Das philosophische Café - Philosophisch - Theologische Dialoge - lauf-evangelisch.de
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Das philosophische Café • Jean-Paul Sartre: Die Anderen als „Hölle“ des Existenzialisten? • 1. Der Philosoph Jean-Paul Sartre • Jean-Paul Sartre wird 1905 in Paris geboren, wo er auch 1980 stirbt. Er ist einer der politischsten Philosophen seiner Zeit. Sartre hat nie einen Lehrstuhl inne. Er lebt und denkt als freier Schriftsteller und ist als solcher ungeheuer produktiv. Neben mehr als 4000 Seiten philosophischer Schriften hinter- lässt Sartre bei seinem Tod 4000 Seiten Biographien und 2000 Seiten Erzählungen, Theaterstücke, Romane und Drehbücher. • „Der Mensch ist zur Freiheit verurteilt. Verurteilt, weil er sich nicht selbst erschaf- fen hat und dennoch frei, weil er, einmal in die Welt geworfen, für all das verant- wortlich ist, was er tut“ (EH, 154).
Das philosophische Café • 2. Die Kritik des „transzendentalen Ego“ und das „prä-reflexive cogito“ • Sartres Schrift „Die Transzendenz des Ego“ (Hamburg, 2021; im Folgenden TE) aus dem Jahr 1936 befasst sich – wie der Name bereits verrät – mit der transzendentalen Egologie Husserls. Die Kritik, der Sartre hier Husserls Bewusstseinsphilosophie unterzieht, ist aber nur vor dem Hintergrund des Denkens des französischen Philosophen und Nobelpreisträgers für Literatur Henri Bergson zu verstehen. • Bergson, der heute zu unrecht ein Schattendasein in der Philosophie fristet, ist ein Star unter den Philosophen seiner Zeit, der auch nachweisbar Wir- kung auf Husserl und Heidegger ausübt.
Das philosophische Café • Bergson geht es in seinem als „Lebensphilosophie“ bezeichneten Denken u.a. um die Entstehung von Bewusstsein, Denken, Geist im Prozess der Evolution der „le- bendigen“ Materie. In diesem Prozess erscheint ein „gestaltloses, gleichgültiges, unwandelbares Ich“ (Bergson, Schöpferische Evolution, Hamburg 2020, , S. 13) erst nachrangig als Kunstgriff einer „Aufmerksamkeit“, die die Dauer des in der Wahrnehmung Gegebenen in einzelne „beleuchtete Punkte“ unterschieden und getrennt hat und diese nun wieder zusammensetzen muss. (aaO) • Der Synthesisleistung des Verstandes, die synthetische Einheit der Apperzeption Kants, geht bei Bergson – so Sartre – ein Bewusstsein voraus, „das nichts von sich weiß“ (TE, S. 136). Sartre sieht es als Leistung Bergsons an ein vor-reflexives, „un- persönliches und unbewusstes Bewusstsein“ herausgearbeitet zu haben, das die Grundlage des „bewussten“, da selbstreflexiven, (Selbst-) Bewusstseins bildet.
Das philosophische Café • Sartre übernimmt damit Bergsons „unpersönliches und unbewusstes Bewusst- sein“ als Grundlage aller Erkenntnis, auch der Selbsterkenntnis. Wie wir sehen werden, wird dies auch weitreichende Folgen für das Verhältnis von ICH und Du nach sich ziehen. • In SN führt Sartre diesen Gedanken fort. Dieses „Urbewusstsein“ (SN, S. 19) ist „nichtsetzend“, d.h. es ist reines Medium der Repräsentation bewusster Inhalte: „Es ist die einzige mögliche Daseinsweise für ein Bewusstsein von etwas“ (aaO) • Das „transzendentale Ego“ verliert damit seine Vorrangstellung vor der Welt, dem „Anderen“ und dem „Du“.
Das philosophische Café • Das vor-reflexive, „unpersönliche und unbewusste Bewusstsein“ ist für Sartre reines „Existenzbewusstsein“, das sich als Selbstbewusstsein erst in der Reflexion mit Inhalten füllt. Zu diesen Inhalten gehört das Ego, als Ich und ICH, und die Welt. Sartre formuliert hier Heideggers Begriff des „In-der-Welt-Seins“ auf einer bewusstseinsphilosophischen Grundlage neu. (SN, S. 19) • Die Selbstreflexion des Ich-ICH hat daher notwendig auch eine andere Art von „Subjektivität“zur Folge: • „Der Mensch ist nichts anderes als das, wozu er sich macht. Das ist das erste Prinzip des Existen- zialismus. Das ist es auch, was man Subjektivität nennt und uns unter eben diesem Namen vor- wirft“ (EH, S. 150)
Das philosophische Café • 3. Sartres Existenzialismus und Heideggers Ek-sistenz • Sartes Denken ist im Denken der Metaphysik, von Descartes bis Kant, der Phäno- menologie Husserl, der Lebensphilosophie Bergson´s und der Fundamentalonto- lgie Heideggers verwurzelt. Sartre wehrt sich daher gegen die Einordnung des Existenzialismus als Modephilosophie. • „Der Existenzialist; das Wort hat im Grunde heute eine solche Breite und Ausweitung erfahren, dass es überhaupt nichts mehr bedeutet. Es scheint, die Leute, die es nach Skandal und Bewe- gung dürstet, wenden sich mangels avantgardistischer Lehre, die dem Surrealismus vergleichbar wäre, an diese Philosophie, die ihnen übrigens in dieser Hinsicht nichts zu bieten hat; in Wirk- lichkeit ist sie die am wenigsten skandalöse, die nüchternste Lehre; sie ist ausschließlich für Fachleute und Philosophen bestimmt.“ (EH, S. 145; Hervorhebung E.S.)
Das philosophische Café • Was aber ist Sartres „Existenzialismus“? Er ist in erster Linie eine Kritik der tra- ditionellen Metaphysik, worin er seinem Vorbild Heidegger folgt. Das Seiende ist für Heidegger nicht mehr Verwirklichung von allgemeinen, hinter den konkreten Dingen stehenden Formen („Ideen“), sondern ist Zuhandenes und Vorhandenes für das „Dasein“, einem Seienden, dem es „in seinem Sein um das Sein selbst geht“. • Sartre übernimmt diesen Ansatz in der Formulierung seines philosophischen Grundsatzes, der da lautet: „Die Existenz geht der Essenz (s.c. dem „Wesen“, d.h. der Seinsform) voraus.“ • „Der Mensch, wie ihn der Existenzialist versteht, ist nicht definierbar, weil er zunächst nichts ist. Er wird erst dann, und er wird so sein, wie er sich geschaffen haben wird. Folglich gibt es keine menschliche Natur, da es keinen Gott gibt, sie zu ersinnen“ (EH, S. 149)
Das philosophische Café • Die Grundüberzeugung des Existenzialismus Sartre´s besteht darin, dass der Mensch als einzige Daseinsform nur das ist, was er aus sich macht. Er ist durch nichts festgelegt, sondern gewinnt die Form und Gestalt, die er sich selbst gibt. • Die Form, die Gestalt, das Was-Sein, geht daher dem Dasein des einzelnen Menschen nicht nur nicht voraus (so die traditionelle Metaphysik), sie ist vielmehr gegenüber dessen Dasein, seiner „Existenz“ sekundär. • Da die in der Form in der Gestalt liegende Allgemeinheit erst der Existenz folgt, kann auch die „Existenz“ nur individualistisch verstanden werden. Die Existenz jedes einzelnen Menschen geht daher – so Sartre – immer dessen Bestimmung durch allgemeine Eigenschaften voraus.
Das philosophische Café • 4. Der „Blick des Anderen“ und die „Scham“ • Für Sartre, der sich immer dagegen verwahrt hat, dass sein Existentialismus ein Solipsismus und Egoismus ist, wird wie für Husserl das Problem der Fremderfah- rung zum zentralen Thema. Wie wird der Andere zum „Du“ und nicht zum „Ich- Es“, um den Begriff Bubers zu verwenden? • Die Problemlage formuliert Sartre folgendermaßen: • „Diese Frau, die ich auf mich zukommen sehe, dieser Mann, der auf der Straße vorübergeht, dieser Bettler, den ich vor meinem Fenster singen höre, sind für mich Objekte, darin besteht kein Zweifel. Also ist es richtig, dass wenigstens eine der Modalitäten der Anwesenheit anderer die Objektheit ist. Aber wir haben gesehen, dass die Fremdexistenz eine reine Annahme bleibt, so- lange diese Objektverhältnisse das Grundverhältnis anderer zu mir sind.“ (SN, S. 338; Hervor- hebung durch Sartre selbst)
Das philosophische Café • Im Gegensatz zur Puppe sieht er einen auf einem Stuhl sitzenden Menschen in einem „nichtadditivem Verhältnis“ zum Stuhl, er ist bereits als Objekt der Erfah- rungswelt kein bloßes Ding unter Dingen. • Sartre beschreibt diesen Umstand, indem er von einem Menschen als Wahrneh- mungsgegenstand als einem „entfernungslosen Gebilde“ spricht, das in „meinem Mikrokosmos“ von Dingen auftaucht, und bei dem ich mich – im Gegensatz zur Objektwelt – nicht „zu seinem Mittelpunkt machen kann“. (SN, S. 340) • „Die Erscheinung des anderen in der Welt entspricht also einem regungslosen Entgleiten des ganzen Mikrokosmos, einer Dezentrierung der Welt, die die Zentrierung unterminiert, die ich zur selben Zeit erwirke“ (SN, S. 341)
Das philosophische Café • Sartre betont, dass der „Andere“ dabei immer noch als Objekt meiner Welt auf- gefasst wird. Als solches hat er die Eigenschaft, das zu sehen, was ich sehe: • „Wenn der Objekt-Andere in Verbindung mit der Welt als das Objekt definiert wird, was das sieht, was ich sehe, muss meine Grundbeziehung zum Subjekt-Anderen zurückgeführt werden können auf meine ständige Möglichkeit, vom anderen gesehen zu werden. …Diese Beziehung, die ich ´Vom-Anderen-gesehen-werden´ nenne, stellt also …. ein irrreduzibles Faktum dar, was man we- der vom Wesen des Objekt-Anderen noch von meinem Subjekt-sein ableiten kann.“ (SN, S. 342 f.; Hervorh. Sartre) • Hierdurch kommt es zu einem „Ausfließen des Mikrokosmos“ (aaO) meiner – phänomenologisch gesprochen – Eigenheitssphäre. Das Ausfließen betrifft dabei auch das „Ich“ selbst. Sartre bezeichnet diesen Vorgang sehr drastisch als „innere Blutung“ (SN, S. 343, 348)
Das philosophische Café • Durch das Ausfließen aus „meinem Mikrokosmos“ (dies entspricht der Primordial- sphäre Husserls) werde ich zum Objekt des Anderen, seines Blickes und seiner Beurteilung. Ich bin „in einer Welt, die der Andere mir entfremdet hat.“ (SN, S. 348) • Die Folge ist ein Affekt: die Scham. Durch das Gefühl der Scham „erkenne ich an, dass ich bin, wie Andere mich sehen“ (SN, S. 300) • „Der Blick des anderen bewirkt, dass ich jenseits meines In-dieser-Welt-Seins bin, inmitten einer Welt, die diese hier und zugleich über diese hier hinaus ist. Was für Beziehungen kann ich zu diesem Sein, das ich bin und das die Scham mir entdeckt, unterhalten?. Erstens eine Seinsbezie- hung. Ich bin dieses Sein……. Die Scham enthüllt mir aber, dass ich dieses sein bin.“ (SN, S. 348 f) • Sartre resümiert: „So habe ich für den Anderen meine Transzendenz abgeworfen“ (SN, S. 350)
Das philosophische Café • Der Blick des Anderen ist für mich uneinholbar: ich kann die Welt nie so sehen wie er. Daraus folgt, dass ich auch den Anderen in seiner Ganzheit nie erkennen kann. Der andere ist in diesem Sinne „frei“, von mir frei (SN, S. 349). • Dieser unabhängige Blick sieht mich „in der Welt“ und gibt mir damit die Möglich- keit, „mich als in der Welt gesehen und von der Welt aus“ zu ergreifen. • Heideggers „In-der-Welt-Sein“ wird hier auf eine neue Grundlage gestellt. Das „In-der-Welt-Sein“ des Ich entsteht nicht gleichrangig mit dem „Dasein“, sondern erst durch den Blick des „Anderen“, der mich aus meiner Eigenheitssphäre reißt und mich von mir selbst „entfremdet“.
Das philosophische Café • Bei Sartre wird – phänomenologisch gesprochen – die Wandlung des transzen- dentalen „Ich“ zum personalen „ICH“ durch das Gesehen-werden durch den „Anderen“ vollzogen. Wir erinnern uns an die Formulierung Bubers „Der Mensch wird am Du zum Ich“.
Das philosophische Café • „Nunmehr können wir den Sinn dieses Auftauchen des anderen in seinem und durch seinen Blick genauer erkennen. In keiner Weise ist der andere uns als Gegenstand gegeben. Die Vergegen- ständlichung des Anderen wäre gleichbedeutend mit dem Zusammenbruch seines Blick-Seins. Außerdem bedeutet der Blick des anderen, wie wir gesehen haben, das Verschwinden gerade der Augen des Anderen als der Gegenstände, die den Blick offenbaren“ (SN, S. 357; Hervorhebung Sartre) • Durch sein „Blick-Sein“ verschwindet der „Andere“ als Gegenstand meiner Welt, meines Mikrokosmos, er entzieht sich damit jeder nur theoretischen Beziehung ebenso wie jeder instrumentellen Vereinnahmung als „Mittel zum Zweck“. • Dies bedeutet allerdings nicht, dass ich den „Anderen“ nicht wieder „vergegen- ständlichen“, zum bloßen Objekt machen könnte, um mich von diesem Blick zu befreien.
Das philosophische Café • „Die Vergegenwärtigung des anderen ist, wie wir sehen werden, ein Verteidigungsmittel meines Seins, das mich gerade von meinem Für-Andere-Sein befreit, indem es dem Anderen ein Sein-für- -mich zuteilt.“ (aaO) • Auch bei Sartre besteht daher – wie bei Buber – die reale Möglichkeit, dass der „Andere“ in seinem Blick-Sein nicht mehr wahrgenommen oder ignoriert wird: Um mit Buber zu sprechen, wird er vom „Du“ zum „Es“. • Dies ändert jedoch nichts daran, dass „im Phänomen des Blickes“ der Andere grundsätzlich das ist, „was nicht Objekt sein kann“ (aaO). Der Mensch kann letzt- lich diesem Blick auch nicht ausweichen. Wenn er von ihm getroffen wird, erlebt er die „Scham“ als das Gefühl, das die Fremdbeurteilung seiner selbst begleitet.
Das philosophische Café • Indem der Mensch vom Blick des Anderen getroffen wird, erlebt er mit allen Sin- nen dessen „Anderer-Natur“ (SN, S. 359), wie Sartre die Fremdheit des Anderen bezeichnet. Diese Fremdheit ist keine „Erscheinung in der Welt“, sondern etwas, das jenseits liegt. • „So ist die Erscheinung des Blickes Anderer keine Erscheinung in der Welt, weder in der meinigen, noch in der der Anderen; und die Beziehung, die mich mit Anderen vereint, kann nicht eine Bezie- hung der Außenweltlichkeit zum Inneren der Welt sein, sondern durch den Blick des Anderen mache ich die konkrete Erfahrung, dass es ein Jenseits der Welt gibt. Der Andere ist mir ohne ein Mittelglied gegenwärtig und zwar als eine Transzendenz, die nicht die meinige ist…. Gegenwärtige und ungreifbare Transzendenz … das ist der Blick des Anderen“ (aaO; Hervorhebung Sartre)
Das philosophische Café • 5. Was sind die „Anderen“? • Sartre scheint am Ende seines Theaterstückes „Geschlossene Gesellschaft“ (frz. „Huis close“) mit dem berühmten Satz „Die Hölle, das sind die Andren“ selbst die Antwort gegeben zu haben. • Aber das weithin bekannte Zitat führt in die Irre. An der Stelle im Theaterstück geht es nicht um eine Bestimmung der „Andren“, sondern der „Hölle“. Sartre selbst hat sich dazu wie folgt geäußert:
Das philosophische Café „Ich wollte sagen: die Hölle, das sind die andern. Aber dieses „die Hölle das sind die andern“ ist immer falsch verstanden worden. Man glaubte ich wollte damit sagen, dass unsere Beziehungen zu anderen immer vergiftet sind, dass es immer teuflische Beziehungen sind. Aber es ist etwas ganz anderes, was ich sagen will. Ich will sagen, wenn die Beziehungen zu anderen verquer, vertrackt sind, dann kann der Andere nur die Hölle sein. Warum? Weil die Anderen im Grunde das wichtigste in uns selbst sind für unsere eigene Kenntnis von uns selbst. Wenn wir über uns nachdenken, wenn wir versuchen, uns zu erkennen, benutzen wir im Grunde Kenntnisse, die die anderen über uns schon haben. Wir beurtei- len uns mit den Mitteln, die die anderen haben, uns zu unserer Beurteilung gegeben haben. Was ich auch über mich sage, immer spielt das Urteil andere hinein. Was ich auch in mir fühle, das Urteil ande- rer spielt hinein. Das bedeutet, wenn meine Beziehungen schlecht sind, begebe ich mich in die totale Ab-hängigkeit von anderen. Und dann bin ich tatsächlich in der Hölle. Es gibt eine Menge Leute auf der Welt, die in der Hölle sind, weil sie zu sehr vom Urteil anderer abhängen. Aber das heißt keineswegs, dass man keine anderen Beziehungen zu den Anderen haben kann. Es kennzeichnet nur die entschei- dende Bedeutung aller anderen für jeden von uns. (Zitiert nach Jean-Paul Sartre, Geschlossene Gesell- schaft, Reinbek bei Hamburg 2021, S. 61)
Das philosophische Café • 5.1. Der Mensch wird am Blick zum Ich • Was Sartre hier zusammenfasst, sind letztlich die Einsichten aus „Das Sein und das Nichts“: der Mensch wird durch den Blick des Anderen zum personalen Ich. • Wie dargelegt macht der Blick des „freien Anderen“ mich zu seinem Objekt und im Gefolge danach auch für mich zum Objekt-Ich. • „Ich“ werde durch seinen Blick in dem Sinne objektiviert, als er mich mit seinen (intersubjektiv-allgemeinen) Begriffen beschreibt, beurteilt und bestimmt. Dies geht von der individuellen Erziehung durch Andere bis hin zu sozialen, recht- lichen und kulturellen Festlegungen meiner selbst.
Das philosophische Café • Hierdurch erkenne „Ich“ mich in meiner objektiven „Situation“, in die ich im Sinne Heideggers geworfen bin. • (Hinweis: der Begriff der „Situation“ bzw. des „in Situation“ - Seins verwendet der Existenzphilo- soph Karl Jaspers in seinem 1932 erschienen Werk „Philosophie II, Existenzerhellung“. Sartre übernimmt diesen Begriff, ohne auf Jaspers Bezug zu nehmen.) • Es ist die absolute Fremdheit, die absolute Transzendenz, die ich aber durch mei- ne leibhaften Fähigkeiten verändern, nach meinem Willen gestalten oder zu der ich mich wenigstens frei verhalten kann: „transzendierte Transzendenz“. • Nach Sartre braucht das „Ich“ daher den Blick des Anderen, damit es sich in ihm als das erkennen kann, „was es ist“: ein bestimmter Mensch in einer bestimmten Situation, zu der er sich verhalten, in der er handeln kann und muss.
Das philosophische Café • Der „Blick des Anderen“ hat bei Sartre eine zweifache Wirkung: • - er objektiviert das „Ich“, legt es fest als Exemplar durch zugeschiebene physi- sche und psychische Eigenschaften, durch Rollenbilder und soziale Erwartungen, und verschafft ihm so ein objektives Selbstbild. Das Ich erkennt seine „Situation“ • - er ermöglicht dem „Ich“ durch die Entdeckung der Fremdheit und Unverfüg- barkeit des Anderen, sich seiner eigenen Unverfügbarkeit für Andere gewahr zu werden und damit seine Exemplarität, seine „Ent-Fremdung“ durch den Anderen zu überwinden und verschafft ihm so die Möglichkeit sich und sein Selbstbild zu verändern
Das philosophische Café • Der „Andere“ kann dabei - je nachdem - die eine oder die andere Wirkung ver- stärken. • - objektiviert er mich nur, legt er mich so fest, dass er mir keine Möglichkeit zur Selbstveränderung einschließlich meines (Selbst-) Bild lässt, behandelt er mich nur als Exemplar, lässt mich entfremdetet in der bloßen Fremdbeurteilung zurück, so wird er zur Hölle des „Ich“. Dann bin „Ich“ abhängig von der Fremdbeurteilung und gehe als bloßes Objekt in ihr auf. • - lässt er mich dagegen frei, im Sinne der Freiheit seiner „transzendierten Trans- zendenz“, im Sinne meines Vermögens zur Veränderung der mir vorgegebenen Situation, im Sinne der Ermöglichung der Schaffung eines neuen (Selbst-) Bildes durch Veränderung meiner Situation, wird er zur Grundlage meiner Freiheit
Das philosophische Café • 5.2. Entfremdung und Freiheit: der Beitrag des Anderen dazu • In dieser Welt ist auch von vornherein der „Andere“ da: mit seinem Blick auf mich. Das „Erblickt-werden“ ist nach Sartre die „einzige Art, in der ich die Freiheit des Anderen an mir erfahren kann“ (SN, S. 504) • Der Andere ist frei und fremd, was ihn in die Lage versetzt, mich zum Objekt zu machen. Indem er mich zum Objekt macht, mich „objektiviert“ schafft der „Andere“ erst die Voraussetzungen für mich, mich in meiner Welt wahrzuneh- men. An die Stelle der Vorstellung der Selbstbespiegelung der Reflexionsphiloso- phie ist die Fremdbeurteilung getreten.
Das philosophische Café • Es kann nicht genug betont werden, dass nach Sartre der „Andere“ nur in seiner Freiheit und Fremdheit diese Objektivierungsleistung vollbringen kann. • Er gibt mir damit ebenso die Möglichkeit zur „Selbsterkenntnis“ durch Fremd- beurteilung wie die Möglichkeit der Erkenntnis, dass ich die dadurch geschaffene „Situation“ – verstanden als zunächst hinzunehmende Bestimmung – als Mensch in der Welt verändern kann: „transzendierte Transzendenz“ • Hierdurch erfahre ich meine Freiheit, nicht nur als gedankliche Vorstellung, son- dern als radikale Tat, mit der ich die Fremdheit der Welt zumindest teilweise überwinden und sie zu meiner Welt machen kann: nicht als bewusstseinsphilo- sophische Korrelat, sondern als Veränderung der objektiven Welt nach meinem Entschluss.
Das philosophische Café • Zusammenfassen kann man daher den Anderen im Denken Sartres Denken wie folgt beschreiben: • Zum einen: Der „Andere“ ist der Grund meiner Entfremdung. Er macht mich durch seinen Blick zum Objekt in der Welt. Er beschreibt, beurteilt und benutzt mich. Er versieht mich dadurch mit Eigenschaften, bestimmt mich in meiner Rolle, legt mich durch seine Erwartungen fest. Ich werde Exemplar, bin nicht mehr „Ich“.
Das philosophische Café • Zum anderen: durch die Objektivierung durch den Anderen nehme ich mich und meine Situation in der Welt erst wahr. Das Ich-Bewusstsein, das transzendentale Ego wie Husserl sagt, gewinnt Gestalt und Inhalt, wird zum personalen Ich. Und als solches erkennt er an der Freiheit der Fremdzuschreibung durch den Anderen die Möglichkeiten seiner Freiheit. • Dadurch ist das „Ich“ nunmehr grundsätzlich in die Lage versetzt, seine Entfrem- dung zu überwinden. Aus dem Objekt-Ich wird ein Subjekt-Ich, aber nicht „Ding“ wie bei Descartes („res cogitans“ = „denkendes Ding“), sondern als Subjektivität, die in ihren Handlungen und Taten „verwirklicht“.
Das philosophische Café • Emmanuel Lèvinas: „Die Spur des Anderen“ • 1. Der Philosoph Emmanuel Lèvinas • Emmanuel Lèvinas gehört ebenfalls zu den großen jüdischen Intellektuellen des 20. Jahrhundert. Geboren wird er 1906 in Kaunas/Litauen als Sohn eines Buchhändlers. Er spricht russisch als Muttersprache, kommt frühzeitig mit der russischen Literatur von Puschkin, Tolstoi und Dostojewski in Berührung. Die Familie ist religiös. • 1923 beginnt Lèvinas ein Studium der Philosophie in Straßburg. 1927 wechselt er nach Freiburg i. Br., wo er bei Edmund Husserl und Martin Heidegger sein Studium der Philosophie für über ein Jahr fortsetzt.
Das philosophische Café • Lèvinas Familie in Litauen wird von den Nationalsozialisten ermordet. Er be- schließt daraufhin, nie mehr deutschen Boden zu betreten. • Diese Erfahrungen werden das Philosophieren Lèvinas nachhaltig beeinflussen. Insbesondere wird sie das Verständnis der Position des „Anderen“ prägen: das Gesicht des Anderen, das ohne Worte den Imperativ ausdrückt: „Du wirst (sollst) nicht töten!“. • Neben der Philosophie wendet sich Lèvinas der jüdischen Religion zu. Er hält Vorlesungen zum Talmud, publiziert seit 1957 „Lectures Talmudiques“. 1961 wird er Professor für Philosophie in Poitiers, 1967 an der Universität Paris-Nanterres und 1973 schließlich an der Sorbonne.
Das philosophische Café • Die traditionell abendländische Philosophie ist nach Lèvinas eine Philosophie der Allgemeinheit und Objektivität, letztlich dadurch Gleichgültigkeit („indifferance“), gegenüber dem begegnenden Einzelnen. Dieser setzt er die Haltung der „non-in- differance“ entgegen. Nach Lèvinas sind die Auslegungen der „Thora“ im Talmud nie gleichgültig gegenüber dem Einzelnen, der in Frage steht. • Wie für Derrida kommt es auch für Lèvinas darauf an, das Allgemeine immer wieder durch den Einzelnen, den einzelnen Anwendungsfall, aufzubrechen und verändert und erweitert durch diese Individualität fortzuschreiben. Derrida hat später hierfür den Begriff der „Dekonstruktion“ geprägt. • Vor diesem Hintergrund entwickelt Lèvinas seine Philosophie des „Anderen“.
Das philosophische Café • 2. Lèvinas und die abendländische Philosophie • Anders als Buber – von dessen dialogischer Philosophie er sich distanziert – sieht sich Lèvinas nicht in einer dialogischen Beziehung zur abendländischen „Philoso- phie“, sondern in kritischer Distanz zu ihr. • Lèvinas sieht den wesentlichen Unterschied zwischen jüdischem und abendlän- dischen Denken in dem Verhältnis des Denkens zum Einzelnen, zum Individuum sowie in dem Verhältnis von theoretischer und praktischer Philosophie, insbe- sondere der Ethik.
Das philosophische Café • Lèvinas Begriff der Ethik unterscheidet sich von dem gleichlautenden Begriff der abendländischen Philosophie grundlegend. Er setzt der griechischen Universa- lität die jüdische Singularität entgegen. (Werner Stegmaier, Emmanuel Lèvinas, Hamburg 2009, S. 20; im Folgenden WS) • Für Lèvinas ist „im ethischen Kontext jeder singulär, weil ihm niemand seine Ver- antwortung abnehmen kann, auch nicht für Theorien“ (WS, aaO) • „Gegen diese ´Gleichgültigkeit` („indifférance“) des Objektiven, Allgemeinen, Neutralen gegenüber den Einzelnen und ihrer Andersheit macht Lèvinas deren ´Nicht-Gleichgültigkeit` („non-in-différance“) in ihrer Andersheit geltend“ (WS, S.14)
Das philosophische Café • Lèvinas distanziert sich hier insbesondere von Husserls Theorie der Fremderfah- rung, die dem Anderen nur den Status eines „Alter Ego“ zuerkennen kann. • „Wenn das „Alter Ego“ nicht mehr als die Spiegelung des Ich im Anderen ist und sein kann, ist der Andere darin gerade um seine Andersheit mir gegenüber verkürzt …. Die Methode der Selbstbe- obachtung wird durch die Verkürzung der Andersheit des Anderen selbst fragwürdig. Lèvinas ver- sucht die Andersheit des Anderen auf neue Weise gerecht zu werden.“ (WS, S. 53) • Bei Lèvinas verbindet sich die Frage nach dem Sein des Anderen zunächst mit der Seinsfrage überhaupt, die er bei Heidegger in der Vorstellung der „ontisch- onto- logischen Differenz“ von Sein und Seiendem radikal gestellt findet. • Er teilt mit Heidegger die Kritik der Metaphysik, die hinter jedem Seienden als Erscheinung eine wahre Form oder Idee erkennen zu können glaubt.
Das philosophische Café • Was Lèvinas nicht mit Heidegger teilt, ist dessen Auffassung von der „Lichtung des Seins“ im Dasein als einem neutralem Geschehen. • Heideggers Vorstellung von der „Lichtung des Seins“ als Dasein ist gleichgültig ge- genüber dem Seienden; sie ist für Lèvinas von der abendländischen Suche nach Einheit, Gleichheit und Frieden getragen. Allem Seienden liegt ein vereinheitli- chendes Sein zu Grunde. • Lèvinas sieht daher das gesamte abendländische Denken „gegen das Fremde/ gegen den Fremden“ gerichtet. (WS, S. 63 m.w.N.) Auch in Heideggers Begriff des „Mitdaseins“ bzw. „Mitseins“ als gemeinsame Fürsorge für eine gemeinsame Welt, „im gemeinsamen Sich-einsetzen für dieselbe Sache“ zeigt sich ihm nur die Einebnung des Individuellen als einem dem Gemeinsamen Fremden.
Das philosophische Café • 3. Die Anonymität des Seins • Die abendländische Ontologie kritisiert Lèvinas in dem 1961 erschienen Werk „Totalität und Unendlichkeit“ (im folgenden TU; Freiburg/München, 2014) grund- legend. Während Max Horkheimer und Theodor W. Adorno die Dialektik der Aufklärung noch auf eine Entgleisung der instrumentellen Vernunft zurückführen und – wie auch Hannah Arendt – die Kommunikative, dialogische Vernunft wei- terhin bejahen, zielt Lèvinas´ Kritik auf den abendländischen Vernunftbegriff im Ganzen. • Er sieht in der Logizität der Metaphysik, insbesondere der Ontologie das Problem, das mit der Gleichsetzung von Denken bzw. Erkennen und Sein bei Parmenides beginnt (DK, 28 B 5). •
Das philosophische Café • Diese „Theorie des Verstehens des Seienden“ trägt nach Lèvinas den Titel „Ontologie“: • „Die abendländische Philosophie war meistens eine Ontologie: Indem sie einen mittleren und neutralen Terminus, der das Seinsverständnis gewährleistet, einschiebt, reduziert sie das Andere auf das Selbe“ (TU, S. 51) • Lèvinas kritisiert am abendländischen Denken, dass „das existierende Individuum in dem gedachten Allgemeinen abdankt“ (aaO). Das Individuum, das stets nur als das „Andere“ erscheinen kann, wird dann zum Exemplar innerhalb meines Den- kens und meiner Welterkenntnis. Lèvinas spricht hier von „ontologischem Impe- rialismus“ (TU, S. 53)
Das philosophische Café • Der „ontologische Imperialismus“ hat zur Folge, dass der Erkennende immer „der Selbe“ bleibt, immer im Denken mit sich befasst und auf sich bezogen. Der Erken- nende ist dadurch frei: • „ Dies ist die Definition der Freiheit: sich trotz aller Beziehung mit dem Anderen gegen das Andere Halten, die Autarkie eines Ich sichern“ (TU, S. 55) • Die „erste Philosophie“ als Ontologie ist „die Reduktion des Anderen auf das Selbe“ (aaO). Das Sein des Anderen geht in seiner Exemplarität auf. Der, die, das Andere wird „unpersönlich“. • Diese „Unpersönlichkeit“ überträgt sich auf das Sein im Ganzen. Das Sein selbst wird „unpersönlich“ bzw. „anonym“ ( (TU, S 57)
Das philosophische Café • Die „Anonymität“ des Seins „das unpersönliche Sein des Seienden gestattet den Zugriff auf das Seiende, die Herrschaft über es; die Gerechtigkeit wird der Freiheit untergeordnet“ (TU, S. 54) • Indem der, die, das Andere seiner Andersheit durch begriffliche Fassung und De- finition beraubt wird, verliert es sein Existenzrecht als Anderes. Es wird verfügbar, wird meines. Es gehört mir nun, weil ich es benennen kann. • Dadurch werde ich von der Andersheit des Anderen frei und damit, insbesondere in einem bewusstseins- und transzendentalphilosophischen Sinne, selbstbestim- mend und selbstgenügsam. Das Eigenrecht des Anderen in seiner Andersheit, die Personal- und Sachgerechtigkeit wird dadurch der Freiheit des Ich untergeordnet.
Das philosophische Café • Konflikte, in den Wissenschaften oder der Gesellschaft, werden so immer unter Bezug auf das allgemeine, die anerkannten Theorien und Modelle, die allgemein gültigen Gesetze und Vorschriften entschieden. • Die Konfliktlösung geschieht durch die Entindividualisierung der Konfliktherde. Die gefundenen Lösungen werden aber dem Einzelnen nie gerecht. Sie lassen den, die, das Einzelne dahinter verschwinden. • Die Freiheit des erkennenden Subjekts besteht nach Lèvinas darin, dadurch nie mit etwas anderem als „dem Selben“, dem Allgemeinen, dem Vereinheitlichten konfrontiert zu werden: das „Andere“ wird als bloßer Teil „des Selben“ aufge- hoben, in seiner Fremdheit vernichtet.
Das philosophische Café • 4. Das Antlitz des Anderen • Der Blick des Anderen führt bei Sartre dazu, dass das erkennende Ich objektiviert wird. Die Betrachtung durch den Anderen macht aus dem Ich einen Gegenstand, mit Substanz und Eigenschaften. Das Ich wird durch den Blick des Anderen in seinem Dasein als Exemplar bestimmt, das – nach der Terminologie Lèvinas – in das Selbe eingeordnet werden kann. • Bei Sartre gewinnt das Ich durch den Blick des Anderen seine Bestimmbarkeit und seine von der jeweiligen Situation abhängige Möglichkeiten, den anderen und seinen Blick mitsamt dessen objektivierender Bestimmungen meines Selbst zu transzendieren: durch die die Wahl und die Tat.
Das philosophische Café • Nach Lèvinas wird nicht das Ich vom Du objektiviert, sondern in der abendländi- schen Philosophie – so sein Vorwurf – das Du vom Ich. Seine fremdartige Existenz wird in der Allgemeinheit der Begriffe der Metaphysik, insbesondere der Onto- logie aufgelöste. • Während bei Sartre das Ich seine selbstgestaltende Kraft erst auf Grund seiner Objektivierung „wirklich“ entwickeln und sich durch Wahl und Handlung als freie Existenz, die jeder Essenz vorausgeht, be- und ergreifen kann, geht bei Lèvinas die objektivierte Andersheit des Anderen im Selben des erkennenden Ich für immer verloren.
Das philosophische Café • Nach Lèvinas muss daher das erkennende, be- und ergreifende Ich davon abge- halten werden, in dieser Weise auf den, die, das Andere zuzugreifen. Der „Frei- heit“ des Zugriffs des erkennenden Ich muss eine Grenze gesetzt werde. • Diese Grenze zieht die „Gerechtigkeit“, die „Rücksicht auf den Anderen“ und dessen Unabhängigkeit in seiner Fremdheit. • Wodurch aber wird diese Grenze gesetzt, das Stoppschild vorgezeigt: Nach Lèvinas durch das Gesicht, das Antlitz des Anderen. Das Antlitz des Anderen blickt nicht das Ich an, sondern das Ich blickt in des Anderen Antlitz. Es ist eine Ände- rung der Blickrichtung, die das Denken Sartre´s und Lèvinas´ in dieser Hinsicht trennt.
Das philosophische Café • Das Antlitz des Anderen ist dabei kein Gegenstand der theoretischen oder prak- tischen Erfahrung und Erkenntnis, wie Steine, Häuser, Autos etc. ja sogar dessen Leib. Im Antlitz des Anderen steht das Ich dem „Anderen“ nicht erfahrend gegen- über, es wird vielmehr vom Anderen „empfangen“. • Für Lèvinas ist das Verhältnis von Ich und dem „Anderen“ von „Ich und Du“, vergleichbar mit dem von Gast (Ich) und empfangendem Gastgeber (Du): es ist der „Empfang durch ein Seiendes von absolut anderem Sein“ (zitiert nach WS, S. 84) • Der Andere geht „über jedes Maß der Macht und der Freiheit des Ich hinaus. Das Unverhältnismäßige zwischen dem Anderen und dem Ich – ist genau das morali- sche Bewusstsein“ (zitiert nach WS, S. 88)
Das philosophische Café • Diese Andersartigkeit des Antlitz des Anderen, stellt bei Lèvinas nicht nur das Selbstverständnis des Ich in Frage, es bedroht das Ich sogar in dessen Freiheit: • „Das Gesicht des Anderen stellt die mit sich glückliche Spontaneität des Ich in Frage, jene lustvolle Kraft, die sich freien Lauf lässt“ (aaO) • In einer Talmud-Auslegung formuliert Lèvinas dies folgendermaßen: • „Im Gesicht durch die irreduzible Differenz des Jenseits heraus zwischen dem mir Gegebenen, Verständlichen und zu meiner Welt Gehörigen und dem, was unter der so konstituierten Ordnung sich entzieht, beunruhigt und wach macht“. (derselbe; Neue Talmud Lesungen, Frankfurt am Main, 2001, 32, 36) • Das Antlitz des Anderen ist nicht von dieser objektiven (Erfahrungs-) Welt
Das philosophische Café • Diese Furcht um den Anderen ist die Grundlage der Ethik Lèvinas´. Sie ist radikale Verantwortung für den Anderen. • „Sich wegen seiner Daseinsberechtigung ver-antworten müssen, nicht unter Berufung auf die Abstraktion irgend eines anonymen Gesetzes, auf irgend eine juristische Einheit, sondern aus Furcht um den Anderen. … Furcht wegen all dem, was mein Dasein, ungeachtet seiner inten- tionalen und bewussten Unschuld, an Gewalt und Mord verüben könnte … Furcht, die mir aus dem Antlitz des Anderen entgegenkommt“ (derselbe, Zwischen uns, München 1995, S. 181; Im folgenden ZU) • Nicht von ungefähr erinnert die Extremerfahrung des Tötens und des Todes an Heideggers „Vorlaufen in den Tod“, nur dass es bei Lévinas nicht die Vorstellung des Todes des daseienden Ich, sondern die des dem Tode ausgesetzten Du betrifft.
Das philosophische Café • „Antlitz in seiner Direktheit des Von-Angesicht-zu-Angesicht, Direktheit des unvorhersehbarem Tod und geheimnisvoller Vereinzelung Ausgesetztseins. Sterblichkeit – über die Sichtbarkeit des Enthüllten hinaus – und vor allem Wissen um den Tod“ (ZU, S. 182) • Ethik bedeutet für Lèvinas, „ den Nächsten nicht in seiner tödlichen Einsamkeit alleine zu lassen“ (ZU, S. 183) • „Die Bedeutung des Todes liegt in der ganz konkreten Unmöglichkeit für mich, den Anderen in seiner Einsamkeit im Stich zu lassen, in dem an mich ergehenden Verbot, ihn im Stich zu lassen.“ (aaO)
Das philosophische Café • Eine ethische Beziehung entwickelt sich nach Lèvinas nur in der konkreten Bezie- hung zwischen einem Ich und einem Anderen, die frei von allen allgemeinen Regeln und Vorschriften ist und frei von jeder Theorie. Sie ist konkret hier und jetzt und fordert mich zur Entscheidung heraus. • Hier kommt Lèvinas mit Sartre überein. Es kommt auf meine Wahl und Entschei- dung angesichts des nackten und ausgelieferten Antlitzes des anderen an. Aber Lèvinas kennt anders als Sartre ein Verpflichtung durch den Anderen in seiner Verletzlichkeit und Hilflosigkeit, und nicht – wie bei Sartre – in seiner Verantwor- tung im Hinblick auf einen den Menschen in seiner Allgemeinheit repräsentieren- den Selbstentwurf. • Lèvinas Ethik steht gegen die „Anonymität der Metaphysik“ (ZU, S. 63)
Das philosophische Café • Lèvinas entwickelt aus dem Vorrang der Ethik vor der Theorie, vor der Meta- physik des Allgemeinen, seinen Begriff der Nicht- Gleichgültigkeit, der Non-In- Differenz • „Geist ist nicht das Ausgesagte, er ist das Sagen, dass vom selben zum anderen geht, ohne den Unterschied zwischen ihnen aufzuheben. Es bahnt sich einen Weg, da wo nichts gemeinsam ist. Nicht-Gleichgültigkeit Non-In-Differenz des einen gegenüber dem anderen! Mit der Geistigkeit des ich, das bei Marcel, wie bei Buber, vom Du wachgerufen wird, kommt ein neuer Sinn zu Gel- tung. Weder Nichtidentität des Identischen und des Nichtidentischen, noch deren Identität! (ZU, S. 85) • Lèvinas` Lösung der „Quadratur des Kreises“, das Selbe (das Ich) und das Andere, Fremde (das Du) so zu erfassen, dass eine Beziehung und ein Verstehen möglich sind, und an der die theoretische Philosophie und Metaphysik aus seiner Sicht gescheitert sind, findet er im Begriff der Nicht-Gleichgültigkeit gegenüber dem Anderen.
Das philosophische Café • Diese Verantwortung geht bei Lèvinas der Freiheit voraus, folgt ihr nicht wie bei Sartre erst nach (derselbe, Die Spur des Anderen, Freiburg i.Br., 2017, S. 327) • Das Ich wird vom „Anderen“ vollständig zur „Geißel“ (frz. „otage“) genommen, ohne sich dem entziehen zu können: • Der Begriff der Geißel bedeutet einen Umsturz der Auffassung, die in der Gegenwart – im Ich bei sich – den Anfang der Philosophie sieht. Ich bin nicht nur mein Ursprung, sondern durch den An- deren aus der Fassung gebracht. Von ihm ohne Urteil abgeurteilt, ohne reden zu können, verfolgt. Aber wir haben gezeigt, dass es noch mehr braucht: Man muss für den Verfolger einstehen kön- nen. Daher der Begriff einer Verantwortung, die der Freiheit vorausgeht“ (aaO) • Lèvinas hat damit die gesamte Bewusstseins- und Subjektphilosophie „aus der Fassung gebracht“. Er setzt an am Anspruch des „ganz Anderen“ an mich.
Das philosophische Café • Diese Macht des Anderen und seines Antlitz´ zur Unterwerfung des Ich speist sich aus dem was Lèvinas „die Spur“ nennt: • „Doch die Spur ist nicht einfach noch ein Wort: sie ist die Nähe Gottes im Antlitz meines Nächsten“ (ZU, S. 78) • Die Kraft des Antlitz des Anderen erwächst daraus, dass es eine Spur zu Gott, dem Absoluten, dem ganz Anderen legt, bei dem die Frage gestellt werden muss, „ob der wahre Gott jemals sein Inkognito lüften kann, ob die ausgesprochene Wahr- heit nicht sogleich als nicht ausgesprochen erscheinen müsste“ (ZU, S. 77)
Das philosophische Café • 5. Die Spur • „Die Nacktheit des Antlitzes ist ein Losgerissen-werden vom Kontext der Welt, von der Welt, die in Form eines Kontextes Bedeutungen trägt. Das Antlitz ist genau das, woran sich das Ausnahmeer- eignis des von-Angesicht, das von der Fassade des Hauses und der Dinge nur nachgeahmt wird, ursprünglich zuträgt. Doch diese coram-Beziehung ist auch nackteste Nacktheit, das Wehrlose und Ohnmächtige selbst, die Entblößung und Armut der Abwesenheit, die Gottes Nähe konstitu- iert: die Spur“ (ZU, S. 78) • Für das Verständnis des „Anderen“, des Fremden, des Du bei Lèvinas ist das Konzept, das sich hinter dem Begriff der „Spur“ verbirgt unerlässlich. Die „Spur“ ist ein Zeichen mit einer Bedeutung, „die der Ontologie entgeht“ ( Emmanuel Lèvinas, Die Spur des Anderen, Freiburg i.Br., 2017, S. 230; im Folgenden SP)
Das philosophische Café • Die Rede Lèvinas von der „Spur“ als Zeichen ist jedoch erläuterungsbedürftig, denn „die Spur ist nicht ein Zeichen wie jedes andere. Aber sie hat auch die Funktion des Zeichens. Sie kann als Zeichen gelten.“ (SP, S. 230) • Nehmen wir die Spur eines Bären in der Wildnis Alaskas. Gehen wir davon aus, dass wir „Fußspuren“ finden und große abgerissene Äste, Kothaufen und Reste gerissener Beutetiere. Nichts von alledem repräsentiert den Bären, nicht einmal die Fußspuren. Alles sind jedoch Indizien dafür, dass hier ein Bär entlanggelaufen ist. Aber auch der „Lauf des Bären“ wird nicht repräsentiert, auch auf ihn gibt es nur Hinweise.
Das philosophische Café • Die Spur gibt jedoch keine Sicherheit dafür, dass wir den Bären jemals finden. Und doch ist der Bär in seiner Spur in eigenartiger Weise da. Er hat eine Spur hinterlassen, wenn auch nicht beabsichtigt. Wir wissen, er war da, auch wenn wir ihn nie zu Gesicht bekommen. • Die Spur hat die Wirkung, das Abwesende zur Anwesenheit zu bringen, nicht als dessen Repräsentation, sondern als sichtbaren Verweis auf das nicht oder noch nicht Offenbare. • Vor diesem Hintergrund entwickelt Lèvinas seinen Begriff der „Spur“ und der „Illeität“ (von lat. „ille“ = Jener)
Das philosophische Café • Lèvinas Begriff der „Spur“ ist das Zentrum seiner Philosophie des Anderen. Er entwickelt diesen philosophisch und theologisch weiter. Im Folgenden werden wir durch die Schreibung mit Großbuchstaben als SPUR kenntlich machen, wenn wir diese in Lèvinas´ Terminologie verwenden. • Den Begriff der SPUR bindet Lèvinas an den des „Jenseits“ zurück. Und er verän- dert dabei und damit das Verhältnis von Zeichen, Bedeutung und Bedeutetes. • Während in der Semiotik das Zeichen auf ein Bezeichnetes im Sinne eines Be- deutens verweist, Richtung auf das Bezeichnete nimmt und damit auch auf seine „Richtigkeit“ zu prüfen ist, „bedeutet“ die SPUR das Jenseits in einer völlig neuen Weise.
Das philosophische Café • „Das Bedeuten der Spur versetzt uns in eine seitliche Beziehung; sie kann nicht in Richtigkeit umgewandelt werden“ (SP, S. 229) • Das „Bedeuten“ der SPUR entzieht sich so jeder Eindeutigkeit. Es gibt kein richtig oder falsch. Man kann der SPUR nur folgen, aber sie repräsentiert nichts, nichts was wir beurteilen und über das wir – und sei es nur durch Begriffe – verfügen könnten. • „Ein solches Bedeuten ist das Bedeuten der Spur. Das Jenseits, von dem das Ant- litz kommt, bedeutet als Spur“ (SP, S. 228). Das Antlitz ist so Indiz oder Indikator des Jenseits, das als solches nicht erfahrbar, nicht begreifbar und nicht versteh- bar ist. Dies gilt sowohl für das leuchtende Antlitz Gottes in der Bibel wie für das Antlitz des Anderen, des konkreten Nächsten.
Das philosophische Café • „Die ganze Ungeheuerlichkeit, die ganze Maßlosigkeit, die ganze Unendlichkeit des absolut Anderen, die der Ontologie entgeht“ nennt Levinas „Illeität“ (SP, S. 230) • Das Kunstwort „Illeität“ („Jenerheit“) verwendet Lèvinas um zu zeigen, dass es dabei weder um „das Sein“ im Sinne Heideggers noch um das „Seiende“ im Sinne der abendländischen Metaphysik geht. Das „Jenseits“ ist für Lèvinas keine „Welt hinter unserer Welt“ (SP, S. 228) • Das Antlitz des Anderen ist weder „Entbergung noch Verbergung“ des Fremden oder Jenseitigen, denn damit wäre dieses noch in der Welt. Das Antlitz eröffnet einen „dritten Weg“ (aaO), den wir mit Lèvinas als „In-der-Spur-sein“ bezeichnen können. Im Folgenden soll versucht werden, diesen Gedanken darzustellen.
Das philosophische Café • 6. Der Andere als „In der Spur sein“ • Lèvinas Denken des Anderen ist radikal. Es befasst sich mit dem „absolut Ande- ren“ (SP, S. 214), das in dieser Weise in der abendländischen Philosophie nicht gedacht werden kann. • Das, was den Anderen zum „absolut Anderen“ macht, ist sein Antlitz, das nicht mit dessen körperhaften Gestalt und Physiognomie verwechselt werden darf. Das Antlitz des Anderen ist keine „wahre Vorstellung“ (SP, S. 222), womit gesagt sein soll, dass es weder Inhalt meines Bewusstseins von der Welt noch Gegenstand der Erfahrungswelt ist. • „Das absolut Andere spiegelt sich nicht im Bewusstsein“ (SP, S. 223)
Das philosophische Café • „Seiner Form entkleidet, ist das Antlitz durch und durch Nacktheit. Das Antlitz ist Not. Die Nackt- heit des Antlitzes ist Not, und in der Direktheit, die auf mich zielt, ist es schon inständiges Flehen. Aber dieses Flehen fordert. In ihm vereinigt sich die Demut mit der Erhabenheit“ (SP, S. 222 f.) • Das Antlitz des Anderen ist Indiz, SPUR, der absoluten Andersheit und Fremdheit, die Lèvinas „Illeität“ nennt, um sie vor den Missverständnissen der antiken und christlichen Jenseitsvorstellungen zu bewahren. • „Die Epiphanie des absolut Anderen ist Antlitz“ (SP, S. 224) • Das Antlitz des Anderen, sei es das leuchtende Antlitz Gottes in der Thora, sei es das Antlitz des Nächsten, macht die „Illeität“ zugänglich.
Das philosophische Café • Lèvinas Bemühungen, das „absolut Andere“ zur Sprache zu bringen, bewegen sich im Grenzbereich von Philosophie und Literatur, von phänomenologischem Aufweis und einem Denken am Rande von Geheimissen, was ihm zum Teil den Vorwurf des Irrationalismus eingetragen hat. • Lèvinas versucht die absolute Transzendenz sichtbar zu machen, obwohl er weiß, dass die Immanenz geschlossener Argumentations- und Denksysteme „immer gewinnt“. • Heideggers Dilemma ist auch das Dilemma von Lèvinas: das Unsagbare sagen zu wollen. Er versucht es mit den Konzepten der SPUR und der Illeität.
Das philosophische Café • Lèvinas setzt gleichwohl zunächst an unserer Erfahrung des Anderen in der Lebenswelt an, aber er unterscheidet diese von dessen „Epiphanie“, der altgrie- chischen Bezeichnung für die Erscheinung des Göttlichen: • „Gewiss geschieht die Erscheinung des Anderen zunächst in derselben Weise, in der alle Bedeu- tung hervortritt….Aber die Epiphanie des Anderen trägt ein eigenes Bedeuten bei sich, das unab- hängig ist von dieser aus der Welt empfangenen Bedeutung. Der Andere kommt uns nicht nur aus dem Kontext entgegen, sondern unmittelbar, er bedeutet durch sich selbst.“ (SP, S. 220 f) • Die Epiphanie des Antlitzes des Anderen geschieht im Ausgang von einer absolut fremden Sphäre: „Der Eintritt des Antlitzes in unsere Welt geschieht im Ausgang von einer absolut fremden Sphäre – d.h. aber gerade im Ausgang von einem Absoluten, was übrigens der eigentliche Name der tiefen Fremdheit ist“ (SP, S. 222; Hervorhebung von Lèvinas)
Das philosophische Café • Das Antlitz selbst bedeutet nicht, es steht für nichts, es repräsentiert nichts. Die SPUR selbst bedeutet, nämlich die „Illeität“. • „Nur ein Wesen, das die Welt transzendiert, kann eine Spur hinterlassen. Die Spur ist die Gegenwart dessen, was niemals da war.“ (SP, S. 233) • Die „absolute Gegenwart des Anderen“, die „nicht die simple Gegenwart < sc. ist>, in der auch die Dinge zugegen sind“ (SP, S. 234) lässt uns auf die SPUR stoßen. • Wir stoßen nach Lèvinas auf die SPUR, weil sich das Antlitz des Anderen in der SPUR befindet. In dieser SPUR findet die „Bewegung der Begegnung“ statt, die Martin Buber als Beziehung „Ich-Du“ beschrieben hat (SP., S. 235)
Das philosophische Café • 7. Zusammenfassung: Lèvinas Einsicht • Lèvinas Philosophie ist gegenüber anderen, nicht nur französischen Philosophen, originell. Sie sucht keinen Anschluss, sondern grenzt (sich) ab. Er will der abend- ländischen Metaphysik und auch der europäischen Metaphysikkritik eine beson- dere Art jüdischer Philosophie oder jüdischen Denkens entgegensetzen. • Werner Stegmaier hat den Grundzug der Philosophie von Lèvinas mit folgendem Schlagwort beschrieben: „ Jüdische Singularität jenseits der griechischen Univer- salität“ ( WS, S. 210). Es geht Lèvinas darum, „das Allgemeine vom Besonderen aus zu überwachen“ (derselbe, Jenseits des Buchstabens, Frankfurt am Main, 1996; zitiert nach WS, S. 212)
Das philosophische Café • Im Talmud findet Lèvinas einen Gegenentwurf gegen „die These, die die univer- selle Ordnung über die inter-individuelle Ordnung stellt“ (WS, S. 216) • „Das verletzte Individuum muss immer individuell besänftigt, angesprochen und getröstet wer- den; die Vergebung Gottes – oder die Vergebung der Geschichte – kann nicht gewährt werden, ohne dass das Individuum respektiert wird. … Der Friede kehrt nicht in einer Welt ohne Tröstun- gen ein.“ (Levinas, Vier Talmud-Vorlesungen, Frankfurt am Main 1993; Zitiert nach WS, S. 216). • Das Individuelle erweist sich für Lèvinas dabei nicht am Ich der abendländischen Philosophie weder am Subjekt der Metaphysik noch am Dasein der Existenzphi- losophie, sondern am Anderen, am Du. Hierin folgt Lèvinas Buber. • Dagegen ist das Ich nicht in Beziehung zum Du wie in Bubers „Ich-Du“. Es begeg- net vielmehr dem Du als absolut Anderem.
Das philosophische Café • Das Du bekommt damit den Status des absolut Anderen, das das Ich nur soweit verstehen kann, als es ihm zuruft: „Du sollst mich nicht töten!“ • Es ist der Zuruf der absoluten Verantwortlichkeit für den Anderen. Im Übrigen bleibt der Andere fremd: eine Zumutung • Oder – wie Lèvinas sagt – eine „Heimsuchung“, die die „Ichbezogenheit des Ich umstürzt“ (SP, S. 223) • „Es handelt sich um eine Infragestellung des Bewusstseins und nicht um ein Bewusstsein der In- fragestellung. Das Ich verliert die unumschränkte Koinzidenz mit sich, seine Identifikation, durch die das Bewusstsein siegreich auf sich zurückkommt, um in sich selbst zu ruhen“ (aaO)
Das philosophische Café • Der Andere kann uns zu Gott führen, indem er uns unserer Verantwortung für das Andere bewusst macht, nicht im Sinne der Theorie, sondern der absoluten Ethik. • Das Wesen des Menschen als Ich ist seine Verantwortlichkeit, aber nicht wie bei Sartre als bloß formale, als bloßer Vollzug der Wahl und der Entscheidung, son- dern als Verpflichtung zur Rettung des Anderen, der ihn – ohne sein Verschulden – heimsucht und ihn verfolgt und unterwirft. • Der Andere bleibt dabei dem Ich absolut fremd, als ein ewiges Begehren des Anderen (SP, S. 219), der sich doch immer wieder entzieht.
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