Cultural Traces - Westsächsische Hochschule Zwickau
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Bachelor-Thesis Im Studiengang Gestaltung Studienrichtung Modedesign Thema: Cultural Traces Mode zwischen Transkulturalität und regionale Authentizität. Vorgelegt von: Buitrago Vasquez, Maria Salomé Seminargruppe: 152883 Matrikelnummer: 36556 Eingereicht am: 24.06.2019 ANGEWANDTE KUNST SCHNEEBERG Fakultät der Westsächsischen Hochschule Zwickau Eingangsvermerk/Vermerk Prüferinnen / Prüfer
Inhaltsverzeichnis 1.Einleitung 2. Theoretische Aspekte 2.1 Kultur allgemein 3. Transkulturalität und regionale Authentizität 3.1 Das Transkulturalitätskonzept 3.1.1 Transkulturalität nach Wolfgang Welsch 3.2 Die Bedeutung von Authentizität 3.2.1 Regionale Authentizität 4. Kulturelle Spüren 4.1 Globalisierung und nationale Mode 4.2 Kulturelle Vielfalt in der Mode 5. Kollektionskonzeption 5.1 Hintergrund, Idee, Thema 5.2 Formale Kriterien 6. Zusammenfassung Abbildungsnachweis Literaturverzeichnis Selbstständigkeitserklärung
Cultural Traces 1. Einleitung Mode und Kultur sind Konzepte, die in den letzten Jahren zu einem Forschungsfeld geworden sind, da sie Objekte der Veränderung sind, die sich in der kulturellen Identität und dem Alltagsleben wiederspiegeln. Sie sind immer mehr miteinander verflochten und verleihen sowohl den Prozessen des Modedesigns als auch unserer Gesellschaft Diversität und Transkulturalität. Gemeinsam können Mode und Kultur Innovation und Verbindungen auf internationaler Ebene schaffen, ungeachtet der Rasse, Herkunft oder Ethnie. Aus soziokulturellen Forschungen sind Begriffe wie Transkulturalität, Akkulturation, Multikulturalität oder kultureller Pluralismus entstanden. Diese definieren ein soziales Profil als Resultat von Migrationsprozessen, welche auf Grund verschiedener Umstände die Verschmelzung, den Verlust oder die Erhaltung der kulturellen Identität zur Folge haben. Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Erforschung kultureller Konzepte und der kulturellen Transition mittels des Begriffs der Transkulturation sowie der Faktoren, die die Erhaltung der kulturellen Authentizität erlauben. Erörtert wird die Auswirkung des Verlusts kultureller Identität, welcher durch Phänomene wie Globalisierung und Migration entsteht. Im Kontext dieser Arbeit werden die zuvor genannten kulturellen Phänomene erklärt. Vorherrschen wird dabei das Konzept der Transkulturation, welches als eine kulturelle Vermischung betrachtet wird, die von einem Verschwimmen von Grenzen herrührt. Diese Betrachtung stützt sich auf theoretische Abhandlungen des Anthropologen Fernando Ortiz und des Philosophen Wolfgang Welsch. Transkulturalität ist auch im Bereich des Designs zu finden. Um dies aufzuzeigen, werden in dieser Arbeit vier Designer mit Migrationshintergrund genauer betrachtet. Es soll erforscht werden, ob ihre Wurzeln eine wichtige Rolle für ihren kreativen Prozess spielen. Ein Teil dieser Arbeit widmet sich also der Aufgabe, die Existenz kultureller 3
Merkmale eines Individuums oder einer sozialen Gruppe, die in einer anderen als ihrer Ursprungskultur eingebettet sind, zu entdecken. Zum Abschluss der Betrachtung wird der Begriff der Transkulturalität durch das Designkonzept der Kollektion „Cultural Traces“ veranschaulicht. Dieses beantwortet die Frage: Wie können zwei Stile vermischt werden, ohne dass auf den ersten Blick die Spuren des jeweils einzelnen erkennbar sind? Das Ziel dieser Kollektion ist es, zwei verschiedene Kleidungsstile miteinander zu verschmelzen. Die Stile enthalten Merkmale von zwei Kulturen, der Kultur der südamerikanischen Tropen und der Kultur der europäischen nördlichen Erdhalbkugel.
Cultural Traces 2. Theoretische Aspekte 2.1 Kultur Es ist schwierig, den Kulturbegriff zu definieren, da es auf Grund der verschiedenen Wissenschaften, die sich damit beschäftigen, eine große Vielfalt an Bedeutungen und Standpunkten gibt. Seit dem vergangenen Jahrhundert und Anfang des aktuellen Jahrhunderts ist der Begriff zu einem Modewort geworden, das auf viele verschiedene Aspekte der Gesellschaft und des Alltagslebens verweist. In der kulturellen Anthropologie wird Kultur definiert als „[…] die vollständige Gesamtheit, die Wissen, Glauben, Kunst, Moral, Gesetze, Bräuche und jegliche vom Menschen als Teil der Gesellschaft erworbene Fähigkeiten und Gewohnheiten umfasst“.1 Der Kulturbegriff ist nicht nur zu einem weltweiten Phänomen im wissenschaftlichen Bereich geworden, sondern findet auch in der Wirtschaft und in der politischen Rhetorik Gebrauch. Der Eindruck, dass alles Kultur ist oder hat, kann nicht vermieden werden. Ein geltendes Kulturkonzept muss also über die Ästhetisierung des Alltagslebens, des Lebensstils und der Semiotik der Konsumkultur hinausgehen.2 Folglich “ist Kultur […] die Gesamtheit der Lebensumstände der Menschen, die diese erzeugen.“3 In diesem Bereich wird Kultur als ein zweideutiges Konzept verstanden: Einerseits als Gesamtheit von Fähigkeiten, Überzeugungen und Praktiken, die von einem Teil der Gesellschaft erworben wurden und dieser eine regionale oder zeitliche Unterscheidung verleihen. Andererseits wird Kultur als Summe der verschiedenen einzelnen Kulturen, die sich zur gleichen Zeit und im gleichen Raum entwickelt haben, verstanden. 1Tylor, Burnett. Primitive Culture, researches into the development of mythology, philosophy, religion, language, art and custom. Band 1. New York. Dover Publications 2016. S. 1 2Vgl hierzu Karmasin, Helene/ Karmasin Matthias. Cultural Theory, Anwendungsfelder in Kommunikation, Marketing und Management. Wien, Facultas AG 2011. S.22-23 3 Ebd. S.23 5
3. Transkulturalität und regionaler Authentizität 3.1 Das Transkulturalitätskonzept „Was mich zu mir selbst macht, viel mehr als zu irgendjemand anderem, ist die Tatsache, dass ich zwischen zwei Ländern, zwei oder drei Sprachen und vielen kulturellen Traditionen schwebe. Genau das beschreibt meine Identität“4 Die Definition dieses Konzepts beruht auf der Studie des kubanischen Anthropologen Fernando Ortiz. Er verankerte den Begriff der Transkulturalität in der soziologischen und anthropologischen Terminologie durch sein Werk „Contrapunteo cubano del tabaco y el azúcar“ (deutsch: Kuba: Kontrapunkt des Tabaks und des Zuckers) von 1940. “…Der Begriff Transkulturation drückt die verschiedenen Phasen des Übergangsprozesses von einer Kultur zu anderen besser aus, denn es geht nicht nur darum, eine andere Kultur zu erlangen, auf was das angelsächsische Wort Acculturarion streng genommen verweist, sondern, dass der Prozess auch unbedingt den Verlust oder die Entwurzelung einer vorherigen Kultur beinhaltet, was als eine partielle Dekulturation bezeichnet werden könnte….“5 Für Ortiz war diese Beschreibung des transformativen Prozesses „wesentlich und grundlegend unerlässlich, um die Geschichte von […] ganz Amerika im Allgemeinen zu verstehen“.6 Sein Konzept wurde von Bronislaw Malinowski bestätigt und unterstützt.7 Die Folge des Begriffs ist nicht die Neigung von einer Kultur zur anderen, sondern er beschreibt den Übergang 4 Maalouf, Amin. In the Name of Identity: Violence and the Need to Belong. Band 1. New York, Arcade Publishing 2001. S. 1 5 Ortiz, Fernando. Contrapunteo cubano del tabaco y el azúcar. Band 2. La Habana, Consejo Nacional de Cultura. 1963. S. 96-97 6 Ebd. 7 Malinowski, Bronislaw ist 1884 in Krakov/Polen geboren. Er studierte an der Universität Krakau und an der London School of Economics. Als Philosoph und Anthropologe widmete er sich der methodischen Erneuerung auf der Grundlage persönlicher Erfahrungen mit Feldarbeit und Funktionalismus und gründete die britische Sozialanthropologie.
Cultural Traces zwischen zwei Kulturen, die beide aktiv, gebend und beitragend sind8. Malinowski bestätigt, dass “es ein Prozess ist, bei welchem eine neue, zusammengesetzte und komplexe Realität zum Vorschein kommt; eine Realität, die keine mechanische Anhäufung von Merkmalen ist, und auch kein Mosaik, sondern ein neues, originelles und unabhängiges Phänomen.“9 Als Transkulturalität kann also ein Wandel verstanden werden, die den Kontaktprozess von zwei oder mehreren Kulturen aufzeigt. Diese verschmelzen zu einer neuen zusammengesetzten Kultur, in welcher verschiedene kulturelle Charakteristika verbunden, erhalten, erzeugt werden oder verloren gehen.10 Der Begriff entwickelte sich zum Großteil als Ersatz für den Begriff „Akkulturation“, welcher das finale Ergebnis eines kulturellen Prozesses definiert, in welchem eine Übermittlung kultureller Inhalte durch den direkten Kontakt zwischen Gruppen und Individuen stattfindet.11 Dieser Neologismus verbreitete sich Jahrzehnte später in Europa. In den achtziger Jahren diente er der Theologin Traugott Schöfthaler als Forschungszweck. 12 In den neunziger Jahren jedoch entwickelte der deutsche Philosoph Wolfgang Welsch eine zeitgenössische Version des Begriffs, gefolgt von Publikationen wie „Transkulturelle Gesellschaft“ (2005) und „Immer nur ein Mensch? Entwürfe zu einer anderen Anthropologie“ (2011). Seine Auffassung dient noch immer als Forschungsbezug für andere Autoren, wie zum Beispiel dem Kulturwissenschaftler Arata Takeda in „Wir sind wie Baumstämme im Schnee. Ein Plädoyer für transkulturelle 8 Vgl. Ebd. Ortiz, Fernando. S. 5 9 Ebd. 10 Vgl. Toprak, Elif/ Kumtepe, Evrim. Supporting Multiculturalism in Open and Distance Learning Spaces. Hershey, Pennsylvania. IGI Global 2018. S. 114 11 Vgl. Hierzu Subberwal, Ranjana. Dictionary of sociology. New Delhi. Tata McGraw-Hill Publishing Company Limited 2009. S. A2. “Acculturation: when groups or individuals come in close and continuous direct contact with each other, either one or both groups acquire cultural characteristics of the other”. 12 Vgl. Multikulturelle und transkulturelle Erziehung: Zwei Wege zu kosmopolitischen Kulturellen Identitäten? In: International Review of Education, 30, 1984. S. 20 Nach T. Schöfthaler ist Transkulturalität darauf ausgerichtet, das kulturelle Fremde als Anderes und Eigenständiges wahrzunehmen. 7
Erziehung“ (2012). Das zeigt, dass dieses Konzept heute die kohärenteste Definition zu den zeitgenössischen kulturellen Phänomenen und Konzepten ist. Welsch‘ These zeigt das Wesen des transkulturellen Denkens. Deshalb dient sie als Referenz, um den konzeptuellen theoretischen Rahmen in diesem Kapitel abzuschließen. 3.1.1 Transkulturalität nach Wolfgang Welsch „Heutige Kulturen sind nicht mehr homogen und monolithisch (nicht mehr wie Kugeln verfasst), sondern weisen vielfältige Durchdringungen und Verflechtungen auf (haben Netzwerkcharakter)“ 13 Die Entwicklung dieses Konzepts nach der These von W. Welsch will die statische und traditionalistische Vorstellung von Kultur und das Konzept von Multikulturalität, Interkulturalität und Postkolonialismus mit einer kohärenteren Theorie der heutigen Umstände ersetzen. Diese Umstände zeichnen sich zum Großteil aus durch kulturelle Mischungen und Durchdringungen. Welsch zeigt einen Kontrast zum traditionellen Herderschen Kulturbegriff auf. Letzterer versteht Kultur als homogene Kugeln. Das heißt, dass Kulturen nicht von anderen beeinflusst werden, sondern klar vorgezeichnet sind. Laut Welsch‘ Theorie zeichnen sich die aktuellen Kulturen durch Pluralisierung, Verflechtung und Interkonnektivität ihrer Identitäten aus.14 Er führt seine Kritik am klassischen Kulturverständnis insofern weiter, als er auf die Konzepte der Multikulturalität und Interkulturalität als falsche Grundlagen verweist. Unter Multikulturalität versteht man das 13 Welsch, Wolfgang. Institut für Philosophie, Friedrich-Schiller-Universität Jena. Aus: https://www.ifp.unijena.de/Webseiten+der+Mitarbeiter/Welsch_+Wolfgang+Prof_+em_+D r_.html (21.03.2019, 16:06) 14 Vgl. Welsch, Wolfgang. Transkulturalität, die veränderte Verfassung heutiger Kulturen. In: Via Regia, Heft 20, 1994. S. 1- 4 Aus: < https://www.via- regia.org/bibliothek/pdf/heft20/welsch_transkulti.pdf> (29.03.2019, 15:33)
Cultural Traces Nebeneinander verschiedener Kulturen im gleichen physischen, geographischen und sozialen Raum. Die Kulturen sind dabei homogen, individuell und klar definiert und es gibt keinen Einfluss oder kulturellen Austausch. Interkulturalität hingegen ist das Ergebnis aus dem Bruch der Homogenität der Kulturen, wodurch Austauschbeziehungen und eine gleichberechtigte Kommunikation zwischen kulturellen Gruppen erreicht wird. Jede Gruppe behält dabei ihre kulturellen Merkmale. (Anhang 1) Obwohl diese beiden Konzepte ähnlich sind, weist Welsch darauf hin, dass beide Begriffe aus normativer Sicht verworfen werden sollten. Sie lassen kein gegenseitiges Verständnis oder die Überwindung von Hindernissen zu. Er fügt hinzu, dass Kulturen nicht als homogen und getrennt angesehen werden sollten. Auf diese Weise entwickelt er das Konzept der Transkulturalität, welches über traditionelle Kulturgrenzen hinausgeht15 und ergänzt: „Kulturen sind intern durch eine Pluralisierung möglicher Identitäten gekennzeichnet und weisen extern grenzüberschreitende Konturen auf. Sie haben eine neuartige Form angenommen, die durch die klassischen Kulturgrenzen wie selbstverständlich hindurchgeht. Das Konzept der Transkulturalität benennt diese veränderte Verfassung der Kulturen und versucht daraus die notwendigen konzeptionellen und normativen Konsequenzen zu ziehen.”16 Aus seiner Sicht spiegelt sich das Wesen der Transkulturalität nicht nur auf „globaler“ makrosozialer Ebene, sondern auch auf mikroindividueller Ebene wider. Das bedeutet, dass die Philosophie des Konzepts nicht nur in verschiedenen Kulturen innerhalb einer Gesellschaft vorhanden ist, sondern, dass jedes Individuum ein transkulturelles Denken und Verhalten in sich hat.17 Dies ist auf den Einfluss von kulturellen Mustern zurückzuführen, die durch den kommunikativen Austausch, durch Internet und den internationalen Handel entstehen. Die Individuen verknüpfen sich 15 Vgl. Ebd. Zitiert nach Toprak, Elif/ Kumtepe, Evrim. 2018. S.113 16 Welsch, Wolfgang. Transkulturalität. In: Institut für Auslandsbeziehungen: Migration und Kultureller Wandel 45. Stuttgart 1995 17 Vgl. Welsch, Wolfgang. Immer nur der Mensch? Entwürfe zu einer anderen Anthropologie. Berlin, Akademie Verlag 2011. S. 298 9
weltweit dank der zuvor genannten Faktoren und der modernen Mobilitätsmöglichkeiten, die den Anstieg von Migrationsbewegungen begünstigen. Letzteres Phänomen erzeugt „transnationale“ soziale Räume und einen kulturellen Austausch auf persönlicher, regionaler und internationaler Ebene.18 Die zuvor beschriebenen Phänomene zu Gunsten von Welsch‘ Theorie sorgen auch dafür, dass diese immer mehr Zustimmung findet. Dennoch zeigen die aktuellen Diskurse weiterhin, wie sehr die klassischen Kulturkonzepte noch immer in den Köpfen der Menschen verankert sind.19 Das menschliche Verhalten ist geprägt von dem Erlernten und den Grundprinzipien, mit denen die Welt verständlich wird. Deshalb ist es schwierig, eine Neubedeutung von Kultur zu akzeptieren. Welsch argumentiert auf Grundlage dessen, dass sein Konzept zum Teil auf einer Utopie beruht und fügt hinzu: „Sagt man uns - wie der alte Kulturbegriff es tat -, daß Kultur eine Homogenitätsveranstaltung sein solle, so werden wir uns entsprechend verhalten und die gebotenen Zwänge und Ausschlüsse praktizieren. […] Sagt man uns hingegen, daß Kultur eine integrative Aufgabe darstelle, die auch Fremdes einbeziehen und transkulturellen Komponenten gerecht werden müsse, dann werden wir diese Aufgabe in Angriff nehmen. Dann wird Integration zur realen Struktur unserer Kultur werden. In diesem Sinn ist die `Realität' von Kultur immer auch eine Folge unserer Konzepte von Kultur.“ 20 Seine Theorie ist fortschrittlich und fordert die aktive Entwicklung für ein besseres Verständnis in den nächsten Generationen. Heute muss seine These als ein Konzept der Transition verstanden werden, welches sich nicht auf geographische, sprachliche oder nationale Grenzen, sondern auf Prozesse des kulturellen Austausches stützt. Dies führt zu einem Netzwerk, in welchem Unterschiede nicht verschwinden, sondern die Verständnismöglichkeiten größer sind. Es wird ein Medium geboten, um die 18 Vgl. Transkulturalität: Interkulturell vs. Transkulturell. IKUD® Seminare 2011. Unter: < https://www.ikud-seminare.de/veroeffentlichungen/transkulturalitaet.html> (31.03.2019, 15:38) 19 Vgl. Ebd. 20 Ebd. Welsch, Wolfgang. 1994. S. 17 (31.03.2019, 15:28)
Cultural Traces Mischungen und Lebensformen der Immigranten und Ortsansässigen in demselben geteilten Raum zu verstehen.21 Welsch‘ und Ortiz‘ Theorien passen zusammen. Im Gegensatz zu Ortiz, der sich auf das Verstehen der Mischung von Wurzeln in der Vergangenheit konzentrierte, erforscht Welsch die aktuellen Formen der soziokulturellen Hybridität und die Zukunftsvorstellungen über kulturelle Veränderungen. Er stützt sich auf die These, dass weder die gegenwärtigen noch die vergangenen Kulturen mit Ideen und Konzepten, die traditionelle Theorien beinhalten, definiert oder verstanden werden dürfen.22 Deshalb wird davon ausgegangen, dass sowohl Multikulturalität als auch Interkulturalität damit abgedeckt werden.23 Er liefert eine Definition für das zeitgenössische Kulturverständnis. Kurz gesagt stellt dieser Begriff eine Situation der Verflechtung und Überschneidung dar und fördert Austausch und Interaktion. 21 Vgl. Ebd. IKUD® Seminare 2011. Unter: https://www.ikud- seminare.de/veroeffentlichungen/transkulturalitaet.html> (31.03.2019, 16:48) 22 Vgl. Ebd. Gippert, Wolfgang/ Götte, Petra/ Kleinau, Elke. Transkulturalität Gender- und bildungshistorische Perspektiven. Bielefeld, Transcript Verlag 2008. S. 10 23 Vgl. Ebd. Toprak, Elif/ Kumtepe, Evrim. 2018. S. 114 11
3.2 Die Bedeutung von Authentizität Es ist schwierig, den Begriff „Authentizität“ zu behandeln, da es keine klare Definition gibt, weder aus historischer noch aus zeitgenössischer Sicht.24 Im Laufe der Geschichte wurde der Terminus in verschiedenen Bereichen genutzt, und diese haben seiner Bedeutung verschiedene Facetten verliehen. Das Wort ist entweder auf das griechische Wort “αὐθεντικός” zurückzuführen, das so viel bedeutet wie „echt“ oder auf das spätlateinische Wort „authenticus“, was so viel bedeutet wie „vertrauenswürdig“ oder „korrekt“.25 Der Terminus Authentizität wird wesentlich als Adjektiv verstanden, dass Richtigkeit, Wahrheit und Echtheit bedeutet.26 In den Kulturwissenschaften werden diesem Konzept zwei Bedeutungsfacetten verliehen, die als „materielle Authentizität“ und „persönliche Authentizität“ bezeichnet werden. Die Etymologie von „materielle Authentizität“ liegt in dem griechischen Wort „authentes“, was Autor und Exporteur bedeutet. Dieser verleiht einem neuen Produkt oder einer Kreation ein einzigartiges Merkmal. Bei der persönlichen Authentizität geht es um die Glaubwürdigkeit und Kohärenz zwischen dem, was eine Person äußerlich darstellt und ausdrückt, und ihrer Fähigkeit ehrlich, wahrheitsliebend27 und ihren Ideologien und Traditionen treu zu sein. In diesem Kontext muss die materielle Authentizität deskriptiv verstanden werden und die persönliche Authentizität als ein normatives Konzept. Dieser Begriff zeigt sich als eine Eigenschaft von jemandem oder etwas, die mit dem Ausdruck „ich“ oder „dies“ als einzige Wahrheit assoziiert wird. 24 Barck, Karlheinz u.a (Hg.) Ästhetische Grundbegriffe. Historisches Wörterbuch in sieben Bänden; In „Authentisch/Authentizität“, Knaller Susanne. Band 7. Stuttgart, Verlag J.B Metzler 2005. S. 40 25 Vgl. Ebd. S. 40-41 26 Vgl. Knaller, Susanne/ Müller, Harro. Authentizität: Diskussion eines ästhetischen Begriffs. München, Fink, 2006. S. 11 27 Vgl. Rössner, Michael/ Uhl, Heidemarie (Hg.). Renaissance der Authentizität? Über die neue Sehnsucht nach dem Ursprünglichen. Bielefeld, transcript Verlag 2012. S. 16
Cultural Traces Trotzdem scheint es einen zusätzlichen Wert zum Wahren und Echten zu geben, der nicht gänzlich geklärt ist. Das Authentische kann mittels der visuellen und kommunikativen Sprache festgestellt und bestätigt werden. So wird verständlich, dass das, was jemandem oder etwas Authentizität verleiht, nicht unbedingt von der physischen Materie abhängt, sondern auch von konzeptuellen und persönlichen Eigenschaften. Mit der kulturellen Anthropologie als Grundlage und Beispiel wird gezeigt, dass diejenigen Faktoren, die einer Kultur Authentizität verleihen, mit der Erhaltung der ursprünglichen und der immateriellen Materie in Verbindung stehen. Unter ursprünglicher Materie versteht man die sichtbaren und tastbaren Eigenschaften eines Ortes mit kulturellem Wert; unter immaterieller Materie versteht man die handwerklichen Techniken und Traditionen und die Werte der lebendigen Kulturen, die von Personen übertragen werden.28 Es ist trotzdem schwierig, das Wesen der authentischen Kultur zu identifizieren. Im Gesamten betrachtet gibt es in einer Kultur Unterschiede zwischen Regionen und auch Bewohnern desselben geographischen Ortes. Das ist auf die verschiedenen Wurzeln, Ethnien, Sprachen und Traditionen, aus denen sie sich zusammensetzt, zurückzuführen.29 Deshalb ist es angebrachter, einer Beschreibung der regionalen Authentizität Platz zu machen. Hier wird als Fokus eine Region oder eine kulturelle Gruppe ausgewählt, welche sowohl materielle als auch immaterielle oder persönliche Eigenschaften hat, die ihr, Authentizität verleihen. Das bedeutet: es gibt Bräuche, Traditionen, Ursprünge und sogar Sprachen, die anders sind als ihre Umgebung. So ist es bei dem Volk der Gemeinde San Basilio de Palenque in Kolumbien. 28 Vgl. Garcia, Pilar. El patrimonio cultural. Conceptos básicos. Zaragoza, Prensas Universitarias, 2011. S. 83-86 29 Vgl. Guadarrama, Pablo: Humanismo y autenticidad cultural en el pensamiento latinoamericano, in: Anales del Seminario de Historia de la Filosofía. Band 21, 2004, S. 177 13
Abb. 1 Abb. 2
Cultural Traces 3.2.1 Regionale Authentizität - San Basilio de Palenque Das Volk der San Basilio de Palenque wurde für diesen Teil der Arbeit auf Grund des persönlichen Interesses am Herkunftsland Kolumbien ausgewählt. Es ist Teil der Inspiration und des Designkonzepts der Kollektion „Cultural Traces“, bei der auf die typischen bunten Trachten des Palenque-Volks Bezug genommen wird.(Abb.1) Des Weiteren sind die kulturellen Eigenschaften der Palenque, welche in einer Region leben, die anders ist als die ihrer ursprünglichen Herkunft, weltweit einzigartig. „„Palenque de San Basilio“ ist eine von geflüchteten Sklaven gegründete Gemeinde. Die Sklaven flüchteten ab dem 15. Jahrhundert in die sogenannten “Palenques”30 der Nordküste Kolumbiens.“31 Dieser kulturelle und historische Raum diente als Forschungsobjekt für Historiker, Linguisten, Anthropologen und Literaturwissenschaftler im Bereich der afrokolumbianischen Studien. San Basilio de Palenque hat ein afrikanisches Erbe beibehalten, welches sich in den sozialen, medizinischen und religiösen Praktiken, aber auch in den mündlichen und musikalischen Traditionen manifestiert, von denen viele afrikanische Musik ist in Palenque de San Basilio im Alltag immer präsent, von Beerdigungen bis hin zu Freizeit- und Vergnügungsaktivitäten. Seit etwas mehr als 30 Jahren wird jedes Jahr das Festival de Tambores (Trommler- und Kulturfestival) von Palenque gefeiert. (Abb. 2)32 Das Ziel des Festivals ist es, die Anerkennung und Verbreitung der ethnischen und kulturellen Werte des Palenque-Volks zu fördern. 30 Der Begriff “Palenque” bezeichnet die von afrikanischen Sklaven, die in der Kolonialzeit der Sklavenherrschaft entflohen, „bevölkerten Zonen“. 31 Guerrero, Clara et al. Meisterwerk des immateriellen Weltkulturerbes. Bogotá, Ministerio de cultura, Instituto Colombiano de antropología e historia 2002. S. 11 32 Das Festival de Tambores verfestigt die Kultur der afrokolumbianischen Kultur von Palenque. 2016, In: (24.04.2019, 13:32) 15
Abb. 3 Abb. 4
Cultural Traces Dabei dreht sich alles darum, die Spiritualität der Afrokolumbianer, die Sprache von Palenque (Palenquero), die traditionelle Medizin, die Gastronomie, die ursprünglich afrikanischen Tänze (Abb. 3) und die Musik zu feiern und kennenzulernen. Dies geschieht durch künstlerische, gastronomische und kulturelle Darstellungen, wie z.B. das Todesritual „Lumbalú“. (Abb. 4) Hervorzuheben ist außerdem, dass ein wesentliches Element dieses kulturellen Raums das „Palenquero“ ist. Sie ist die einzige Kreolsprache Amerikas, in welcher lexikalische Grundlagen des Spanischen mit grammatikalischen Charakteristika afrikanischer Bantusprachen kombiniert werden.33 Die in der Geschichte, Bildung, Kultur und Sprache einzigartigen Merkmale verleihen diesem Raum kulturelle und regionale Authentizität. Es wurden Aktivitäten zu Gunsten von Erhaltung, Bewahrung und Schutz der verschiedenen Ausdrucksweisen entwickelt. Sie sind Grundlage der Identität und Kultur der Bewohner Palenques und wurden aus diesem Grund zum immateriellen UNESCO-Weltkulturerbe erklärt.34 Abschließend kann gesagt: Das, was jemandem oder etwas Authentizität verleiht, beruht auf materiellen und immateriellen Merkmalen, die die Authentizität repräsentieren. Die regionale Authentizität ist möglich dank der traditionellen Praktiken und Merkmale eines Orts oder einer Personengruppe, die für die Erhaltung dieser einzigartigen kulturellen Eigenschaften jeder Region über Jahre hinweg kämpfen. 33Vgl. Ebd. Guerrero, Clara et al. 2002. S. 53 - 57 34Vgl. El espacio cultural de palenque de San Basilio, in: la Lista Representativa del Patrimonio Cultural Inmaterial de la Humanidad. Colombia 2008. < https://ich.unesco.org/es/RL/el-espacio- cultural-de-palenque-de-san-basilio-00102> (28. März 2019, 00:41) 17
4. Kulturelle Spuren 4.1 Globalisierung und nationale Mode Der Begriff Globalisierung bezieht sich auf ein weltweites Phänomen, das in der wachsenden Kommunikation, Interdependenz und wirtschaftlichen und sozialen Beziehung zwischen den verschiedenen Ländern der Welt besteht. Dieses Konzept wird oft mit der Neustrukturierung des kapitalen Finanzsystems in der Welt während der 80er Jahre assoziiert. Es gab sicherlich weitreichende Veränderungen, die in diesem Zeitraum geschehen sind und in einem Verschwimmen der wirtschaftlichen und kulturellen Grenzen endeten.35 Aber es gibt viele weitere Bereiche, die in diese Konzeptualisierung des Begriffs miteinbegriffen sind, sowie zum Beispiel der politische, technologische, soziale, unternehmerische, wirtschaftliche und kulturelle Bereich. Dies führt zu sozialen, wirtschaftlichen und politischen Veränderungen auf internationaler Ebene. Da die Globalisierung in so vielen verschiedenen Bereichen präsent ist, ist es schwierig, eine exakte Definition dieses Begriffs zu geben. Normalerweise variiert die Erklärung je nach dem Bereich, in welchem sie erforscht wird. Aus allgemeiner Sicht kann gesagt werden, dass sich Globalisierung auf die Verringerung und Beseitigung von Einschränkungen im globalen Produktionssystem, der Vermarktung und dem freiwilligen Austausch, bezieht. Diese Einschränkungen werden vom Staat durch Grenzen auferlegt.36 Im kulturellen Kontext wird dieses Konzept als dynamischer Prozess der Verknüpfung und Angleichung der Kulturen verstanden und schließt dabei die Verbreitung und den Gebrauch ihrer kulturellen Praktiken ein.37 Auf Grund der technologischen Entwicklung in den Kommunikations- netzwerken, dem freien Handel und der erleichterten Migration, die dieses 35 Vgl. Kaiser. Susan. Fashion and Cultural Studies. Berg editorial. New York 2012. S. 57 36 Vgl. Palmer. Tom. Globalizacion y cultura: Homogeneidad, diversidad, identidad, libertad. Washington, DC 2006. In:
Cultural Traces weltweite Phänomen anregen, wird eine Tendenz zur Entstehung einer homogenen und gemeinsamen Kultur in der Welt erzeugt. Trotz allem ist die Globalisierung in diesem Bereich sowohl mit Vorteilen als auch mit Risiken verknüpft. Viele Studien bestätigen, dass dieses Phänomen die kulturelle Authentizität und Reinheit beschädigt.38 Die etablierten Traditionen, Märkte und Werte jedes Landes und jeder Region verlieren auf Grund der Interaktion mit der neuen Weltordnung an Bedeutung. Die Standards der traditionellen Identität lösen sich auf, da wir ständig auf unser wechselndes Umfeld reagieren und uns daran anpassen, indem wir unsere eigenen Vorstellungen von Identität neu erschaffen. Aus einer anderen Perspektive führt uns die Globalisierung in eine Welt, in der die Menschen mehr Diversität erleben. Dies geschieht dank dem Kommen und Gehen von Informationen und dem Austausch von Gütern und Diensten, die das Kennenlernen verschiedener bestehender Kulturen möglich machen. Diese erleichterte Annäherung und Verbreitung haben eine globalisierte Kultur geformt, in welcher jedes Individuum eine Vorstellung der kulturellen Unterschiede, aus welchen die globalisierte Kultur besteht, hat. Die Anerkennung dieser kulturellen Vielfalt erlaubt es, sich als Bürger mit einer eigenen kulturellen Identität, die zur globalen Kultur gehört, zu identifizieren.39 Durch die Globalisierung konnte es im Bereich der Mode gelingen, dass die Mode jedes Individuum erreicht. Der Modehistoriker Christopher Breward beschreibt globale zeitgenössische Mode […] als “a kind of contemporary esperanto [a universal language], immediately accesible across social and geographical boundaries”.40Aber ist dieses Phänomen positiv für die Mode? Bietet es eine Möglichkeit für einen interkulturellen Austausch von Ideen und Verständnis? Oder führt es zur Beschädigung der Kreativität der Kulturen und der lokalen Traditionen? 38 Vgl. Ebd. Palmer. Tom. In: https://www.elcato.org/globalizacion-y-cultura-homogeneidad- diversidad-identidad-libertad#_ednref12 (14.April.2019, 11:13) 39 Vgl.Ebd. Globalizacion cultural. In: (14. April.2019, 13:48) 40 Ebd. Kaiser. Susan. S. 57 19
Einige große internationale Marken haben dieses Phänomen zum Vorteil ihrer Wirtschafts- und Produktionsmaßnahmen genutzt. Das bedeutet, dass sie in weniger entwickelten Ländern zu geringerem Preis produzieren, mit dem Ziel, den korporativen Umsatz und Gewinn zu maximieren. Doch kann es auf dieser transnationalen Produktionsebene noch Raum für nationale Mode geben? Die Kulturanthropologin und Modetheoretikerin Simona Segre Reinach weist im Kontext der „Made in Italy“-Mode darauf hin, dass es nötig ist, die Mode mit der nationalen Geschichte in Zusammenhang zu bringen, um dieser eine Bedeutung zu verleihen. Themen wie z.B. die römische Geschichte, das italienische Kino, Garibaldi, La Dolce Vita, die italienische Renaissance, kommen einem in den Sinn, wenn die Wörter „Italien“, „Kreativität“ und „Mode“ im gleichen Kontext genannt werden.41 Es ist dennoch erforderlich, zwischen “Made in Italy”, “Italian Pret-à-Porter“ und der neuen italienischen Mode zu unterscheiden, welche sich je nach Bezug auf die wechselnden sozio-kulturellen Merkmale am globalen Markt orientiert. Ironischerweise bewegt sich Italien zwischen zwei entgegengesetzten Punkten hin und her: Der Logik der „Fast Fashion“ und der „Low Fashion“ oder nationaler Mode, die mit handwerklicher Kreativität assoziiert wird. Die italienische Mode wird angeführt von Luxusmarken, die durch die kreative Exzellenz Italiens im Vorteil sind, aber in China produzieren lassen. Dies birgt das Risiko, dass die hohe Qualität der Produktion, für die Italien lange Zeit sehr anerkannt war, an Wert verliert.42 “Fatto in Italia, also, “Made in Italy” gewinnt wieder an Bedeutung. Allerdings gilt dies nicht so sehr für Italien (oder vielleicht nicht für junge italienische Designer), als für die anführenden Luxusfirmen.43(…) Made in Italy wird von einer Betonung auf den Regionalismus innerhalb Italiens ersetzt (…) zwischen “einer allgemeinen Kunsthandwerkfähigkeit” und “einem bestimmten 41 Vgl. Ebd. Kaiser. Susan. S. 59 42 Vgl. Reinach, Simona Segre. Italian Fashion: The Metamorphosis of a Cultural Industry. Made in Italy: Re-Thinking a Century of Italian Design, edited by Grace Lees-Maffei and Kjetil Fallan, 2014, S. 239-254. 43 Ebd. S. 246-247
Cultural Traces Abb. 5 21
exzellenten Know-How, das mit verschiedenen Kontexten und Nutzungsweisen verbunden ist.”44 (Übersetzung) “Fatto in Italia, literally, “Made in Italy” is again becoming a value, but not so much for Italy (or perhaps, not for young Italian creators) as for the leading luxury firms. (…) Made in Italy is being replaced by an emphasis on regionalism within Italy (…) between ‘a generic craftwork ability’ and ‘a specific excellence know-how linked to diverse contexts and types of goods’”. In einem weiteren Kontext kann aus regionaler Sicht gesagt werden, dass einige Kulturen Opfer der Globalisierung sind und langsam ihre Traditionen ablegen müssen, zum Beispiel das Tragen typischer Kleidung und die Nutzung typischer Techniken. Aber ist das wirklich so? Es gibt viele Marken, die traditionelle oder kulturelle Techniken und Stile nutzen, um größere kommerzielle Bewegungen hinsichtlich eines einzigartigen kulturellen Werts zu erzeugen oder auch um touristisches Interesse zu erzeugen. Aber das Phänomen der Globalisierung ist so vielfältig, dass es nicht als gänzlich negativ oder positiv aufgefasst werden kann. Zum Beispiel vermarkten die Frauen der Maya-Kultur in Mexiko (Abb.5) ihre handwerklichen Techniken und die Verarbeitung von Stoffen auf nationaler und internationaler Ebene. Man könnte meinen, sie wären Opfer der Globalisierung. Doch sie sagen, dass die Annäherung an den weltweiten Markt nicht zum Verlust ihrer Traditionen geführt hat. Im Gegenteil, sie haben die Gelegenheit bekommen, ihre finanzielle Situation zu verbessern und einen Teil ihrer Kultur bekannt zu machen. Früher trugen die Mayas ihre typische Kleidung täglich. Heutzutage tragen sie diese zu besonderen Anlässen, wie zum Beispiel Taufen oder Hochzeiten. Das liegt daran, dass ihre Arbeit immer wertvoller wird und sie es vorziehen, in einer Welt, in der alles gleich erscheint, die nationale Mode zu fördern, indem sie einen Teil ihrer Kultur mit Touristen oder mexikanischen Designern teilen.45 44 Chiara Colombi, Made in what Italia? In Segre Reinach, La cultura della moda italiana, special issue, zone Moda journal 2, 2011 – S. 56-59. 45 Vgl. Ebd. Palmer, Tom. In: https://www.elcato.org/globalizacion-y-cultura-homogeneidad- diversidad-identidad-libertad#_ednref12 (14.04.2019, 16:17)
Cultural Traces Abb. 6 23
Umso mehr Anerkennung die Techniken erfahren, umso mehr Wert wird der traditionellen Kleidung der Indigenen außerdem verliehen. Durch die Designer wird die Kleidung in Bezug auf das kreative Design und die Innovation „wiederbelebt“ und kann so in die weltweite Mode integriert werden. (Abb. 6)46. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass sich auf Grund der verschiedenen weltweiten Phänomene die einzelnen Kulturen verändern. Es sind diese Veränderungen, die diese sie selbst sein lassen und dazu führen, dass die Kulturen sich von anderen unterscheiden können, ohne dabei außer Acht zu lassen, dass es globale Unterschiede gibt. Dies führt im Modebereich zur Entstehung einer globalen Mode, die allen Arten von Nutzern zugänglich ist. Es wird aber auch die Renaissance der nationalen Mode vorangebracht, etwa durch verschiedene Mode-Events, die sich den letzten Jahren in Städten, die keine Mode-Metropolen sind, z.B. Berlin, Sao Paulo, Shanghai, Barcelona, Mexiko-Stadt etabliert haben. Auf diesen Veranstaltungen können nationale Designer und Talente Bekanntheit erlangen. In diesem Sinne ist es am besten, die Globalisierung durch die interkulturelle und transnationale Interaktion zu verstehen und zu akzeptieren. Das bringt positive und negative Aspekte mit sich. Negativ ist zum Beispiel die Vermarktung der „Fast Fashion“, die in Entwicklungs- ländern produziert wird, durch anerkannte Marken auf globaler Ebene. Das bedeutet, dass sie sich auf eine sehr billige Produktionsmethodologie stützen und somit zu negativen Arbeits-bedingungen beitragen. Auf der anderen Seite bietet dieser globale Charakter der nationalen Mode Möglichkeiten, um sich langsam auf dem Weltmarkt bekannt zu machen. So kann diese nicht nur national, sondern auch international zugänglich gemacht und geschätzt werden. 46Abb. 6. Cavalera. Frida Khalo Collection. Sao Paulo Fashion Week. 2011 https://www.pinterest.de/pin/441634307206569688/
Cultural Traces Abb. 7 Abb. 8 Abb. 9 25
4.2 Kulturelle Vielfalt in der Mode „Viele Menschen nehmen das Fremde als Bedrohung wahr. Eine differenzierte Betrachtung von Fremdheit birgt jedoch Chancen zur Weiterentwicklung. (…) Das Fremde als Diversität und Transkulturalität bereichert die Mode und damit die Gesellschaft“ 47 “Many people perceive the foreign as a threat. But a more complex perspective of foreignness presents an opportunity for development. (…) The foreign in the form of diversity and transculturalism enriches fashion and thereby our society” Heutzutage findet sich kulturelle Diversität weltweit in vielen Bereichen wieder. Dieses Konzept steht in Verbindung mit zuvor erwähnten Konzepten von Interkulturalität und Multikulturalität. Man spricht von Diversität, wenn es Kontakt, Austausch, Akzeptanz und die Wahrnehmung von kulturellen Eigenschaften zwischen verschiedenen Kulturen gibt. Diese Merkmale bereichern das kulturelle Kapital eines Landes oder einer Region z.B. durch den Austausch von Sprachen, Ethnien, Religionen, Kunst, Werten und gastronomischen Traditionen. Diversität ist dank verschiedener sozialer, wirtschaftlicher und politischer Prozesse möglich. Phänomene wie die Globalisierung, die industrielle und technologische Entwicklung haben die Migration gefördert und diese wiederum hat den kulturellen Austausch48, die Entwicklung und den sozialen Wandel erleichtert. In der Modewelt geht Diversität Hand in Hand mit Migration. Zusammen reflektieren, verbinden und erzeugen sie international Innovation und Akzeptanz. Sie übermitteln Geschichten und dienen als Ausdrucksmittel, ohne dabei Rasse, Herkunft oder Geschlecht zu beachten. In der Geschichte der Mode gab es zahlreiche erfolgreiche Immigranten, wie zum Beispiel Oscar de la Renta (Dominikanische Republik), (Abb. 7), Prabal Gurung (Nepal), (Abb. 8), Carolina Herrera (Venezuela) (Abb. 9) oder das 47 Vgl. Blumhardt, Olga/ Drinkuth, Antje. TRACES, Fashion and Migration. Fashion is Code. Berlin. Distanz Verlag. S. 7 48 Vgl.Ebd. In: < https://www.significados.com/diversidad-cultural/ > (18.April.2019, 12:03)
Cultural Traces Abb.10 27
britische Label JIGSAW, welches in der Herbst/Winter-Kampagne 2017 die Immigration in den Fokus stellt. “Als Modelabel könnten wir nicht tun, was wir tun, wenn sich die Menschen nicht frei bewegen dürften. Ohne Immigration würden wir Kartoffelsäcke verkaufen. Wir brauchen Schöngeister aus der ganzen Welt. Angst, Isolation und Intoleranz werden uns zurückhalten. Liebe, Offenheit und Zusammenarbeit werden uns nach vorn bringen.”49 (Abb. 10) (Übersetzung) “As a clothing brand we couldn´t do what we do if people were not free to move around. Without immigration, we´d be selling potato sacks. We need beautiful minds from around the world. fear, isolation and intolerance will hold us back. love, openness and collaboration will take us forward.” Außerdem muss hervorgehoben werden, dass die kulturelle Diversität, die wir heute erleben, wie bereits zuvor genannt, sowohl positive als auch negative Aspekte mit sich bringt. Im Bereich des Designs kann die vereinfachte Bewegung und kulturelle Annäherung, die es heute gibt, dazu führen, dass die transnationale und kulturelle Erfahrung ihren Wert verliert. Das bedeutet, dass es Fälle gibt, in denen kulturelle Aspekte wie z.B. Stil, Ethnien, Traditionen, Techniken und einzigartige Merkmale eines bestimmten Ortes als Inspiration von Designer genommen werden. Dies betrifft dann also die Authentizität des Orts und der Kultur auf Grund eines oberflächlichen Designs in den Händen von Designern und Marken, welche meinen, sich durch eine Reise genug inspiriert haben zu lassen. Zur Ergänzung dieses Kapitels werden vier Designer mit Migrations- hintergrund genauer betrachtet, um zu analysieren, ob sich ihre Wurzeln in ihren Designprozessen wiederspiegeln und sie der Modewelt so Diversität verleihen. Es soll hervorgehoben werden, dass sich Migrationshintergründe nicht immer in den kreativen Prozessen der Designer wiederspiegeln und dass es viele Variablen gibt, bei welchen dieser Aspekt keine Rolle spielt. 49Vgl. Featherstone, Emma. In: (01.05.19 / 22:26)
Cultural Traces Abb.12 29
“Wer Mode macht, wer Mode inszeniert, ist Geschichtenerzähler. Mode transportiert narrative, die ein bestimmtes […] Bild verstärken - oder es brechen.” 50 Bobby Kolade Sein Leben ist geprägt von kulturellen Erfahrungen, welche seine Art und Weise zu designen nachvollziehbar machen. Er wurde im Sudan geboren und wuchs in Uganda. Seit 2005 lebt und arbeitet er in Berlin, wo er auch studierte. Jedes Land, das Teil seiner Vergangenheit ist, hat sein Abb.10 Abb 11 Design beeinflusst, und zwar nicht nur in Bezug auf seine Herkunft, sondern auch auf seine kulturellen Erfahrungen. Jedes Land, jede Stadt seiner Vergangenheit wird zu dem Teil eines Puzzles, aus dem sich seine Identität zusammensetzt. Die besten Ideen bekommt er durch die genaue Betrachtung der Umgebung, „Mode ist eine Reaktion auf das, was man bei den Menschen in seinem Umfeld beobachtet. (…) In Berlin, in Lagos, egal wo, die Menschen haben überall einen ganz eigenen Umgang mit Bekleidung“. 51 Seine Arbeit stützt sich auf die Suche nach Wechselbeziehungen zwischen verschiedenen kulturellen Hinterlassenschaften, Ethnien und sozialen Konformitäten. Seine Kollektionen sind eklektisch, komplex und üppig. Kolade hält es für ein Geschenk, zwischen Ländern, Sprachen und Kulturen zu leben. Diese Erfahrungen und Erinnerungen der verschiedenen Kulturen sind für ihn Inspirationsquelle und ermöglichen ihm den Zugang zu einer Bandbreite an Themen, Personen und Farben.52 “Diversität ist elementar in der Gestaltung. Wenn man also selber einen diversen, einen bunten Hintergrund hat, ist das ein erheblicher Vorteil” (Abb.12,13,14,15,16)53 50 Ebd. Blumhardt, Olga / Drinkuth, Anje. S. 27 51 Ebd. Blumhardt, Olga / Drinkuth, Anje: Almeida Manuel, Mode und Migration. S. 121 52 Vgl. Ebd. 53 Abb. 12-16. http://bobbykolade.com/summer-15_lookbook (17.06.19. 9:18)
Cultural Traces 31
Abb.13-16
Cultural Traces Abb.18 33
Lala Berlin Hinter dem Label Lala Berlin steckt der kreative, geniale Geist der Kollektionen von Leyla Piedayesh. Sie wurde in Teheran geboren und migrierte mit neun Jahren mit ihren Eltern auf Grund politischer Probleme nach Deutschland. Sie studierte Interna- tional Business, aber mit 30 Jahren führte Abb. 17 sie ihr Weg zur Mode (Abb. 18). Sie stellte 2004 ihre erste Kollektion vor und sagt, dass sich in den Farben und Stilen ihrer Kollektionen die Schönheit ihres Herkunftslands Iran zeigt. Die Muster und Farben, die sie begleiten, seit sie ihr Label gegründet hat, stammen aus ihrer Vergangenheit. Mosaike, das traditionelle Handwerk, die Teppiche und Muster Irans sind Bilder ihrer Kindheit, die heute ihre Mode charakterisieren. Die schwarz-weißen Stoffe und Muster des traditionellen Kufiya-Schals (Abb.19) spielen eine wichtige Rolle in ihren Kollektionen (Abb. 20-22)54. Viele Menschen denken, dass die Designerin damit eine politische Botschaft überbringen will. Sie sagt jedoch, dass dieses Design nicht politisch ist, obwohl dieses traditionelle Element immer politische Assoziationen hervorruft.55 Piedayesh verbindet das grafische Muster des Schals mit ihren Erinnerungen, die sich gut in die Sprache der aktuellen Mode übersetzen lassen. Ihre Kollektionen sind beeinflusst von ihrer Gegenwart und Vergangenheit.56 Ihre Wurzeln vereint sie mit dem Berliner Stil, um so urbane, avantgardistische, elegante, moderne und feminine Kollektionen zu kreieren. Sie sagt, dass “It is a kind of mixed culture that i live in (…) maybe I brought the patterns and colors from Iran with me, but the silhouettes and looks are what I find in my surroundings”.57 54 Abb. 18. © BrauerPhotos. Lala Berlin, Berlin Fashion Week, Designer, Frühjahrsmode, Sommertrends 2016/2017, Sommermode Aus: http://diedietrich-magazin.de/5330-2/ 55 Vgl. Heise, Katrin. „Ich bin politisch – meine Mode auch?“ Aus:
Cultural Traces 35
Abb. 20-22
Cultural Traces Abb.24 37
Johanna Ortiz: “Sonne, Meer und Strand, sind immer der Horizont von Johana Ortiz“.58 Sie wurde in Cali, Kolumbien geboren. Sie studierte Modedesign in Florida und kehrte in ihr Geburtsland zurück, um ihr eigenes Modelabel zu gründen, welches sich 14 Jahre später für den internationalen Markt Abb.23 geöffnet hat. Ihre Teilnahme an Modenschauen in Paris und New York haben ihr internationale Bekanntheit verliehen und sie zur Botschafterin ihres Landes im Bereich des Designs gemacht. Ihre Ästhetik repräsentiert den lateinamerikanischen Stil, bunt und festlich. Ihre transnationalen Wurzeln und Erfahrungen hatten großen Einfluss auf ihre Kollektionen. Durch beides hat sie es geschafft, ein Gleichgewicht zwischen Eleganz, Sinnlichkeit und Festlichkeit zu finden. All dies sind Merkmale, mit welchen sie ihre Kollektionen beschreibt. Sie fügt hinzu, dass sie sich von der geografischen, natürlichen und kulturellen Vielfalt, die ihr die Umgebung in ihrem Herkunftsland bietet, inspirieren lässt. Tropische Landschaften, dramatische Berge, die vielfältige Flora und Fauna und vor allem die lateinamerikanische Frau sind Teil ihrer Designprozesse. In jeder Geschichte ihrer Kollektionen spiegeln sich ihre Wurzeln wider.59 Der Pazifik, die Karibik, die Flora und Fauna, der Stil der typischen Trachten, die Musik und die verschiedenen Ethnien die die kolumbianische Kultur bereichern, sind wesentliche Teile ihres Labels. (Abb. 24-28)60 58 Chioma, Nnadi. Johanna Ortiz, Fall 2019 Ready to wear 2019. Aus: (23.04.2019, 21:45) 59 Vgl. Pieri, Kerry. Brand Watch: Swooning for Johanna Ortiz. 2015 Aus: (23.04.2019, 22:03) 60 Abb. 24. Ortiz, Johanna. Resort 18 Abb. 25-26 Ortiz, Johanna. Spring-Sommer 16 Abb. 27-28 Ortiz, Johanna. Spring 19 Aus: https://www.vogue.com/fashion-shows/resort-2019/johanna-ortiz#all-seasons (17.06.19. 10:55)
Cultural Traces 39
Abb.25-28
Cultural Traces Abb.30 41
Silvia Tcherassi Die DNA des Labels von Silvia Tcherassi synthetisiert ihre lateinamerikanischen Wurzeln, ihre europäischen Vorfahren und ihre Beziehung zur Innovation.61 Sie wurde an der Karibikküste Kolumbiens geboren, studierte in Kolumbien und England, sie lebt in Miami und reist regelmäßig nach Italien, wo sie ihre Stoffe produzieren lässt. Abb. 29 Trotz der kulturellen Vielfalt, die sie erlebt hat, spiegelt ihr Stil das Wesen ihres Landes wider. „Ich lasse mich immer von der Kunst, der Architektur, der Natur, der Tradition und der Postmoderne inspirieren.“62 (Abb. 30-35)63 Sie studierte Innenarchitektur und Jahre später beschloss sie, ein Modelabel zu gründen. Ihre Philosophie brachte sie dazu, Kunst im Bereich der Mode und der Innenarchitektur zu zeigen. Sie geht davon aus, dass die verschiedenen Bereiche des Designs Mittel sind, um Kunst zu zeigen. „Es geht um guten Geschmack, Farben, Mischungen, Kombination und Vision.“64 Die Designerin hat neben ihrer eigenen Modemarke auch ein Boutique-Hotel in Cartagena. Die Grundlagen der Innenarchitektur ihres Hotels sind ihre bereits kreierten Kollektionen. Sie unterstützt, schätzt und integriert außerdem das kolumbianische Kunsthandwerk. Zusammen mit Kunsthandwerkern aus der Karibik-Region entwickelt sie ihre Accessoire- Linie (Abb. 36-37), die zum Teil sowohl für ihre Kollektion als auch für ihr Hotel dient (Abb. 38). Für die Herstellung werden traditionelle Techniken ihrer Herkunftsregion, der kolumbianischen Karibikregion, angewendet. 61 Vgl. Fanguin, Célestine. ¿Qui êtes-vous, Silvia Tcherassi? 2019 Aus: https://www.lofficiel.com/fashion/qui-etes-vous-silvia-tcherassi (01.05.2019, 13:43) 62 Ebd. 63 Abb. 30.35. Tcherassi, Silvia. Resort 20 Aus: https://www.silviatcherassi.com/collection/resort- 2020 (17.06.19. 12:04) 64 La Torre, Vincenzo. Colombia expande la expansión global de doyenne a través de Moda Operandi, y Cartagena, ciudad donde "respiras los colores y la música". Aus: (1.05.2019, 13:35)
Cultural Traces 43
Abb.31-35
Cultural Traces 45
Abb.36-38
Cultural Traces Abb.39-40 47
5. Kollektionskonzeption Cultural Traces 5.1 Hintergrund, Idee, Thema Das Interesse am Thema der kulturellen Phänomene besteht auf Grund der persönlichen Erfahrung mit Migration, der Annäherung an andere Kulturen und dem Herkunftsland, Kolumbien. Die eigenen Erlebnisse haben dazu geführt, dass persönlich das Phänomen der Transkulturation und die Wiederentdeckung kultureller Wurzeln persönlich erlebt wurden. Die Philosophie des Begriffs Transkulturation, also der Prozess des Kontakts von einer Kultur zur anderen, wird durch das Designkonzept der Kollektion „Cultural Traces“ sichtbar gemacht. Ziel dabei ist, eine Verschmelzung zweier Kleidungsstile zu erreichen. Jeder Stil stellt eine Eigenschaft zweier verschiedener Kulturen auf dem Modemarkt dar. Einer ist in den südamerikanischen Tropen (Kolumbien), der andere auf der nördlichen Welthalbkugel (Europa) situiert. In diesem Fall soll die Strandmode mit klassischer Mode in einer Resort-Collection verschmolzen werden. Der Begriff “Resort” ist in der Mode relativ neu. Im Laufe der Mode- geschichte gab es Zeiträume, in welchen der Sommerstil und die Vermischung von Strandmode und Prêt-à-Porter-Mode im gleichen Kontext verwendet wurden. So war es auch in den 20er Jahren (Abb. 39) mit dem Art-Déco oder nach dem Zweiten Weltkrieg in den 50er Jahren (Abb. 40), als sich die neuesten Modetrends aus der französischen Riviera dank der jährlichen Modenschau von Saint-Tropez in Europa und den USA verbreiteten.65 Zu Beginn des 21. Jahrhunderts entstand eine neue Mode-Kategorie: die Resort-Collections bzw. Cruise Collections. Diese Art von Kollektionen werden zwei Mal im Jahr nach der Herbst-/Winter- bzw. Frühjahr-/Sommer Kollektion vorgestellt. Sie kombinieren die Frühjahrs- und Sommermode. Sie richten sich an Käufer, die entweder in Küstengebieten wie z.B. 65Vgl. Stevenson, Nj. Die Geschichte der Mode, Stile, Trends und Stars. Haupt Verlag 2011 Ivy Press limited. S. 93. 162.
Cultural Traces Abb.41-42 49
Marbella, den Bahamas, Palm Beach, Malibu, oder den griechischen Inseln leben oder an diejenigen, die in der Wintersaison ihren Urlaub in tropischen Gebieten verbringen. Heutzutage steht diese Art der Kollektionen, dank der Globalisierung, das ganze Jahr zur Verfügung und richtet sich an alle Arten von Käufern. Für diese Kollektionen lassen sich die Modehäuser und Designer meistens vom nautischen Stil, dem Leben am Meer, Sommerliebeleien und der Natur des Ozeans und seiner Küsten inspirieren. Der Pazifische Ozean und das Karibische Meer dienten als Inspirationsquelle für die Resort Collection „Cultural Traces“. Durch die Einbeziehung der kolumbianischen Küsten, stellt die Designerin eine persönliche Verbindung zu den Wurzeln und Erinnerungen der Vergangenheit her. Die Karibik- und Pazifikküste (Abb. 41-42) befinden sich an zwei gegensätzlichen Punkten der gleichen geografischen Region. Beide dienen als Bezugspunkt, um eine Verschmelzung oder einen Übergangsprozess von einer Küste zur anderen zu schaffen, so wie es die Philosophie des Transkulturations-Begriffs vorgibt. Die Farbe, Formsprache und der Stil der Kollektion gehen außerdem von der Analyse der Inspiration aus. Aspekte wie zum Beispiel die Natur, die Umgebung, kulturelle Merkmale, die diese Küsten umringen, sind Teil der Entwicklung der formellen Kriterien der Kollektion.
Cultural Traces Abb.43 51
5.2 Formale Kriterien 5.2.1 Formsprache Die Formsprache entwickelte sich durch die Analyse der Inspiration und der Philosophie des Kulturkonzepts Transkulturation. Die Erforschung des Meers, seiner Umgebung, seine Zustände und Bewegungen, verleihen dieser Kollektion den Stil (Abb. 43). Sie setzt sich zusammen aus linearen Schnittformen, welche den klassischen Stil der nördlichen Welthalbkugel repräsentieren. Diese lösen sich auf in einheitlichen Linien, die das Ambiente und den Stil der Tropen darstellen. Ein wichtiges Element der Kollektion ist die Integration drapierter Volants, die in ihrem Umfang und ihrer Form variieren. Einige zeigen weniger Bewegung und repräsentieren den introvertierten und ruhigen Stil des Pazifiks, andere mit mehr Umfang repräsentieren die Extrovertiertheit, Festlichkeit und Auffälligkeit der Karibik. Diese haben in Kombination mit den verschiedenen Weiten der Kollektion das Ziel, Bewegung und das Gefühl von Freiheit zu erzeugen, dass die Inspiration bietet. Es ist zu betonen, dass die Integration von Volants aus der Analyse der verschiedenen typischen Kleider der verschiedenen Regionen Kolumbiens, aber auch Lateinamerikas und Spaniens hervorgeht. 5.2.2 Farbkonzept Die Kollektion bewegt sich auf einer Skala neutraler Farben mit maritimen Akzenten. Es ist eine Kollektion aus tiefblauen Farben, Licht und Schatten. Das Farbenspektrum geht von Schwarz über Blautöne und schließt mit Weiß ab. Die Farben wurden auf Grundlage der Inspiration ausgewählt: Pazifik und Karibik. Sie repräsentieren die Natur und das Wesen jener Orte. Schwarz und Dunkelblau stehen für die Tiefe und die Weite des Pazifischen Ozeans. Hellblau (Print) und Weiß stehen für das Karibische Meer, die Transparenz und Ruhe des Wassers. Die Farbpalette unterstreicht den maritimen Stil der Kollektion.
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