Das Jobcenter im Sozialraum - sozialräumliche Kooperationsstrukturen und Arbeitsweisen - Referat auf der Fachtagung "Arbeitsmarktpolitik braucht ...

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Das Jobcenter im Sozialraum - sozialräumliche Kooperationsstrukturen und Arbeitsweisen - Referat auf der Fachtagung "Arbeitsmarktpolitik braucht ...
Das Jobcenter im Sozialraum -
sozialräumliche Kooperationsstrukturen und
Arbeitsweisen

        Referat auf der Fachtagung
        „Arbeitsmarktpolitik braucht Raum“
        am 23. Oktober 2014 in Oberhausen
Das Jobcenter im Sozialraum - sozialräumliche Kooperationsstrukturen und Arbeitsweisen - Referat auf der Fachtagung "Arbeitsmarktpolitik braucht ...
Gliederung
    Ziele und Aufgaben der Grundsicherung für
     Arbeitsuchende (SGB II)
    Schlaglichter zur sozialen Struktur der
     Leistungsberechtigten und zur Arbeitsmarktintegration
    Sozialen Teilhabe und Existenzsicherung
    Bedeutung des Sozialraums für Lebenslagen,
     Verwirklichungschancen und soziale Dienstleistungen
    Eckpunkte und Elemente einer sozialraumsensiblen
     Dienstleistungsproduktion des Jobcenters in einem
     Produktionsnetzwerk
    Zusammenfassende Thesen

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Das Jobcenter im Sozialraum - sozialräumliche Kooperationsstrukturen und Arbeitsweisen - Referat auf der Fachtagung "Arbeitsmarktpolitik braucht ...
Ziele der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II)

Die Grundkonstruktion des SGB II ist „hybid“ (Claus Reis), das macht eine
komplexe und dauerhafte Zielklärung erforderlich.
    1. Ziel:
     Den Leistungsberechtigten (Erwerbsfähige und ihren Angehörigen) als
     letztes soziales Netz (BVerfG vom 9.2.10) zu „ermöglichen ein Leben zu
     führen, das der Würde des Menschen entspricht (SGB II § 1 Abs. 1).
     → Fürsorgeorientierung in Nachfolge des BSHGs
    2. Ziel:
     Erwerbsfähige Leistungsberechtigte (eLb) müssen durch
     Erwerbstätigkeit „alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung
     ihrer Hilfebedürftigkeit ausschöpfen“ (§2 Abs. 1). Das
     Dienstleistungsangebot des SGB II (§ 16) fokussiert in erster Linie
     arbeitsmarktliche Eingliederungsleistungen bzw. Leistungen, die die
     Integration in Erwerbsarbeit unterstützen (§16a). Vorrang haben
     Maßnahmen, „die die unmittelbare Aufnahme in Erwerbstätigkeit
     ermöglichen (§ 3 Abs. 1)
     → Arbeitsmarktzentrierung im Gefolge des Aktivierungsparadigma
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Das Jobcenter im Sozialraum - sozialräumliche Kooperationsstrukturen und Arbeitsweisen - Referat auf der Fachtagung "Arbeitsmarktpolitik braucht ...
Governance und Steuerung des SGB II sind
    arbeitsmarktzentriert und folgen dem Aktivierungsparadigma
     Zuständigkeit der Bundesagentur für Arbeit
     Zielvereinbarungen (§ 48a Abs. 3)
        Verringerung der Hilfebedürftigkeit (op. summarische Ausgaben der
         JC für Geldleistungen)
        Integration in Erwerbstätigkeit (op. Neuintegrationen nicht
         Erwerbsteilhabe)
        Vermeidung von langfristigem Bezug (op. eLb, die 2 Jahre und länger
         im Bezug sind)
        2011 aufgrund BVerfG gesetzlich (§ 48a Abs. 3 S.2) geforderte
         „Verbesserung der sozialen Teilhabe“ ist bis heute als
         Zielvereinbarung nicht umgesetzt.
     Keine Dienstleistungen – Ausnahme §§ 28ff. BuT, die das
      Ziel „soziale Teilhabe“ verfolgen, Dienstleistungen müssen
      „wirtschaftlich und sparsam“ der Eingliederung in Arbeit
      dienen.                                                                  4
Das Jobcenter im Sozialraum - sozialräumliche Kooperationsstrukturen und Arbeitsweisen - Referat auf der Fachtagung "Arbeitsmarktpolitik braucht ...
Schlaglichter zur soziale Struktur der Leistungsberechtigten
  im JC Oberhausen (Stand 12 oder 13): Bedarfsgemeinschaften

Art der BG                      Anzahl     v.H.        Dichte
                                                       v.H. WBV
BG insgesamt                      14.380      100        13,5
darunter
- Single BG                        7.509          52     13,5
- Paar-BG ohne Kinder              1.518          11      4,3
- Paar-BG mit Kinder               2.174          15     13,9
- Alleinerziehende BG              2.729          19     53,2
- BG‘s mit 3+ Kinder (u.15J.)       523           4

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Schlaglichter zur soziale Struktur der Leistungsberechtigten
  im JC Oberhausen:

Personenkreis                    Anzahl    v.H.     Dichte
                                                    v.H. WBV

eLb insgesamt                     19.757     100      16
darunter
- Langzeitbezieher (2+ Jahre)     13.900     70,4     11
- Langzeitbezieher (4+ Jahre)      9.420     47,7
- u 25 Langzeitbezieher            4.820     24,4
Sozialgeldbezieher u. 15 Jahre     7.620      100     27

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Das Jobcenter im Sozialraum - sozialräumliche Kooperationsstrukturen und Arbeitsweisen - Referat auf der Fachtagung "Arbeitsmarktpolitik braucht ...
Schlaglichter zur soziale Struktur der Leistungsberechtigten
  im JC Oberhausen (Stand 9.13): Erwerbsbeteiligung

Personenkreis                        Anzahl    v.H.
eLb insgesamt                         19.757      100
darunter
- s.v. Erwerbstätige                   1.580      8,0
- geringfügig Erwerbstätige            2.212     11,2
- Erwerbstätige insgesamt              4.820     24,4
- Erwerbstätige Langzeitbezieher       3.490     17,7
- In Maßnahmen aktiviert                 ?
- Arbeitslose                         11.044     55,9
- Arbeitslos ohne Berufsausbildung     7.388     37,4
  an allen Arbeitslosen
-Langzeitarbeitslose                   6.791     ~30,0

                                                                 7
Schlaglichter zur soziale Struktur der Leistungsberechtigten
 im JC Oberhausen

• Alleinerziehende tragen ein großes Armutsrisiko (> 50 %)
• Geringer Anteil von Müttern mit Erwerbseinkommen im
  SGB II: >22 %
• Geringere Anteile weibliche eLb mit Erwerbseinkommen
  Quote D: 26 %; N-D: 22 %
• Niedrige und zurückgehende Arbeitsmarktintegration von
  Alleinerziehenden: Dez. 13: p.a 12,2 % (Dez. 12:p.a 13,7 %)
• Anstieg der Langzeitbezieher 2012 zu 2013: + 3,1 %
• Unter den jungen Menschen sind 1.885 2 Jahre und länger
  im Bezug, dass sind 50 % der 17 – u. 25-Jährigen
• 455 der jungen eLb haben keinen Schulabschluss (13 %)
                                                                8
Schlaglichter zur soziale Struktur der Leistungsberechtigten
im JC Oberhausen (Stand 9.13): Profillagen

 Personenkreis                                                    Anzahl    v.H.
 eLb insgesamt                                                     19.757          100
 darunter
 - Marktnahe Profillagen                                            4.735          24
  (Markt 92, Aktvierung 201, Förder 4.442)
 - Marktferne Profillagen                                           8.912          45
  (Entwicklung 4203, Stabilisierung 2.788, Unterstützung 1.921)

 - Integriert, aber hilfebedüftig                                   1.458          7
 - Zuordnung nicht erforderlich                                     4.447          23
   (insbes. SchülerInnen, Mütter mit Ki. u3J)

 - Integrationen in s.v. Beschäftigung & Ausbildung p.a. 3.457                     18
 - davon nachhaltig (auch 12 Monate später)                                        57
 - Existenzsichernde Beschäftigungsaufnahmen (>6 Monate)                           40

                                                                                         9
Übergangswahrscheinlichkeit SGB II eLb in Erwerbstätigkeit

9 zentrale Risikomerkmale: fehlende Bildungs- bzw. Ausbildungsabschlüsse, gesundheitliche
Einschränkungen, eine lange Verweildauer im Grundsicherungsbezug vor dem Untersuchungszeitraum, ein
höheres Alter (50+), nach Deutschland zugewandert zu sein wie auch eine begrenzte Beherrschung der
deutschen Sprache und die Pflege von Angehörigen sowie die Tatsache, Mutter zu sein
                                                                                                      10
Abgangsraten in Beschäftigung am 1. Arbeitsmarkt nach Dauer
der Arbeitslosigkeit SGB II eLb

                                                          11
Zwischenfazit

Das SGB II in Oberhausen wie anderswo ist empirisch ein Leistungsgesetz,
welches

    nicht nur Aktivierungen, Befähigungen und Integrationen von armen
     (Langzeit)Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt „produziert“
sondern insbesondere einkommensarme Menschen in sehr unterschiedlichen
sozialen Lagen (Arbeitslose, Erwerbstätige, Erziehende, sich Qualifizierende,
Kranke)
    mit materiellen Existenzsicherungsleistungen fördert
    Hilfen zur Selbsthilfe durch Aktivierung und Befähigungen leistet
    mit Sach- und Geldleistung die Bildung und Teilhabe der jungen
     Menschen fördert (§ 28f).

                                                                                12
Armut und sozial Teilhabe: empirische Schlaglichter

      Abbildung 1:   Kausaldiagramm zum Zusammenhang prekärer Lebenslagen und sozialer Teilhabe

Quelle: Sthamer/Brülle/Opitz 2013: 9

                                                                                                  13
Existenzsicherung und Teilhabeempfinden

Achtung:
Aufstocker = nicht
arbeitslos

                                                  Quelle: Sthamer/Brülle/Opitz
                                                  2013: 58

                                                                                 14
Lebenszufriedenheit und Existenzsicherung
Abbildung:              Geschätzte Werte für die Lebenszufriedenheit unter Kontrolle von persönlichen
                        und Haushaltsmerkmalen

                                Alle                                                     U-25
        9                                                           9

        8                                                           8

        7                                                           7

        6                                                           6
     AL im SGB II                  Arm ohne SGB II                AL im SGB II                Arm ohne SGB II
                      Aufstocker                     Ges. Eink.                  Aufstocker                     Ges. Eink.
                                   Typ                                                        Typ
            N=11286                                                     N=1408

                                                     Geschätzter Wert
                                                     95%-Konfidenzintervall

                Siehe Abbildung 22.
  Quelle: Sthamer/Brülle/Opitz 2013: 60                                                                                      15
Fazit der Studie: Welche Faktoren verbessern das
  Teilhabeempfinden von Menschen im SGB II?

Positive Faktoren
    S.V. Erwerbstätigkeit bzw. Selbständigkeit
    Arbeitsgelegenheit –“Ein Euro-Job“             aber: nicht u 25 J.
    Mini-Job                                       aber: nicht u 25 J.
    Teilnahme Aus- und Weiterbildung
    Gute und sehr gute subjektive Gesundheit
    Enge Beziehungen
    Eigenes Engagement
    Ein-Eltern-Haushalt im Vergleich zu Single-Haushalt
                                                    bei u 25 J. auch Paar-HH

Quelle: Sthamer/Brülle/Opitz 2013: 71

                                                                               16
Das Jobcenter ist nicht allein, aber Unterstützungsstrukturen
sind stark versäult und schwer zugänglich

                                                                17
Beispiel: Jugendhilfe – Grundsicherung für
Arbeitsuchende (Schätzungen für OB + amtl. Statistik)

      SGB VIII                  auch im SGB II
      Leistung/Zielgruppe       Anteil aus SGB II
      Hilfe z. Erziehung        > 1 Drittel
      Kindertagesbetreuung      > 1 Viertel
      Alleinerziehende          > 1 Hälfte
      Offene Jugendarbeit       1 Viertel bis 1 Drittel
      Jugendsozialarbeit/       1 Viertel bis 1 Drittel
      Schulsozialarbeit
      Elternbildung             ca. 1 Hälfte
      „Frühe Hilfen“/§ 8a KWG   1 Viertel bis 1 Drittel

                                                          18
Bedeutung des sozialräumlichen Umfeldes

     Der soziale Raum eines Stadtteils oder Ortsteils bietet eine spezifische
      Infrastruktur und den sozialen Rahmen für die Lebensführung und
      Verwirklichungschancen der Menschen.
     Die physische Struktur (Siedlungsform, Wohnungen, Wohnumfeld, Lärm,
      Klima etc), sowie die sozialstrukturelle (Alter, Haushaltsformen,
      Einkommen, Bildung, Stellung im Erwerbsleben) und sozialkulturelle
      (Ethnien, Lebensstile, etc.) Bevölkerungszusammensetzung eines
      Stadtteils beeinflusst die Lebenschancen und Unterstützungsbedarfe
      der Menschen.

                                                     19
Der Sozialraum „Stadtteil“ als Lebenswelt und
  Kooperationsarena
                            Soziale(s) Milieu(s) im Stadtteil:
    Normen und Werte, Lebensführungsmuster, Wohn- & Wohneigentumsformen,
 Verkehrskreise, Vereine/Initiativen, informelle soziale Kontrolle, Kommunikationsorte
Lebenslagen → Bedarfe                       Einrichtungen → Angebote
• SGB II-eLb                                • Bildungs- und Beschäftigungsträger
    • Erwerbsteilhabe/Aktivierung           • Soziale Dienste/Beratungsstellen
    • Bildung & Ausbildung                  • Elternbildung/frühe Hilfen
    • Altersgruppen                         • Kindertagesbetreuung
    • Haushaltsstrukturen                   • Grundschulen
    • Familiale Rollen, Geschlecht          • Sekundar I-Schulen
    • Ethnien, Herkunft                     • Kinder-, Jugend-, Stadtteilzentren, GWA-
• Sozialgeld Kinder nach                      Projekte
    • Altersgruppen                         • Gesundheitsdienste/Selbsthilfegruppen
    • Schulformbesuch                       • etc.
Stadtteildaten SGB II zur Benennung         Einrichtungsdatenbanken/-verzeichnisse,
von relevanten Zielgruppen, Bearbeitungs-   Stadtteil- bzw. Sozialraumkonferenzen/-
feldern und -mengen                         gremien tauschen sich kontinuierlich aus

                                                                                         20
Sozialplanerische Strategien zur Kooperationsentwicklung der
    Institutionen und zur Verbesserung der Inanspruchnahme von
    Leistungen durch besondere Zielräume bzw. Zielgruppen
     Klare Definition und, Operationalisierung von Zielgruppen und Zielräumen mit
      der Politik und der Fachpraxis
     Kontinuierliche Überprüfung der Inanspruchnahme und der Ergebnisse in einem
      vielfältigen Methodenmix
        Teilnahmestatistiken, Geschäftsberichte, Monitoring;
        kontinuierliche Befragungen der Zielgruppen und Nutzer
        Qualitative Verfahren zur Überprüfung der Inanspruchnahmeschwellen und der
         Bedürfnisse der Zielgruppen
        Nicht-Inanspruchnahme ist Hinweis auf konzeptionelle Schwächen, Rückkopplung auf
         die Fachebene um Organisationslernen zu fördern
     Stadtteilbezogene Platzierung, Konzipierung und Steuerung der sozialen
      Dienstleistungen soweit wie möglich
     Vereinbarung von Zielerreichungswerten (absolute Zielwerte, Teilhabequoten)
     Verbesserte Förderung der Erreichung von benachteilgten Zielgruppen/-räumen
      (z. B. Ressourcenzuschläge nach Sozialindex)
     Kontinuierliche, diskursive und reflexive Überprüfung der vorgenommenen
      Bedarfs-, Ziel- und Zielgruppenkonstruktionen mit Fachkräften, Wissenschaft,
      Politik, Betroffenen und der Öffentlichkeit
22
Sozialberichterstattung oder Monitoring als kontinuierliches
    strategisches Controlling- und Reflexionsinstrument

    Aussagefähige Geschäftsberichte liefern neben der Darstellung der
     Dimensionen des Dienstleistungsprozesses und der sozialräumlichen
     Verortung der Dimensionen Leistungsangebot, Leistungsnutzung und
     eingetretene Wirkungen zwei weitere Analyseebenen, nämlich
       eine Betrachtung der sozialen Strukturierung der für den
        Dienstleistungsprozess vorgesehenen Zielgruppe (in der Abbildung
        „Eingangsqualitäten“ genannt) mit der entsprechenden sozialen
        Strukturierung der Personen, die die Dienstleistung tatsächlich in Anspruch
        nehmen
       eine Betrachtung der Entwicklungen im Kontext des zu berichtenden
        Dienstleistungsprozesses (in der Abbildung „Kontextveränderungen“
        genannt), um auf intervenierende Prozesse und Ergebnisse im Umfeld der
        Dienstleistung eingehen zu können.
Beispiele sozialräumliches Berichtswesen 1

                                             Aus: Wiesbadener
                                             Sozialraumanalyse 2013

                                                                      24
Beispiele sozialräumliches Berichtswesen 2

                                             Aus:
                                             Interaktiver Sozialatlas
                                             des Amtes für Soziale
                                             Arbeit Wiesbaden

                                                                        25
Zielgruppenanalysen: Z.B. Erwerbsteilhabe der Mütter im SGB II

                                                 Aus. Geschäftsbericht
                                                SGB II 2012 Wiesbaden
Zielgruppenanalysen: Z.B. „Ausstiegslöhne
        SGB II“
Berechnete Ausstiegslöhne
                                                                                                                                                                                             51.1/rkh
    Notwendiges Bruttoarbeitsentgelt + vorrangige Leistungen, um keine Grundsicherungsleistungen gemäß SGB II zu beziehen
    Wiesbaden, Medianmiete nach Haushaltskonstellation, 2013

                                                        Alleinstehend                               Ehepaar mit 2 Kindern                 Alleinerziehende mit 1 Kind
    Bruttoentgelt                                                                       1.550                                    1.750                            1.650
    Nettoentgelt                                                                        1.107                                    1.395                            1.211
    + Wohngeld                                                                              0                                      202                               77
    + Kindergeld                                                                            0                                      368                              184
    + Kinderzuschlag                                                                        0                                      280                              140
    - Erwerbstätigenfreibetrag                                                            300                                      330                              330

    = anrechenbares Einkommen auf SGB II-Anspruch                                             807                                1.915                            1.282

    Grundsicherungsbedarf gemäß SGB II-Anspruch                                 806                           1.905                                               1.286
    darunter KdU (inkl. Nebenkosten)                                            365                             614                                                 507
    darunter Heizkosten                                                          50                               95                                                 80
    Quelle: OPEN/Prosoz 11/2013 eigene Auswertungen; Nettolohnrechner 2013; Wohngeldrechner 2014; SGB II-Rechner 2014

    zum Vergleich: Empirische Löhne für einschägige Branchen im Bereich der angelernten Tätigkeiten

        Monatliche Bruttoarbeitsentgelte von sv-
          pflichtig Vollzeitbeschäftigten (ohne
        Auszubildende) in Westdeutschland, BA:
               Entgeltstatistik, 31.12.2012
                                                                                                                                           Wach- und Sicherheitsdienste   Gebäudebetreuung/Garten- u. Vermittlung und Überlassung von
                                                           Einzelhandel (o. Handel mit Kfz)                    Gastronomie                      (und Detekteien)               Landschaftsbau                   Arbeitskräften
    Bruttoarbeitsentgelt je Monat; Grenze zwischen 1.
    und 2. Quintil                                                                 1.651,00 €                                1.128,00 €                      1.570,00 €                    1.498,00 €                     1.307,00 €

                                                                                                                                                                                                                               27
Sozialräumliche Wahrnehmungs- und Handlungsfähigkeit des
  Jobcenters ist eine notwendige Bedingung zur Kooperation im
  Sozialraum
Elemente der Wahrnehmungsfähigkeit
   Kooperativ festgelegte Sozialräume
   Sozialräumliches Berichtswesen (Struktur der Leistungsberechtigten und
    der Leistungen)
   Kommunikation des Berichtswesens und der konkreten Erfahrungen und
    Einschätzungen der Fachkräfte
Elemente der Handlungsfähigkeit
   Regionale Strukturierung (z.B. Sozialraum) der Teams
    Integrationsfachkräften, Leistung und insbes. Fallmanagement oder
    verbindliche personelle Zuständigkeit ‚Sozialraumkoordination‘
   Mitwirkung in den Sozialraumkonferenzen durch Integrationsfachkräfte,
    Fallmanagement und ggfls. Leistung
   Alternativ und/oder als Einstieg
    Projekte für einzelne Zielgruppen und/oder Sozialräume mit den o.g.
    Elementen                                                                28
Beispiele für einen „guten“ Einstieg in Kooperationsprojekte im
    Sozialraum
     Bildung und Teilhabe
      Ziel: Verringerung der Schulabgänge ohne Schulabschluss
      Maßnahmen: Aufbau von Lernförderinfrastruktur der Stadtteilakteure
      an der Schule und enge Verfahrensabstimmung mit BuT-Stelle
     Berufliche Orientierung und Übergänge in Ausbildung
       Ziel: Zielgerichteter BerEB-Einsatz
      Maßnahme: Jobcenter, Schule und Schulsozialarbeit koordinieren mit
      AfA Konzept, Auswahl und Einsatz de BerEB-Angebote; Zuweisung der
      jungen Menschen erfolgt gemeinsam
     Eltern- und Frühbildung
      Ziel: frühe Förderung, Ansprache und Teilhabeverbesserung der Mütter
      Maßnahme: Ansprache und Kursangebot für Mütter mit u 3-Kindern zur
      familialen, erzieherischen und beruflichen Orientierung aus
      gemeinsamen Mitteln Jobcenter und Familienbildung bzw. frühe Hilfen
      & ggfls. BAMF Integrationskurse
     …
                                                                             29
Wiesbadener Handlungsprogramm zum Abbau
herkunftsbedingter Bildungsbenachteiligung

                                             30
Institutionelle Kooperationen systematisch entwickeln:
MAIS-Projekt „Dienstleistungen Hand in Hand“

  Reis ISR FHFFM                                         31
Funktionale Netzwerktypen nach Reis

                                                                                            Informelles
                     Informations-      Milieubildendes                                                      Produktions-
                                                             Projektnetzwerk            Produktionsnetz-
                        netzwerk            Netzwerk                                                           netzwerk
                                                                                                werk

  Grad der         Kooperation         Koordination       Punktuelle                   Zusammenwirken      Zusammenarbeit
  Zusammenarb                                             Zusammenarbeit
  eit
                   Gegenseitige        Gemeinsame         Die beteiligten              Die beteiligten     Die beteiligten
                   Unterstützung       Aktivitäten,       Personen u.                  Personen arbeiten   Personen u.
                   durch               intensivere        Organisationen sind          eng und dauerhaft   Organisationen
                   Informationen und   Kommunikation,     bereit, zeitlich befristet   miteinander, ohne   sind bereit,
                   Berücksichtigung    individuelles      und sachlich                 dass die            sachlich klar
                   der jeweiligen      Engagement bzgl.   eingeschränkt Teile          Anstellungsträger   definierte Teile
                   Angebote            Gemeinsamer        ihrer Eigenständigkeit       Teile ihrer         ihrer
                                       Ziele und          zugunsten                    Eigenständigkeit    Eigenständigkeit
                                       Planungen          gemeinsamer Ziele            zugunsten           zugunsten
                                                          aufzugeben                   gemeinsamer Ziele   gemeinsamer
                                                                                       aufgeben            Ziele aufzugeben

  Dauer der        unbestimmt          bis zur            bis zum Abschluss des        dauerhaft           dauerhaft
  Zusammenarb                          Zielerreichung     Projektes
  eit

  Formalisierung   variabel            hoch               hoch                         nicht gegeben       hoch
  sgrad
                                                                                                                              32
Grundannahmen zum Aufbau eines
Produktionsnetzwerkes (nach Reis)
        1. Komplexe Problemlagen erfordern komplexe Handlungsstrategien. Diese
           können nicht nur von einer Organisation (Jobcenter, Jugendamt, freier Träger)
           entworfen werden, sondern erfordern die gemeinsame Planung und ein
           koordiniertes Vorgehen mehrerer Akteure.
        2. Wenn es bereits institutionalisierte Formen der Handlungskoordination gibt
           (z. B. bereits vor Ort existierende Netzwerke), stellt das Konzept
           „Produktionsnetzwerk“ eine bestimmte „Arbeitsweise“ dar, die von den
           Akteuren im schon bestehenden Netzwerk umgesetzt wird. Gibt es solche
           Formen noch nicht, ist es Bestandteil der Netzwerkarbeit, die kooperativen
           Arbeitsstrukturen zu institutionalisieren, ein „Produktionsnetzwerk“ als Form
           der Zusammenarbeit mehrerer Akteure aufzubauen.
        3. Die Problemlagen, mit denen die Zielgruppen im SGB II konfrontiert werden,
           sind individualisiert, betreffen konkrete Personen und werden von diesen
           subjektiv verarbeitet und (teilweise auch nicht) bewältigt. Gleichzeitig sind sie
           „typisch“, gelten auch überindividuell und weisen somit strukturelle Merkmale
           auf. Dieses Spannungsverhältnis zwischen der „allgemeinen Struktur“ und der
           Besonderheit des Einzelnen manifestiert sich im „(Einzel-)Fall“.
        4. Die gesetzliche Aufgabe von „Helferorganisationen“ (Jobcenter, Jugendamt
           etc.) ist es, einerseits nach rechtlichen Vorschriften und damit
           verallgemeinerbar Unterstützung zu gewähren, diese Unterstützung aber an
           der Besonderheit des Einzelfalles auszurichten (besonders deutlich wird dies
           im „Individualisierungsprinzip“ des SGB XII).
        Deshalb ist der Einzelfall besonders gut als Ausgangspunkt der Zusammenarbeit
          von Akteure im Produktionsnetzwerk geeignet. Es gilt, in einem gemeinsamen
          Entwicklungsprozess        die   strukturellen  Elemente     der  Einzelfälle
          herauszuarbeiten und Bearbeitungsformen zu entwerfen. Diese Formen
          können dann in der Einzelfallarbeit genutzt werden.
                                                                                               33
Kern eines sozialräumlichen
    Produktionsnetzwerkes
    Jobcenter mit Akteuren aus Leistung, Aktivierung und
     Maßnahmeplanung
    Jugendamt mit Sozialdienst, Kindertagesbetreuung,
     frühe Hilfen, Elternbildung, Jugendsozialarbeit
    Schulsozialarbeitsprojekte
    GWA-Träger
    Jugendhilfeträger wie HzE-Anbieter, EB, Jugendhäuser
    Akteure der Migranten Integration & Selbstorganisation

                                                              34
Aufgabenstellung für die Zusammenarbeit

„Wissen“

     Formelle               Arbeits-             Arbeits-         Formelle
     Regeln                 teilung              teilung          Regeln

          Personen                                          Personen
                   „Gegen-
          (mit                                              (mit
                   stand“
          „Professions-                                     „Professions-
          wissen“                                           wissen“
                          „Gegen-             „Gegen-
  Instrumente
                          stand“              stand“                 Instrumente
    Organisations-                                      Organisations-
    kultur                                              kultur

              Corbett, T. u.a.: 2005, p. 33

           Prof. Dr. Claus Reis                                                    35
Zielentwicklung und Wissensproduktion des
 Produktionsnetzwerkes durch Reflexion von „Fällen“
„Wissensproduktion“

  Wissensproduktion –
  Konstitution und Reflexion von „Fällen“

             Organisation                                               Person
 Strukturen                        Personal
                                                           „Fall“ 1

                                                           „Fall“ 2

   Zugänge                                                 „Fall“ 3
   Aufgaben                                                           Ressourcen
   Definierte                 Selbst-                                 Wissen
   Prozesse                   verständnis                             Selbstbe-
   Ressourcen                 Professions-            Interaktion     wusstsein
             „Wissensproduktion“
   Qualifikation              wissen                                  Emotionen
                               Prof. Dr. Claus Reis

   Fallzahlen                 Handlungs-                              Handlungs-
                              kompetenz                               kompetenz
   Anreize

                  Prof. Dr. Claus Reis

                                                                                   36
Handlungsschritte zum Aufbau eines
       Produktionsnetzwerkes (nach Reis)
:
    1. Zusammenstellung des Kernnetzwerks auf der Basis konkreter Fälle
    2. Erarbeitung integrierter Fallkonstellationen
    3. Feststellung fallübergreifender Themenfelder
    4. Entwicklung eines Zielsystems
    5. Entwicklung von Leistungsmodulen
    6. Entwicklung und Überprüfung von Dienstleistungsketten in der Fallarbeit
    7. Verstetigung der Netzwerkarbeit
    8. Dokumentation und Evaluation

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Zusammenfassende Thesen
    Die Akteure des SGB II (Politik, Bundesagentur, Kommunen, Jobcenter und
     Wohlfahrtspflege/Bildungsträger) müssen die doppelte Zielbestimmung des SGB II
     aktiv annehmen und umsetzen.
    Das SGB II ist eingebettet in den politischen, institutionellen und fachlichen Kontext
     sozialer Kommunalpolitik und Daseinsfürsorge.
    Eine Reduzierung der SGB II-Leistungsproduktion auf den Arbeitsmarkt unter-
     schlägt die zentrale Bedeutung der sozialen Teilhabe der Menschen.
     Einerseits sichert Arbeit Teilhabe, andererseits ermöglicht Teilhabe Befähigungen
     und damit Integrationschancen.
    Der soziale Raum ist die soziale Arena für eine institutionelle
     Kooperationsentwicklung und die Umsetzung kooperativer Strukturen und
     Prozesse der sozialen Kommunalpolitik
    Sozialplanung und JC-Controlling können und müssen die notwendigen
     Datenstrukturen auch sozialräumlich für Problemanalysen, Geschäftsprozess- und
     Produktgestaltung und ein Berichtwesen über Inanspruchnahme, Ergebnisse und
     Wirkungen bereitstellen.
    Verbindliche Kooperation in Produktionsnetzwerken benötigt die Mitwirkung aller
     Hierachieebenen und kann systematisch über gemeinsame Fallreflexionen
     entwickelt und geplant werden. Das MAIS beabsichtigt 2015f. entsprechende
     Unterstützungsstrukturen anzubieten.                                                 38
Ich bedanke mich für Ihr Interesse !
Literatur:
     Alle Wiesbadener Sozialberichte unter www.wiesbaden.de/sozialplanung
     Daten Oberhausen aus SGB II-Portal, Berichte Jobcenter Oberhausen;
      GIB NRW: Bericht zur Zielsteuerung 2013 (Datenstand 12/13)
     Sthamer,E./Brülle, J./Opitz, L. Inklusive Gesellschaft – Teilhabe in Deutschland. Soziale Teilhabe von Menschen in
      prekären Lebenslagen. Herausgegeben vom ISS Frankfurt 2013. Download unter ISS
     Reis, Claus „Arbeitstitel: zehn Jahre „moderne Dienstleistungen“ im SGB II
      (unveröffentlichtes Manuskript für FES) Frankfurt 2014
     Reis, Claus „Dienstleistungen Hand in Hand“ – Umsetzungshandbuch zur Entwicklung von Produktionsnetzwerken
      (Entwurf im Auftrag des MAIS) Frankfurt 2014
     Brülle,H./Christe,G./Melzer,R./Wende, L. Schulbezogene Unterstützungsnetzwerke. Gestaltungsansätze der Jugendhilfe
      zur Bildungsförderung armer Jugendlicher im Übergang Schule – Beruf
      Herausgegeben vom ISS Frankfurt 2011. Download unter ISS
     Engeström, Y. Entwickelnde Arbeitsforschung. Die Tätigkeitstheorie in der Praxis.
      Berlin 2008
     Bartelheimer, P. Politik der Teilhabe. FES Arbeitspapiere. Berlin 2007
     Laubstein, Claudia/Holz, Gerda/Dittmann, Jörg/Sthamer, Evelyn (2012): Von alleine wächst sich nichts aus...Lebenslagen
      von (armen) Kindern und Jugendlichen und gesellschaftliches Handeln bis zum Ende der Sekundarstufe I. Frankfurt a.M.:
      Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik und Berlin: Arbeiterwohlfahrt
     Dörre, K. u.a. Bewährungsproben für die Unterschicht? Soziale Folgen aktivierender Arbeitsmarktpolitik. Frankfurt 2013

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