CREDITREFORM SCHULDNERATLAS BERLIN 2020
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INHALT SEITE 1 Überschuldung von Verbrauchern in Deutschland 6 1.1 Einleitung 6 1.2 Die Entwicklung in Deutschland 8 1.3 Überschuldung nach Bundesländern 10 2 Überschuldungssituation in Berlin 12 2.1 Gesamtsicht und Deutschlandvergleich 12 2.2 Regionen-Analyse 14 2.3 Überschuldungsmerkmale 17 2.4 Schuldner nach Geschlecht 20 2.5 Schuldner nach Alter 21 3 Blick in die Zukunft 24 4 Zusammenfassung 26
Wichtige Definitionen Ansatz und Basisbegriffe Der SchuldnerAtlas Deutschland untersucht, wie sich die Überschuldung von Verbrauchern in- nerhalb Deutschlands kleinräumig verteilt und entwickelt. Überschuldung liegt dann vor, wenn der Schuldner die Summe seiner fälligen Zahlungsverpflichtungen mit hoher Wahrscheinlichkeit über einen längeren Zeitraum nicht begleichen kann und ihm zur Deckung seines Lebensunter- haltes weder Vermögen noch Kreditmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Oder kurz: Die zu leis- tenden Gesamtausgaben sind höher als die Einnahmen. Mit Hilfe der Schuldnerquoten, das heißt dem Anteil der Personen mit Negativmerkmalen im Verhältnis zu allen Personen ab 18 Jah- ren, kann die Überschuldung in ihrer geographischen Verteilung bis hin auf die Ebene von Stra- ßenabschnitten dargestellt werden. Negativmerkmale Die Negativmerkmale setzen sich zusammen aus den aktuell vorliegenden juristischen Sachver- halten (Daten aus den amtlichen Schuldnerverzeichnissen – früher: Haftanordnung und Eides- stattliche Versicherung – und Privatinsolvenzen), unstrittigen Inkasso-Fällen von Creditreform gegenüber Privatpersonen und nachhaltigen Zahlungsstörungen. Nachhaltige Zahlungsstörun- gen werden in einer Minimaldefinition abgegrenzt durch den Tatbestand von mindestens zwei, meist aber mehreren vergeblichen Mahnungen mehrerer Gläubiger. Die Speicherung der Daten ist durch das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) und dort vor allem durch § 28a und § 29 gere- gelt. Überschuldungsintensität Zwei Formen von Überschuldung werden in der Analyse unterschieden: Fälle mit „hoher“ Über- schuldungsintensität basieren ausschließlich auf juristischen Sachverhalten (Daten aus den amt- lichen Schuldnerverzeichnissen und Privatinsolvenzen). Fälle mit „geringer Überschuldungsin- tensität“ basieren auf einer eher niedrigen Anzahl von Negativmerkmalen, in der Regel so ge- nannten nachhaltigen Zahlungsstörungen (Minimaldefinition abgegrenzt durch den Tatbestand von mindestens zwei, meist aber mehreren vergeblichen Mahnungen mehrerer Gläubiger). Datenquellen Die vorliegende Analyse basiert auf den Daten und Karten der Creditreform Tochterfirmen Cre- ditreform Boniversum GmbH und microm Micromarketing-Systeme und Consult GmbH (beide Neuss).
1 Überschuldung von Verbrauchern 1.1 Einleitung Im Jahr 2020 ist die Zahl der überschuldeten Ver- braucher bundesweit gesunken – um rund 69.000 Personen bzw. um 1 Prozent. Insgesamt gelten in Deutschland 6,85 Mio. erwachsene Personen als Corona-Krise schlägt noch überschuldet. Der konjunkturelle Einbruch infolge nicht auf Verbraucher- der Corona-Pandemie und die damit verbundenen überschuldung durch Eindämmungsmaßnahmen haben bisher keine ne- gativen Auswirkungen auf die Überschuldungssitua- tion der Verbraucher. Zum einen haben wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Maßnahmen wie Über- brückungshilfen und Kurzarbeitergeld geholfen, den Einbruch abzumildern. Für die meisten privaten Verbraucher waren damit zunächst vergleichsweise wenig negative Folgewirkungen verbunden, die Überschuldungsprozesse begünstigen würden. Zu- dem führte der „Lockdown“ bei Beratungsstellen und Behörden zu Verzögerungen, was bei der Dar- stellung der aktuellen Überschuldungssituation be- rücksichtigt werden muss. Zusätzlich zur gesunkenen Schuldnerzahl bewirkte der abermalige Bevölkerungsanstieg, dass die Überschuldungs- quote in Deutschland weiter zurückging; von 10,00 auf 9,87 Prozent. Corona-Pandemie und „Lockdown“ hatten im Rahmenbedingungen aber Jahresverlauf 2020 sowohl für Unternehmen wie für deutlich verschlechtert Verbraucher erhebliche Einschränkungen zur Folge. Die konjunkturellen Rahmenbedingungen waren insgesamt deutlich schlechter als im Vorjahr. Erste Auswirkungen der Corona-Krise finden sich am Arbeitsmarkt. Die Zahl der Arbeitslosen schnellte um rund 560.000 Betroffene nach oben (Stand: Oktober 2020). Auch die Kurzarbeit – zwischenzeitlich ist für bis zu 6 Millionen Beschäftigte Kurzarbeitergeld gezahlt worden – führte tendenziell zu sinkenden Einkommen. Gleichzeitig konnte ein beispielloses staatliches Konjunkturprogramm (u. a. Senkung der Umsatzsteuer, Kinderbonus) in Milliardenhöhe einen noch stärkeren Konjunktureinbruch und weitere Entlassungen abfedern. Ein fester SchuldnerAtlas Berlin 2020 7
Arbeitsplatz bildet die wichtigste Grundlage, um das Überschuldungsrisiko bei den privaten Verbrauchern gering zu halten. Die Überschuldungssituation der privaten Verbraucher blieb im Jahresverlauf 2020 vergleichsweise wenig beeindruckt von der Corona-Krise. Allerdings ist zu befürchten, dass ein Fortdauern der Wirtschaftskrise den positiven Trend der Verbrau- Schwere Zeiten für die cherüberschuldung rasch umkehren könnte. Aktuel- deutschen Verbraucher? le Wirtschaftsprognosen gehen davon aus, dass sich die konjunkturelle Erholung verzögern wird, falls weitere Eindämmungsmaßnahmen nötig werden. Zu den ökonomischen Unsicherheitsfaktoren gehört für die Exportnation Deutschland die weltwirtschaft- liche Lage. Die Pandemie hat die internationalen Märkte und Lieferketten destabilisiert. Der mögliche Aufschwung im kommenden Jahr dürfte direkt vom Anspringen des Exportmotors beeinflusst sein. Be- troffen davon sind auch die Entwicklungen am hie- sigen Arbeitsmarkt. Bestehende Überschuldungs- tendenzen bei den Verbrauchern verstärken sich bei einer weiteren Zunahme von Arbeitslosigkeit und Einkommenseinbußen. Negative Tendenzen für die Verbraucher drohen zudem durch die steigenden Energie- und Mietkosten, beispielsweise unter dem Stichwort CO2-Bepreisung. Die aktuelle Auswertung der Verbraucherüber- schuldung in Deutschland zeigt neben dem positi- Bedenklicher Trend: ven Trend auch bedenkliche Entwicklungen: So ist zunehmende die Zahl der Überschuldungsfälle mit geringer Inten- Altersüberschuldung sität (vereinfacht: nachhaltige Zahlungsstörungen) zum vierten Mal in Folge angestiegen. Der Anstieg der „weichen Überschuldung“ korrespondiert häufig mit den Folgen einer Konsumüberschuldung. Bei anhaltender Wirtschaftskrise in den kommenden Monaten dürfte sich die Überschuldungsentwick- lung bei den Verbrauchern verstärken und zu mehr „harter“ Überschuldung, das heißt auch gerichtli- chen Negativmerkmalen, führen. Im Jahresverlauf 2020 war die Zahl der Überschuldungsfälle mit „ho- her Überschuldungsintensität“ (vereinfacht: juristi- sche Sachverhalte) nochmals rückläufig. Dieser 8 SchuldnerAtlas Berlin 2020
Rückgang der „harten Überschuldung“ spiegelt sich zeitversetzt im Rückgang der Privatinsolvenzverfah- ren in den Vorjahren. Zudem gewinnt das Phänomen „Altersüberschul- dung“ stärker als in den Vorjahren an Bedeutung. Die Zahl älterer überschuldeter Verbraucher (über 50 Jahre) hat deutlich zugenommen. Männer blei- ben zwar deutlich häufiger überschuldet als Frauen – allerdings zeigt sich bei den Männern wie im Vor- jahr ein merklicher Rückgang der Überschuldungs- quote. Vorwiegend „ökonomische“ Auslöser von Überschuldung wie Arbeitslosigkeit und gescheiterte Selbstständigkeit haben weiter an Bedeutung verlo- ren. Bei den Überschuldungsauslösern „Erkrankung, Sucht, Unfall“ und „unwirtschaftliche Haushaltsfüh- rung“ hat sich der Negativtrend dagegen verstärkt. 1.2 Die Entwicklung in Deutschland Für die Bundesrepublik Deutschland wurde zum Stichtag 1. Oktober 2020 eine Überschuldungsquote von 9,87 Prozent gemessen (2019: 10,00 Prozent).1 6,85 Millionen Einwohner Deutschlands über 18 Jah- 2019/2020: Entspannung re gelten damit als überschuldet und weisen nach- setzt sich fort haltige Zahlungsstörungen auf. Die Zahl der Be- troffenen ging aber gegenüber dem Vorjahr leicht zurück (- 69.000 Personen). Zwischen 2014 und 2018 hatte die Zahl überschuldeter Personen noch konti- nuierlich zugenommen (vgl. auch Tab. 1). Tab. 1: Überschuldungsquoten in Deutschland 2016 bis 2020 Personen über Überschuldete Überschuldungs- Überschuldete Einwohner 18 Jahre Personen quote Haushalte 2016 82,52 Mio. 68,05 Mio. 6,85 Mio. 10,06% 3,40 Mio. 2017 82,79 Mio. 68,83 Mio. 6,91 Mio. 10,04% 3,45 Mio. 2018 83,02 Mio. 69,03 Mio. 6,93 Mio. 10,04% 3,46 Mio. 2019 83,17 Mio. 69,24 Mio. 6,92 Mio. 10,00% 3,46 Mio. 2020 83,19 Mio. 69,41 Mio. 6,85 Mio. 9,87% 3,42 Mio. 1 Die Überschuldungsquote setzt die Zahl der überschuldeten Personen zur Bevölkerung ab 18 Jahre ins Verhältnis. SchuldnerAtlas Berlin 2020 9
Der Rückgang der Überschuldungsfälle beruht wie schon 2019 auf einer starken Abnahme der Fälle mit hoher Überschuldungsintensität (vereinfacht: juristi- sche Sachverhalte; - 188.000 Fälle; - 4,7 Prozent). Die „Weiche Überschuldung“ Zahl der Fälle mit geringer Überschuldungsintensität nimmt zu (vereinfacht: nachhaltige Zahlungsstörungen) ist hingegen gestiegen – stärker als im Vorjahr (+ 119.000 Fälle; + 4,1 Prozent). Im deutlichen Rück- gang der „harten Überschuldung“ spiegelt sich die bis zum Frühjahr 2020 robuste Verfassung des Ar- beitsmarktes mit einem deutlichen Rückgang von Langzeitarbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung. Tab. 2: Überschuldete Personen nach Überschuldungs- intensität 2016 bis 2020 Hohe Überschuldungsintensität Geringe Überschuldungsintensität Basiswerte Anzahl Abw. zum Vorjahr Anzahl Abw. zum Vorjahr 2016 4,17 Mio. + 220.000 2,68 Mio. - 89.000 2017 4,22 Mio. + 53.000 2,69 Mio. + 12.000 2018 4,13 Mio. - 87.000 2,80 Mio. + 106.000 2019 4,01 Mio. - 125.000 2,91 Mio. + 115.000 2020 3,82 Mio. - 188.000 3,03 Mio. + 119.000 Männer stellen zwar weiterhin die meisten Über- schuldungsfälle, der Anteil an Frauen hat aber deut- lich zugenommen. Nicht zuletzt, da insbesondere al- leinerziehende Frauen überdurchschnittlich häufig von Überschuldung betroffen sind. Trotz summari- schem Rückgang der Überschuldungsfälle in Deutschland ist die Zahl neu überschuldeter Frauen leicht angestiegen. 2020 sind bundesweit insgesamt 4,17 Millionen Erfreulich: Überschuldung überschuldete Personen Männer und rund 2,69 Mil- von Männern und Frauen lionen Frauen registriert worden. Die Überschul- nimmt 2020 ab dungsquote der Frauen sank von 7,65 auf 7,58 Pro- zent nachdem sie im Vorjahr konstant blieb. Die ak- tuelle Überschuldungsquote bei Männern war er- neut rückläufig und liegt bei 12,27 Prozent (2019: 12,46 Prozent). Die Zahl überschuldeter Männer ist im Zeitraum seit 2004 von 13,55 Prozent um 1,28 Punkte bzw. um rund 282.000 Fälle gesunken. Für 2020 weist die Statistik rund 17.000 weniger Über- schuldungsfälle von Frauen auf (- 0,6 Prozent), bei 10 SchuldnerAtlas Berlin 2020
den Männern ging die Zahl um rund 52.000 Fälle zu- rück (- 1,2 Prozent). Tab. 3: Überschuldete Personen und Überschuldungs- quoten nach Geschlecht 2016 bis 2020 Überschuldete Personen Überschuldungsquoten Gesamt Männer Frauen Gesamt Männer Frauen 2016 6,85 Mio. 4,21 Mio. 2,64 Mio. 10,06% 12,72% 7,55% 2017 6,91 Mio. 4,24 Mio. 2,68 Mio. 10,04% 12,59% 7,61% 2018 6,93 Mio. 4,23 Mio. 2,70 Mio. 10,04% 12,55% 7,65% 2019 6,92 Mio. 4,22 Mio. 2,70 Mio. 10,00% 12,46% 7,65% 2020 6,85 Mio. 4,17 Mio. 2,69 Mio. 9,87% 12,27% 7,58% Die Analyse der Hauptauslöser für Überschuldungs- prozesse, die seit 2008 kontinuierlich vom Statisti- schen Bundesamt erhoben wird, zeigt, dass sich die Überschuldungsauslöser „Erkrankung, Sucht, Unfall“ sowie „unwirtschaftliche Haushaltsführung“ ver- 2020: Ökonomische Auslöser stärkt haben. Auf der anderen Seite haben vorwie- verlieren an Bedeutung gend ökonomische Auslöser wie Arbeitslosigkeit langfristig an Bedeutung verloren. Die stabile Kon- junktur in Deutschland hatte in den letzten Jahren maßgeblich dazu beigetragen. Dem erst 2015 einge- führten Indikator „längerfristiges Niedrigeinkom- men“ muss dagegen der höchste Bedeutungszu- wachs als Auslöser von Überschuldungsprozessen zugestanden werden. Mittlerweile liegt der Anteil dieses Auslösers bei etwa einem Zehntel aller Über- schuldungsfälle. 1.3 Überschuldung nach Bundesländern Die aktuell positive Überschuldungsentwicklung in Deutschland zeigt sich sowohl in Ost- als auch in Westdeutschland. Die Zahl der Überschuldungsfälle ist 2020 in beiden Teilen Deutschlands zurückge- gangen – in Westdeutschland erstmals seit 2013 und in Ostdeutschland zum dritten Mal in Folge. In Ost- deutschland geht die Bevölkerungszahl weiter zu- rück und verhindert einen stärkeren Rückgang der Überschuldungsquote. In Westdeutschland nimmt die zu Grunde liegende Bevölkerungszahl, insbe- sondere durch Zuwanderung, weiter zu. In Folge SchuldnerAtlas Berlin 2020 11
sinkt die Überschuldungsquote in diesem Jahr stär- ker. In Ostdeutschland sind insgesamt rund 1,08 Millio- nen Personen überschuldet – rund 17.000 Über- schuldungsfälle weniger als 2019. Damit setzte sich der Rückgang aus dem Vorjahr fort. In den Bundes- ländern in Westdeutschland (einschließlich Berlin) sind derzeit rund 5,77 Millionen Personen über- schuldet – rund 52.000 Personen weniger als 2019. Die westdeutsche Überschuldungsquote sank auf 9,82 Prozent (- 0,12 Punkte). Die ostdeutsche Über- schuldungsquote verringerte sich zum vierten Mal in Folge von 10,33 auf 10,20 Prozent (- 0,13 Punkte). Tab. 4: Ranking Überschuldungsquoten und Überschul- dungsfälle in den Bundesländern Überschuldungs- Überschuldungs- Abw. Abw. Bundesland quoten fälle 2018 2019 2020 19/20 04/20 2018 2019 2020 19/20 04/20 Bayern 7,43% 7,31% 7,14% - 0,17 - 0,05 0,80 0,79 0,78 - 14.000 + 62.000 Baden-Württemberg 8,31% 8,23% 8,11% - 0,12 + 0,61 0,76 0,75 0,75 - 8.000 + 105.000 Thüringen 9,30% 9,21% 9,14% - 0,08 - 0,87 0,17 0,17 0,17 - 2.000 - 34.000 Brandenburg 9,94% 9,83% 9,64% - 0,19 - 1,56 0,21 0,21 0,20 - 4.000 - 35.000 Sachsen 9,92% 9,81% 9,66% - 0,15 + 0,71 0,34 0,34 0,33 - 6.000 + 5.000 Hessen 10,04% 10,04% 9,95% - 0,09 + 0,38 0,52 0,52 0,52 + 3.000 + 43.000 Rheinland-Pfalz 10,10% 10,11% 10,06% - 0,05 - 0,07 0,34 0,35 0,34 - 1.000 + 13.000 Niedersachsen 10,34% 10,31% 10,19% - 0,12 + 0,06 0,68 0,68 0,68 - 6.000 + 29.000 Mecklenburg-Vorpommern 10,53% 10,58% 10,46% - 0,13 - 1,05 0,14 0,14 0,14 - 2.000 - 22.000 Hamburg 10,62% 10,60% 10,53% - 0,07 - 0,35 0,16 0,16 0,16 ±0 + 4.000 Schleswig-Holstein 10,90% 10,85% 10,69% - 0,16 - 0,13 0,26 0,26 0,26 -3.000 + 13.000 Saarland 11,36% 11,50% 11,60% + 0,10 + 0,56 0,10 0,10 0,10 ±0 + 1.000 Nordrhein-Westfalen 11,69% 11,72% 11,63% - 0,09 + 0,95 1,74 1,75 1,74 - 12.000 + 180.000 Berlin 12,42% 12,31% 12,02% - 0,28 - 2,00 0,37 0,37 0,37 -6.000 - 32.000 Sachsen-Anhalt 12,73% 12,71% 12,62% - 0,09 + 0,40 0,24 0,24 0,24 - 4.000 - 22.000 Bremen 13,94% 14,02% 13,97% - 0,05 + 0,62 0,08 0,08 0,08 ±0 + 6.000 Deutschland 10,04% 10,00% 9,87% - 0,12 + 0,13 6,93 6,92 6,85 - 69.000 + 314.000 *) Abweichung in Prozentpunkten; **) Überschuldungsfälle in Millionen; Rundungsdifferenzen möglich 12 SchuldnerAtlas Berlin 2020
15 Bundesländer zeigten im Jahr 2020 einen Rück- gang der Überschuldungsquote. Nur das Saarland Rückgang der Schuldnerquote weist eine höhere Überschuldungsquote auf als im in 15 Bundesländern Vorjahr. Das Überschuldungsranking nach Bundes- ländern änderte sich im Vergleich zu 2019 nur in ei- ner Position: Brandenburg (9,64 Prozent) verbesser- te sich auf Rang vier. Bayern (7,14 Prozent) und Ba- den-Württemberg (8,11 Prozent) verbleiben vor Thüringen (9,14 Prozent). Schlusslichter sind weiter- hin Bremen (13,97 Prozent) und Sachsen-Anhalt (12,62 Prozent) – allerdings bei sinkender Über- schuldungsquote. 2 Überschuldungssituation in Berlin 2.1 Gesamtsicht und Deutschlandvergleich Bislang hat die Corona-Pandemie keine negativen Auswirkungen auf die Überschuldungssituation der privaten Verbraucher in Berlin. Im Gegenteil: Die Zahl der Überschuldeten Zahl der überschuldeten Berliner ist deutlich um sinkt deutlich fast 6.000 Personen zurückgegangen. Zum Stichtag 1. Oktober 2020 wiesen 365.978 erwachsene Ein- wohner der Bundeshauptstadt zumindest nachhal- tige Zahlungsstörungen auf (2019: 371.792 Perso- nen). Das ist der niedrigste Stand seit 2011. Im Jah- resvergleich 2019/2020 nahm die Zahl der über- schuldeten Personen um 1,6 Prozent ab und damit stärker als in Deutschland insgesamt (- 1,0 Prozent). Im Vorjahr (2019) war die Zahl der Überschuldungs- fälle nur geringfügig um 0,1 Prozent gesunken. SchuldnerAtlas Berlin 2020 13
Abb. 1: Überschuldete Personen in der Stadt Berlin 500.000 450.000 436.647 431.877 419.613 400.000 405.382 398.424 376.184 373.875 373.221 372.760 372.355 371.988 371.792 371.164 368.751 350.000 365.978 363.264 355.184 300.000 250.000 200.000 150.000 100.000 50.000 0 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Anzahl der Betroffenen Auch die Schuldnerquote, die sich aus dem Verhält- nis der Zahl der überschuldeten Personen und der Bevölkerungszahl (ab 18 Jahre) ergibt, verdeutlicht, dass sich die Verbraucherüberschuldung in Berlin zuletzt entspannt hat. So verringerte sich die Schuldnerquote vergleichsweise stark um 0,29 Pro- Rückgang der Schuldner- zentpunkte auf 12,02 Prozent. Unterstützt wurde quote setzt sich fort der Rückgang der Schuldnerquote auch vom Bevöl- kerungsanstieg in Berlin2. Seit dem Jahr 2010 nahm die Schuldnerquote in Berlin um 0,65 Prozentpunkte ab, während bundesweit im selben Zeitraum ein An- stieg um 0,37 Prozentpunkte zu verzeichnen war. Noch ist die Überschuldungshäufigkeit in Berlin aber höher als im Bundesdurchschnitt. Deutsch- landweit beträgt die Schuldnerquote 9,87 Prozent. 2 Allein in den letzten zwölf Monaten betrug das Plus der Einwohnerzahl ab 18 Jahre fast 23.000 Personen. 14 SchuldnerAtlas Berlin 2020
Abb. 2: Schuldnerquoten in der Stadt Berlin 18,00 16,00 15,20 15,25 14,79 14,02 13,96 14,00 13,12 13,02 12,99 12,67 12,74 12,63 12,16 12,32 12,56 12,42 12,31 12,02 12,00 10,85 10,43 10,68 10,11 9,90 9,92 10,06 10,04 10,04 10,00 9,87 9,74 9,65 9,81 10,00 9,50 9,38 9,09 8,00 6,00 4,00 Berlin Deutschland 2,00 0,00 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Angaben in Prozent Bis zum Frühjahr 2020 war die wirtschaftliche Situa- tion der meisten Verbraucher durch gute konjunktu- relle Rahmenbedingungen geprägt. Infolge der poli- tischen Corona-Hilfen (Stichwort: Kurzarbeit) blieben die Auswirkungen der Krise auf die Arbeitsmarkt- und Einkommenssituation der privaten Verbraucher bislang vergleichsweise gering. Zudem hatte Er- werbslosigkeit als ein Hauptauslöser von Über- schuldungsprozessen in den letzten Jahren an Be- deutung verloren. 2.2 Regionen-Analyse Die Analyse der Überschuldungssituation auf Basis der Berliner Bezirke zeigt aber ein deutlich differen- zierteres Bild der Überschuldungsentwicklung. In allen Berliner Bezirken war 2020 ein Rückgang der Überschuldungsquote der privaten Verbraucher festzustellen. Neukölln verzeichnete mit - 0,51 2019/2020: Starker Rückgang Prozentpunkten das stärkste Minus, gefolgt von in Neukölln Marzahn-Hellersdorf (Schuldnerquote: - 0,41 Prozentpunkte). Festzuhalten ist, dass trotz der aktuellen Entspannung die Schuldnerquoten hier SchuldnerAtlas Berlin 2020 15
überdurchschnittlich hoch bleiben. Weniger deutlich fiel der Rückgang der Schuldnerquote im Bezirk Steglitz-Zehlendorf aus (- 0,12 Prozentpunkte). Al- lerdings ist hier die Verbraucherüberschuldung so niedrig wie sonst nirgends im gesamten Stadtgebiet. Tab. 5: Schuldnerquoten 2019/2020 in den Bezirken3 Schuldnerquoten in % Abweichung *) Bezirk 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2019/2020 2013/2020 Neukölln 16,13 15,90 15,58 15,32 15,87 15,55 15,33 14,82 -0,51 -1,31 Marzahn-Hellersdorf 15,80 15,95 16,01 15,59 15,57 15,19 15,00 14,59 -0,41 -1,21 Friedrichshain- 12,96 12,69 12,81 12,67 12,42 12,12 12,01 11,62 -0,39 -1,34 Kreuzberg Spandau 15,75 15,83 16,19 15,89 15,95 15,86 15,78 15,46 -0,32 -0,29 Pankow 10,85 10,69 10,60 10,28 9,82 9,62 9,50 9,20 -0,30 -1,65 Mitte 16,18 15,81 15,62 15,08 14,84 14,59 14,48 14,19 -0,29 -1,99 Reinickendorf 14,13 14,28 14,27 14,11 14,12 14,04 13,99 13,70 -0,29 -0,43 Charlottenburg- 12,15 11,99 11,93 11,62 11,05 10,98 10,84 10,58 -0,26 -1,57 Wilmersdorf Treptow-Köpenick 11,70 11,60 11,60 11,35 11,18 11,01 10,84 10,62 -0,22 -1,08 Tempelhof-Schöneberg 12,10 12,06 12,03 11,80 11,72 11,46 11,31 11,12 -0,19 -0,98 Lichtenberg 13,02 12,91 12,82 12,33 12,42 12,23 12,24 12,10 -0,14 -0,92 Steglitz-Zehlendorf 8,42 8,36 8,40 8,26 8,10 7,98 7,92 7,80 -0,12 -0,62 Berlin 13,12 13,02 12,99 12,69 12,63 12,42 12,31 12,02 -0,29 -1,10 *) Abweichung in Prozentpunkten; Rundungsdifferenzen möglich; 2016 ohne Überschuldungsfälle in Sammelunterkünften wie Hei- men, JVA etc. Im Vergleich zur Situation im Jahre 2013 hat die Schuldnerquote in Berlin insgesamt um 1,10 Pro- zentpunkte abgenommen. Diesem Trend folgen auch die Berliner Bezirke. Sehr ausgeprägt war die Entspannung der Verbraucherüberschuldung in die- sem Zeitraum in Mitte (- 1,99 Prozentpunkte), Pan- kow (- 1,65 Prozentpunkte) und in Charlottenburg- Wilmersdorf (- 1,57 Prozentpunkte). Positiver Spitzenreiter unter den Berliner Bezirken Steglitz-Zehlendorf bleibt bleibt Steglitz-Zehlendorf, wo die Schuldnerquote „Positiver Spitzenreiter“ nur 7,80 Prozent beträgt (2019: 7,92 Prozent). Den zweiten Rang behauptet Pankow mit einer Über- 3 Ab 2017 wurden die Daten für die einzelnen Bezirke auf Basis einer noch genaueren Geodifferenzierung ausgewertet. Die Vergleichbarkeit mit den Vorjahren ist daher eingeschränkt. 16 SchuldnerAtlas Berlin 2020
schuldungsquote von aktuell 9,20 Prozent (2019: 9,50 Prozent). Im längerfristigen Trend (gegenüber 2013) verzeichnet Pankow eine sehr positive Ent- wicklung. Die Schuldnerquote verbesserte sich um 1,65 Prozentpunkte. Auf dem dritten Platz im Posi- tiv-Ranking liegt mit einer Schuldnerquote von 10,58 Prozent diesmal Charlottenburg-Wilmersdorf. Spandau weist weiterhin die höchste Schuldnerquo- te im gesamten Berliner Stadtgebiet auf. 15,46 Pro- zent der Erwachsenen haben hier Überschuldungs- Spandau weiter merkmale. Gegenüber dem Vorjahr (2019) gab es Tabellenletzter einen Rückgang (- 0,32 Prozentpunkte), in der län- gerfristigen Entwicklung seit 2013 bleibt der Rück- gang allerdings schwächer als andernorts (- 0,29 Prozentpunkte). Die Überschuldungssituation ist in Neukölln nach wie vor überdurchschnittlich hoch. Gleichwohl weist der Bezirk in den letzten Jahren ei- ne positive Entwicklung auf. Seit 2013 verringerte sich die Schuldnerquote um 1,31 Prozentpunkte; al- lein im Jahresvergleich 2019/2020 um 0,51 Prozent- punkte. Deutliche Unterschiede zeigen sich – trotz aller posi- tiven Entwicklungen – beim Blick auf die absoluten Schuldnerzahlen auf Ebene der Bezirke. Während in Schuldnerzahlen sinken – Friedrichshain-Kreuzberg die Zahl der überschulde- aber unterschiedlich stark ten Personen im Vergleich zu 2019 deutlich sank (- 3,5 Prozent), war der Rückgang im Lichtenberg mit - 0,4 Prozent vergleichsweise gering. Ein Anstieg war aber nirgends festzustellen. In Neukölln (- 2,2 Pro- zent) und Marzahn-Hellersdorf (- 2,1 Prozent) sind die Schuldnerzahlen in diesem Zeitraum ebenfalls überdurchschnittlich gesunken. Etwas getrübt wird die insgesamt positive Entwick- lung aber im Langzeitvergleich gegenüber dem Jahr 2013. So finden sich neben markanten Rückgängen der überschuldeten Verbraucher (wie in Steglitz- Zehlendorf, Neukölln und Pankow) auch Stadtgebie- te mit starken Zuwächsen der Überschuldungsfälle (u. a. in Lichtenberg und Charlottenburg- Wilmersdorf). SchuldnerAtlas Berlin 2020 17
Tab. 6: Zahl der Überschuldungsfälle in den Berliner Bezirken4 Abweichung Schuldner in % 2019/ 2013/ 2019 2020 2020 2020 Charlottenburg-Wilmersdorf 30.424 29.868 -1,8 +13,5 Friedrichshain-Kreuzberg 27.915 26.940 -3,5 +10,6 Lichtenberg 28.633 28.521 -0,4 +12,8 Marzahn-Hellersdorf 32.115 31.434 -2,1 -1,4 Mitte 44.785 44.218 -1,3 -1,0 Neukölln 40.725 39.831 -2,2 -14,1 Pankow 30.536 30.020 -1,7 -11,7 Reinickendorf 30.412 30.091 -1,1 +4,1 Spandau 31.114 30.866 -0,8 +7,7 Steglitz-Zehlendorf 20.062 19.744 -1,6 -23,1 Tempelhof-Schöneberg 31.470 31.202 -0,9 +5,9 Treptow-Köpenick 23.601 23.243 -1,5 +0,3 Berlin 371.792 365.978 -1,6 -0,8 2.3 Überschuldungsmerkmale Die Analyse der Überschuldungssituation der Ver- braucher unterscheidet sogenannte „harte“ und „weiche“ Überschuldungsfaktoren. Als weiche Über- schuldungsmerkmale gelten u. a. Mahn- und Inkas- sofälle mehrerer Gläubiger, die (noch) nicht zu ge- richtlichen Negativeinträgen geführt haben, bei de- nen aber nachhaltige Zahlungsstörungen vorliegen. Harte Überschuldungsmerkmale sind beispielsweise gerichtliche Negativmerkmale, wie etwa ein Antrag auf Privatinsolvenz. Immer weniger Verbraucher weisen eine bereits hohe Überschuldungsintensität auf. Im Jahresver- „Harte“ Überschuldung auf lauf 2020 nahm die Zahl der Betroffenen, deren dem Rückzug Überschuldung bereits juristisch belegt ist (z. B. durch einen Antrag auf Privatinsolvenz), weiter ab. So zeigten zum Stichtag 1. Oktober 2020 201.671 Berliner solch harte Überschuldungsmerkmale. Das 4 Ab 2017 wurden die Daten für die einzelnen Bezirke auf Basis einer noch genaueren Geodifferenzierung ausgewertet. Die Vergleichbarkeit mit den Vorjahren ist daher eingeschränkt. 18 SchuldnerAtlas Berlin 2020
waren rund 13.000 Personen (- 6,0 Prozent) weniger als im Vorjahr (2019). Der Positivtrend der letzten Jahre hat sich damit fortgesetzt. In dieser Entwick- lung spiegelt sich möglicherweise, dass die Bundes- regierung eine Reform der Insolvenzordnung mit Er- leichterungen bei der Restschuldbefreiung plant und deshalb Verbraucher mit einem solchen Schritt zunächst gewartet haben. Zudem dürften die pan- demiebedingten Einschränkungen beispielsweise bei Schuldnerberatungen und Behörden die aktuel- len Zahlen beeinflusst haben. Bei den sogenannten weichen Überschuldungs- merkmalen zeichnet sich dagegen ein rasanter An- stieg der Überschuldungsfälle ab. Zum Stichtag 1. Konsumüberschuldung Oktober 2020 wiesen 164.307 Personen eine gerin- nimmt zu ge Überschuldungsintensität (weiche Überschul- dungsmerkmale) auf. Das sind rund 7.100 Fälle mehr als noch 2019 (+ 4,5 Prozent). Weiche Über- schuldungsmerkmale korrelieren häufig mit dem Überschuldungsauslöser „unangemessene Haus- haltsführung“ und gehen meist auf übermäßiges Konsumverhalten zurück. Wenn dabei Zahlungsver- pflichtungen eingegangen werden, können bei- spielsweise Arbeitslosigkeit oder Berufsunfähigkeit schnell zu Überschuldungsentwicklungen führen. Nach wie vor weist die Mehrheit der überschuldeten Berliner eine hohe Überschuldungsintensität auf (55,1 Prozent der Überschuldeten). Dieser Prozen- tanteil ging aber in den letzten Jahren deutlich zu- rück. SchuldnerAtlas Berlin 2020 19
Abb. 3: Schuldnermerkmale in der Stadt Berlin 250.000 230.323 231.860 231.524 230.000 222.207 223.663 225.604 222.976 221.000 219.137 216.885 214.607 211.963 209.670 206.324 206.446 210.000 202.742 202.640 201.671 190.000 170.000 164.307 160.797 150.000 157.185 148.738 150.164 149.614 148.692 150.580 149.012 146.379 141.361 142.351 130.000 110.000 90.000 harte Überschuldungsmerkmale weiche Überschuldungsmerkmale 70.000 50.000 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Der Anteil der Personen mit harten Überschul- dungsmerkmalen schwankt im Berliner Stadtgebiet zwischen 51,7 Prozent in Mitte und 59,6 Prozent in Mehrzahl der Schuldner hat Marzahn-Hellersdorf. Höher als im Berliner Durch- juristische Negativeinträge schnitt (55,1 Prozent) ist der Anteil der harten Über- schuldungsfälle u. a. in Treptow-Köpenick (57,2 Pro- zent), in Spandau (57,1 Prozent) und in Reinicken- dorf (57,0 Prozent). 20 SchuldnerAtlas Berlin 2020
Tab. 7: Überschuldungsintensität in den Bezirken 2020 Anteil Anzahl Personen „hoch“ „hoch“ „niedrig“ (%) Charlottenburg- 15.498 14.370 51,9 Wilmersdorf Friedrichshain- 14.520 12.420 53,9 Kreuzberg Lichtenberg 16.187 12.334 56,8 Marzahn-Hellersdorf 18.749 12.685 59,6 Mitte 22.856 21.362 51,7 Neukölln 21.928 17.903 55,1 Pankow 16.176 13.844 53,9 Reinickendorf 17.145 12.946 57,0 Spandau 17.632 13.234 57,1 Steglitz-Zehlendorf 10.611 9.133 53,7 Tempelhof-Schöneberg 17.063 14.139 54,7 Treptow-Köpenick 13.306 9.937 57,2 Berlin 201.671 164.307 55,1 2.4 Schuldner nach Geschlecht Die Schuldnerquote der Männer bleibt auch in Ber- lin deutlich höher als die der Frauen. Männer weisen Verbesserungen bei den eine höhere Schuldnerbetroffenheit auf, weil sie Männern u. a. bei Finanzentscheidungen als risikoaffiner gel- ten und zudem häufig als Hauptverdiener finanziell stärker belastet sind. Gegenüber dem Vorjahr (2019) ist die Schuldnerquote der Berliner Männer aber deutlich zurückgegangen; von 15,87 auf 15,31 Pro- zent (- 0,56 Prozentpunkte). Bei den Frauen ist die Schuldnerquote ebenfalls rückläufig gewesen (- 0,26 Prozentpunkte); von 8,77 auf 8,51 Prozent. Im Bun- desgebiet beträgt die Überschuldungsquote der Männer 12,27 Prozent und die der Frauen 7,58 Pro- zent. SchuldnerAtlas Berlin 2020 21
Tab. 8: Schuldnerquoten nach Geschlecht Schuldnerquoten in % Bezirk Männer Frauen 2019 2020 2019 2020 Charlottenburg-Wilmersdorf 14,44 13,95 7,26 7,08 Friedrichshain-Kreuzberg 16,75 16,05 7,32 7,06 Lichtenberg 15,55 15,09 8,97 8,86 Marzahn-Hellersdorf 17,88 17,22 12,09 11,62 Mitte 19,71 19,11 9,33 9,06 Neukölln 19,78 18,90 10,90 10,43 Pankow 12,51 11,97 6,55 6,31 Reinickendorf 17,36 16,83 10,66 10,32 Spandau 18,97 18,38 12,56 12,14 Steglitz-Zehlendorf 10,14 9,86 5,71 5,57 Tempelhof-Schöneberg 14,71 14,28 7,95 7,76 Treptow-Köpenick 13,68 13,12 8,05 7,88 Berlin 15,87 15,31 8,77 8,51 Deutschland 12,46 12,27 7,65 7,58 Je nach Stadtgebiet reicht die Schuldnerquote der Männer von 9,86 Prozent in Steglitz-Zehlendorf bis zu hohen 19,11 Prozent in Mitte. Bei den Frauen weist Steglitz-Zehlendorf die geringste Überschul- dung auf (Schuldnerquote: 5,57 Prozent). Hoch ist die Schuldnerquote der Frauen hingegen in Span- dau mit 12,14 Prozent. Im Vergleich zum Vorjahr (2019) zeigen sich überall Rückgänge. Bei den Män- nern sank die Schuldnerquote beispielsweise in Neukölln um 0,88 Prozentpunkte innerhalb eines Jahres. Die „weibliche“ Schuldnerquote nahm vor al- lem in Marzahn-Hellersdorf und in Neukölln spürbar ab (jeweils - 0,47 Prozentpunkte). 2.5 Schuldner nach Alter Insbesondere bei älteren Personen ab 60 Jahren sind die Schuldnerquoten zuletzt gestiegen. So be- trägt die Schuldnerquote der 60- bis 69-Jährigen mittlerweile 11,15 Prozent (2019: 10,97 Prozent). Bei den Senioren ab 70 Jahren war eine Erhöhung von 4,48 auf 4,71 Prozent zu verzeichnen. Diese Entwick- lung ist mit Sorge zu betrachten, da sich die Ein- kommenssituation mit zunehmendem Alter eher 22 SchuldnerAtlas Berlin 2020
verschlechtert und überschuldete Personen ihre Schulden im fortgeschrittenen Alter kaum mehr ab- bauen können. Verringert hat sich die Überschuldungsquote hinge- gen in den übrigen Altersgruppen. So nahm die Jüngere Altersgruppen bauen Schulden ab Schuldnerquote in der Altersgruppe zwischen 50 und 59 Jahren von 14,91 auf 14,46 Prozent deutlich ab (- 0,45 Prozentpunkte). In der Altersgruppe zwi- schen 40 und 49 Jahren war ein leichter Rückgang um 0,08 Prozentpunkte zu konstatieren, nachdem es im Vorjahr (2019) noch einen Anstieg gab. Den- noch ist die Überschuldungssituation in dieser Al- tersgruppe weiter angespannt. Abb. 4: Schuldnerquoten in Berlin nach Altersgruppen 2018 2019 2020 18,00 16,00 16,79 16,87 16,79 15,14 14,91 14,00 14,46 14,05 13,54 12,00 12,77 10,97 11,15 10,00 10,66 8,00 6,00 6,47 6,29 6,17 4,00 4,48 4,71 4,21 2,00 0,00 unter 30 Jahre 30 bis 39 Jahre 40 bis 49 Jahre 50 bis 59 Jahre 60 bis 69 Jahre 70 Jahre und älter Angaben in Prozent Verringert hat sich die Schuldnerquote bei den 30- bis 39-jährigen Berlinern (- 0,77 Prozentpunkte). Vermutlich gelang es jüngeren Schuldnern, eine be- stehende Überschuldungssituation abzubauen, die noch nicht eine hohe Intensität erreicht hatte. Bei den jungen Erwachsenen unter 30 Jahren sank die Schuldnerquote von 6,29 auf 6,17 Prozent. Damit setzte sich der Trend aus dem Vorjahr fort. SchuldnerAtlas Berlin 2020 23
Tab. 9: Schuldnerquoten 2020 nach Alter in den Bezirken Schuldnerquoten in % Bezirk unter 30 30 bis 39 40 bis 49 50 bis 59 60 bis 69 ab 70 Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre Charlottenburg-Wilmersdorf 4,79 9,26 13,71 11,58 11,06 6,93 Friedrichshain-Kreuzberg 4,11 9,50 15,74 17,07 14,15 6,24 Lichtenberg 6,43 15,09 17,57 14,09 9,85 3,23 Marzahn-Hellersdorf 8,40 19,87 17,71 14,71 13,94 4,09 Mitte 6,79 12,85 18,71 18,06 14,81 6,63 Neukölln 7,55 15,48 21,45 17,97 13,68 5,90 Pankow 3,52 8,42 13,85 14,14 8,69 2,80 Reinickendorf 9,41 16,71 19,81 15,41 11,37 4,50 Spandau 10,10 19,09 22,63 17,56 12,59 5,12 Steglitz-Zehlendorf 4,50 8,20 10,99 8,47 7,08 3,90 Tempelhof-Schöneberg 5,77 11,30 14,90 12,6 10,63 5,09 Treptow-Köpenick 5,62 13,54 16,41 14,24 8,28 2,47 Berlin 6,17 12,77 16,79 14,46 11,15 4,71 Bei den Senioren ab 70 Jahren ist die Überschul- dungssituation mittlerweile in zwei Bezirken (Char- lottenburg-Wilmersdorf und Friedrichshain- Kreuzberg) angespannter als die junger Erwachse- Altersgruppen: Deutliche ner unter 30 Jahren. Die Spanne der Schuldnerquo- Unterschiede in den Bezirken ten in dieser Altersgruppe liegt zwischen 2,47 Pro- zent (Treptow-Köpenick) und 6,93 Prozent (Charlot- tenburg-Wilmersdorf). In allen Bezirken war eine Verschlechterung festzustellen. Trotz der rückläufigen Schuldnerquote in der Alters- klasse der jungen Berliner unter 30 sind im Stadtge- biet Unterschiede in dieser Entwicklung festzustel- len. So reicht die Schuldnerquote von 3,52 Prozent (Pankow) bis 10,10 Prozent (Spandau). Anstiege wa- ren in Mitte, Steglitz-Zehlendorf und Charlotten- burg-Wilmersdorf zu verzeichnen. In Tempelhof- Schöneberg blieb die Quote unverändert. 24 SchuldnerAtlas Berlin 2020
3 „Blick in die Zukunft“ Die Überschuldungsquote ist 2020 bundesweit und in vielen Regionen zurückgegangen. Unterstützt wurde dieser Trend dadurch, dass die Bevölkerung weiter zugenommen hat und Wie beeinflusst die Corona- Langzeitarbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung Krise die weiteren Schuldner- trotz der im Frühjahr einsetzenden Corona- zahlen? Pandemie bisher vergleichsweise wenig gestiegen sind. Positiv zu bewerten ist, dass die „harte“ Überschuldung abnimmt. Seit Jahren sinkt damit korrelierend die Zahl der Verbraucherinsolvenzen. Insbesondere der Anstieg der „weichen“ Überschuldungsfälle ist aber besorgniserregend. Oftmals ist Konsumüberschuldung der Einstieg in weitere Überschuldungsprozesse. Die Corona- Pandemie führt zudem zu einer Polarisierung von Einkommen und Vermögen. Obere soziale Schichten („Gutverdiener“) können Einkommensausfälle besser kompensieren oder üben zugleich Ausgabenvorsicht und Konsumzurückhaltung. Die unteren sozialen Schichten haben dagegen kaum finanzielle Reserven und oftmals eine „negative Sparquote“. Verschuldung und Überschuldung bei vermehrten finanziellen Belastungen sind die Folge. Die Anpassung der Verbraucherinsolvenzverfahren (auch ein möglicher Bearbeitungsstau) haben die Insolvenzentwicklung im Jahresverlauf 2020 gebremst. Die geplante Verkürzung der Wohlverhaltensperiode dürfte aber bei Inkrafttreten zu einem zusätzlichen Anstieg der (harten) Überschuldungsfälle führen. Für viele Verbraucher in Deutschland bleibt die Überschuldungsampel vor diesem Hintergrund auf „rot“. Generell gilt: Überschuldung sollte von vorneherein vermieden werden (Prävention) und Beratungssuchenden möglichst frühzeitig adäquate Hilfsangebote (Beratung) an die Hand gegeben werden. SchuldnerAtlas Berlin 2020 25
Folgende Querschnittsaufgaben sollten im Vordergrund stehen: weiterer Aufbau der Vollzeitbeschäftigung Förderung von sozialem Wohnungsbau höhere und gezielte Bildungsinvestitionen zur Förderung von Finanzkompetenz der gesamten Bevölkerung Stärkung und Ausbau der Insolvenz- und Schuldnerberatung (einschließlich sozial- medizinischer Beratungs- und Informations- angebote zur Gesundheitskompetenz), gegebenenfalls durch „Familienpaten“ bei besonders stark und dauerhaft überschuldeten Familien stärkere politische Sensibilisierung für die Belange überschuldeter Personen die Förderung einer verantwortungs- bewussten Kreditvergabe und eine qualifizierte Informationsoffensive zur Über- schuldungsproblematik sowie eine stärkere Einbindung der Überschuldungsforschung in die Armuts- und Bildungsdebatte 26 SchuldnerAtlas Berlin 2020
4 Zusammenfassung Bislang hat die Corona-Pandemie keine negativen Auswirkungen auf die Überschuldungssituation der privaten Verbraucher in Berlin. Die Zahl der über- schuldeten Berliner ist in den letzten zwölf Monaten um fast 6.000 Personen zurückgegangen. Zum Stich- tag 1. Oktober 2020 wiesen 365.978 erwachsene Einwohner der Bundeshauptstadt Überschul- dungsmerkmale auf (2019: 371.792 Personen). Das ist der niedrigste Stand seit 2011. Die Schuldnerquo- te, die die Zahl der überschuldeten Personen zur Bevölkerungszahl (ab 18 Jahre) ins Verhältnis setzt, verringerte sich um 0,29 Prozentpunkte auf 12,02 Prozent (2019: 12,31 Prozent). Der Rückgang war stärker als im Bundestrend. In Deutschland insge- samt sank die Schuldnerquote von 10,00 auf 9,87 Prozent. Die Corona-Krise hat auf die Arbeitsplatz- und Einkommenssituation der privaten Verbraucher bislang vergleichsweise kaum durchgeschlagen. Zu- dem wurde der Rückgang der Schuldnerquote auch von dem Bevölkerungszuwachs in Berlin positiv be- einflusst. In allen Berliner Bezirken nahmen die Überschul- dungsquoten ab. Ein überdurchschnittlich starker Rückgang war in Neukölln zu verzeichnen (- 0,51 Prozentpunkte). Dennoch bleibt die Überschul- dungshäufigkeit mit 14,82 Prozent der Erwachsenen hoch. Weiterhin weist Spandau die höchste Schuld- nerquote im gesamten Berliner Stadtgebiet auf (15,46 Prozent der Erwachsenen). Mit einer Schuld- nerquote von 7,80 Prozent sind in Steglitz- Zehlendorf erneut die wenigsten Verbraucher von Überschuldung betroffen. Es folgt Pankow mit 9,20 Prozent. Positive Tendenzen bei der harten Überschuldung wurden durch steigende Zahlen bei weichen Über- schuldungsfällen zum Teil wieder relativiert. Die Zahl der Personen mit harten Negativmerkmalen (juristische Sachverhalte, wie beispielsweise ein An- trag auf Privatinsolvenz) hat um rund 13.000 (- 6,0 Prozent) auf insgesamt noch 201.671 Personen SchuldnerAtlas Berlin 2020 27
(2019: 214.607 Personen) abgenommen. Gleichzeitig ist die Zahl der sogenannten weichen Überschul- dungsfälle um rund 7.100 gestiegen (+ 4,5 Prozent). Damit wiesen zum Stichtag 1. Oktober 2020 164.307 Berliner eine niedrige Überschuldungsintensität auf (2019: 157.185). Weiche Überschuldungsmerkmale gehen oft auf übermäßiges Konsumverhalten zu- rück und können beispielsweise bei Arbeitslosigkeit oder Berufsunfähigkeit bestehende Überschul- dungstendenzen schnell verschärfen. Weiterhin be- sitzt die Mehrzahl der überschuldeten Berliner harte Überschuldungsmerkmale (55,1 Prozent). Die Überschuldungssituation hat sich vor allem bei den Berliner Männern etwas entspannt. Gegenüber dem Vorjahr (2019: 15,87 Prozent) nahm die Über- schuldungsquote der Männer deutlich ab (- 0,56 Prozentpunkte). Männliche Einwohner Berlins wie- sen demnach im Durchschnitt eine Schuldnerquote von 15,31 Prozent auf. Allerdings sind Berliner Män- ner stärker von Überschuldung betroffen als Frau- en. Die Schuldnerquote der Berliner Frauen sank von 8,77 auf 8,51 Prozent (-0,26 Prozentpunkte). Im Bundesdurchschnitt liegt die Überschuldungsquote der Männer derzeit bei 12,27 Prozent. Zudem gelten bundesweit 7,58 Prozent der erwachsenen Frauen als überschuldet. Der Negativtrend der letzten Jahre setzte sich auch 2020 fort: Unter den älteren Berlinern verschärft sich das Überschuldungsproblem. Die Schuldner- quote der Altersgruppe der 60- bis 69-Jährigen stieg von 10,97 auf 11,15 Prozent. Bei den Senioren ab 70 Jahren war ein Anstieg von 4,48 auf 4,71 Prozent zu verzeichnen. Diese Entwicklung ist mit Sorge zu be- trachten, da sich die Einkommenssituation mit zu- nehmendem Alter eher verschlechtert. In der wirt- schafts- und konsumaktiven Altersgruppe der 40- bis 49-Jährigen war ein leichter Rückgang der Über- schuldungsquote um 0,08 Prozentpunkte festzuhal- ten: Die Schuldnerquote dieser Altersgruppe liegt auch 2020 bei hohen 16,79 Prozent. Kurz: Jeder Sechste weist hier Überschuldungsmerkmale auf. Deutlich rückläufige Schuldnerquoten verzeichnen 28 SchuldnerAtlas Berlin 2020
indes die Altersgruppen der 30- bis 39-Jährigen (- 0,77 Prozentpunkte auf 12,77 Prozent) sowie der 50- bis 59-Jährigen (- 0,45 Prozentpunkte auf 14,46 Prozent). Bei den jungen Erwachsenen unter 30 Jah- ren notiert die Schuldnerquote aktuell bei 6,17 Pro- zent (2019: 6,29 Prozent). SchuldnerAtlas Berlin 2020 29
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