Das Material aus dem die Zukunft geschnitzt ist - :Forum ...

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15. Internationales Branchenforum für Frauen IBF 2018
                                                        Das Material aus dem die Zukunft geschnitzt ist | A. Ponholzer   1

Das Material aus dem die Zukunft
geschnitzt ist

                                                                      Prof. Anette Ponholzer
                                                                      Hochschule Rosenheim
                                                                Fakultät für Innenarchitektur
                                                                    Rosenheim, Deutschland
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Das Material aus dem die Zukunft
geschnitzt ist
1.       Blickwinkel Produktdesign
Die Kaufentscheidung für ein Produkt wird heute größtenteils über sein Design getroffen.
Der Preis spielt eine Rolle, aber nicht immer die ausschlaggebende. Gerade bei techni-
schen Produkten sind Funktion und Ausstattung oft vergleichbar, was also diese inneren
Werte glaubwürdig und nachvollziehbar nach Außen trägt ist das Design. Das Vertrauen
in die Marke und das damit gegebene Qualitätsversprechen kommen hinzu.
Design ist dabei weit mehr als das reine «Oberflächen Styling».
Natürlich geht es auch um die rein formalen Aspekte wie Proportion, Rhythmus, Dyna-
mik, Spannung und Balance. Gut gestaltet ergeben diese Faktoren ein in sich stimmiges
Produkt mit einer klaren und ablesbaren Designsprache, welche sowohl zur Hersteller-
marke (Corporate Design) als auch zur avisierten Stilgruppe passt.
Neben den rein visuellen Reizen eines Produktes spielt auch die taktile, auditive, olfak-
torische und bisweilen auch gustatorische Wahrnehmung eine wesentliche Rolle, für
die es ebenfalls eine gestalterische Lösung zu finden gilt.
Darüber hinaus definieren oder beeinflussen Industrie- und ProduktdesignerInnen1 in weiten
Teilen auch die Konstruktion und Bauteilarchitektur eines Produktes. Gerade im
Möbeldesign sind Konstruktion und Gestaltung zwingend miteinander verbunden. Der Blick
unter den Stuhl ist für Designer weit interessanter als die Ansicht von oben.

Abbildung 1: Stuhl 404 von Stefan Diez für Thonet

Ein wesentlicher Teil der Gestaltung resultiert jedoch aus der genauen Beobachtung und
Analyse des menschlichen Verhaltens und seiner Lebensweisen. Dadurch werden
zum einen die ergonomischen Anforderungen eines Produktes definiert, aber auch die In-
teraktion mit dem Produkt oder die Interaktion unter den Nutzern – ausgelöst durch das
Produkt. Ein Beispiel aus dem Möbeldesign: der Ohrenbackensessel dient dem Rückzug,
der Loveseat der Konversation.
Wenn sich auch die Anatomie des Menschen kaum ändert, so tut es doch sein Lebensstil
und die Einbindung von technischen Medien in sein Alltagsleben.

1 Anm. d. Verf.: Ich definiere «Industriedesign» als die Gestaltung von industriell in Serie gefertigten Produkten
  und „Produktdesign“ als die Gestaltung von industriell, handwerklich oder in Manufaktur produzierten Objekten.
  Im Fließtext wird der besseren Lesbarkeit wegen nur der Begriff Produktdesign verwendet.
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4    Das Material aus dem die Zukunft geschnitzt ist | A. Ponholzer

    Designer sind also diejenigen die mit geschärftem Blick den Menschen im Fokus haben
    und sich ändernde Verhaltensweisen mit den dementsprechenden Produkten unterstüt-
    zend begleiten.
    Ein weiterer zentraler Punkt im Produktdesign ist der Einsatz von neuen Materialien und
    Fertigungstechnologien. Beides war schon immer ausschlaggebender Faktor für inno-
    vatives Möbeldesign. Zum einen waren und sind Designer davon getrieben für ihre formale
    und funktionale Vision das entsprechende Material zu finden, zum anderen bieten neue
    Materialen und Technologien die Chance, eben daraus neue Formen und Funktionen zu
    entwickeln.
    In Anbetracht knapper werdender Ressourcen und Anforderungen an die Umweltverträg-
    lichkeit spielt auch die Produktethik eine zentraler werdende Rolle. Wir wollen nicht nur
    wissen wo das Fleisch herkommt das wir essen – sofern man nicht schon fleischlos isst –
    wir wollen auch wissen wo das Material für unsere Produkte herkommt, wer es wie gefer-
    tigt hat und wohin wir es entsorgen können. Daneben stellt sich auch die Frage der Not-
    wendigkeit bestimmter Produkte generell.
    Dieser ökologisch-ethische Aspekt spielt zwar bei der Kaufentscheidung der Masse leider
    noch nicht die Rolle, die ihm die potentiellen Käufer theoretisch zubilligen, aber auch das
    kann sich ändern.
    Designer sind somit:
    – Netzwerkknoten zwischen Nutzern und Herstellern, mit Focus auf die Nutzer
      (zugunsten auch der Hersteller und ihrer Absatzmärkte)
    – Multiplikatoren für materialtechnische und technologische Neuerungen
    – Innovationstreiber

    2.       Werkstoff Holz in der Architektur
    Holz ist das älteste Baumaterial des Menschen. Grabungsfunde aus der Altsteinzeit (Palä-
    olithikum) wie z.B. in Chichibu in Japan2 (ca. 500.000 Jahre alte Funde) und Terra Amata
    in Frankreich3 (ca. 200.000 - 400.000 Jahre alte Funde) zeugen von den ältesten mensch-
    lichen Behausungen in Form von Hüttenstrukturen.
    Mit der Sesshaftigkeit des Menschen ab der Jungsteinzeit (Neolithikum) entstanden Massiv-
    holzbauten wie z.B. die Pfahlbauten in Unteruhldingen am Bodensee4 (ab ca. 4.000 v.Ch.).
    Ich behaupte - ohne wissenschaftliche Grundlage –, dass in unserem Stammhirn nicht nur
    Verhaltensweisen aus der Frühzeit der menschlichen Evolution gespeichert sind, sondern
    auch Affinitäten zu Formen, Farben, Materialien und Texturen.
    Über die folgenden Jahrtausende hinweg wurde der Holzbau weiter verfeinert, dann in
    weiten Teilen vom Massivbau aus Stein und Ziegel abgelöst und im Zuge der industriellen
    Revolution im 19. Jh. sowie der klassischen Moderne zu Beginn des 20. Jh. fast ver-
    schmäht zugunsten von Architektur aus Stahl, Beton und Glas.
    Umso erstaunlicher ist der rasante Siegeszug, den die Holzbauweise in den letzten Jahr-
    zehnten vorweisen kann. Zwar entwickelte sich seit den 1970er Jahren ein globales
    Bewusstsein für ökologischen und ressourcenschonenden Materialeinsatz, doch die Um-
    setzung in der Architektur fand im großen Maßstab erst zu Beginn des 21. Jh. statt.
    Das technische und gestalterische Potential des Materials Holz liefert einen entscheidenden
    Beitrag zu einer sich neuernden Architektur.

    2 BBC News: World’s oldest building discovered: http://news.bbc.co.uk/2/hi/science/nature/662794.stm
      (Stand 25.05.2018)
    3 Villa, P. 1983. Terra Amata and the Middle Pleistocene archaeological record of southern France.
      Berkeley: University of California Press.
    4 Pfahlbaumuseum Unteruhldingen https://www.pfahlbauten.de/museum/virtueller-rundgang.html
      (Stand 25.05.2018)
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Doch nicht nur ökologische Aspekte fördern den Einsatz der Holzbauweise: auch die öko-
nomischen Vorteile wie z.B. die Möglichkeit zur modularen und vorfabrizierten Bauweise
sprechen für sich und helfen die Nachverdichtung unserer Städte zu bewerkstelligen.
Die Weiterentwicklung zu energetisch ausgereiften und statisch höchst belastbaren Ver-
bundsystemen, sowie der Einsatz neuer Fertigungsmethoden bis hin zum Roboter gestütz-
ten Vorfabrizieren5 lassen das Einsatzgebiet weit über den niedergeschossigen Wohn- und
Verwaltungsbau hinausreichen. Computergestützte Planung und Fertigung ermöglichen
darüber hinaus völlig neue Gestaltungsansätze.

Abbildung 2: Wildspitze in Hamburg von Störmer Murphy and Partners. Fertigstellung geplant 2021

Aktuell findet in der Architekturszene geradezu ein Wettkampf um immer höhere und größere
Holzbauten im urbanen Umfeld statt.
In Wien wird 2019 die Fertigstellung des «HoHo Wien» erfolgen. Mit seinen 24 Etagen und
84 m Gesamthöhe ist das von RLP Rüdiger Lainer + Partner geplante Wohn- und Büroge-
bäude aktuell das weltweit höchste Gebäude in Holz-Hybridbauweise.
Mit Hybridbauweise ist gemeint, dass aussteifende Betonkerne in Form von Treppen-,
Aufzug- und Versorgungsschächten zentraler Kern des Gebäudes sind, daran angedockt
eine selbsttragende Struktur in Holzbauweise. Das Erdgeschoss des HoHo Wien z.B. ver-
fügt über einen Holzbauanteil von 74%.6
Auch in Hamburg wird geplant: die «Wildspitze». Der 64 m hohe, 18-geschossige Hoch-
hausturm wird ab 2021 das höchste Holzhochhaus Deutschlands sein. Das von Störmer
Murphy and Partners geplante Gebäude soll 189 Wohnungen und eine 2.200 qm große
Ausstellungsfläche der dt. Wildtierstiftung erhalten. Als Lärm-, Witterungs- und Brand-
überschlagsschutz ist eine den Turm umhüllende, zweite, gläserne Fassadenhaut vorge-
sehen. Der Treppenhaus- und Aufzugskern besteht wie in Wien aus Stahlbeton.7

5 Designboom: https://www.designboom.com/technology/spatial-timber-assemblies-digital-timber-construction-
  method-eth-zurich-03-22-2018/. (Stand 25.05.2018)
6 austria-architects: https://www.austria-architects.com/de/projects/view/projekt-hoho-wien (Stand 25.05.2018)
7 german-architects: https://www.german-architects.com/fa/architecture-news/meldungen/mit-holz-hoch-hinaus
  (Stand 25.05.2018)
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6    Das Material aus dem die Zukunft geschnitzt ist | A. Ponholzer

    Man muss jedoch gar nicht groß in die Ferne blicken: in Bad Aibling bei Rosenheim ent-
    stand bereits 2011 das H8, eines der ersten Holzhochhäuser Deutschlands, geplant von
    Schankula Architekten. Mit seinen 8 Stockwerken nimmt es sich im Vergleich zu den oben
    genannten Gebäuden klein aus, jedoch war es Wegbereiter für die aktuelle Entwicklung.8
    All diese Entwicklungen in der Architektur wirken sich natürlich auch auf die Innenarchi-
    tektur und das Möbeldesign aus. Denn die für die Architektur relevanten Fragen gelten
    genauso für die anderen beiden Bereiche:
    – Sind die Ressourcen eines Werkstoffes endlich oder nachwachsend?
    – Wo kommt der Werkstoff her und wie teuer und umweltverträglich ist die Gewinnung?
    – Wie ökonomisch und ökologisch lässt sich der Werkstoff verarbeiten?
    – Wie verträglich ist das Material und seine Nutzung für Mensch und Umwelt?
    – Wo und wie wird der Werkstoff nach seiner Nutzung entsorgt oder recycelt,
      und wie teuer und umweltverträglich ist das?
    – Wie sieht sein Carbon-Footprint aus?

    3.       Werkstoff Holz im Möbeldesign
    3.1. Geschichte
    Auch die Geschichte des Möbeldesigns zeigt, dass neue Materialien und Fertigungsverfah-
    ren vielfach die Treiber für innovative Möbel waren, meist sind sie als Design-Ikonen in
    die Geschichte eingingen.
    Michael Thonet schuf mit dem von ihm verfeinerten Dampfbiege-Verfahren die Grund-
    lage für die industrielle Massenfertigung eines Holzstuhls. Der Bugholzstuhl «No. 14» von
    1859 besteht aus 18 verschraubten Einzelteilen (inkl. Schrauben und Muttern). 36 zer-
    legte Stühle passen in eine 1m3 große Transportkiste.
    Bereits bis 1930 wurde der Stuhl über 50 Mio. Mal verkauft, was nicht nur auf seine ar-
    beitsteilige und damit kostengünstige Herstellung, sondern auch auf seine platzsparende
    und damit zum Export geeignete Verpackung zurückzuführen ist. Darüber hinaus war der
    Stuhl stilistisch seiner Zeit weit voraus.
    Mart Stam, Marcel Breuer, Ludwig Mies van der Rohe & Lilly Reich, Eileen Gray, sowie
    Charlotte Perriand mit Le Corbusier & Pierre Jeanneret beschäftigten sich in den 1920er
    Jahren mit Stahlrohrmöbeln. Das Urheberrecht des ersten Stahlrohr-Freischwingers wurde
    nach langen Patentrechtsstreitigkeiten Mart Stam zugeschrieben, die federnde Wirkung
    des gebogenen Stahlrohrs erkannten aber insbesondere Marcel Breuer und Mies van der
    Rohe & Lilly Reich. Der neuartige Einsatz eines Materials führte zur Erfindung eines neuen
    Stuhltypus.
    Die Freischwinger-Funktion des Stahlrohres ließ sich aber auch auf den Werkstoff Holz
    übertragen. Insbesondere Alvar und Aino Aalto reizten in den 1930er Jahren die zu-
    gleich federnden und doch stabilen Eigenschaften von Schichtholz in ihren Freischwinger-
    möbeln aus.
    Als Pioniere im Umgang mit Sperrholz im Möbeldesign gelten sicherlich Charles und Ray
    Eames. In den 1940ern entwickelten sie dreidimensionale Formholzschalen – zuvor waren
    nur zweidimensionale Schalen produzierbar. Ihre «Plywood Group» für Herman Miller und
    später auch Vitra zählt zu den Design-Klassikern.
    Für all diese Entwicklungen sei vermerkt, dass es Designer, Architekten und Handwerker
    waren – keine Ingenieure – die für die material- und fertigungstechnischen Innovationen
    verantwortlich zeichneten.
    Derartig revolutionierende Neuerungen im holzbasierten Möbeldesign sind heute selten
    geworden. Dies liegt jedoch nicht daran, dass es keine Innovationen im Material oder der
    Fertigungstechnologie gibt. Vielmehr sind die Neuerungen nicht mehr so «lautstark» am
    Möbel ablesbar, sondern optimieren oft die «inneren Qualitäten» wie Festigkeit, Biegsam-
    keit, Gewicht, etc.

    8 Detail: https://www.detail.de/artikel/vorgefertigtes-bauen-mit-holz-8765/ (Stand 25.05.2018)
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3.2. Aktuelle Materialien und Fertigungstechnologien
Einen der weitreichendsten Einflüsse auf die Gestaltung von Möbeln hatte in den letzten
Jahrzehnten wohl der Einsatz von CNC-gestützten Fräsmaschinen. 3-Achs-Fräsen wer-
den vornehmlich in der Plattenbearbeitung eingesetzt, wohingegen 5-Achs-Fräsen eine
dreidimensionale Bearbeitung von Holzkörpern ermöglichen.
Für die Gestaltung heißt das, dass nun Formen und Verbindungen präzise, wirtschaftlich
und seriell erarbeitet werden können, die zuvor nur in Handarbeit unter großem Zeitauf-
wand möglich waren.
Mit 3-Achs-CNC-Fräsen aus Plattenmaterial erstelle Regale, Stühle, Tische... mit diversen
Steckverbindungen bevölkern aktuell den Markt. Hier zeigt sich jedoch die Zweischneidig-
keit des Verfahrens: zum einen ist sehr viel mehr möglich als zuvor, zum anderen hat das
Fertigungsverfahren derart großen Einfluss auf die Gestaltung, dass viele der Möbel ver-
gleichbar aussehen und damit dem Einzelentwurf nicht genügend Wiedererkennungswert
gegeben ist.
5-Achs-CNC-Fräsen bieten da etwas mehr Spielraum: Sie erlauben, das Holz dreidimen-
sional und somit skulptural zu bearbeiten. Flächen, Kanten, Übergänge und Verbindungen
lassen sich so gestalten wie man es bislang nur aus dem Spritz- oder Druckgussverfahren
von Kunststoff oder Aluminium kannte - oder eben aus mehreren zweidimensionalen Fräs-
schritten und anschließender Handarbeit.

Abbildung 3, 4: PP503 von Hans Wegner für PP Møbler, 1949 (links), Hiroshima von Naoto Fukasawa für Maruni, 2010

Neben diesen fertigungssteuernden Verfahren hat die digitale und dreidimensionale Pla-
nung jedoch ganz wesentlichen Einfluss auf die Gestaltung genommen. Gerade für die
Innenraumplanung und den Innenausbau ist dies ein unverzichtbares Werkzeug gewor-
den. Komplexe und insbesondere amorphe Formen sind nur noch mit CAD-Programmen
planbar. «Organic Design» – das Schlagwort der 40er Jahre – schreitet somit in eine neue
Dimension.
Als eines von vielen Beispielen hierfür sei das 2015 fertig gestellte Opernhaus in Harbin /
China, geplant von MAD Architects genannt.9
Ein Prestigeobjekt im Kleinen ist der Gubi Chair (3D Dining Chair) von Gubi, entworfen
2003 von Komplot Design. Der Stuhl war das erste Serienprodukt, das 3D-Furnier ver-
wendete. 3D-Furnier unterscheidet sich vom herkömmlichen Furnier dadurch, dass es in
feine Streifen geschnitten und rückseitig mit einer elastischen Klebenaht wieder verbun-
den wird. Durch die Elastizität der Verbindung können sich die einzelnen Furnierstreifen

 9 Detail: https://www.detail.de/artikel/schneeverwehung-aus-stahl-opernhaus-in-harbin-26789/ (Stand 25.05.2018)
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    gegeneinander verschieben und ermöglichen dadurch eine weitaus größere 3D-Verfor-
    mung als dies mit herkömmlichem Furnier möglich wäre. Entwickelt wurde das 3D-Furnier
    von der mittelständischen Dresdner Firma Reholz, die 2008 an die Danzer Group verkauft
    wurde. 10
    2009 wurde 3D-Furnier erstmals in größeren Flächen eingesetzt: der «Nomad» Tisch von
    Arco, entworfen von Jorre van Ast setzt auf intelligenten Leichtbau in Verbindung mit
    3D-Furnier und unkonventionell-traditioneller Beinanbindung. 11
    Arcos Tische «Slim» und «Slim+», entworfen von Bertjan Pot sind ebenfalls sehr innova-
    tive Produkte. Ein extrem filigraner Holztisch, der ohne Zarge bis zu 3,60 m Spannweite
    bietet - wie ist das möglich? Das Geheimnis ist eine Sandwich-Konstruktion aus Stahl und
    Wabenplatte.12
    Gerade diesen Sandwichplatten ist ohne die entsprechende Umsetzung in der Gestaltung
    ihre Qualität oft nicht anzusehen. Die letzten Jahre haben vielfältige Entwicklungen hinsicht-
    lich Materialreduzierung, Leichtbau, Stabilität und diverser Materialkombinationen zutage
    gebracht, inkl. Materialkombinationen mit nachwachsenden Nicht-Holz-Rohstoffen. Interes-
    sant ist in diesem Zusammenhang auch die verkabelbare Leichtbauplatte «Lisocore®»
    von lightweight solutions in Bad Aibling bei Rosenheim, mit großem Potential nicht nur für
    die Büromöbelindustrie. 13
    Die Biegsamkeit von Holzplatten und -profilen war bereits in der klassischen Moderne ein
    großes «Design-Thema». Für viele Jahre waren vorgefertigte, geschlitzte MDF-Platten, die
    2D-Verformung ermöglichten und stauchgepresste Massivholzprofile14, die sich vorort
    ohne Vorbehandlung verbiegen ließen die interessantesten Neuerungen auf dem Markt.
    Dank moderner CNC-Bearbeitung gibt es jedoch auch hier eine spannende Innovation:
    «Dukta»15 ist eine CNC-geschlitzte Holzwerkstoffplatte die dank intelligenter Schlitzfüh-
    rung dreidimensional verformbar ist. Zudem verfügt sie über schallabsorbierende Wirkung
    und weist je nach Fräsführung eine hohe Variabilität hinsichtlich ihrer Oberflächenoptik
    auf: von klar-geometrisch bis hin zu textilhaft-soft. Es war ein Industriedesign Student
    der den Anstoß für diese technische Neuerung gab.
    Generell bieten heute Holzwerkstoffe – ob als Verbund oder Monomaterial – ein breites An-
    gebot für Zusatzfunktionen wie z.B. Schallabsorbierung, Wärmedämmung oder Transluzenz.
    Der für die Industrie interessanteste Bereich sind jedoch thermoplastisch verformbare
    Holzwerkstoffe. Vormals «Flüssigholz» genannte Materialien sind entweder Lignin- oder
    Zellulosebasiert und lassen sich wie Kunststoff spritzgießen oder extrudieren.
    Der Überbegriff heute lautet jedoch Holz-Kunststoff-Verbundwerkstoff oder WPC
    (Wood-Plastic-Composite).
    Fließend hierzu ist der Übergang zu den umgangssprachlich als «Bio-Plastics» bezeichneten
    Werkstoffen. Hierbei werden Holzfasern oder andere nachwachsende Naturfasern mit
    Kunststoffen und/oder Harzen und Additiven vermischt und lassen sich dann ebenfalls wie
    oben genannt industriell verformen. Je nach Weiterverarbeitungsverfahren (Extrusion
    oder Spritzgießen) ist das Verhältnis von Naturmaterial zu Kunststoff unterschiedlich hoch.
    Generell sind dabei Kunststoffe auf Basis nachwachsender Rohstoffe von biologisch ab-
    baubaren Kunststoffen zu unterscheiden. «Bio» ist auch hier nicht die immer heilsbrin-
    gende Lösung – selbst Bio-Kunststoffe, wenn nicht biologisch abbaubar, können unsere
    Meere dauerhaft verschmutzen. Eine kritische Auseinandersetzung und detaillierte Pro-
    duktinformation sind Voraussetzung für einen sinnvollen Umgang mit diesen Werkstoffen.

    10 Gubi: https://shop.gubi.com/collections/dining-chairs/products/3d-dining-chair-un-upholstered-sledge-base (Stand
       25.05.2018)
    11 Arco: http://www.arco.nl/de/nomad-de.html (Stand 25.05.2018)
    12 Arco: http://www.arco.nl/de/slim-de-2-de-de-de.html (Stand 25.05.2018)
    13 Materia: https://materia.nl/material/lisocore/lightweight-solutions-lisocore-woo376-8/ (Stand 25.05.2018)
    14 Bendywood®: http://www.bendywood.com/de/ (Stand 25.05.2018)
    15 Dukta®: https://dukta.com (Stand 25.05.2018)
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Bei der Gestaltung von Möbeln beeinflussen diese Materialien in erster Linien die Oberflä-
chenoptik und -haptik. Das Formgebungsverfahren gleicht weitestgehend dem von Kunst-
stoffprodukten.
Hier forschen in erster Linie die Großindustrie, sowie Hochschulen und Universitäten. Aber
auch in privatwirtschaftlichen oder studentischen Projekten entstehen interessante Mate-
rialentwicklungen.
Als Beispiel sei hierfür Tamara Orjola genannt, die in ihrer Masterarbeit 2016 einen
Hocker und einen Teppich aus Piniennadel-Komposit präsentierte.16
Dass diese Entwicklung bereits Einzug in die Großindustrie gehalten hat, zeigen nicht nur
die allerorten erhältlichen WPC-Terrassendielen. Gerade hat Ikea die dritte Generation
eines Stuhles aus Holz-Kunststoff-Verbundwerkstoff gelauncht:
«Odger» aus 70% Polypropylen und 30% Holzspänen, entworfen vom schwedischen
Designbüro Form Us With Love.17
Gerade bei spritzgegossenen Produkten wie dem Odger ist zu wünschen, dass sich der
Anteil an nachwachsenden Rohstoffen in Zukunft weiter erhöht. Wenn man zudem die vor
20 Jahren noch sehr «Öko-Look» lastigen Materialproben mit den heutigen Werkstoffen
vergleicht, so ist viel passiert und die weitere Entwicklung lässt hoffen.

3.3. Aktuelle Trends in der Gestaltung
Betrachtet man die aktuellen Trends im Möbeldesign, so zeigen sich zwei konträre Bewe-
gungen. Zum einen erfährt der Werkstoff Holz als Naturmaterial in seiner traditionellen
Verwendung ein Revival. Zum anderen wird Holz in weiterverarbeiteter Form zum «High-
Tech-Material», ob nun geschäumt, spritzgegossen, extrudiert, faserverstärkt, genäht,
gefaltet, gewickelt, als Verbundmaterial...
Der amerikanische Architekt und Möbeldesigner George Nakashima (1905-1990) wurde
in den 1950-60ern bekannt für seine großformatigen Tische und Bänke aus massiven
Baumscheiben. Mit dem Abklingen der Mid-Century-Era verschwand dieser Möbeltypus
fast gänzlich, bzw. verlagerte sich ins rustikal-ländliche Design.
Aktuell steht das Naturmaterial – auch in seiner natürlichen Form und handwerklichen
Bearbeitung – jedoch wieder stark im Interesse von Designern und Architekten.
Das französische Designer-Duo Normal Studio bearbeitete in Zusammenarbeit mit der
Handwerker-Kooperative Arca Society Holzstämme in ihrer Grundform nur minimal,
flammte und bürstete jedoch die Oberflächen, sodass kunstvolle Objekte – die «Basalt
Table» – mit sinnlichen Oberflächen entstanden.18
Der japanische Architekt Kengo Kuma entwarf gerade für den Lederwarenhersteller Va-
lextra einen Pop-Up Retail Store in Mailands Edel-Shopping-Meile Via Manzoni, in dem auf-
geschnittene Holzstämme unter einer spiegelnden Decke das Interior Design bestimmen.19

16 Tamara Orjola: http://tamaraorjola.com (Stand 25.05.2018)
17 Form Us With Love: http://www.formuswithlove.se/work/ikea-odger/ (Stand 25.05.2018)
18 Arca: http://www.arca-ebenisterie.fr/en/portfolio/table-basalt-normal-studio/ (Stand 25.05.2018)
   Normal Studio: http://www.normalstudio.fr/fr/ns/page/projets/hidden/basalt#top (Stand 25.05.2018)
19 Designboom: https://www.designboom.com/architecture/kengo-kuma-enchanted-forest-valextra-milan-03-02-
   2018/ (Stand 25.05.2018)
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     Abbildung 5: Pop-Up Store von Kengo Kuma für Valextra, 2018

     Etwas veredelt, aber dennoch getrieben vom Ursprungsmaterial zeigen sich die folgenden
     beiden Beispiele:
     Bei der «Sand-Box» vom Designer Kai Linke wird die Oberfläche von simplen Holzkästen
     partiell sandgestrahlt. Das Ergebnis ist eine frappierende Überlagerung von Formen und
     Strukturen.20
     Die aus Tischen, Hockern und Accessoires bestehende Serie «Color Wood» von Scholten
     & Baijings für den japanischen Hersteller Karimoku New Standard spielt auf poetische
     Weise mit dem Material Holz, lasierten Oberflächen und integrierten Textilbändern. 21

     Abbildung 6: Color Wood Tables von Scholten & Baijings für Karimoku New Standard

     Speziell die Möglichkeit zur Leichtbauweise wird beim «Zukunftswerkstoff Holz» im
     Möbeldesign und der Raumgestaltung häufig genutzt. So z.B. beim Prototypen «Ripple
     Table» von Hubert Benjamin22, oder dem Stuhl «Penne» von Julia Läufer & Marcus
     Keichel für Lammhults, dessen Beine aus gewickeltem Holzfurnier, den Lignotubes ®
     bestehen.23

     20   Kai Linke: http://www.kailinke.com/en/work/:sand-box
     21   design-milk: https://design-milk.com/scholten-baijings-for-karimoku-new-standard/
     22   Deezen: https://www.dezeen.com/2013/09/16/ripple-lightest-table-in-the-world-by-benjamin-hubert/
     23   Lammhults: https://www.lammhults.se/products/chairs-armchairs/penne
15. Internationales Branchenforum für Frauen IBF 2018
                                                        Das Material aus dem die Zukunft geschnitzt ist | A. Ponholzer   11

Und wieder mal ist es die Mailänder Möbelmesse, die am deutlichsten zeigt welche Aktu-
alität Holz im Möbeldesign hat:
Der bislang ausschließlich für Kunststoffmöbel bekannte Hersteller Kartell präsentierte
2018 erstmalig eine Stuhl- und Sesselfamilie aus Furnierformholz:
«Woody» von Philippe Starck.24
Norman Foster, als Architekt bekannt für seine High-Tech-Bauten aus Glas, Stahl und
Beton entwirft die Möbelserie «OVO» aus Massivholz25.
Und beim dänischen Möbelhersteller Fritz Hansen, bekannt geworden durch Arne Jacob-
sens in den 1950ern entworfene Stuhlserien «Serie 7» und «Ameise» aus Furnierformholz,
wird erstmals seit 61 Jahren wieder ein Massivholzstuhl gefertigt: «N01» vom japanischen
Designer Nendo26.

4.       Bildnachweis:
Abbildung     1:
             http://de.shop.thonet.de/wohnen/programm-404?orderId=&a=528
Abbildung     2:
             http://www.stoermer-partner.de
Abbildung     3:
             http://www.pp.dk/index.php?page=collection&cat=1&id=11
Abbildung     4:
             http://www.maruni.com/en/product/arm_chair/2955-31/
Abbildung     5:
             https://www.designboom.com/architecture/kengo-kuma-enchanted-frest-
             valextra-milan-03-02-2018/
Abbildung 6: https://design-milk.com/scholten-baijings-for-karimoku-new-standard/
Stand 25.05.2018

24 Designboom: https://www.designboom.com/design/philippe-starck-woody-kartell-wood-chairs-04-18-2018/
25 Foster and Partners: https://www.fosterandpartners.com/news/archive/2018/05/ovo-furniture-range-launches-at-
   clerkenwell-design-week/#main
26 Deezen: https://www.dezeen.com/2018/04/07/nendo-designs-solid-wooden-chair-fritz-hansen-milan-design-week/
   (Stand 25.05.2018)
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