DAS GLYPHOSAT-VERBOT IN HINBLICK AUF DEN GESUNDHEITSSCHUTZ UND DIE BEGRENZUNG DER GRUNDFREIHEITEN

Die Seite wird erstellt Vicky Lauer
 
WEITER LESEN
DAS GLYPHOSAT-VERBOT IN HINBLICK AUF DEN GESUNDHEITSSCHUTZ UND DIE BEGRENZUNG DER GRUNDFREIHEITEN
Eingereicht von
                                        Busra Keskin

DAS GLYPHOSAT-VERBOT                    Angefertigt am
                                        Institut für Europarecht

IN HINBLICK AUF DEN                     Beurteiler / Beurteilerin
                                        Assoz.     Univ.-Prof.    Dr.

GESUNDHEITSSCHUTZ                       Franz Leidenmühler

UND DIE BEGRENZUNG
                                        Jänner 20

DER GRUNDFREIHEITEN

Diplomarbeit
zur Erlangung des akademischen Grades

Magistra der Rechtswissenschaften
im Diplomstudium

Rechtswissenschaften

                                        JOHANNES KEPLER
                                        UNIVERSITÄT LINZ
                                        Altenberger Straße 69
                                        4040 Linz, Österreich
                                        jku.at
                                        DVR 0093696
EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG
Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig und ohne fremde
Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt bzw. die wörtlich
oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe.

Die vorliegende Diplomarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument identisch.

Linz, 30.01.2020                                                Unterschrift

                                                                                              2/30
Inhaltsverzeichnis

I.    Einleitung ............................................................................................................................ 5

1.    Aufbau der Arbeit-Überblick .................................................................................................. 5

2.    Definitionen Glyphosat, Pflanzenschutzmittel ....................................................................... 5

      a)    Anwendung ................................................................................................................... 5

3.    Themeneinführung................................................................................................................ 6

      a)    Vorgeschichte ................................................................................................................ 7

II.   Pflanzenschutzmittelzulassung ......................................................................................... 9

1.    Zulassungs- und Genehmigungsverfahren ........................................................................... 9

      a)    Wirkstoffgenehmigung Glyphosat ................................................................................ 10

           (1) „Durchführungsverordnung (EU) 2017/2324 der Kommission vom 12. Dezember
                2017-Sonderbestimmungen .................................................................................... 11

2.    Rechtsgrundlagen der Pflanzenschutzmittelzulassung ....................................................... 12

      a)    Zulassung und Zulassungserneuerung glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel ........... 12

3.    Rechtsgrundlagen und Verfahren: Höchstmengen von Pestizidrückstände ........................ 13

      a)    Gesetzliche Regelung der Rückstandhöchstgehalte (MRLs) von Glyphosat in Lebens-
            und Futtermittel............................................................................................................ 15

III. Nationaler Alleingang ....................................................................................................... 16

1.    Nationaler Alleingang hinsichtlich der Beschränkung der Höchstmenge ............................. 17

IV. Nationale Beschränkungen von Glyphosat .................................................................... 18

1.    Bundesländer ..................................................................................................................... 18

      a)    Kompetenzen .............................................................................................................. 18

      b)    Gesetze ....................................................................................................................... 18

      c)    Verordnungen .............................................................................................................. 19

2.    Gemeinden ......................................................................................................................... 19

V.    Beschränkung der Grundfreiheiten ................................................................................. 21

1.    Gesundheitsschutz und Gesundheitspolitik der Union ........................................................ 21

      a)    nationaler Alleingang - BGBl. I Nr. 79/2019 ................................................................ 22

2.    Unionsrechtskonformität eines Totalverbots von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln . 23

                                                                                                                                        3/30
3.    Unionsrechtliche Rahmenbedingungen bzgl. Zulassungs- und Anwendungsbeschränkungen
      glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel ............................................................................... 24

VI. Rechtsfolgen bei Verletzung des Unionsrechtes ........................................................... 26

VII. Fazit ................................................................................................................................... 27

VIII. Literatur– und Quellenverzeichnis .................................................................................. 28

                                                                                                                                          4/30
I. Einleitung

1. Aufbau der Arbeit-Überblick

Die vorliegende Diplomarbeit befasst sich mit dem Wirkstoff Glyphosat, insbesondere mit den
europarechtlichen und nationalen Regelungen. Europäische und österreichische Vorschriften
regeln Einstufung, Registrierung, Melde-, Informations- und Kennzeichnungspflichten sowie die
Grenzen einer Beschränkung. Anfangs werden die gesetzlichen Grundlagen der Zulassung und
Genehmigung von Glyphosat sowie die hierzu entsprechenden Verfahren dargestellt. Im
Anschluss werden die unionsrechtlichen Möglichkeiten für ein Totalverbot und allfälliger
Verwendungsbeschränkungen glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel analysiert. Hierbei werden
außerdem die nationalen Regelungen in Österreich, die Beschränkung der Grundfreiheiten samt
dem Gesundheitsschutz erläutert.

2. Definitionen Glyphosat, Pflanzenschutzmittel

Zunächst ist zwischen Wirkstoffen und Pflanzenschutzmitteln zu unterscheiden. Gemische,
bestehend     aus   zumindest    einem    Wirkstoff    und   weiteren       Zusatzstoffen   werden
Pflanzenschutzmittel   (Pestizide)   genannt.   Jene    Komponente,         die   Schädlinge   oder
Pflanzenkrankheiten effektiv beseitigen, werden Wirkstoffe genannt.1
Glyphosat wurde in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre von Monsanto als Wirkstoff unter dem
Namen Roundup zur Unkrautbekämpfung auf dem Markt eingeführt. „Es ist die biologisch
wirksame Hauptkomponente einiger Breitband- bzw. Totalherbizide“.2 Breitband- oder
Totalherbizide wirken gegen sehr viele Pflanzen im Gegensatz zu selektiven Herbiziden, die nur
gegen bestimmte Pflanzen wirken. Herbizide oder Unkrautbekämpfungsmittel werden vor allem
                                                                        3
in der Landwirtschaft zum Abtöten von störenden Pflanzen verwendet.

a) Anwendung
Der Anwendungsbereich umfasst Landwirtschaft, Gartenbau, Industrie und Privathaushalte. Die
Vermarktung und Verwendung erfordert eine Zulassung. Glyphosat gehört zu den überwiegend
verwendeten Herbiziden in der EU. Da Glyphosat nicht selektiv wirkt, sterben alle damit
behandelten Pflanzen ab, ausgenommen gentechnisch veränderte Nutzpflanzen, die Herbizid
resistent sind.4

1 Vgl. Europäische Kommission, “MITTEILUNG DER KOMMISSION über die Europäische Bürgerinitiative
„Verbot von Glyphosat und Schutz von Menschen und Umwelt vor giftigen Pestiziden“,
https://ec.europa.eu/transparency/regdoc/rep/3/2017/DE/C-2017-8414-F1-DE-MAIN-PART-1.PDF,
aufgerufen am 25.11.2019.
2 https://de.wikipedia.org/wiki/Glyphosat#cite_note-R%C3%B6mppGlyphosat-5, aufgerufen am

22.11.2019.
3 Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Herbizid, aufgerufen am 22.11.2019.
4 Vgl. https://roempp.thieme.de/roempp4.0/do/data/RD-07-01586, aufgerufen am 25.11.2019.

                                                                                               5/30
3. Themeneinführung

Das Pflanzenschutzmittel Glyphosat wurde erstmals im Jahr 1974 auf den Markt gebracht. Seit
dem Jahr 1948 müssen sämtliche Pflanzenschutzmittel in Österreich ein Zulassungsverfahren
durchlaufen, welches mit dem EU-Beitritt dem europäischen System angeglichen wurde. Im Zuge
der periodischen Neubewertung aller Wirkstoffe in der EU, wurde auch der Wirkstoff Glyphosat
am 27. November 2017 für zusätzliche fünf Jahre innerhalb der Union genehmigt.5

Aufgrund des Verdachtes, dass der Wirkstoff Krebserregend sei, wurde durch einen
Abänderungsantrag in Österreich, das Inkrafttreten des Glyphosat-Verbots mit 1. Jänner 2020
festgesetzt.6 Das Bundesgesetz, zur Änderung des Pflanzenschutzmittelgesetzes 2011, wurde
am 31. Juli 2019 kundgemacht. Inhalt der Änderung ist ein auf das Vorsorgeprinzip gestütztes
Verbot, dieses untersagt das in Umlauf bringen von Pflanzenschutzmitteln, die glyphosathaltig
sind.

Gemäß dem „Kapitel 1 Artikel 1 Absatz (4) der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 vom 21. Oktober
2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinie
79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates“7 beruhen die Regelungen der Verordnung auf dem
Vorsorgeprinzip, dadurch soll die Beeinträchtigung der Gesundheit von Tier, Umwelt und Mensch
durch in     Umlauf   gebrachte Wirkstoffe bzw.       Ergebnisse verhindert werden.          Besteht
wissenschaftliche Ungewissheit, hinsichtlich einer derartigen Beeinträchtigung bzw. Gefahr, ist es
den Mitgliedsstaaten überlassen, das Vorsorgeprinzip anzuwenden.
Der Nationalrat begründet seine Entscheidung gestützt auf folgende Forschungsergebnisse:

    1. Die     „International    Agency      for    Research      on     Cancer         (IARC)    der
        Weltgesundheitsorganisation (WHO)“8 stufte Glyphosat als vermutlich karzinogen für
        Menschen ein. (März 2015)
    2. Die    EU-Chemikalienbehörde       ECHA     befand    Glyphosat    als   nicht     karzinogen,
        erbgutverändernd und fruchtbarkeitsschädigend. Jedoch als augenreizend und toxisch für
        Wasserorganismen samt langwierigen Folgen. (März 2017)

5 Vgl. Universität für Bodenkultur Wien/ AGES GmbH,19.11.2019,11,
https://www.bmnt.gv.at/dam/jcr:acbc2379-c87b-4448-81e3-
e70fe73fe0e2/Endbericht_Glyphosat_Forschungsprojekt_Nr_101347_08_2019_b.pdf, aufgerufen am
19.11.2019.
6 Vgl. https://www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2019/PK0767/index.shtml, aufgerufen am 19.11.2019.
7 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009

über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und
91/414/EWG.
8 https://www.iarc.fr/, aufgerufen am 27.01.2020.

                                                                                                 6/30
Jedenfalls sei Glyphosat eine Gefahr für die Umwelt. Trotz der andauernden Zweifel und dem
Expertenstreit hinsichtlich der kanzerogenen Auswirkung von Glyphosat für Menschen wurde es
am 27. November 2017 für zusätzliche fünf Jahre innerhalb der EU wieder zugelassen.9

a) Vorgeschichte

Erstzulassung bis 30. Juni 2012
Mit der „RL 2001/99/EG der Kommission vom 20. November 2001 zur Änderung von Anhang I
der   vorangegangenen         RL   91/414/EWG    des   Rates   über   das   Inverkehrbringen    von
                         10
Pflanzenschutzmitteln“ wurde in den Anhang I Glyphosat hinzugefügt. Anschließend wurde der
Wirkstoff Glyphosat mit der RL 2001/99 vom 1. Juli 2002 bis zum 30. Juni 2012 zugelassen.

Verlängerung bis 31. Dezember 2015
Durch einen Erneuerungsantrag innerhalb einer Frist von mindestens zwei Jahre vor Ablauf des
Aufnahmezeitraums wurde die Eintragung von der Kommission durch die RL 2010/77/EU bis zum
31. Dezember 2015 verlängert.
Mit der VO (EG) Nr. 1107/2009 vom 21. Oktober 2009 wurde die erste RL 91/414/EWG
aufgehoben. Die Wirkstoffe, neben anderen auch Glyphosat, die diese VO genehmigte, sind
ebenfalls in der entsprechenden D-VO (EU) Nr.540/2011 vom 25. Mai 2011 aufgeführt.

Verlängerung bis 30. Juni 2016
Am 20. Dezember 2013 haben die berichterstattenden Mitgliedsstaaten Deutschland und die
Slowakische Republik einen Entwurf des Bewertungsberichts bezüglich der Erneuerung bzw.
Verlängerung der Glyphosatzulassung vorgelegt.
Die Kommission beauftragte am 29. April 2015 die EFSA, die Ergebnisse der IARC über das
Krebserzeugungspotential       von   Glyphosat   zu    untersuchen    und    berücksichtigen.   Die
Gültigkeitsdauer der Zulassung von Glyphosat wurde bis zum 30. Juni 2016 verlängert. Die EFSA
gab in ihrer Schlussfolgerung bekannt, dass „Glyphosat wahrscheinlich kein Krebsrisiko für den
Menschen darstellt“11.

Zusätzlich holte man die Genehmigung und Beurteilung folgender Ausschüsse: den Ausschuss
für Tiere, Pflanzen, Lebens- und Futtermittel und den für die Risikobeurteilung zuständigen

9 Vgl. https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/A/A_00018/fname_675994.pdf, 2017, aufgerufen am
20.11.2019.
10 Richtlinie 2001/99/EG der Kommission vom 20. November 2001 zur Änderung von Anhang I der

Richtlinie 91/414/EWG des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln zur Aufnahme der
Wirkstoffe Glyphosat und Thifensulfuron-methyl, ABI 2001 L304
11 https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?qid=1571241229765&uri=CELEX:62018TO0125, RZ

19, aufgerufen am 21.11.2019.

                                                                                                7/30
Ausschuss der europäischen Chemikalienagentur (ECHA). Dazwischen wurde mit der
Durchführungs-VO (EU) 2015/1885 die Dauer der Genehmigung bis zum 30. Juni 2016 verlängert.
Die ECHA hat ihre Stellungnahme, dass die Einstufung von Glyphosat als krebserregend nicht
gerechtfertigt sei, der Kommission zum 15. Juni 2017 übermittelt.

Verlängerung bis 15. Dezember 2017
In der Zwischenzeit wurde, da der Ausschuss der ECHA (Risikobeurteilung) noch keine
Stellungnahme abgab, die Glyphosatgenehmigung durch die D-VO (EU) 2016/1056 das dritte Mal
bis zum 15. Dezember 2017 verlängert.

Am 6. Oktober 2017 wurde eine Bürgerinitiative mit dem Ziel eines Verbots von Glyphosat bei der
Kommission eingereicht. Diese Bürgerinitiative wurde mit der Begründung, dass es keine
wissenschaftlichen Beweise gebe, die der Genehmigung von Glyphosat entgegenstehen,
abgelehnt.

Verlängerung bis 15. Dezember 2022
Die Kommission verlängerte mit Erlass der D-VO (EU) 2017/2324 die Genehmigung des
Wirkstoffes Glyphosat bis 15. Dezember 2022.12

Österreich
Die Novelle BGBI. Nr. 79/2019 wurde erstmals aufgrund eines Initiativantrags erlassen, durch sie
wurde der § 18 Abs. 10 Pflanzenschutzmittelgesetz 2011 eingefügt. Allerdings waren für das
Inkrafttreten keine besonderen Regelungen vorgesehen. Deshalb wurde durch einen
Abänderungsantrag der § 17 Abs. 5 in das Pflanzenschutzmittelgesetzes 2011 hinzugefügt.
Dadurch sollten die Erfordernisse des Notifizierungsgebots der EU (RL (EU) 2015/1535) erfüllt
werden.   Der   Bundespräsident     beurkundete    am    15.07.2019    den   Gesetzesbeschluss.
Anschließend wurde die Novelle BGBL. I Nr. 79/2019 am 31.07.2019 kundgemacht.13
Inkrafttreten hätte es am 1. Jänner 2020 sollen.14 Das Bundesgesetz wurde von der
Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein nicht kundgemacht und trat somit nicht in Kraft. Begründet wurde
dies mit der fehlenden Notifikation des Gesetzesentwurfes. Näheres hierzu in Kapitel 5. 1. a).

12 Vgl. https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?qid=1571241229765&uri=CELEX:62018TO0125,
2019, aufgerufen am 21.11.2019.
13 Vgl. Universität für Bodenkultur Wien/ AGES GmbH, 2020,4-5,

https://www.bmnt.gv.at/dam/jcr:acbc2379-c87b-4448-81e3-
e70fe73fe0e2/Endbericht_Glyphosat_Forschungsprojekt_Nr_101347_08_2019_b.pdf, aufgerufen am
21.11.2019.
14 Vgl. https://www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2019/PK0767/index.shtml, 2019, aufgerufen am

19.11.2019.

                                                                                             8/30
II. Pflanzenschutzmittelzulassung

1. Zulassungs- und Genehmigungsverfahren

Die   europarechtliche    Grundlage     für   die   Wirkstoffgenehmigung-      und    zulassung    von
Pflanzenschutzmitteln ist die „VO (EG) Nr. 1107/2009 über das Inverkehrbringen von
Pflanzenschutzmitteln“15. Alle genehmigten Wirkstoffe werden unter Einbeziehung aller EU-
Mitgliedsstaaten periodisch neuerlich bewertet und überprüft. Geprüft wird, ob sie auf dem jeweils
neuesten Stand der Wissenschaft und Technik sind. Die diesbezüglichen Verfahren sind in den
Durchführungsverordnungen (EU) Nr.1141/201016 und (EU) Nr.844/201217 der Kommission
ausgeführt. Die für den Wirkstoff erforderlichen Dokumente sowie Angaben sind in der VO (EU)
Nr. 283/201318 bestimmt. Zusätzlich wurden Guidance documents (Leitfäden) erstellt mit
Ausführungen zu Datenanforderungen, Bewertungsverfahren und Testmethoden.

Das Zulassungsverfahren ist ein dreistufiger Prozess. Als Erstes wird auf EU-Ebene unter
Beteiligung aller MS die Risikobewertung und Genehmigung des Wirkstoffes, die Festsetzung der
Rückstandhöchstmenge und die Einordnung und Bezeichnung der Wirkstoffe beschlossen.
Danach erfolgt die Risikobewertung des Pflanzenschutzmittels mit dem Wirkstoff, dies geschieht
auf zonaler EU-Ebene durch berichterstattende MS wobei Österreich in der mittleren Zone liegt.
Abschließend führt die AGES eine ergänzende Risikobewertung des Pflanzenschutzmittels für
Österreich durch. Die BAES lässt dann das Pflanzenschutzmittel für Österreich zu.

Die Beurteilung und Genehmigung von Wirkstoffen beginnt, in der Union, mit der Einreichung
eines umfangreichen Datenpakets durch den Antragsteller (berichterstattender Mitgliedsstaat).
Der Antragsteller hat hier gesetzlich vorgeschrieben standardisierte Studien einzureichen und
bereits veröffentlichte Studien zu recherchieren und berücksichtigen. Ein detaillierter
Bewertungsbericht (Prüfung der Studien, Risikobewertung) wird vom hauptverantwortlichen
Mitgliedsstaat (Rapporteur Member State) verfasst. Hierzu koordiniert die EFSA, zur Klärung

15 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009
über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und
91/414/EWG.
16 Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1141/2010 der Kommission vom 7. Dezember 2010 zur Festlegung

des Verfahrens für die erneute Aufnahme einer zweiten Gruppe von Wirkstoffen in Anhang I der Richtlinie
91/414/EWG des Rates und zur Erstellung der Liste dieser Wirkstoffe.
17 Durchführungsverordnung (EU) Nr. 844/2012 der Kommission vom 18. September 2012 zur Festlegung

der notwendigen Bestimmungen für das Erneuerungsverfahren für Wirkstoffe gemäß der Verordnung
(EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von
Pflanzenschutzmitteln.
18 Verordnung (EU) Nr. 283/2013 der Kommission vom 1. März 2013 zur Festlegung der

Datenanforderungen für Wirkstoffe gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen
Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln.

                                                                                                  9/30
offener Fragen Expert Meetings mit den Mitgliedsstaaten. Zusätzlich werden digitale Kommentare
durch MS, Antragsteller und Öffentlichkeit berücksichtigt. Der finale Bericht wird von den MS und
der   EFSA    überprüft   (Peer   Review).    Danach   erarbeitet   die    EU-Kommission       einen
Entscheidungsvorschlag zur Genehmigung des Wirkstoffes. Mit Beteiligung aller MS im ständigen
Ausschuss für Tiere, Pflanzen, Lebens- und Futtermittel wird schließlich über die diesbezüglichen
Gesetzestexte abgestimmt. Die Genehmigung kann Auflagen und Bedingungen unterliegen. Nach
spätestens 10 Jahren werden die genehmigten Wirkstoffe einer Neubewertung unterzogen.19

Kommerzielle Pflanzenschutzmittel, die genehmigte Wirkstoffe enthalten, werden von den MS
zugelassen, wenn sie bestimmte Bedingungen erfüllen. Sie dürfen bei sach-- und
bestimmungsgemäßer Verwendung keine negativen Folgen für Menschen, Tiere (z. B. über
Futter- und Lebensmittel, Trinkwasser), Umwelt (z. B. über Wasser, Boden, Luft, Tiere, Pflanzen)
und   auf    das   Grundwasser    aufweisen    außerdem     müssen        sie   unter   realistischen
Anwendungsbedingungen ausreichend wirkungsvoll sein und gegenüber Kulturpflanzen keine
Unverträglichkeit aufweisen. Die EU wurde zur Entlastung des Genehmigungsverfahrens in die
Verwaltungszonen Norden, Zentrum und Süden unterteilt.20

a) Wirkstoffgenehmigung Glyphosat

Die neuerliche Genehmigung von Glyphosat erfolgte am 27. November 2017 durch die D-VO (EU)
2017/2324 der Kommission, für weitere fünf Jahre. Dies erfolgte auf Vorschlag der Kommission,
dem die MS mit qualifizierter Mehrheit zustimmten. Nach der Veröffentlichung im Amtsblatt der
Union trat sie am darauf folgenden Tag in Kraft. Die Verordnung ist verbindlich und in jedem MS
seit dem 16. Dezember 2017 unmittelbar gültig.

19 Vgl. Universität für Bodenkultur Wien/ AGES GmbH, 2019, 24,
https://www.bmnt.gv.at/dam/jcr:acbc2379-c87b-4448-81e3-
e70fe73fe0e2/Endbericht_Glyphosat_Forschungsprojekt_Nr_101347_08_2019_b.pdf, aufgerufen am
28.11.2019.
20 Vgl. www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/ATAG/2019/630356/EPRS_ATA(2019)630356_DE.pdf,

aufgerufen am 28.11.2019.

                                                                                               10/30
(1) „Durchführungsverordnung (EU) 2017/2324 der Kommission vom 12. Dezember 2017-
    Sonderbestimmungen

    Nur Anwendungen als Herbizid dürfen zugelassen werden.

    Bei der Anwendung der einheitlichen Grundsätze gemäß Artikel 29 Absatz 6 der Verordnung
     (EG) Nr. 1107/2009 sind die Schlussfolgerungen des Überprüfungsberichts über Glyphosat
     und insbesondere dessen Anlagen I und II zu berücksichtigen.

    Bei dieser Gesamtbewertung achten die Mitgliedstaaten insbesondere auf Folgendes:

       - den Grundwasserschutz in gefährdeten Gebieten, insbesondere im Hinblick auf
         Anwendungen in Nicht-Kulturland,

       - den Schutz gewerblicher und nichtgewerblicher Verwender,

       - das Risiko für Landwirbeltiere und nicht zu den Zielgruppen gehörende terrestrische
         Pflanzen,

       - die Bedrohung der Vielfalt und Abundanz von Nichtziel-Landarthropoden und -
         Landwirbeltieren durch trophische Wechselwirkungen,

       - die Einhaltung der guten landwirtschaftlichen Praxis bei der Verwendung vor der Ernte.

    Die Anwendungsbedingungen müssen gegebenenfalls Maßnahmen zur Risikobegrenzung
     umfassen.

    Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Verwendung von Glyphosat enthaltenden
     Pflanzenschutzmitteln in den bestimmten Gebieten gemäß Artikel 12 Buchstabe a der
     Richtlinie 2009/128/EG minimiert wird.

    Die Mitgliedstaaten gewährleisten die Gleichwertigkeit der Spezifikationen des
     gewerbsmäßig hergestellten technischen Materials und der Spezifikationen des in den
     toxikologischen Studien verwendeten Testmaterials.

    Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Glyphosat enthaltende Pflanzenschutzmittel nicht den
     Beistoff POE-Tallowin (CAS-Nr. 61791-26-2) enthalten.“ 21

21Durchführungsverordnung (EU) 2017/2324 der Kommission vom 12. Dezember 2017 zur Erneuerung
der Genehmigung des Wirkstoffs Glyphosat gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des
Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur
Änderung des Anhangs der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011 der Kommission.

                                                                                             11/30
2. Rechtsgrundlagen der Pflanzenschutzmittelzulassung

Wie bereits erläutert, erfolgt nach Genehmigung des Wirkstoffes die Zulassung des
Pflanzenschutzmittels durch die BAES mittels Bescheid. Zugelassene Pflanzenschutzmittel sind
in einem Pflanzenschutzmittelregister eingetragen. Die rechtliche Grundlage bilden in Österreich
die Pflanzenschutzmittelverordnung 201122 und das Pflanzenschutzmittelgesetz 201123 gestützt
auf die entsprechenden Durchführungsverordnungen der VO (EG) Nr. 1107/2009.

Die Bedingungen der Zulassung sind in der VO (EG) Nr. 1107/2009 im Art 29 festgelegt.
Kurzgefasst müssen die im „Pflanzenschutzmittel enthaltenen Wirkstoffe, Safener und
Synergisten genehmigt“24 sein. Ihre bei Zulassung entstehenden toxikologisch, ökologisch oder
ökotoxikologische relevante Rückstände und Verunreinigungen sollen durch geeignete Methoden
feststellbar sein. Ebenfalls müssen „unter Berücksichtigung des neuesten Stands von
Wissenschaft und Technik die Genehmigungskriterien für Wirkstoffe25“ gemäß Art 4 Abs. 3 der
VO     erfüllt   sein.   Diese   sind   im   letzten   Absatz   des   Unterpunkts   Zulassungs-     und
Genehmigungsverfahren (II. 1.) zusammengefasst.

a) Zulassung und Zulassungserneuerung glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel

Alle   durch      das    BAES    zugelassenen      und    geprüften   Pflanzenschutzmittel   sind    im
Pflanzenschutzmittelregister aufgelistet. Mit Stand Dezember 2019 sind 41 Produkte mit dem
Wirkstoff Glyphosat in Österreich zugelassen. Glyphosathaltige Produkte dürfen in Österreich seit
August 2016 nicht den Beistoff Tallowamin beinhalten. Zusätzlich wurde 2013 mit der Novelle zum
Pflanzenschutzmittelgesetz („Sikkations-Verbot“)26 auf Bundesebene rechtliche Einschränkungen
eingeführt. Somit ist die „Abtötung von Kulturpflanzen zur Reifebeschleunigung vor der Ernte
verboten, sofern das Erntegut für Lebens- oder Futtermittelzwecke bestimmt ist.“27 Ebenfalls ist
die unmittelbare Anwendung auf versiegelten Flächen unzulässig.

22 BGBl. II 2011/233 idgF.
23 BGBl. I 2011/10 idgF.
24 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009

über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und
91/414/EWG.
25 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009

über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und
91/414/EWG.
26 BGBl. I 2013/143.
27 https://www.ages.at/service/service-presse/pressemeldungen/verbraucherinnen-information-zu-

glyphosat/wiedergenehmigung/, aufgerufen am 01.12.2019.

                                                                                                  12/30
Gemäß den Artikeln 43 und 20 der VO (EU) 1107/2009 erfolgt eine Zulassungserneuerung erst
mit Einbringung eines Antrags vom Zulassungsinhaber beim BAES, jenes innerhalb der drei
Monate Frist nach der Genehmigungserneuerung von Glyphosat zu stellen ist. Widrigenfalls endet
die Genehmigung innerhalb eines Jahres (zum Verbrauch der Lagerbestände) mit dem Auslaufen
der vorangegangenen Genehmigung des Wirkstoffes. Ausgenommen die Nichterneuerung betrifft
den Gesundheitsschutz oder den Umweltschutz dann ist das Produkt sofort vom Markt zu
nehmen. Für 30 Produkte wurden rechtzeitig Erneuerungsanträge gestellt (Österreich).

3. Rechtsgrundlagen und Verfahren: Höchstmengen von Pestizidrückstände

National zuständig ist das Bundesministerium für Soziales, Arbeit, Konsumenten und
Gesundheitsschutz. Zur Regelung lebensmittelrechtlicher Vorschriften und zur Erstellung des
österreichischen Lebensmittelbuches (Codex Alimentarius Austriacus) wurde dem zuständigen
Bundesminister zur Unterstützung die Codexkommission eingerichtet. RHG wurden national
durch die Schädlingsbekämpfungsmittel-Höchstwertverordnung geregelt. Diese wurde aber mit
der EU-weiten Harmonisierung der RHG teilweise außer Kraft gesetzt.

International Zuständig ist die WHO/FAO Codex Alimentarius. Da die Grenzwerte für RHG je nach
Land variieren können, legt das „Codex Committee on Pesticide Residues“ „Codex Maximum
Residue Limits (MRLs)“28 also RHGs fest. Die MRLs sollen mögliche Handelshemmnisse im
internationalen Handel, die aus national unterschiedlich geregelten RHGs resultieren könnten,
verhindern. Die MRLs sind nicht rechtlich bindend. Für die Risikobeurteilung ist das „Joint
WHO/FAO Meeting on Pesticide Residues“ zuständig.

Die Regelung auf EU-Ebene erfolgt durch Setzung von gesetzlichen Grenzwerten, den Maximum
Residue Levels (MRLs/RHG) für Pestizidwirkstoffe, diese sind in der EU-Pestiziddatenbank
abrufbar. Zuständig für die Risikobeurteilung ist hier die EFSA.29

Laut   der    „Richtlinie     91/414/EWG    des    Rates     über    das    Inverkehrbringen     von
                         30
Pflanzenschutzmitteln“         hat   die    öffentliche    Gesundheit       Vorrang      vor    dem
Pflanzenschutzinteresse. Die „Verordnung (EG) Nr. 396/2005“31 wurde aufgrund der öffentlichen
Gesundheit, der Warenverkehrsfreiheit, eines hohen Verbraucherschutzniveaus und gleicher

28 http://www.fao.org/fao-who-codexalimentarius/codex-texts/maximum-residue-limits/en/, aufgerufen am
27.01.2020.
29 Vgl. https://www.sozialministerium.at/Themen/Gesundheit/Verbrauchergesundheit/Pestizid-Rückstände-

in-Lebens--und-Futtermitteln.html, aufgerufen am 10.12.2019.
30 ABl. L 230 vom 19.8.1991, S. 1. Richtlinie zuletzt geändert durch die Richtlinie 2004/99/EG der

Kommission (ABl. L 309 vom 6.10.2004, S. 6).
31 Verordnung (EG) Nr. 396/2005 des europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Februar 2005

über Höchstgehalte an Pestizidrückständen in oder auf Lebens- und Futtermitteln pflanzlichen und
tierischen Ursprungs und zur Änderung der Richtlinie 91/414/EWG des Rates.

                                                                                               13/30
Wettbewerbsbedingungen für die MS erlassen. Vor allem ist dies für das Funktionieren und
Harmonisieren des Binnenmarktes von Bedeutung. Die VO ist unmittelbar in jedem Mitgliedsstaat
verbindlich. Durch die VO werden einheitliche Rückstandshöchstgehalte (Maximum Residue
Levels-MRL) für Pestizide in Lebens- und Futtermitteln, tierischen und pflanzlichen Ursprungs
festgesetzt. Bei den MRLs handelt es sich um die nach dem EU-Recht erlaubten
Rückstandhöhen, die Produkte nach ordnungsgemäßer Bearbeitung mit Pflanzenschutzmitteln
aufweisen dürfen. Eine Überschreitung der MRLs führt nicht direkt zu einer gesundheitlichen
Gefährdung, sondern zu einer Gesetzesübertretung. Werden jedoch die MRLs eingehalten, kann
es nicht zu einer Gefährdung der Gesundheit kommen.

Die Festlegung oder Änderung einer Rückstandhöchstmenge kann z. B. aufgrund eines
Zulassungsantrages für ein neues Pflanzenschutzmittel erfolgen. Weitere Antragsberechtigte und
Gründe sind im Artikel 6ff der VO 396/2005 angegeben. Zunächst führt die EFSA eine
Risikobewertung durch um das Rückstandverhalten des Mittels und etwaige Gesundheitsrisiken
für Konsumenten durch Rückstände in Lebensmitteln zu ermitteln. Werden im Zuge dieser
Bewertung       keine      inakzeptablen        Risiken      festgestellt,    können           mit     der
Pflanzenschutzmittelzulassung unionsweit harmonisierte RHG erlassen werden.

Die Risikobewertung erfolgt indem die mögliche Exposition (MRL) den Referenz-Werten (ADI,
ARfD) gegenübergestellt wird. Die Expositionsgrenzwerte sind die kurzzeitige Akute-
Referenzdosis (ARfD) und die langfristige Acceptance Daily Intake-Werte (ADI). Hier wird die
einmalige und die lebenslange Aufnahme von Pflanzenschutzmittelrückständen über die Nahrung
ermittelt. Die Aufnahmemenge des Rückstandes durch die Nahrung muss geringer als die
Grenzwerte ARfD und ADI sein. 32 Genauere Erläuterung der Werte unter Unterpunkt a).
In die EU importierte Waren müssen ihre Unbedenklichkeit hinsichtlich des Konsumentenschutzes
anhand einer Risikobewertung nachweisen können. Importtoleranzen ergeben sich entweder
durch Stellung eines individuellen RHG-Antrags gemäß Art 6 Absatz 2 VO (EG) Nr. 396/2005 oder
durch Übernahme der von der „Codex Alimentarius Commission der WHO (FAO)“33 festgesetzten
„Codex Maximum Residue Limits“.34

Kommt es zu einer Überschreitung der Aufnahmewerte und ist sofortiges Handeln erforderlich,
verweist Art 35 der VO (EG) 396/2005 im Sinne eines Risikomanagements auf die
Sofortmaßnahmen der Art 53 und 54 der VO (EG) Nr. 178/2002. Diese wären unter anderem die

32 Vgl. https://www.efsa.europa.eu/de/topics/topic/pesticides, aufgerufen am 15.12.2019.
33 http://www.fao.org/fao-who-codexalimentarius/thematic-areas/pesticides/en/, aufgerufen am
27.01.2020.
34 http://www.fao.org/fao-who-codexalimentarius/thematic-areas/pesticides/en/, aufgerufen am

15.12.2019.

                                                                                                     14/30
Aussetzung der Verwendung und des Inverkehrbringens, die Verringerung der Mengen oder die
Festlegung von Bedingungen für das fragliche Produkt.35

a) Gesetzliche Regelung der Rückstandhöchstgehalte (MRLs) von Glyphosat in Lebens-
   und Futtermittel

Wie bereits erläutert, wird bei der Festlegung der MRLs darauf geachtet, dass die Referenzwerte
ADI und ARfD nicht überschritten werden.
Der ADI-Wert (Acceptance Daily Intake) ist jene Substanzmenge, die ein Verbraucher nach
aktuellem Wissensstand täglich und lebenslang ohne das ein Gesundheitsrisiko daraus erkennbar
ist aufnehmen kann. Für Glyphosat gilt ein Wert von 0,5 mg/kg Körpergewicht.
Die ARfD ist jene Substanzmenge, die einmalig/über einen kurzen Zeitraum (an einem Tag oder
einer einzelnen Mahlzeit) ohne Gesundheitsrisiko aufgenommen werden kann. Der ARfD-Wert für
Glyphosat beträgt hier ebenfalls 0,5 mg/kg Körpergewicht.36
Die gesetzliche MRL Grenze von 0,1 mg/kg gilt für pflanzliche Lebensmittel für die eine
Anwendung von Glyphosat nicht zulässig ist oder bei Bearbeitung mit Glyphosat keine
nachweisbaren Rückstände erkenntlich sein sollten (z. B. Obst und Gemüse). Für Hülsenfrüchte,
Ölsaaten und Getreidearten sind MRLs von 10 oder 20 mg/kg festgelegt. Die Regelungen für
Lebensmittel gelten auch für Futtermittel, die wie Lebensmittel verzehrbar sind. Die gesetzliche
MRL Grenze für tierische Produkte (z. B. Honig) beträgt 0,05 mg/kg und für Trinkwasser 0,1 µg/l.37

Strengeren Regelungen unterliegt die biologische Landwirtschaft, hier ist der Einsatz
glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel nicht erlaubt. Der Wert von 0,01 mg/kg darf bei
Rückstandkontrollen nicht überschritten werden. Widrigenfalls wird angenommen das entgegen
der VO (EG) Nr. 834/2007 (Öko/Bio-VO) produziert wurde. Eine Eingrenzung der Sikkation
erfolgte in Österreich mit Erlass des Agrarrechtsänderungsgesetzes 2013. Dieses verbietet die
Sikkation von Erntegut die zur Futter- und Lebensmittelerzeugung dient. Importierte Waren aus
Drittstaaten   oder   anderen    EU-Ländern     sind   von    dieser   nationalen   Beschränkung
ausgenommen.38

35 Vgl. Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002
zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung
der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur
Lebensmittelsicherheit.
36 http://www.efsa.europa.eu/de/press/news/151112, aufgerufen am 20.12.2019.
37 Vgl. Universität für Bodenkultur Wien/ AGES GmbH, 2019, 85-86,

https://www.bmnt.gv.at/dam/jcr:acbc2379-c87b-4448-81e3-
e70fe73fe0e2/Endbericht_Glyphosat_Forschungsprojekt_Nr_101347_08_2019_b.pdf, aufgerufen am
22.12.2019.
38 Vgl. Universität für Bodenkultur Wien/ AGES GmbH, 2019, 85-86,

https://www.bmnt.gv.at/dam/jcr:acbc2379-c87b-4448-81e3-
e70fe73fe0e2/Endbericht_Glyphosat_Forschungsprojekt_Nr_101347_08_2019_b.pdf, aufgerufen am
22.12.2019.

                                                                                             15/30
III. Nationaler Alleingang

Eine einheitliche Rechtsanwendung ist für das Funktionieren der Union unerlässlich. Gemäß dem
Art 4 Abs.3 EUV verpflichten sich die MS, alle Maßnahmen, die die Verwirklichung der Unionsziele
                                                                                           39
gefährden könnten zu unterlassen, wie zum Beispiel unionsrechtswidrige Regelungen.              Somit
hat unmittelbar anwendbares Unionsrecht Anwendungsvorrang vor nationalem Recht.
Widerspricht also das nationale Recht dem Unionsrecht oder ist eine unionsrechtskonforme
Auslegung nicht möglich, wird es insoweit vom unmittelbar anwendbaren Unionsrecht verdrängt.
Der Anwendungsvorrang ist ausnahmsweise ausgeschlossen, wenn ein nationaler Alleingang
zugelassen wird.
Ein nationaler Alleingang ist z. B. gemäß Art. 114 Abs. 4 AEUV zugelassen, wenn dies durch
„wichtige Erfordernisse im Sinne des Artikels 36 oder in Bezug auf den Schutz der Arbeitsumwelt
oder den Umweltschutz gerechtfertigt“40 ist. Wichtige „Erfordernisse iSd Art 36 AEUV sind: die
öffentliche Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit, zum Schutze der Gesundheit und des Lebens von
Menschen, Tieren oder Pflanzen, des nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem
oder archäologischem Wert oder des gewerblichen und kommerziellen Eigentums“.41 Die Gründe
für die Beibehaltung der einzelstaatlichen Bestimmung sind der Kommission mitzuteilen. Das gilt
auch   für   Bestimmungen      gemäß     Art   114   Absatz    5   AEUV,   die   nach   Erlass    der
Harmonisierungsmaßnahmen neu eingeführt werden sollen.
Hierbei hat es sich um „auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse gestützte einzelstaatliche
Bestimmungen zum Schutz der Umwelt oder der Arbeitsumwelt aufgrund eines spezifischen
Problems für diesen Mitgliedstaat“,42 handeln.
Anschließend beschließt die Kommission nach einer Prüfung die Bestimmung zu billigen oder
abzulehnen. Wird von der Kommission innerhalb der sechs Monate Frist kein Beschluss erlassen,
gelten die Bestimmungen als gebilligt.43 Die nationale Bestimmung darf, vor der Billigung, nicht
angewandt werden („Sperrwirkung“).44

39 Vgl. Artikel 4 Absatz 3 EUV.
40 Artikel 114 Absatz 4 AEUV.
41 Artikel 36 AEUV.
42 Artikel 114 Absatz 5 AEUV.
43 Vgl. Artikel 114 Absatz 6 AEUV.
44 Vgl. EuGH, C-41/93, Frankreich/Kommission, Slg 1994, I-1829, Rz 30.

                                                                                                16/30
1. Nationaler Alleingang hinsichtlich der Beschränkung der Höchstmenge

Durch die VO (EG) Nr. 396/2005 wurden die Höchstmengen EU-weit harmonisiert. Eine nationale
Beschränkung der Höchstmenge würde ein unzulässiges Handelshemmnis in der Union
bedeuten. Des Weiteren müssten importierte Produkte aus Drittländern weiterhin akzeptiert
werden, da ihre Werte Großteils von der WHO/FAO festgelegt sind und die internationalen
Verträge und Verpflichtungen von Österreich einzuhalten sind. Eine Herabsetzung der RHG
würde in der Hinsicht nicht viel ändern.45

Wie bereits im zweiten Absatz des Kapitel 2 Punkt 3 erwähnt, ergeben sich die Höchstmengen
der VO (EG) 396/2005 aus einer umfangreichen Risikobewertung. Ein bewertender Mitgliedsstaat
müsste einen begründeten Antrag auf Herabsetzung der RHG stellen. Dieser Antrag hat iSd
harmonisierten Risikobewertung ein möglicherweise durch die Rückstände von Glyphosat
ausgehendes Risiko zu bezeichnen. Die Referenz–Werte von Glyphosat wurden durch das
Erneuerungsverfahren erhöht, weshalb für die Verbraucher ein Gesundheitsrisiko aus
Rückständen nicht erkennbar ist. Allfällige Gefährdungsmerkmale sind zur Begründung der
Entscheidung bezüglich der RHG nicht ausreichend.46

45 Vgl. Universität für Bodenkultur Wien/ AGES GmbH, 2019, 30,
https://www.bmnt.gv.at/dam/jcr:acbc2379-c87b-4448-81e3-
e70fe73fe0e2/Endbericht_Glyphosat_Forschungsprojekt_Nr_101347_08_2019_b.pdf, aufgerufen am
02.01.2020.
46 Vgl. Universität für Bodenkultur Wien/ AGES GmbH, 2019, 30,

https://www.bmnt.gv.at/dam/jcr:acbc2379-c87b-4448-81e3-
e70fe73fe0e2/Endbericht_Glyphosat_Forschungsprojekt_Nr_101347_08_2019_b.pdf, aufgerufen am
02.01.2020.

                                                                                         17/30
IV. Nationale Beschränkungen von Glyphosat

1. Bundesländer

a) Kompetenzen

Zur Pflanzenschutzmittelzulassung ist nach Art. 10 Abs. 1 Z. 12 B-VG47 der Bund zuständig. In
dem    Zulassungsbescheid       eines   konkreten   Pflanzenschutzmittels   werden    vom    BAES
Verwendungsbeschränkungen festgelegt. Gewisse Verwendungsbeschränkungen sind gem. Art.
31 EU Pflanzenschutzmittel-VO in Folge der Zulassung zu regeln. Diese sind das
Anwendungsgebiet, der Verwendungszweck, die Anforderungen für die Verwendung und das
Inverkehrbringen (Bsp. Durchführungs-VO (EU) 2017/2324 für Glyphosat, siehe II. (1)), die
Höchstdosis/Hektar, die Höchstzahl für die Anwendung/Jahr und die Zeitspanne zwischen der
letzten Verwendung und der Ernte.48 Weitere Verwendungsbeschränkungen, für dessen
Festlegung der Bund zuständig ist, ist der Gewässerschutz.

Nach Art 12 Abs. 1 Z. 4 B-VG galt für Verwendungsregelungen von zugelassenen
Pflanzenschutzmitteln eine geteilte Kompetenz. Die Grundsatzgesetzgebung war der Kompetenz
des Bundes zugeteilt und die Länder waren zur Ausführungsgesetzgebung und Vollziehung
ermächtigt. Jedoch ist seit dem 01. Jänner 2020 der Art 12 Abs. 1 Z 4 B-VG aufgehoben.49 Nun
sind die Länder nach Art 15 Abs. 1 B-VG für Gesetzgebung und Vollziehung „zum Schutz der
Pflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge“ zuständig, solange Angelegenheiten bezüglich
Pflanzenschutzmittel nicht explizit dem Bund zugewiesen sind. Die Länder sind an die vom Bund,
in Folge der Zulassung festgelegten Vorschriften, gebunden. Verwendungsbeschränkungen, die
dem Schutz der Natur dienen wie z. B. die Sicherung der Artenvielfalt, fallen gem. Art. 15 B-VG in
die Zuständigkeit der Länder.

b) Gesetze

In    den   Landes-Pflanzenschutzmittelgesetzen      sind   kaum    konkrete    Regelungen        der
Verwendungsbeschränkungen der Pflanzenschutzmittel enthalten. Grundsätzlich beinhalten sie
Verordnungsermächtigungen zur Erlassung näherer Vorschriften und Regelungen. Die in der

47 Bundesverfassungsgesetz (B-VG), BGBl. 1930/1 idF. BGBl. I 2019/14.
48 Vgl. Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober
2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien
79/117/EWG und 91/414/EWG.
49 Vgl. BGBl. I 2019/14.

                                                                                             18/30
Regel   ermächtigte     Landesregierung   kann      dann    entsprechend   den    im     Landes–
                                                                                 50
Pflanzenschutzmittelgesetz festgelegten möglichen Inhalt Verordnungen erlassen.

c) Verordnungen

Wie bereits erwähnt, ist vorgesehen, dass Anwendungsbeschränkungen für Pflanzenschutzmittel
durch Landesverordnungen, aufgrund des Pflanzenschutzmittelgesetzes oder des Naturschutz-,
Wasser- und Bodenschutzgesetzes, erlassen werden. Die aufgrund der Naturschutzgesetze
erlassenen Naturschutzgebietsverordnungen sehen Bewilligungspflichten oder Verbote für die
Verwendung von Pflanzenschutzmitteln in den geschützten Gebieten vor.
Betreffend     Glyphosat      haben       bis       jetzt   nur     Vorarlberg        („allgemeine
Verwendungsbeschränkungen“51) und Kärnten („Verbot der Verwendung an bestimmten
öffentlichen Orten“52), aufgrund der Pflanzenschutzmittelgesetze, Verordnungen erlassen.
Kärnten hat zusätzlich auf Grundlage des Naturschutzgesetzes die Pflanzenartenschutz-VO und
die Tierartenschutz-VO (Verbot in der freien Landschaft Pflanzenschutzmittel einzubringen)
eingeführt. Generell umfassen die bestehenden Verwendungsbeschränkungen folgende
Bereiche:53

 nicht-berufliche und private Bereiche (Haus- und Kleingärten);
 Naturschutzgebiete;
 von schutzbedürftigen Personengruppen und der Allgemeinheit frequentierte öffentliche Orte;
 zum Pflanzenschutz bzw. Pilze und Tierarten und zur Gewährleistung des Artenschutzes;
 die Ausbringungsart (z. B. mit Luftfahrzeugen).

2. Gemeinden

Gemeinden können nur im Rahmen ihrer privatwirtschaftlichen Tätigkeit auf Glyphosat verzichten.
Unter die Privatwirtschaftsverwaltung fallen insbesondere öffentliche Grünflächen (Bsp.
Parkanlagen, Spielplätze, Schulen etc.) nicht jedoch die private Verwendung in der
Landwirtschaft. Eine generelle Untersagung bzw. hoheitliche Regulierung des Einsatzes von

50
   Vgl. Universität für Bodenkultur Wien/ AGES GmbH, 2019, 33-34,
https://www.bmnt.gv.at/dam/jcr:acbc2379-c87b-4448-81e3-
e70fe73fe0e2/Endbericht_Glyphosat_Forschungsprojekt_Nr_101347_08_2019_b.pdf, aufgerufen am
15.01.2020.
51 Pflanzenschutzmittelverordnung, LGBl. 2014/15 idF. LGBl. 2018/58.
52 VO zur Beschränkung der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln LGBl. 2018/11.
53
   Vgl. Universität für Bodenkultur Wien/ AGES GmbH, 2019, 47,
https://www.bmnt.gv.at/dam/jcr:acbc2379-c87b-4448-81e3-
e70fe73fe0e2/Endbericht_Glyphosat_Forschungsprojekt_Nr_101347_08_2019_b.pdf, aufgerufen am
15.01.2020.

                                                                                            19/30
Glyphosat im Gemeindegebiet durch die Gemeinde ist, aufgrund der hierzu fehlenden Kompetenz
nicht    möglich.    Daher     wird    versucht     mit    der   Hilfe    von    Bewusstseinsbildung           und
Informationskampagnen den Einsatz von Glyphosat zu verringern.

Gemäß Art. 118 Abs. 2 B-VG können die Gemeinden privatwirtschaftliche Betätigungen
unabhängig und weisungsfrei ausüben (Selbstverwaltungsrecht). Hierbei haben sie sich an die
legislativen Vorgaben auf Bundes- und Landesebene zu halten. Diese wären folgende Verbote:
Der Einsatz auf versiegelten Flächen und die Anwendung an gewissen öffentlichen Orten, die
sensible Personengruppen und die Allgemeinheit frequentieren. Ausgenommen dieser rechtlich
vorgegebenen Beschränkungen, ist ein Glyphosat-Verzicht der Gemeinden grundsätzlich
freiwillig. Ein freiwilliger Glyphosat-Verzicht kann erfolgen durch:

 einen Gemeinderatsbeschluss;
 eine      mündliche        Weisung        des     Bürgermeisters/der          Bürgermeisterin          an     die
     BauhofmitarbeiterInnen; oder
 informell (ohne bes. rechtliche Grundlage).54

Laut Greenpeace verzichten bereits über 700 der 2095 österreichischen Gemeinden auf
Glyphosat im Rahmen ihrer privatwirtschaftlichen Gemeindearbeiten.55

        Glyphosatfrei
        Teilweise Glyphosatfrei
        Verwendet Glyphosat

           Abb. 1 Gemeinden in Österreich die auf Glyphosat verzichten (Quelle: Greenpeace Österreich)

54
   Vgl. Universität für Bodenkultur Wien/ AGES GmbH, 2019, 39-43,
https://www.bmnt.gv.at/dam/jcr:acbc2379-c87b-4448-81e3-
e70fe73fe0e2/Endbericht_Glyphosat_Forschungsprojekt_Nr_101347_08_2019_b.pdf, aufgerufen am
15.01.2020.
55 Vgl. Greenpeace, Glyphosat Gemeinde-Check, https://glyphosat.greenpeace.at/glyphosat-gemeinde-

check/, aufgerufen am 15.01.2020.

                                                                                                              20/30
V. Beschränkung der Grundfreiheiten

1. Gesundheitsschutz und Gesundheitspolitik der Union

Die Gewährleistung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus gehört zu den Aufgaben der EU.56
Im Vertrag von Amsterdam ist festgelegt, dass die Regelung des nationalen Gesundheitswesens
in der Verantwortung der Nationalstaaten liegt. Grundsätzlich gilt das Subsidiaritätsprinzip, die EU
darf nur dann Eingreifen, wenn die Lösung einer Angelegenheit auf nationaler Ebene nicht möglich
ist. Die Verhältnismäßigkeit muss überdies gewahrt werden. Beispielsweise ist dies der Fall, bei
der Bekämpfung und Prävention von Gesundheitsgefahren die grenzüberschreitend sind und bei
Maßnahmen zur Bestimmung hoher Sicherheits- und Qualitätsstandards hinsichtlich des
Gesundheitsschutzes im Bereich des Pflanzenschutzes. Ist das Funktionieren des Binnenmarktes
betroffen, ist die Angleichung der mitgliedsstaatlichen Rechtsvorschriften durch die Gesetzgebung
der EU möglich.57

Der EU ist, durch den Art. 168 AEUV, für das Gesundheitswesen, eine Kompetenz zugewiesen.
Betrifft es jedoch den „Schutz und Verbesserung der menschlichen Gesundheit“58, liegt eine
ergänzende Kompetenz gem. Art 6 AEUV vor. Nach dem Art. 6 AEUV kann die EU
unterstützende, koordinierende und ergänzende Maßnahmen (mit europäischer Zielsetzung)
erlassen. Der Kompetenztatbestand des Art. 168 AEUV ermöglicht verschiedene Maßnahmen der
EU. Maßnahmen, die auf die Binnenmarktkompetenz gestützt sind können ebenfalls
Gesundheitsziele      verfolgen.   Die   Bestimmung     des    Gesundheitsschutzniveaus       einer
Binnenmarktmaßnahme erfolgt anhand des Verhältnismäßigkeitsprinzips. Die europäische
Umwelt-    und      Gesundheitspolitik   sieht   das   Vorsorgeprinzip    als   Ausprägung      des
Verhältnismäßigkeitsprinzips.59 Laut der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs können
Schutzmaßnahmen, gemäß dem Vorsorgeprinzip, „auch dann getroffen werden, wenn sich die
Durchführung einer möglichst umfassenden wissenschaftlichen Risikobewertung in Anbetracht
der besonderen Umstände des konkreten Falles wegen der Unzulänglichkeit der verfügbaren
wissenschaftlichen Daten als unmöglich erweist“.60
Näheres hierzu unter Punkt 2 Absätze 2 - 4.

56 Vgl. Art. 9 AEUV.
57 Vgl. https://www.sozialministerium.at/Themen/Gesundheit/Gesundheitssystem/Gesundheitspolitik-in-
der-EU-und--im-internationalen-Kontext-(WHO).html, aufgerufen am 18.01.2020.
58 Art. 6 lit. a AEUV.
59 Vgl. Klamert, EU-Recht2 (2018) Rz 468,490, 805-809.
60 EuGH 09.09.2003, C-236/01, Monsanto Rz 112,

http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=48362&pageIndex=0&doclang=DE&mod
e=req&dir=&occ=first&part=1, aufgerufen am 18.01.2020.

                                                                                              21/30
a) nationaler Alleingang - BGBl. I Nr. 79/2019

Die Novelle BGBl. I Nr. 79/2019 fügte in das Pflanzenschutzmittelgesetz 2011 den § 18 Abs. 10
ein, welches aufgrund des Vorsorgeprinzips, das Inverkehrbringen von glyphosathaltigen
Pflanzenschutzmitteln verbietet.61

Gemäß der Informationsrichtlinie (EU) 2015/1535 sollen die Europäische Kommission und die
betroffenen MS, über geplante technische Vorschriften durch die Übermittlung von Entwürfen
Kenntnis       erlangen.    Dadurch       sollen       Behinderungen    der      Warenverkehrs-      und
Dienstleistungsverkehrsfreiheit und der Niederlassungsfreiheit verhindert werden.62 Die
Umsetzung dieser Richtlinie ist in Österreich mittels dem Notifikationsgesetz 199963 und der
Notifikationsverordnung64 erfolgt. Gemäß dem § 2 Notifikationsgesetz 1999 ist „der Entwurf einer
technischen Vorschrift“65, die im Kompetenzbereich der Bundesverwaltung ausgearbeitet wurde
vor dem Erlass, der EU-Kommission zur Notifikation vorzulegen. Die Novelle BGBl. I Nr. 79/2019
basiert auf einen Initiativantrag. Ihr Entwurf wurde also nicht durch Bundesverwaltungsbehörden,
sondern      von    Gesetzgebungsorganen           erstellt.   Zur   Anwendung     kommt    nicht    das
                                                                              66
Notifikationsgesetz 1999, sondern die RL (EU) 2015/1535 (Art. 5 und 6).

Die Notifikation der Novelle erfolgte am 28. August 2019 durch das Parlament. Die europäische
Kommission antwortete auf die Notifizierung gem. Art 5 Abs. 2 RL (EU) 2015/1535, mit den
folgenden Bemerkungen. Da die Notifikation nicht in der Entwurfsphase (vor ihrer Annahme)
erfolgte, liegt ein Verstoß gegen die Notifizierungspflicht nach der RL (EU) 2015/1535 vor.
Zusätzlich sei die aufschiebende Klausel im notifizierten Text unrechtmäßig und stelle ebenfalls
einen Verstoß gegen die Notifizierungspflicht dar. Die Kommission weist darauf hin, dass derartige
Verstöße zu einem Vertragsverletzungsverfahren nach dem Art. 258 AEUV führen könnten. Eine
Stellungnahme zum Inhalt der Novelle bzw. des Bundesgesetzes gab die Kommission nicht ab.

Eine ordnungsgemäße Notifizierung im Sinne der RL (EU) 2015/1535 ist wegen der Vorlage eines
beschlossenen Gesetzes, statt eines Entwurfes, nicht erfolgt. Somit liegt ein Verstoß gegen die

61 Vgl. BGBl. I Nr. 79/2019.
62 Vgl. Informations-RL (EU) 2015/1535.
63 BGBl. I Nr. 183/1999.
64 BGBl. II Nr. 450/1999 idF. BGBl. II Nr. 509/2003.
65
     Notifikationsgesetz 1999, BGBl. I Nr. 183/1999
66Vgl. Bundeskanzleramt/ Bundesministerium Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz, Novelle
BGBl. I Nr. 79/2019 zum Pflanzenschutzmittelgesetz 2011; rechtliche Einschätzung zu Notifikationspflicht
und Kundmachung, 09.12.2019, 7-8, https://t.co/bXVy4tBIAY, aufgerufen am 18.01.2020, nach Thienel in
Korinek/Holoubek/Bezemek/Fuchs/Martin/Zellenberg [Hrsg], Österreichisches Bundesverfassungsrecht,
Art. 48, 49 B-VG, Rz 19, S. 14, 16.

                                                                                                    22/30
RL. Die Einholung der Notifizierung bezüglich dieser Novelle ist aufgrund des Mangels eines
geeigneten Notifizierungsgegenstandes (Entwurf) nicht mehr möglich.67
Konsequenzen bei Inkrafttreten der Novelle siehe Kapitel 6.

2. Unionsrechtskonformität              eines       Totalverbots        von       glyphosathaltigen
   Pflanzenschutzmitteln

Die Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 (EUZVO) regelt die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln zur
Verwendung und zum Inverkehrbringen. Sie basiert hauptsächlich auf den Art. 114 AEUV
(Rechtsharmonisierung im Binnenmarkt). Verordnungsgemäß zugelassene Pflanzenschutzmittel
eines Mitgliedsstaates sind gem. Art. 40 EUZVO von den MS gegenseitig anzuerkennen. Der
Mitgliedsstaat muss Glyphosat enthaltende Herbizide, wenn sie die Voraussetzungen der EUZVO
erfüllen, zulassen und darf bestehende Zulassungen nicht entziehen. Möglich wäre nach Art. 50
EUZVO eine „Vergleichende Bewertung von Pflanzenschutzmitteln, die Substitutionskandidaten
enthalten“68. Voraussetzung ist, dass für den gleichen Zweck schon ein Pflanzenschutzmittel
zugelassen ist oder das eine Bekämpfungs- oder Präventionsmethode existiert, die nicht
chemisch ist. Außerdem muss diese Methode für die Gesundheit der Tiere und Menschen oder in
Bezug auf die Umwelt ersichtlich sicherer sein. Zusätzlich sollte diese im MS allgemein
gebräuchlich sein. Im Zuge der Prüfung eines Zulassungsantrags kann, wenn die
Voraussetzungen des Art. 50 EUZVO erfüllt sind, keine Zulassung erteilt bzw. der Antrag
abgelehnt werden.
Ein Verbot des in Umlauf bringen von Herbiziden, die Glyphosat als Wirkstoff beinhalten, ist nach
den geltenden sekundärrechtlichen Regelungen nicht zulässig.

Das Primärrecht ermöglicht jedoch Abweichungen von sekundärrechtlichen Regelungen anhand
der Schutzintensivierungsklausel des Art. 114 Abs. 4 bis Abs. 10 AEUV. Entgegen der
Rechtsharmonisierung können die MS strengere Bestimmungen neu einführen beziehungsweise
beibehalten. Das darf nur zum Schutze wesentlicher Rechtsgüter erfolgen (Nationaler Alleingang).
Die Voraussetzungen eines nationalen Alleingangs gem. Art. 144 AEUV wurden bereits im Kapitel
2 erläutert.69

67 Vgl. Bundeskanzleramt/ Bundesministerium Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz, Novelle
BGBl. I Nr. 79/2019 zum Pflanzenschutzmittelgesetz 2011; rechtliche Einschätzung zu Notifikationspflicht
und Kundmachung, 09.12.2019, 5-13, https://t.co/bXVy4tBIAY, aufgerufen am 18.01.2020.
68 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009

über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und
91/414/EWG.
69 Vgl. Obwexer, Unionsrechtliche Rahmenbedingungen Glyphosat, 3-4.

                                                                                                  23/30
Sie können auch lesen