Cultural Traces - Westsächsische Hochschule Zwickau

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Cultural Traces - Westsächsische Hochschule Zwickau
Bachelor-Thesis
Im Studiengang Gestaltung
Studienrichtung Modedesign

Thema:

Cultural Traces
Mode zwischen Transkulturalität und regionale Authentizität.

Vorgelegt von:      Buitrago Vasquez, Maria Salomé
Seminargruppe:      152883
Matrikelnummer:    36556
Eingereicht am:     24.06.2019

ANGEWANDTE KUNST SCHNEEBERG
Fakultät der Westsächsischen Hochschule Zwickau
Eingangsvermerk/Vermerk Prüferinnen / Prüfer
Cultural Traces - Westsächsische Hochschule Zwickau
Inhaltsverzeichnis

1.Einleitung

2. Theoretische Aspekte

   2.1 Kultur allgemein

3. Transkulturalität und regionale Authentizität

   3.1 Das Transkulturalitätskonzept

       3.1.1 Transkulturalität nach Wolfgang Welsch

  3.2 Die Bedeutung von Authentizität

       3.2.1 Regionale Authentizität

4. Kulturelle Spüren

  4.1 Globalisierung und nationale Mode

  4.2 Kulturelle Vielfalt in der Mode

5. Kollektionskonzeption

  5.1 Hintergrund, Idee, Thema

  5.2 Formale Kriterien

6. Zusammenfassung

Abbildungsnachweis

Literaturverzeichnis

Selbstständigkeitserklärung
Cultural Traces - Westsächsische Hochschule Zwickau
Cultural Traces

   1. Einleitung

Mode und Kultur sind Konzepte, die in den letzten Jahren zu einem
Forschungsfeld geworden sind, da sie Objekte der Veränderung sind, die
sich in der kulturellen Identität und dem Alltagsleben wiederspiegeln. Sie
sind immer mehr miteinander verflochten und verleihen sowohl den
Prozessen des Modedesigns als auch unserer Gesellschaft Diversität und
Transkulturalität. Gemeinsam können Mode und Kultur Innovation und
Verbindungen auf internationaler Ebene schaffen, ungeachtet der Rasse,
Herkunft oder Ethnie.

Aus soziokulturellen Forschungen sind Begriffe wie Transkulturalität,
Akkulturation, Multikulturalität oder kultureller Pluralismus entstanden.
Diese definieren ein soziales Profil als Resultat von Migrationsprozessen,
welche auf Grund verschiedener Umstände die Verschmelzung, den Verlust
oder die Erhaltung der kulturellen Identität zur Folge haben.

Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Erforschung kultureller Konzepte und
der kulturellen Transition mittels des Begriffs der Transkulturation sowie der
Faktoren, die die Erhaltung der kulturellen Authentizität erlauben. Erörtert
wird die Auswirkung des Verlusts kultureller Identität, welcher durch
Phänomene wie Globalisierung und Migration entsteht. Im Kontext dieser
Arbeit werden die zuvor genannten kulturellen Phänomene erklärt.
Vorherrschen wird dabei das Konzept der Transkulturation, welches als
eine kulturelle Vermischung betrachtet wird, die von einem Verschwimmen
von Grenzen herrührt. Diese Betrachtung stützt sich auf theoretische
Abhandlungen des Anthropologen Fernando Ortiz und des Philosophen
Wolfgang Welsch.

Transkulturalität ist auch im Bereich des Designs zu finden. Um dies
aufzuzeigen,     werden     in    dieser    Arbeit     vier   Designer    mit
Migrationshintergrund genauer betrachtet. Es soll erforscht werden, ob ihre
Wurzeln eine wichtige Rolle für ihren kreativen Prozess spielen. Ein Teil
dieser Arbeit widmet sich also der Aufgabe, die Existenz kultureller

                                      3
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Merkmale eines Individuums oder einer sozialen Gruppe, die in einer
anderen als ihrer Ursprungskultur eingebettet sind, zu entdecken.

Zum Abschluss der Betrachtung wird der Begriff der Transkulturalität durch
das Designkonzept der Kollektion „Cultural Traces“ veranschaulicht. Dieses
beantwortet die Frage: Wie können zwei Stile vermischt werden, ohne dass
auf den ersten Blick die Spuren des jeweils einzelnen erkennbar sind? Das
Ziel dieser Kollektion ist es, zwei verschiedene Kleidungsstile miteinander
zu verschmelzen. Die Stile enthalten Merkmale von zwei Kulturen, der
Kultur der südamerikanischen Tropen und der Kultur der europäischen
nördlichen Erdhalbkugel.
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Cultural Traces

    2. Theoretische Aspekte
    2.1 Kultur

Es ist schwierig, den Kulturbegriff zu definieren, da es auf Grund der
verschiedenen Wissenschaften, die sich damit beschäftigen, eine große
Vielfalt an Bedeutungen und Standpunkten gibt. Seit dem vergangenen
Jahrhundert und Anfang des aktuellen Jahrhunderts ist der Begriff zu einem
Modewort geworden, das auf viele verschiedene Aspekte der Gesellschaft
und des Alltagslebens verweist.

In der kulturellen Anthropologie wird Kultur definiert als „[…] die vollständige
Gesamtheit, die Wissen, Glauben, Kunst, Moral, Gesetze, Bräuche und
jegliche vom Menschen als Teil der Gesellschaft erworbene Fähigkeiten
und Gewohnheiten umfasst“.1

Der Kulturbegriff ist nicht nur zu einem weltweiten Phänomen im
wissenschaftlichen Bereich geworden, sondern findet auch in der Wirtschaft
und in der politischen Rhetorik Gebrauch. Der Eindruck, dass alles Kultur
ist oder hat, kann nicht vermieden werden. Ein geltendes Kulturkonzept
muss also über die Ästhetisierung des Alltagslebens, des Lebensstils und
der Semiotik der Konsumkultur hinausgehen.2 Folglich “ist Kultur […] die
Gesamtheit der Lebensumstände der Menschen, die diese erzeugen.“3

In diesem Bereich wird Kultur als ein zweideutiges Konzept verstanden:
Einerseits als Gesamtheit von Fähigkeiten, Überzeugungen und Praktiken,
die von einem Teil der Gesellschaft erworben wurden und dieser eine
regionale oder zeitliche Unterscheidung verleihen. Andererseits wird Kultur
als Summe der verschiedenen einzelnen Kulturen, die sich zur gleichen Zeit
und im gleichen Raum entwickelt haben, verstanden.

1Tylor, Burnett. Primitive Culture, researches into the development of mythology,
philosophy, religion, language, art and custom. Band 1. New York. Dover Publications
2016. S. 1
2Vgl hierzu Karmasin, Helene/ Karmasin Matthias. Cultural Theory, Anwendungsfelder in

Kommunikation, Marketing und Management. Wien, Facultas AG 2011. S.22-23
3 Ebd. S.23

                                         5
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3. Transkulturalität und regionaler Authentizität
    3.1 Das Transkulturalitätskonzept

       „Was mich zu mir selbst macht, viel mehr als zu irgendjemand
       anderem, ist die Tatsache, dass ich zwischen zwei Ländern, zwei
       oder drei Sprachen und vielen kulturellen Traditionen schwebe.
       Genau das beschreibt meine Identität“4

Die Definition dieses Konzepts beruht auf der Studie des kubanischen
Anthropologen       Fernando       Ortiz.    Er   verankerte      den     Begriff    der
Transkulturalität in der soziologischen und anthropologischen Terminologie
durch sein Werk „Contrapunteo cubano del tabaco y el azúcar“ (deutsch:
Kuba: Kontrapunkt des Tabaks und des Zuckers) von 1940.

       “…Der Begriff Transkulturation drückt die verschiedenen
       Phasen des Übergangsprozesses von einer Kultur zu anderen
       besser aus, denn es geht nicht nur darum, eine andere Kultur
       zu erlangen, auf was das angelsächsische Wort Acculturarion
       streng genommen verweist, sondern, dass der Prozess auch
       unbedingt den Verlust oder die Entwurzelung einer vorherigen
       Kultur beinhaltet, was als eine partielle Dekulturation
       bezeichnet werden könnte….“5

Für Ortiz war diese Beschreibung des transformativen Prozesses
„wesentlich und grundlegend unerlässlich, um die Geschichte von […] ganz
Amerika im Allgemeinen zu verstehen“.6 Sein Konzept wurde von Bronislaw
Malinowski bestätigt und unterstützt.7 Die Folge des Begriffs ist nicht die
Neigung von einer Kultur zur anderen, sondern er beschreibt den Übergang

4 Maalouf, Amin. In the Name of Identity: Violence and the Need to Belong. Band 1. New
York, Arcade Publishing 2001. S. 1
5 Ortiz, Fernando. Contrapunteo cubano del tabaco y el azúcar. Band 2. La Habana,

Consejo Nacional de Cultura. 1963. S. 96-97
6 Ebd.
7 Malinowski, Bronislaw ist 1884 in Krakov/Polen geboren. Er studierte an der Universität

Krakau und an der London School of Economics. Als Philosoph und Anthropologe
widmete er sich der methodischen Erneuerung auf der Grundlage persönlicher
Erfahrungen mit Feldarbeit und Funktionalismus und gründete die britische
Sozialanthropologie.
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Cultural Traces

zwischen zwei Kulturen, die beide aktiv, gebend und beitragend sind8.
Malinowski bestätigt, dass

       “es ein Prozess ist, bei welchem eine neue, zusammengesetzte und
       komplexe Realität zum Vorschein kommt; eine Realität, die keine
       mechanische Anhäufung von Merkmalen ist, und auch kein Mosaik,
       sondern ein neues, originelles und unabhängiges Phänomen.“9

Als Transkulturalität kann also ein Wandel verstanden werden, die den
Kontaktprozess von zwei oder mehreren Kulturen aufzeigt. Diese
verschmelzen zu einer neuen zusammengesetzten Kultur, in welcher
verschiedene kulturelle Charakteristika verbunden, erhalten, erzeugt
werden oder verloren gehen.10 Der Begriff entwickelte sich zum Großteil als
Ersatz für den Begriff „Akkulturation“, welcher das finale Ergebnis eines
kulturellen Prozesses definiert, in welchem eine Übermittlung kultureller
Inhalte durch den direkten Kontakt zwischen Gruppen und Individuen
stattfindet.11

Dieser Neologismus verbreitete sich Jahrzehnte später in Europa. In den
achtziger Jahren diente er der Theologin Traugott Schöfthaler als
Forschungszweck.       12   In den neunziger Jahren jedoch entwickelte der
deutsche Philosoph Wolfgang Welsch eine zeitgenössische Version des
Begriffs, gefolgt von Publikationen wie „Transkulturelle Gesellschaft“ (2005)
und „Immer nur ein Mensch? Entwürfe zu einer anderen Anthropologie“
(2011).    Seine Auffassung dient noch immer als Forschungsbezug für
andere Autoren, wie zum Beispiel dem Kulturwissenschaftler Arata Takeda
in „Wir sind wie Baumstämme im Schnee. Ein Plädoyer für transkulturelle

8 Vgl. Ebd. Ortiz, Fernando. S. 5
9 Ebd.
10 Vgl. Toprak, Elif/ Kumtepe, Evrim. Supporting Multiculturalism in Open and Distance

Learning Spaces. Hershey, Pennsylvania. IGI Global 2018. S. 114
11 Vgl. Hierzu Subberwal, Ranjana. Dictionary of sociology. New Delhi. Tata McGraw-Hill

Publishing Company Limited 2009. S. A2. “Acculturation: when groups or individuals
come in close and continuous direct contact with each other, either one or both groups
acquire cultural characteristics of the other”.
12 Vgl. Multikulturelle und transkulturelle Erziehung: Zwei Wege zu kosmopolitischen

Kulturellen Identitäten? In: International Review of Education, 30, 1984. S. 20
Nach T. Schöfthaler ist Transkulturalität darauf ausgerichtet, das kulturelle Fremde als
Anderes und Eigenständiges wahrzunehmen.

                                           7
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Erziehung“ (2012). Das zeigt, dass dieses Konzept heute die kohärenteste
Definition zu den zeitgenössischen kulturellen Phänomenen und
Konzepten ist. Welsch‘ These zeigt das Wesen des transkulturellen
Denkens. Deshalb dient sie als Referenz, um den konzeptuellen
theoretischen Rahmen in diesem Kapitel abzuschließen.

     3.1.1 Transkulturalität nach Wolfgang Welsch

       „Heutige Kulturen sind nicht mehr homogen und monolithisch (nicht
       mehr wie Kugeln verfasst), sondern weisen vielfältige
       Durchdringungen        und     Verflechtungen   auf      (haben
       Netzwerkcharakter)“ 13

Die Entwicklung dieses Konzepts nach der These von W. Welsch will die
statische und traditionalistische Vorstellung von Kultur und das Konzept von
Multikulturalität,    Interkulturalität    und     Postkolonialismus        mit    einer
kohärenteren Theorie der heutigen Umstände ersetzen. Diese Umstände
zeichnen sich zum Großteil aus durch kulturelle Mischungen und
Durchdringungen.

Welsch zeigt einen Kontrast zum traditionellen Herderschen Kulturbegriff
auf. Letzterer versteht Kultur als homogene Kugeln. Das heißt, dass
Kulturen nicht von anderen beeinflusst werden, sondern klar vorgezeichnet
sind. Laut Welsch‘ Theorie zeichnen sich die aktuellen Kulturen durch
Pluralisierung, Verflechtung und Interkonnektivität ihrer Identitäten aus.14

Er führt seine Kritik am klassischen Kulturverständnis insofern weiter, als er
auf die Konzepte der Multikulturalität und Interkulturalität als falsche
Grundlagen       verweist.     Unter      Multikulturalität    versteht     man      das

13 Welsch, Wolfgang. Institut für Philosophie, Friedrich-Schiller-Universität Jena. Aus:
https://www.ifp.unijena.de/Webseiten+der+Mitarbeiter/Welsch_+Wolfgang+Prof_+em_+D
r_.html (21.03.2019, 16:06)
14 Vgl. Welsch, Wolfgang. Transkulturalität, die veränderte Verfassung heutiger Kulturen.

In: Via Regia, Heft 20, 1994. S. 1- 4 Aus: < https://www.via-
regia.org/bibliothek/pdf/heft20/welsch_transkulti.pdf> (29.03.2019, 15:33)
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Nebeneinander         verschiedener        Kulturen     im     gleichen     physischen,
geographischen und sozialen Raum. Die Kulturen sind dabei homogen,
individuell und klar definiert und es gibt keinen Einfluss oder kulturellen
Austausch. Interkulturalität hingegen ist das Ergebnis aus dem Bruch der
Homogenität der Kulturen, wodurch Austauschbeziehungen und eine
gleichberechtigte Kommunikation zwischen kulturellen Gruppen erreicht
wird. Jede Gruppe behält dabei ihre kulturellen Merkmale. (Anhang 1)

Obwohl diese beiden Konzepte ähnlich sind, weist Welsch darauf hin, dass
beide Begriffe aus normativer Sicht verworfen werden sollten. Sie lassen
kein gegenseitiges Verständnis oder die Überwindung von Hindernissen zu.
Er fügt hinzu, dass Kulturen nicht als homogen und getrennt angesehen
werden sollten.         Auf diese Weise entwickelt er das Konzept der
Transkulturalität, welches über traditionelle Kulturgrenzen hinausgeht15 und
ergänzt:

        „Kulturen sind intern durch eine Pluralisierung möglicher Identitäten
        gekennzeichnet und weisen extern grenzüberschreitende Konturen
        auf. Sie haben eine neuartige Form angenommen, die durch die
        klassischen Kulturgrenzen wie selbstverständlich hindurchgeht. Das
        Konzept der Transkulturalität benennt diese veränderte Verfassung
        der Kulturen und versucht daraus die notwendigen konzeptionellen
        und normativen Konsequenzen zu ziehen.”16

Aus seiner Sicht spiegelt sich das Wesen der Transkulturalität nicht nur auf
„globaler“ makrosozialer Ebene, sondern auch auf mikroindividueller Ebene
wider. Das bedeutet, dass die Philosophie des Konzepts nicht nur in
verschiedenen Kulturen innerhalb einer Gesellschaft vorhanden ist,
sondern, dass jedes Individuum ein transkulturelles Denken und Verhalten
in sich hat.17 Dies ist auf den Einfluss von kulturellen Mustern
zurückzuführen, die durch den kommunikativen Austausch, durch Internet
und den internationalen Handel entstehen. Die Individuen verknüpfen sich

15 Vgl. Ebd. Zitiert nach Toprak, Elif/ Kumtepe, Evrim. 2018. S.113
16 Welsch, Wolfgang. Transkulturalität. In: Institut für Auslandsbeziehungen: Migration
und Kultureller Wandel 45. Stuttgart 1995
17 Vgl. Welsch, Wolfgang. Immer nur der Mensch? Entwürfe zu einer anderen

Anthropologie. Berlin, Akademie Verlag 2011. S. 298

                                            9
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weltweit dank der zuvor genannten Faktoren und der modernen
Mobilitätsmöglichkeiten, die den Anstieg von Migrationsbewegungen
begünstigen. Letzteres Phänomen erzeugt „transnationale“ soziale Räume
und einen kulturellen Austausch auf persönlicher, regionaler und
internationaler Ebene.18

Die zuvor beschriebenen Phänomene zu Gunsten von Welsch‘ Theorie
sorgen auch dafür, dass diese immer mehr Zustimmung findet. Dennoch
zeigen die aktuellen Diskurse weiterhin, wie sehr die klassischen
Kulturkonzepte noch immer in den Köpfen der Menschen verankert sind.19
Das menschliche Verhalten ist geprägt von dem Erlernten und den
Grundprinzipien, mit denen die Welt verständlich wird. Deshalb ist es
schwierig, eine Neubedeutung von Kultur zu akzeptieren. Welsch
argumentiert auf Grundlage dessen, dass sein Konzept zum Teil auf einer
Utopie beruht und fügt hinzu:

        „Sagt man uns - wie der alte Kulturbegriff es tat -, daß Kultur eine
       Homogenitätsveranstaltung sein solle, so werden wir uns
       entsprechend verhalten und die gebotenen Zwänge und
       Ausschlüsse praktizieren. […] Sagt man uns hingegen, daß Kultur
       eine integrative Aufgabe darstelle, die auch Fremdes einbeziehen
       und transkulturellen Komponenten gerecht werden müsse, dann
       werden wir diese Aufgabe in Angriff nehmen. Dann wird Integration
       zur realen Struktur unserer Kultur werden. In diesem Sinn ist die
       `Realität' von Kultur immer auch eine Folge unserer Konzepte von
       Kultur.“ 20

Seine Theorie ist fortschrittlich und fordert die aktive Entwicklung für ein
besseres Verständnis in den nächsten Generationen. Heute muss seine
These als ein Konzept der Transition verstanden werden, welches sich nicht
auf geographische, sprachliche oder nationale Grenzen, sondern auf
Prozesse des kulturellen Austausches stützt. Dies führt zu einem Netzwerk,
in   welchem     Unterschiede nicht        verschwinden,     sondern die
Verständnismöglichkeiten größer sind. Es wird ein Medium geboten, um die

18 Vgl. Transkulturalität: Interkulturell vs. Transkulturell. IKUD® Seminare 2011. Unter:
 < https://www.ikud-seminare.de/veroeffentlichungen/transkulturalitaet.html> (31.03.2019,
15:38)
19 Vgl. Ebd.
20 Ebd. Welsch, Wolfgang. 1994. S. 17 (31.03.2019, 15:28)
Cultural Traces

Mischungen und Lebensformen der Immigranten und Ortsansässigen in
demselben geteilten Raum zu verstehen.21
Welsch‘ und Ortiz‘ Theorien passen zusammen. Im Gegensatz zu Ortiz, der
sich auf das Verstehen der Mischung von Wurzeln in der Vergangenheit
konzentrierte, erforscht Welsch die aktuellen Formen der soziokulturellen
Hybridität und die Zukunftsvorstellungen über kulturelle Veränderungen. Er
stützt sich auf die These, dass weder die gegenwärtigen noch die
vergangenen Kulturen mit Ideen und Konzepten, die traditionelle Theorien
beinhalten, definiert oder verstanden werden dürfen.22 Deshalb wird davon
ausgegangen, dass sowohl Multikulturalität als auch Interkulturalität damit
abgedeckt werden.23 Er liefert eine Definition für das zeitgenössische
Kulturverständnis. Kurz gesagt stellt dieser Begriff eine Situation der
Verflechtung und Überschneidung dar und fördert Austausch und
Interaktion.

21 Vgl. Ebd. IKUD® Seminare 2011. Unter: https://www.ikud-
seminare.de/veroeffentlichungen/transkulturalitaet.html> (31.03.2019, 16:48)
22 Vgl. Ebd. Gippert, Wolfgang/ Götte, Petra/ Kleinau, Elke. Transkulturalität Gender- und

bildungshistorische Perspektiven. Bielefeld, Transcript Verlag 2008. S. 10
23 Vgl. Ebd. Toprak, Elif/ Kumtepe, Evrim. 2018. S. 114

                                            11
3.2 Die Bedeutung von Authentizität

Es ist schwierig, den Begriff „Authentizität“ zu behandeln, da es keine klare
Definition gibt, weder aus historischer noch aus zeitgenössischer Sicht.24

Im Laufe der Geschichte wurde der Terminus in verschiedenen Bereichen
genutzt, und diese haben seiner Bedeutung verschiedene Facetten
verliehen.      Das      Wort      ist   entweder        auf    das      griechische       Wort
“αὐθεντικός” zurückzuführen, das so viel bedeutet wie „echt“ oder auf das
spätlateinische        Wort      „authenticus“,       was      so     viel    bedeutet       wie
„vertrauenswürdig“ oder „korrekt“.25 Der Terminus Authentizität wird
wesentlich als Adjektiv verstanden, dass Richtigkeit, Wahrheit und Echtheit
bedeutet.26

In    den       Kulturwissenschaften            werden         diesem        Konzept        zwei
Bedeutungsfacetten verliehen, die als „materielle Authentizität“ und
„persönliche Authentizität“ bezeichnet werden. Die Etymologie von
„materielle Authentizität“ liegt in dem griechischen Wort „authentes“, was
Autor und Exporteur bedeutet. Dieser verleiht einem neuen Produkt oder
einer Kreation ein einzigartiges Merkmal. Bei der persönlichen Authentizität
geht es um die Glaubwürdigkeit und Kohärenz zwischen dem, was eine
Person äußerlich darstellt und ausdrückt, und ihrer Fähigkeit ehrlich,
wahrheitsliebend27 und ihren Ideologien und Traditionen treu zu sein.

In diesem Kontext muss die materielle Authentizität deskriptiv verstanden
werden und die persönliche Authentizität als ein normatives Konzept.
Dieser Begriff zeigt sich als eine Eigenschaft von jemandem oder etwas, die
mit dem Ausdruck „ich“ oder „dies“ als einzige Wahrheit assoziiert wird.

24 Barck, Karlheinz u.a (Hg.) Ästhetische Grundbegriffe. Historisches Wörterbuch in sieben Bänden;
In „Authentisch/Authentizität“, Knaller Susanne. Band 7. Stuttgart, Verlag J.B Metzler 2005. S. 40
25 Vgl. Ebd. S. 40-41
26 Vgl. Knaller, Susanne/ Müller, Harro. Authentizität: Diskussion eines ästhetischen Begriffs.

München, Fink, 2006. S. 11
27 Vgl. Rössner, Michael/ Uhl, Heidemarie (Hg.). Renaissance der Authentizität? Über die neue

Sehnsucht nach dem Ursprünglichen. Bielefeld, transcript Verlag 2012. S. 16
Cultural Traces

Trotzdem scheint es einen zusätzlichen Wert zum Wahren und Echten zu
geben, der nicht gänzlich geklärt ist. Das Authentische kann mittels der
visuellen und kommunikativen Sprache festgestellt und bestätigt werden.

So wird verständlich, dass das, was jemandem oder etwas Authentizität
verleiht, nicht unbedingt von der physischen Materie abhängt, sondern auch
von konzeptuellen und persönlichen Eigenschaften. Mit der kulturellen
Anthropologie als Grundlage und Beispiel wird gezeigt, dass diejenigen
Faktoren, die einer Kultur Authentizität verleihen, mit der Erhaltung der
ursprünglichen und der immateriellen Materie in Verbindung stehen. Unter
ursprünglicher Materie versteht man die sichtbaren und tastbaren
Eigenschaften eines Ortes mit kulturellem Wert; unter immaterieller Materie
versteht man die handwerklichen Techniken und Traditionen und die Werte
der lebendigen Kulturen, die von Personen übertragen werden.28

Es ist trotzdem schwierig, das Wesen der authentischen Kultur zu
identifizieren. Im Gesamten betrachtet gibt es in einer Kultur Unterschiede
zwischen Regionen und auch Bewohnern desselben geographischen
Ortes. Das ist auf die verschiedenen Wurzeln, Ethnien, Sprachen und
Traditionen, aus denen sie sich zusammensetzt, zurückzuführen.29 Deshalb
ist es angebrachter, einer Beschreibung der regionalen Authentizität Platz
zu machen. Hier wird als Fokus eine Region oder eine kulturelle Gruppe
ausgewählt, welche sowohl materielle als auch immaterielle oder
persönliche Eigenschaften hat, die ihr, Authentizität verleihen. Das
bedeutet: es gibt Bräuche, Traditionen, Ursprünge und sogar Sprachen, die
anders sind als ihre Umgebung. So ist es bei dem Volk der Gemeinde San
Basilio de Palenque in Kolumbien.

28 Vgl. Garcia, Pilar. El patrimonio cultural. Conceptos básicos. Zaragoza, Prensas Universitarias,
2011. S. 83-86
29 Vgl. Guadarrama, Pablo: Humanismo y autenticidad cultural en el pensamiento latinoamericano,

in: Anales del Seminario de Historia de la Filosofía. Band 21, 2004, S. 177

                                                13
Abb. 1

Abb. 2
Cultural Traces

     3.2.1 Regionale Authentizität - San Basilio de Palenque

Das Volk der San Basilio de Palenque wurde für diesen Teil der Arbeit auf
Grund      des     persönlichen        Interesses       am     Herkunftsland         Kolumbien
ausgewählt. Es ist Teil der Inspiration und des Designkonzepts der
Kollektion „Cultural Traces“, bei der auf die typischen bunten Trachten des
Palenque-Volks Bezug genommen wird.(Abb.1) Des Weiteren sind die
kulturellen Eigenschaften der Palenque, welche in einer Region leben, die
anders ist als die ihrer ursprünglichen Herkunft, weltweit einzigartig.
„„Palenque de San Basilio“ ist eine von geflüchteten Sklaven gegründete
Gemeinde. Die Sklaven flüchteten ab dem 15. Jahrhundert in die
sogenannten “Palenques”30 der Nordküste Kolumbiens.“31

Dieser kulturelle und historische Raum diente als Forschungsobjekt für
Historiker, Linguisten, Anthropologen und Literaturwissenschaftler im
Bereich der afrokolumbianischen Studien. San Basilio de Palenque hat ein
afrikanisches        Erbe     beibehalten,        welches        sich    in    den      sozialen,
medizinischen und religiösen Praktiken, aber auch in den mündlichen und
musikalischen Traditionen manifestiert, von denen viele afrikanische Musik
ist in Palenque de San Basilio im Alltag immer präsent, von Beerdigungen
bis hin zu Freizeit- und Vergnügungsaktivitäten. Seit etwas mehr als 30
Jahren wird jedes Jahr das Festival de Tambores (Trommler- und
Kulturfestival) von Palenque gefeiert. (Abb. 2)32 Das Ziel des Festivals ist
es, die Anerkennung und Verbreitung der ethnischen und kulturellen Werte
des Palenque-Volks zu fördern.

30 Der Begriff “Palenque” bezeichnet die von afrikanischen Sklaven, die in der Kolonialzeit der
Sklavenherrschaft entflohen, „bevölkerten Zonen“.
31 Guerrero, Clara et al. Meisterwerk des immateriellen Weltkulturerbes. Bogotá, Ministerio de

cultura, Instituto Colombiano de antropología e historia 2002. S. 11
32 Das Festival de Tambores verfestigt die Kultur der afrokolumbianischen Kultur von Palenque.

2016, In:  (24.04.2019, 13:32)

                                                15
Abb. 3   Abb. 4
Cultural Traces

Dabei dreht sich alles darum, die Spiritualität der Afrokolumbianer, die
Sprache von Palenque (Palenquero), die traditionelle Medizin, die
Gastronomie, die ursprünglich afrikanischen Tänze (Abb. 3) und die Musik
zu feiern und kennenzulernen. Dies geschieht durch künstlerische,
gastronomische und kulturelle Darstellungen, wie z.B. das Todesritual
„Lumbalú“. (Abb. 4)

Hervorzuheben ist außerdem, dass ein wesentliches Element dieses
kulturellen Raums das „Palenquero“ ist. Sie ist die einzige Kreolsprache
Amerikas, in welcher lexikalische Grundlagen des Spanischen mit
grammatikalischen Charakteristika afrikanischer Bantusprachen kombiniert
werden.33 Die in der Geschichte, Bildung, Kultur und Sprache einzigartigen
Merkmale verleihen diesem Raum kulturelle und regionale Authentizität. Es
wurden Aktivitäten zu Gunsten von Erhaltung, Bewahrung und Schutz der
verschiedenen Ausdrucksweisen entwickelt. Sie sind Grundlage der
Identität und Kultur der Bewohner Palenques und wurden aus diesem
Grund zum immateriellen UNESCO-Weltkulturerbe erklärt.34

Abschließend kann gesagt: Das, was jemandem oder etwas Authentizität
verleiht, beruht auf materiellen und immateriellen Merkmalen, die die
Authentizität repräsentieren. Die regionale Authentizität ist möglich dank
der traditionellen Praktiken und Merkmale eines Orts oder einer
Personengruppe, die für die Erhaltung dieser einzigartigen kulturellen
Eigenschaften jeder Region über Jahre hinweg kämpfen.

33Vgl. Ebd. Guerrero, Clara et al. 2002. S. 53 - 57
34Vgl. El espacio cultural de palenque de San Basilio, in: la Lista Representativa del Patrimonio
Cultural Inmaterial de la Humanidad. Colombia 2008. < https://ich.unesco.org/es/RL/el-espacio-
cultural-de-palenque-de-san-basilio-00102> (28. März 2019, 00:41)

                                                 17
4. Kulturelle Spuren
     4.1 Globalisierung und nationale Mode

Der Begriff Globalisierung bezieht sich auf ein weltweites Phänomen, das
in der wachsenden Kommunikation, Interdependenz und wirtschaftlichen
und sozialen Beziehung zwischen den verschiedenen Ländern der Welt
besteht. Dieses Konzept wird oft mit der Neustrukturierung des kapitalen
Finanzsystems in der Welt während der 80er Jahre assoziiert. Es gab
sicherlich     weitreichende         Veränderungen,           die    in    diesem          Zeitraum
geschehen sind und in einem Verschwimmen der wirtschaftlichen und
kulturellen Grenzen endeten.35 Aber es gibt viele weitere Bereiche, die in
diese Konzeptualisierung des Begriffs miteinbegriffen sind, sowie zum
Beispiel     der     politische,     technologische,         soziale,     unternehmerische,
wirtschaftliche       und      kulturelle      Bereich.      Dies      führt     zu        sozialen,
wirtschaftlichen und politischen Veränderungen auf internationaler Ebene.

Da die Globalisierung in so vielen verschiedenen Bereichen präsent ist, ist
es    schwierig,      eine     exakte       Definition     dieses      Begriffs       zu    geben.
Normalerweise variiert die Erklärung je nach dem Bereich, in welchem sie
erforscht wird. Aus allgemeiner Sicht kann gesagt werden, dass sich
Globalisierung auf die Verringerung und Beseitigung von Einschränkungen
im globalen Produktionssystem, der Vermarktung und dem freiwilligen
Austausch, bezieht. Diese Einschränkungen werden vom Staat durch
Grenzen auferlegt.36

Im kulturellen Kontext wird dieses Konzept als dynamischer Prozess der
Verknüpfung und Angleichung der Kulturen verstanden und schließt dabei
die Verbreitung und den Gebrauch ihrer kulturellen Praktiken ein.37 Auf
Grund      der     technologischen          Entwicklung        in   den     Kommunikations-
netzwerken, dem freien Handel und der erleichterten Migration, die dieses

35 Vgl. Kaiser. Susan. Fashion and Cultural Studies. Berg editorial. New York 2012. S. 57
36 Vgl. Palmer. Tom. Globalizacion y cultura: Homogeneidad, diversidad, identidad, libertad.
Washington, DC 2006. In:
Cultural Traces

weltweite Phänomen anregen, wird eine Tendenz zur Entstehung einer
homogenen und gemeinsamen Kultur in der Welt erzeugt. Trotz allem ist
die Globalisierung in diesem Bereich sowohl mit Vorteilen als auch mit
Risiken verknüpft. Viele Studien bestätigen, dass dieses Phänomen die
kulturelle     Authentizität       und      Reinheit       beschädigt.38        Die     etablierten
Traditionen, Märkte und Werte jedes Landes und jeder Region verlieren auf
Grund der Interaktion mit der neuen Weltordnung an Bedeutung. Die
Standards der traditionellen Identität lösen sich auf, da wir ständig auf unser
wechselndes Umfeld reagieren und uns daran anpassen, indem wir unsere
eigenen Vorstellungen von Identität neu erschaffen.

Aus einer anderen Perspektive führt uns die Globalisierung in eine Welt, in
der die Menschen mehr Diversität erleben. Dies geschieht dank dem
Kommen und Gehen von Informationen und dem Austausch von Gütern
und Diensten, die das Kennenlernen verschiedener bestehender Kulturen
möglich machen. Diese erleichterte Annäherung und Verbreitung haben
eine globalisierte Kultur geformt, in welcher jedes Individuum eine
Vorstellung der kulturellen Unterschiede, aus welchen die globalisierte
Kultur besteht, hat. Die Anerkennung dieser kulturellen Vielfalt erlaubt es,
sich als Bürger mit einer eigenen kulturellen Identität, die zur globalen Kultur
gehört, zu identifizieren.39

Durch die Globalisierung konnte es im Bereich der Mode gelingen, dass die
Mode jedes Individuum erreicht. Der Modehistoriker Christopher Breward
beschreibt globale zeitgenössische Mode […] als “a kind of contemporary
esperanto [a universal language], immediately accesible across social and
geographical boundaries”.40Aber ist dieses Phänomen positiv für die Mode?
Bietet es eine Möglichkeit für einen interkulturellen Austausch von Ideen
und Verständnis? Oder führt es zur Beschädigung der Kreativität der
Kulturen und der lokalen Traditionen?

38 Vgl. Ebd. Palmer. Tom. In: https://www.elcato.org/globalizacion-y-cultura-homogeneidad-
diversidad-identidad-libertad#_ednref12 (14.April.2019, 11:13)
39 Vgl.Ebd. Globalizacion cultural. In:  (14.

April.2019, 13:48)
40 Ebd. Kaiser. Susan. S. 57

                                                 19
Einige große internationale Marken haben dieses Phänomen zum Vorteil
ihrer Wirtschafts- und Produktionsmaßnahmen genutzt. Das bedeutet, dass
sie in weniger entwickelten Ländern zu geringerem Preis produzieren, mit
dem Ziel, den korporativen Umsatz und Gewinn zu maximieren. Doch kann
es auf dieser transnationalen Produktionsebene noch Raum für nationale
Mode geben? Die Kulturanthropologin und Modetheoretikerin Simona
Segre Reinach weist im Kontext der „Made in Italy“-Mode darauf hin, dass
es nötig ist, die Mode mit der nationalen Geschichte in Zusammenhang zu
bringen, um dieser eine Bedeutung zu verleihen. Themen wie z.B. die
römische Geschichte, das italienische Kino, Garibaldi, La Dolce Vita, die
italienische Renaissance, kommen einem in den Sinn, wenn die Wörter
„Italien“, „Kreativität“ und „Mode“ im gleichen Kontext genannt werden.41 Es
ist dennoch erforderlich, zwischen “Made in Italy”, “Italian Pret-à-Porter“ und
der neuen italienischen Mode zu unterscheiden, welche sich je nach Bezug
auf die wechselnden sozio-kulturellen Merkmale am globalen Markt
orientiert.

Ironischerweise bewegt sich Italien zwischen zwei entgegengesetzten
Punkten hin und her: Der Logik der „Fast Fashion“ und der „Low Fashion“
oder nationaler Mode, die mit handwerklicher Kreativität assoziiert wird. Die
italienische Mode wird angeführt von Luxusmarken, die durch die kreative
Exzellenz Italiens im Vorteil sind, aber in China produzieren lassen. Dies
birgt das Risiko, dass die hohe Qualität der Produktion, für die Italien lange
Zeit sehr anerkannt war, an Wert verliert.42

        “Fatto in Italia, also, “Made in Italy” gewinnt wieder an Bedeutung.
        Allerdings gilt dies nicht so sehr für Italien (oder vielleicht nicht für
        junge italienische Designer), als für die anführenden
        Luxusfirmen.43(…) Made in Italy wird von einer Betonung auf den
        Regionalismus innerhalb Italiens ersetzt (…) zwischen “einer
        allgemeinen Kunsthandwerkfähigkeit” und “einem bestimmten

41 Vgl. Ebd. Kaiser. Susan. S. 59
42 Vgl. Reinach, Simona Segre. Italian Fashion: The Metamorphosis of a Cultural Industry.
Made in Italy: Re-Thinking a Century of Italian Design, edited by Grace Lees-Maffei and Kjetil
Fallan, 2014, S. 239-254.
43 Ebd. S. 246-247
Cultural Traces

Abb. 5

 21
exzellenten Know-How, das mit verschiedenen Kontexten und
        Nutzungsweisen verbunden ist.”44 (Übersetzung)
        “Fatto in Italia, literally, “Made in Italy” is again becoming a value, but
        not so much for Italy (or perhaps, not for young Italian creators) as
        for the leading luxury firms. (…) Made in Italy is being replaced by an
        emphasis on regionalism within Italy (…) between ‘a generic
        craftwork ability’ and ‘a specific excellence know-how linked to
        diverse contexts and types of goods’”.

In einem weiteren Kontext kann aus regionaler Sicht gesagt werden, dass
einige Kulturen Opfer der Globalisierung sind und langsam ihre Traditionen
ablegen müssen, zum Beispiel das Tragen typischer Kleidung und die
Nutzung typischer Techniken. Aber ist das wirklich so? Es gibt viele Marken,
die traditionelle oder kulturelle Techniken und Stile nutzen, um größere
kommerzielle Bewegungen hinsichtlich eines einzigartigen kulturellen
Werts zu erzeugen oder auch um touristisches Interesse zu erzeugen. Aber
das Phänomen der Globalisierung ist so vielfältig, dass es nicht als gänzlich
negativ oder positiv aufgefasst werden kann. Zum Beispiel vermarkten die
Frauen der Maya-Kultur in Mexiko (Abb.5) ihre handwerklichen Techniken
und die Verarbeitung von Stoffen auf nationaler und internationaler Ebene.
Man könnte meinen, sie wären Opfer der Globalisierung. Doch sie sagen,
dass die Annäherung an den weltweiten Markt nicht zum Verlust ihrer
Traditionen geführt hat. Im Gegenteil, sie haben die Gelegenheit
bekommen, ihre finanzielle Situation zu verbessern und einen Teil ihrer
Kultur bekannt zu machen. Früher trugen die Mayas ihre typische Kleidung
täglich. Heutzutage tragen sie diese zu besonderen Anlässen, wie zum
Beispiel Taufen oder Hochzeiten. Das liegt daran, dass ihre Arbeit immer
wertvoller wird und sie es vorziehen, in einer Welt, in der alles gleich
erscheint, die nationale Mode zu fördern, indem sie einen Teil ihrer Kultur
mit Touristen oder mexikanischen Designern teilen.45

44 Chiara Colombi, Made in what Italia? In Segre Reinach, La cultura della moda italiana, special
issue, zone Moda journal 2, 2011 – S. 56-59.
45 Vgl. Ebd. Palmer, Tom. In: https://www.elcato.org/globalizacion-y-cultura-homogeneidad-

diversidad-identidad-libertad#_ednref12 (14.04.2019, 16:17)
Cultural Traces

 Abb. 6

23
Umso mehr Anerkennung die Techniken erfahren, umso mehr Wert wird der
traditionellen Kleidung der Indigenen außerdem verliehen. Durch die
Designer wird die Kleidung in Bezug auf das kreative Design und die
Innovation „wiederbelebt“ und kann so in die weltweite Mode integriert
werden. (Abb. 6)46.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass sich auf Grund der
verschiedenen weltweiten Phänomene die einzelnen Kulturen verändern.
Es sind diese Veränderungen, die diese sie selbst sein lassen und dazu
führen, dass die Kulturen sich von anderen unterscheiden können, ohne
dabei außer Acht zu lassen, dass es globale Unterschiede gibt. Dies führt
im Modebereich zur Entstehung einer globalen Mode, die allen Arten von
Nutzern zugänglich ist. Es wird aber auch die Renaissance der nationalen
Mode vorangebracht, etwa durch verschiedene Mode-Events, die sich den
letzten Jahren in Städten, die keine Mode-Metropolen sind, z.B. Berlin, Sao
Paulo, Shanghai, Barcelona, Mexiko-Stadt etabliert haben. Auf diesen
Veranstaltungen können nationale Designer und Talente Bekanntheit
erlangen. In diesem Sinne ist es am besten, die Globalisierung durch die
interkulturelle und transnationale Interaktion zu verstehen und zu
akzeptieren. Das bringt positive und negative Aspekte mit sich. Negativ ist
zum Beispiel die Vermarktung der „Fast Fashion“, die in Entwicklungs-
ländern produziert wird, durch anerkannte Marken auf globaler Ebene. Das
bedeutet, dass sie sich auf eine sehr billige Produktionsmethodologie
stützen und somit zu negativen Arbeits-bedingungen beitragen. Auf der
anderen Seite bietet dieser globale Charakter der nationalen Mode
Möglichkeiten, um sich langsam auf dem Weltmarkt bekannt zu machen.
So kann diese nicht nur national, sondern auch international zugänglich
gemacht und geschätzt werden.

46Abb.  6. Cavalera. Frida Khalo Collection. Sao Paulo Fashion Week. 2011
https://www.pinterest.de/pin/441634307206569688/
Cultural Traces

Abb. 7              Abb. 8   Abb. 9

         25
4.2 Kulturelle Vielfalt in der Mode

     „Viele Menschen nehmen das Fremde als Bedrohung wahr. Eine
     differenzierte Betrachtung von Fremdheit birgt jedoch Chancen zur
     Weiterentwicklung. (…) Das Fremde als Diversität und Transkulturalität
     bereichert die Mode und damit die Gesellschaft“ 47
     “Many people perceive the foreign as a threat. But a more complex
     perspective of foreignness presents an opportunity for development.
     (…) The foreign in the form of diversity and transculturalism enriches
     fashion and thereby our society”

Heutzutage findet sich kulturelle Diversität weltweit in vielen Bereichen
wieder. Dieses Konzept steht in Verbindung mit zuvor erwähnten
Konzepten von Interkulturalität und Multikulturalität. Man spricht von
Diversität, wenn es Kontakt, Austausch, Akzeptanz und die Wahrnehmung
von kulturellen Eigenschaften zwischen verschiedenen Kulturen gibt. Diese
Merkmale bereichern das kulturelle Kapital eines Landes oder einer Region
z.B. durch den Austausch von Sprachen, Ethnien, Religionen, Kunst,
Werten und gastronomischen Traditionen. Diversität ist dank verschiedener
sozialer, wirtschaftlicher und politischer Prozesse möglich. Phänomene wie
die Globalisierung, die industrielle und technologische Entwicklung haben
die Migration gefördert und diese wiederum hat den kulturellen Austausch48,
die Entwicklung und den sozialen Wandel erleichtert.

In der Modewelt geht Diversität Hand in Hand mit Migration. Zusammen
reflektieren, verbinden und erzeugen sie international Innovation und
Akzeptanz. Sie übermitteln Geschichten und dienen als Ausdrucksmittel,
ohne dabei Rasse, Herkunft oder Geschlecht zu beachten. In der
Geschichte der Mode gab es zahlreiche erfolgreiche Immigranten, wie zum
Beispiel Oscar de la Renta (Dominikanische Republik), (Abb. 7), Prabal
Gurung (Nepal), (Abb. 8), Carolina Herrera (Venezuela) (Abb. 9) oder das

47 Vgl. Blumhardt, Olga/ Drinkuth, Antje. TRACES, Fashion and Migration. Fashion is Code. Berlin.
Distanz Verlag. S. 7
48 Vgl.Ebd. In: < https://www.significados.com/diversidad-cultural/ > (18.April.2019, 12:03)
Cultural Traces

                  Abb.10

27
britische Label JIGSAW, welches in der Herbst/Winter-Kampagne
        2017 die Immigration in den Fokus stellt.
        “Als Modelabel könnten wir nicht tun, was wir tun, wenn sich die
        Menschen nicht frei bewegen dürften. Ohne Immigration würden wir
        Kartoffelsäcke verkaufen. Wir brauchen Schöngeister aus der
        ganzen Welt. Angst, Isolation und Intoleranz werden uns
        zurückhalten. Liebe, Offenheit und Zusammenarbeit werden uns
        nach vorn bringen.”49 (Abb. 10) (Übersetzung)
        “As a clothing brand we couldn´t do what we do if people were not
        free to move around. Without immigration, we´d be selling potato
        sacks. We need beautiful minds from around the world. fear, isolation
        and intolerance will hold us back. love, openness and collaboration
        will take us forward.”

Außerdem muss hervorgehoben werden, dass die kulturelle Diversität, die
wir heute erleben, wie bereits zuvor genannt, sowohl positive als auch
negative Aspekte mit sich bringt. Im Bereich des Designs kann die
vereinfachte Bewegung und kulturelle Annäherung, die es heute gibt, dazu
führen, dass die transnationale und kulturelle Erfahrung ihren Wert verliert.
Das bedeutet, dass es Fälle gibt, in denen kulturelle Aspekte wie z.B. Stil,
Ethnien, Traditionen, Techniken und einzigartige Merkmale eines
bestimmten Ortes als Inspiration von Designer genommen werden. Dies
betrifft dann also die Authentizität des Orts und der Kultur auf Grund eines
oberflächlichen Designs in den Händen von Designern und Marken, welche
meinen, sich durch eine Reise genug inspiriert haben zu lassen.

Zur Ergänzung dieses Kapitels werden vier Designer mit Migrations-
hintergrund genauer betrachtet, um zu analysieren, ob sich ihre Wurzeln in
ihren Designprozessen wiederspiegeln und sie der Modewelt so Diversität
verleihen. Es soll hervorgehoben werden, dass sich Migrationshintergründe
nicht immer in den kreativen Prozessen der Designer wiederspiegeln und
dass es viele Variablen gibt, bei welchen dieser Aspekt keine Rolle spielt.

49Vgl. Featherstone, Emma. In:  (01.05.19 / 22:26)
Cultural Traces

 Abb.12

29
“Wer Mode macht, wer Mode inszeniert, ist Geschichtenerzähler.
        Mode transportiert narrative, die ein bestimmtes […] Bild verstärken
        - oder es brechen.” 50

                                        Bobby Kolade

                                        Sein Leben ist geprägt von kulturellen
                                        Erfahrungen, welche seine Art und Weise
                                        zu designen nachvollziehbar machen. Er
                                        wurde im Sudan geboren und wuchs in
                                        Uganda. Seit 2005 lebt und arbeitet er in
                                        Berlin, wo er auch studierte. Jedes Land,
                                        das Teil seiner Vergangenheit ist, hat sein
               Abb.10
               Abb 11
                                        Design beeinflusst, und zwar nicht nur in
Bezug auf seine Herkunft, sondern auch auf seine kulturellen Erfahrungen.
Jedes Land, jede Stadt seiner Vergangenheit wird zu dem Teil eines
Puzzles, aus dem sich seine Identität zusammensetzt. Die besten Ideen
bekommt er durch die genaue Betrachtung der Umgebung, „Mode ist eine
Reaktion auf das, was man bei den Menschen in seinem Umfeld
beobachtet. (…) In Berlin, in Lagos, egal wo, die Menschen haben überall
einen ganz eigenen Umgang mit Bekleidung“. 51 Seine Arbeit stützt sich auf
die Suche nach Wechselbeziehungen zwischen verschiedenen kulturellen
Hinterlassenschaften,          Ethnien      und     sozialen      Konformitäten.       Seine
Kollektionen sind eklektisch, komplex und üppig. Kolade hält es für ein
Geschenk, zwischen Ländern, Sprachen und Kulturen zu leben. Diese
Erfahrungen und Erinnerungen der verschiedenen Kulturen sind für ihn
Inspirationsquelle und ermöglichen ihm den Zugang zu einer Bandbreite an
Themen, Personen und Farben.52 “Diversität ist elementar in der
Gestaltung. Wenn man also selber einen diversen, einen bunten
Hintergrund hat, ist das ein erheblicher Vorteil” (Abb.12,13,14,15,16)53

50 Ebd. Blumhardt, Olga / Drinkuth, Anje. S. 27
51 Ebd. Blumhardt, Olga / Drinkuth, Anje: Almeida Manuel, Mode und Migration. S. 121
52 Vgl. Ebd.
53 Abb. 12-16. http://bobbykolade.com/summer-15_lookbook (17.06.19. 9:18)
Cultural Traces

31
Abb.13-16
Cultural Traces

 Abb.18

33
Lala Berlin

                                          Hinter dem Label Lala Berlin steckt der
                                          kreative, geniale Geist der Kollektionen von
                                          Leyla Piedayesh. Sie wurde in Teheran
                                          geboren und migrierte mit neun Jahren mit
                                          ihren Eltern auf Grund politischer Probleme
                                          nach Deutschland. Sie studierte Interna-
                                          tional Business, aber mit 30 Jahren führte
               Abb. 17
                                          sie ihr Weg zur Mode (Abb. 18). Sie stellte
2004 ihre erste Kollektion vor und sagt, dass sich in den Farben und Stilen
ihrer Kollektionen die Schönheit ihres Herkunftslands Iran zeigt. Die Muster
und Farben, die sie begleiten, seit sie ihr Label gegründet hat, stammen aus
ihrer Vergangenheit. Mosaike, das traditionelle Handwerk, die Teppiche
und Muster Irans sind Bilder ihrer Kindheit, die heute ihre Mode
charakterisieren. Die schwarz-weißen Stoffe und Muster des traditionellen
Kufiya-Schals (Abb.19) spielen eine wichtige Rolle in ihren Kollektionen
(Abb. 20-22)54. Viele Menschen denken, dass die Designerin damit eine
politische Botschaft überbringen will. Sie sagt jedoch, dass dieses Design
nicht politisch ist, obwohl dieses traditionelle Element immer politische
Assoziationen hervorruft.55 Piedayesh verbindet das grafische Muster des
Schals mit ihren Erinnerungen, die sich gut in die Sprache der aktuellen
Mode übersetzen lassen. Ihre Kollektionen sind beeinflusst von ihrer
Gegenwart und Vergangenheit.56 Ihre Wurzeln vereint sie mit dem Berliner
Stil, um so urbane, avantgardistische, elegante, moderne und feminine
Kollektionen zu kreieren. Sie sagt, dass “It is a kind of mixed culture that i
live in (…) maybe I brought the patterns and colors from Iran with me, but
the silhouettes and looks are what I find in my surroundings”.57

54 Abb. 18. © BrauerPhotos. Lala Berlin, Berlin Fashion Week, Designer, Frühjahrsmode,
Sommertrends 2016/2017, Sommermode Aus: http://diedietrich-magazin.de/5330-2/
55 Vgl. Heise, Katrin. „Ich bin politisch – meine Mode auch?“ Aus:
Cultural Traces

35
Abb. 20-22
Cultural Traces

Abb.24

 37
Johanna Ortiz:

                                      “Sonne, Meer und Strand, sind immer der
                                      Horizont von Johana Ortiz“.58 Sie wurde in
                                      Cali, Kolumbien geboren. Sie studierte
                                      Modedesign in Florida und kehrte in ihr
                                      Geburtsland          zurück,    um      ihr    eigenes
                                      Modelabel zu gründen, welches sich 14
                                      Jahre später für den internationalen Markt
              Abb.23
                                      geöffnet hat.

Ihre Teilnahme an Modenschauen in Paris und New York haben ihr
internationale Bekanntheit verliehen und sie zur Botschafterin ihres Landes
im Bereich des Designs gemacht. Ihre Ästhetik repräsentiert den
lateinamerikanischen Stil, bunt und festlich. Ihre transnationalen Wurzeln
und Erfahrungen hatten großen Einfluss auf ihre Kollektionen. Durch beides
hat sie es geschafft, ein Gleichgewicht zwischen Eleganz, Sinnlichkeit und
Festlichkeit zu finden. All dies sind Merkmale, mit welchen sie ihre
Kollektionen beschreibt. Sie fügt hinzu, dass sie sich von der geografischen,
natürlichen und kulturellen Vielfalt, die ihr die Umgebung in ihrem
Herkunftsland        bietet,     inspirieren      lässt.     Tropische       Landschaften,
dramatische Berge, die vielfältige Flora und Fauna und vor allem die
lateinamerikanische Frau sind Teil ihrer Designprozesse. In jeder
Geschichte ihrer Kollektionen spiegeln sich ihre Wurzeln wider.59 Der
Pazifik, die Karibik, die Flora und Fauna, der Stil der typischen Trachten,
die Musik und die verschiedenen Ethnien die die kolumbianische Kultur
bereichern, sind wesentliche Teile ihres Labels. (Abb. 24-28)60

58 Chioma, Nnadi. Johanna Ortiz, Fall 2019 Ready to wear 2019. Aus:
(23.04.2019, 21:45)
59 Vgl. Pieri, Kerry. Brand Watch: Swooning for Johanna Ortiz. 2015 Aus:

 (23.04.2019,
22:03)
60 Abb. 24. Ortiz, Johanna. Resort 18

   Abb. 25-26 Ortiz, Johanna. Spring-Sommer 16
   Abb. 27-28 Ortiz, Johanna. Spring 19
Aus: https://www.vogue.com/fashion-shows/resort-2019/johanna-ortiz#all-seasons (17.06.19.
10:55)
Cultural Traces

39
Abb.25-28
Cultural Traces

Abb.30

 41
Silvia Tcherassi

                                 Die DNA des Labels von Silvia Tcherassi
                                 synthetisiert ihre lateinamerikanischen Wurzeln,
                                 ihre europäischen Vorfahren und ihre Beziehung
                                 zur Innovation.61 Sie wurde an der Karibikküste
                                 Kolumbiens geboren, studierte in Kolumbien und
                                 England, sie lebt in Miami und reist regelmäßig
                                 nach Italien, wo sie ihre Stoffe produzieren lässt.
               Abb. 29
                                        Trotz der kulturellen Vielfalt, die sie erlebt
hat, spiegelt ihr Stil das Wesen ihres Landes wider. „Ich lasse mich immer
von der Kunst, der Architektur, der Natur, der Tradition und der
Postmoderne inspirieren.“62 (Abb. 30-35)63

Sie studierte Innenarchitektur und Jahre später beschloss sie, ein
Modelabel zu gründen. Ihre Philosophie brachte sie dazu, Kunst im Bereich
der Mode und der Innenarchitektur zu zeigen. Sie geht davon aus, dass die
verschiedenen Bereiche des Designs Mittel sind, um Kunst zu zeigen. „Es
geht um guten Geschmack, Farben, Mischungen, Kombination und
Vision.“64 Die Designerin hat neben ihrer eigenen Modemarke auch ein
Boutique-Hotel in Cartagena. Die Grundlagen der Innenarchitektur ihres
Hotels sind ihre bereits kreierten Kollektionen. Sie unterstützt, schätzt und
integriert außerdem das kolumbianische Kunsthandwerk. Zusammen mit
Kunsthandwerkern aus der Karibik-Region entwickelt sie ihre Accessoire-
Linie (Abb. 36-37), die zum Teil sowohl für ihre Kollektion als auch für ihr
Hotel dient (Abb. 38). Für die Herstellung werden traditionelle Techniken
ihrer Herkunftsregion, der kolumbianischen Karibikregion, angewendet.

61 Vgl. Fanguin, Célestine. ¿Qui êtes-vous, Silvia Tcherassi? 2019 Aus:
https://www.lofficiel.com/fashion/qui-etes-vous-silvia-tcherassi (01.05.2019, 13:43)
62 Ebd.
63 Abb. 30.35. Tcherassi, Silvia. Resort 20 Aus: https://www.silviatcherassi.com/collection/resort-

2020 (17.06.19. 12:04)
64 La Torre, Vincenzo. Colombia expande la expansión global de doyenne a través de Moda

Operandi, y Cartagena, ciudad donde "respiras los colores y la música". Aus:
 (1.05.2019, 13:35)
Cultural Traces

43
Abb.31-35
Cultural Traces

45
Abb.36-38
Cultural Traces

                  Abb.39-40

47
5. Kollektionskonzeption Cultural Traces
     5.1 Hintergrund, Idee, Thema

Das Interesse am Thema der kulturellen Phänomene besteht auf Grund der
persönlichen Erfahrung mit Migration, der Annäherung an andere Kulturen
und dem Herkunftsland, Kolumbien. Die eigenen Erlebnisse haben dazu
geführt, dass persönlich das Phänomen der Transkulturation und die
Wiederentdeckung kultureller Wurzeln persönlich erlebt wurden.

Die Philosophie des Begriffs Transkulturation, also der Prozess des
Kontakts von einer Kultur zur anderen, wird durch das Designkonzept der
Kollektion „Cultural Traces“ sichtbar gemacht. Ziel dabei ist, eine
Verschmelzung zweier Kleidungsstile zu erreichen. Jeder Stil stellt eine
Eigenschaft zweier verschiedener Kulturen auf dem Modemarkt dar. Einer
ist in den südamerikanischen Tropen (Kolumbien), der andere auf der
nördlichen Welthalbkugel (Europa) situiert. In diesem Fall soll die
Strandmode mit klassischer Mode in einer Resort-Collection verschmolzen
werden.

Der Begriff “Resort” ist in der Mode relativ neu. Im Laufe der Mode-
geschichte gab es Zeiträume, in welchen der Sommerstil und die
Vermischung von Strandmode und Prêt-à-Porter-Mode im gleichen Kontext
verwendet wurden. So war es auch in den 20er Jahren (Abb. 39) mit dem
Art-Déco oder nach dem Zweiten Weltkrieg in den 50er Jahren (Abb. 40),
als sich die neuesten Modetrends aus der französischen Riviera dank der
jährlichen Modenschau von Saint-Tropez in Europa und den USA
verbreiteten.65

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts entstand eine neue Mode-Kategorie: die
Resort-Collections bzw. Cruise Collections. Diese Art von Kollektionen
werden zwei Mal im Jahr nach der Herbst-/Winter- bzw. Frühjahr-/Sommer
Kollektion vorgestellt. Sie kombinieren die Frühjahrs- und Sommermode.
Sie richten sich an Käufer, die entweder in Küstengebieten wie z.B.

65Vgl. Stevenson, Nj. Die Geschichte der Mode, Stile, Trends und Stars. Haupt Verlag 2011 Ivy
Press limited. S. 93. 162.
Cultural Traces

                  Abb.41-42

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Marbella, den Bahamas, Palm Beach, Malibu, oder den griechischen Inseln
leben oder an diejenigen, die in der Wintersaison ihren Urlaub in tropischen
Gebieten verbringen. Heutzutage steht diese Art der Kollektionen, dank der
Globalisierung, das ganze Jahr zur Verfügung und richtet sich an alle Arten
von Käufern. Für diese Kollektionen lassen sich die Modehäuser und
Designer meistens vom        nautischen     Stil, dem    Leben am Meer,
Sommerliebeleien und der Natur des Ozeans und seiner Küsten inspirieren.

Der   Pazifische   Ozean    und    das    Karibische     Meer   dienten   als
Inspirationsquelle für die Resort Collection „Cultural Traces“. Durch die
Einbeziehung der kolumbianischen Küsten, stellt die Designerin eine
persönliche   Verbindung    zu    den    Wurzeln   und    Erinnerungen    der
Vergangenheit her.

Die Karibik- und Pazifikküste (Abb. 41-42) befinden sich an zwei
gegensätzlichen Punkten der gleichen geografischen Region. Beide dienen
als Bezugspunkt, um eine Verschmelzung oder einen Übergangsprozess
von einer Küste zur anderen zu schaffen, so wie es die Philosophie des
Transkulturations-Begriffs vorgibt. Die Farbe, Formsprache und der Stil der
Kollektion gehen außerdem von der Analyse der Inspiration aus. Aspekte
wie zum Beispiel die Natur, die Umgebung, kulturelle Merkmale, die diese
Küsten umringen, sind Teil der Entwicklung der formellen Kriterien der
Kollektion.
Cultural Traces

                  Abb.43

51
5.2 Formale Kriterien

        5.2.1 Formsprache

Die Formsprache entwickelte sich durch die Analyse der Inspiration und der
Philosophie des Kulturkonzepts Transkulturation. Die Erforschung des
Meers, seiner Umgebung, seine Zustände und Bewegungen, verleihen
dieser Kollektion den Stil (Abb. 43). Sie setzt sich zusammen aus linearen
Schnittformen, welche den klassischen Stil der nördlichen Welthalbkugel
repräsentieren. Diese lösen sich auf in einheitlichen Linien, die das
Ambiente und den Stil der Tropen darstellen. Ein wichtiges Element der
Kollektion ist die Integration drapierter Volants, die in ihrem Umfang und
ihrer Form variieren. Einige zeigen weniger Bewegung und repräsentieren
den introvertierten und ruhigen Stil des Pazifiks, andere mit mehr Umfang
repräsentieren die Extrovertiertheit, Festlichkeit und Auffälligkeit der
Karibik. Diese haben in Kombination mit den verschiedenen Weiten der
Kollektion das Ziel, Bewegung und das Gefühl von Freiheit zu erzeugen,
dass die Inspiration bietet.

Es ist zu betonen, dass die Integration von Volants aus der Analyse der
verschiedenen typischen Kleider der verschiedenen Regionen Kolumbiens,
aber auch Lateinamerikas und Spaniens hervorgeht.

       5.2.2 Farbkonzept

Die Kollektion bewegt sich auf einer Skala neutraler Farben mit maritimen
Akzenten. Es ist eine Kollektion aus tiefblauen Farben, Licht und Schatten.
Das Farbenspektrum geht von Schwarz über Blautöne und schließt mit
Weiß ab. Die Farben wurden auf Grundlage der Inspiration ausgewählt:
Pazifik und Karibik. Sie repräsentieren die Natur und das Wesen jener Orte.
Schwarz und Dunkelblau stehen für die Tiefe und die Weite des Pazifischen
Ozeans. Hellblau (Print) und Weiß stehen für das Karibische Meer, die
Transparenz und Ruhe des Wassers. Die Farbpalette unterstreicht den
maritimen Stil der Kollektion.
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