Darstellung von Modalverben in einschlägigen Grammatiken am Beispiel von Eisenberg (1989) und Engel (1988)
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Textmuster – © Daniel Händel 2003-2015 (daniel.haendel@rub.de) 1|5 1 Darstellung von Modalverben in einschlägigen Grammatiken am Beispiel von Eisenberg (1989) und Engel (1988) Zur Klassifizierung beziehungsweise Definition der Klasse der Modalverben gibt es diver- se Ansätze. Im Folgenden werden zwei dieser Ansätze kurz erläutert. 1.1 Die Klasse der Modalverben nach Eisenberg (1989) Nach Eisenberg (1989) gibt es eine begrenzte Zahl von Modalverben, nämlich dürfen, können, mögen, müssen, sollen und wollen. Diese sechs Verben gehören für ihn zweifels- frei zu den Modalverben; es gibt aber auch einige Verben, „die manchmal zu den Modal- verben, manchmal zu den Hilfs- oder Vollverben gerechnet werden“ (Eisenberg 1989:99): brauchen, möchten, nicht brauchen, lassen und werden plus Infinitiv. Die Diskussion, ob beziehungsweise warum diese Verben (nicht) zu den Modalverben gerechnet werden müssen, muss jedoch in der vorliegenden Arbeit ausgeblendet werden; beschrieben wer- den demnach die sechs zuerst genannten Verben. Als ein herausragendes, dennoch nicht hinreichendes Merkmal zur Klassifizierung der Modalverben sieht Eisenberg die Tatsache an, „daß sie einen reinen Infinitiv als Ergän- zung nehmen“ (Eisenberg 1989:99), d.h. einen Infinitiv ohne Infinitivpartikel zu. Hinzu kommt, dass Modalverben das Subjekt nicht regieren, d.h. die Subjekte stehen in keiner semantischen Dependenzbeziehung zum Verb.1 Vielmehr sind „[a]ls Subjekte […] in Sät- zen mit Modalverben […] genau die Ausdrücke zugelassen, die der Infinitiv zuläßt“, und zudem „nimmt der Infinitiv in Modalsätzen auch alle Objekte, die aufgrund seiner Valenz zugelassen oder gefordert sind.“ (Eisenberg 1989:103) Für eine intensionale Definition ist dies allerdings nicht ausreichend, da auch andere Verben die oben genannten Merkmale aufweisen. Deshalb treten neben die beiden ge- nannten, auf der Ebene der Verbvalenz angesiedelten Merkmale noch drei Flexionsmerk- male: das Fehlen einer Imperativform im Flexionsparadigma, die „häufig[e]“ (Eisenberg 1989:100) Verwendung des reinen Infinitiv Präsens für die Bildung der zusammengesetz- ten Zeiten sowie die Tatsache, dass Modalverben Präteritopräsentia sind. 1 Syntaktisch notwendig ist die Kongruenz in Bezug auf Numerus und Person.
Textmuster – © Daniel Händel 2003-2015 (daniel.haendel@rub.de) 2|5 Offenbar scheint gerade das zuletzt genannte Merkmal für Eisenberg von großer Be- deutung zu sein, denn er beurteilt es folgendermaßen: Zu den Präteritopräsentia gehören mit einer Ausnahme nur die Modalverben. Das einzige Vollverb in dieser Gruppe ist wissen […] Die Modalverben konservieren Tei- le eines alten Konjugationsmusters, das sonst fast ganz verschwunden ist. Die Eigen- heiten des Formensystems entstehen nicht durch Bildung neuer Formen, sondern da- durch, daß bestimmte allgemein wirksame Veränderungen im Konjugationssystem einer Verbklasse nicht mitgemacht werden. Man nennt diesen Vorgang Isolierung. Isolierung ist einer der wichtigsten Vorgänge bei der Herausbildung neuer gramma- tischer Kategorien oder kategorialer Verschiebungen […]. (Eisenberg 1989:101) Beide Merkmalsbündel zusammen reichen Eisenberg aus, um seine eingangs genannte Gruppe von sechs Modalverben zu legitimieren. Eisenberg arbeitet zudem noch die folgenden syntaktischen Merkmale der Modalver- ben heraus: (1.1) Modalverben verhalten sich nur in einigen Aspekten wie Hilfsverben (zu Kongru- enz und Rektion vgl. S. 1). Ein Teil der Modalverben nimmt dass-Sätze als Objekte (mögen, wollen; Eisenbergs Subklasse MV12); der andere Teil nimmt dass-Sätze als Subjekte (müssen, können, sollen, dürfen; MV2). Deshalb ist es nicht gerechtfertigt, Modalverben als „Bestandteil zusammengesetzter Verbformen“ anzusehen. (Eisen- berg 1989:105) (1.2) Die Verben der Subklasse MV1 können Akkusative als Objekte nehmen und sind eingeschränkt passivfähig; anders ausgedrückt: sie verhalten sich wie transitive Verben. (Beispiele: Eisenberg 1989:105) (EB1) Sie mag Himbeereis. (EB2) Er will den besten Startplatz. (EB3) Der Friede wird von allen gewollt. Die Verben der Subklasse MV2 hingegen verhalten sich wie intransitive Verben. Diese beiden syntaktischen Auffälligkeiten erklärt Eisenberg mit Hilfe des Begriffs des Handlungsziels, erweitert durch die Begriffe der Obligationsquelle und des Obligations- 2 Dazu gehört auch noch möchten, das hier nicht berücksichtigt wird. Ausnahme: Besteht zwischen Verb- formen von mögen und möchten Formenäquivalenz (etwa im Partizip Perfekt), wird die entsprechende Form miteinbezogen.
Textmuster – © Daniel Händel 2003-2015 (daniel.haendel@rub.de) 3|5 ziels. Relevant erscheinen hier die beiden zuletzt genannten Begriffe, die Eisenberg fol- gendermaßen definiert: Derjenige, der ein Handlungsziel setzt, ist die Quelle der Obligation. Derjenige, auf den sich die Obligation richtet, also der potentiell Handelnde, ist das Ziel der Ob- ligation. (Eisenberg 1989:105) Bei Sätzen mit Verben der Subklasse MV1 sind Obligationsziel und Subjekt identisch; und da Obligationsziele in der Regel nur von Personen (oder Institutionen) gesetzt werden können, ist einsichtig, warum das Subjekt nicht durch einen dass-Satz repräsentiert wer- den kann. Anders bei Sätzen mit Verben aus Subklasse MV2: hier liegt die Obligations- quelle außerhalb des Satzes und ist nicht identisch mit dem Subjekt, sodass folgerichtig dass-Sätze Subjektfunktion annehmen können. Dass hingegen MV2-Verben durchaus einen dass-Satz als Subjekt nehmen können, be- gründet Eisenberg anhand seiner Beispiele: alle von ihm gegebenen Beispielsätze haben als verbale Ergänzung das Kopulaverb sein in der Bedeutung von ‘es ist der Fall’, zum Beispiel: (EB4) Dass du bleibst, muss sein. (Eisenberg 1989:104) Eisenberg vertritt die Ansicht, dass [d]ie Verben aus MV2 […] daß-Subjekte zu[lassen], weil bei ihnen auch das Ziel der Obligation nicht explizit genannt sein muß. Die Bedeutung dieser Verben ist abstrak- ter als die von wollen, mögen oder möchten. Bei müssen, dürfen, sollen und können kann sozusagen vom Menschen ganz abgesehen werden, die Bedeutung dieser Verben kann abstrakt sein bis hin zu einer Funktion als Operator über potenti- ellen Sachverhalten. (Eisenberg 1989:107) Das Problem mit der Möglichkeit von dass-Sätzen in Objektrolle bei MV1 löst Eisenberg durch die Einbeziehung des Obligationsziels: Fallen Obligationsquelle und Obligationsziel nicht zusammen, und sollen beide im Satz genannt werden, dann muss das Obligations- ziel notwendig durch einen dass-Satz integriert werden. Bei MV2 bestehe dieses Problem deshalb nicht, weil das Obligationsziel vom Subjekt bezeichnet werde; die Obligations- quelle müsse entweder offen bleiben oder „mit einem vom Verb unabhängigen Adverbi- alsatz“ (Eisenberg 1989:106) bezeichnet werden. Ein dass-Satz komme deshalb nicht in Frage, weil ein solcher das Handlungsziel bezeichne.
Textmuster – © Daniel Händel 2003-2015 (daniel.haendel@rub.de) 4|5 1.1.1 Semantische Funktion der Modalverben Eisenberg unterscheidet zwei verschiedene Verwendungsweisen von Modalverben: infe- rentielle Verwendung und nicht-inferentielle Verwendung. Er macht dies an Satzpaaren des Typs (EB5) Er dürfte das gemerkt haben. (EB6) Er durfte das behalten. deutlich (Eisenberg 1989:101), wobei (EB5) inferentiell (auch: subjektiv, pragmatisch; vgl. Eisenberg 1989:102) sei: Der Sprecher hat irgendwelche, im Modalsatz aber nicht genannte Gründe für das Zutreffen des bezeichneten Sachverhaltes und legt dem Adressaten damit nahe, den Sachverhalt ebenfalls als zutreffend anzusehen. (Eisenberg 1989:102) Zudem liege in Sätzen solchen Typs „ein spezifischer Bezug auf die Sprechsituation“ vor, der Sprecher verleihe „seiner Meinung Ausdruck und [behauptet] nicht einfach etwas“. (Eisenberg 1989:102) Nicht-inferentiell (auch: objektiv) sei hingegen (EB6). 1.1.2 Diskussion und Kommentar Aufgrund des Vorgehens entsteht der Eindruck, dass Eisenberg zunächst die Klasse der Modalverben extensional definiert, d.h. durch Aufzählen ihrer Elemente, und erst dann versucht, die gemeinsamen Eigenschaften der Elemente zu definieren (intensionale Defi- nition). Dieses Vorgehen ist allerdings insofern fragwürdig, als er sich bei der extensiona- len Definition nicht auf eine allgemein anerkannte Klassenelementschaft berufen kann (wie er auch selbst anmerkt, vgl. Eisenberg 1989:99). Insgesamt scheint mir Eisenbergs Darstellung der Eigenschaften der Modalverben dennoch zutreffend zu sein; bei der intensionalen Definition ist allerdings ein Punkt frag- würdig. Denn die drei Flexionsmerkmale, die Eisenberg nennt, sind eigentlich nur zwei: Als hieb- und stichfestes Argument fällt heraus, dass etwas „häufig“ (Eisenberg 1989:100) vorkommt wie die Bildung der zusammengesetzten Zeiten mit Hilfe des reinen Infinitiv Präsens anstelle des Partizips Perfekt. Es handelt sich hierbei nicht um systemisch-regel-
Textmuster – © Daniel Händel 2003-2015 (daniel.haendel@rub.de) 5|5 haftes, sondern um sporadisches Auftreten, und deshalb kann dies nicht als Eigenschaft angesehen werden, die zur Definition einer Klasse herangezogen werden kann. 1.2 Die Klasse der Modalverben nach Engel (1988) 1.2.1 Zur Einteilung der Wortklassen bei Engel (1988) [...]
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