotalitarismus – keine Option sind, müssen
Deutschland und Europa einen dritten Weg gehen. Der bleibt nicht stehen bei
zusätzlichen Datenschutzverordnungen und vermeintlichen Sicherungsoptionen,
wie es die IT-Wirtschaft propagiert, sondern stellt die Datensammelwut generell

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in Frage. Datenreduktion und -minimierung muss das Ziel sein, nicht Datenma-
ximierung.
     Konsequenz im Bildungskontext: Schülerdaten dürfen z.B. gar nicht gespei-
chert und ausgewertet werden, wie in den USA schon heute üblich. Empirie, Sta-
tistik und Mustererkennung als Basis kybernetischer Modelle der sKI können und
dürfen generell nur der Ausgangspunkt für den Diskurs sein, nicht Automatis-
men. Der demokratische und interpersonale Diskurs ist die Basis für Entschei-
dungen, es sind nicht die Daten. Dafür gilt es im „Zeitalter von Überwachungska-
pitalismus“ und Daten-Ökonomie einzutreten. Daher schreibt Spiekermann
2018:

 "Jeder, der mit KI und Daten gearbeitet hat, weiß, dass die Daten nicht voll-
  ständig, dass sie oft falsch, dass sie selektiv sind und dass sie über Kontex-
  te hinweg verbunden und verfremdet werden. Künstliche Intelligenzen ma-
  chen die absurdesten Klassifikationsfehler. Wenn man mit diesen Fehlern
  weiterrechnet, entsteht noch mehr Unsinn."

                                      Prof. Dr. Ralf Lankau (Bündnis für humane Bildung)

Literatur
Armbruster, Alexander (2019) Nicht jeder muss ein Informatiker sein, Interview mit Mi-
 crosoft-Deutschland-Chefin Sabine Bendiek, FAZ v. 01.04.2019; https://www.faz.net/ak-
 tuell/wirtschaft/diginomics/microsoft-deutschland-chefin-sabine-bendiek-im-inter-
 view-16117321.html (06.04.2019)
Fogg, B.J. (2003) Persuasive Technology: Using Computers to Change What We Think and
 Do. San Francisco: Morgan Kaufmann.
Gigerenzer, Gerd; Rebitschek, Felix G.; Wagner, Gert G. (2018) Eine vermessene Gesell-
 schaft braucht Transparenz, in: Wirtschaftsdienst 2018/12, S. 860-868; DOI: 10.1007/
 s10273-018-2378-4
Harari, Yuval Noah (2017) Homo Deus, München: C.H. Beck
Lankau, Ralf (201 7) Kein Mensch lernt digital. Weinheim: Beltz
Spiekermann, Sarah (2018) Big Data Illusion, FAZ v. 25.4.2018, S. 13; . http://www.faz.net/
 aktuell/feuilleton/debatten/was-die-konzerne-mit-unsere-daten-machen-
 15558098.html (06.04.2019)
Twenge, Jean (2016) How Smartphones destroyed a Generation
Zuboff, Shoshana (2018) Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus, Frankfurt: Cam-
 pus

                                                                                        23
Weiterführende Links

Bündnis für humane Bildung: aufwach-s-en.de
Diagnose Funk: diagnose-funk.de
Diagnose Media: diagnose-media.de
Eliant: https://eliant.eu/home
futur iii – Digitaltechnik zwischen Freiheitsversprechen und Totalüberwachung,
           futur-iii.de
Gesellschaft für Bildung und Wissen e.V.: http://bildung-wissen.eu
Hochschule Offenburg: hs-offenburg.de
Stiftung "Kind und Jugend":
           https://www.stiftung-kind-und-jugend.de/startseite/

Ergänzende Literatur

Bleckmann, Paula; Lankau, Ralf (2019) Digitale Medien und Unterricht. Eine Kontroverse,
  Weinheim: Beltz
Bleckmann, Paula; Leipner, Ingo (2018) Heute mal bildschirmfrei!
Böhme, Gottfried (2020) Der gesteuerte Mensch? Digitale Bildung – eine Kritik
Lankau, Ralf (2017) Kein Mensch lernt digital. Weinheim: Beltz
Lembke, Gerald; Leipner, Ingo (2015) Die Lüge der digitalen Bildung. Warum unsere Kin-
  der das Lernen verlernen
Münch, Richard (2018) Der bildungsindustrielle Komplex. Schule und Unterricht im Wett-
  bewerbsstaat, Weinheim, Beltz-Juvena, 2018
O‘Neil, Cathy (2016) Angriff der Algorithmen, München: Hanser
Spitzer, Manfred (2012) Digitale Demenz. Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand
  bringen
Spitzer, Manfred (2015) Cyberkrank. Wie das digitalisierte Leben unsere Gesundheit rui-
  niert
Spitzer, Manfred (2019) Smartphone-Epidemie
Türcke, Christoph (2016) Lehrerdämmerung. Was die neue Lernkultur in den Schulen an-
  richtet
Türcke, Christoph (2019) Digitale Gefolgschaft. Auf dem Weg in eine neue Stammesge-
  sellschaft
Zierer, Klaus; Kahlert, Joachim; Burchardt, Matthias (Hrsg.) (2017) Die pädagogische Mit-
  te. Plädoyers für Vernunft und Augenmaß in der Bildung
Zuboff, Shoshana (2018) Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus
Zuboff, Shoshana (1988) In the Age of the Smart Machine

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Bündnis für

HUMANE BILDUNG
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