Das Römische Reich - Das Fundament Europas
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Das Römische Reich – Das Fundament Europas Die Römer schufen das am längsten währende Weltreich der Geschichte. Noch heute erinnert vieles an ihre vergangene Größe. Ihre Sprache, Schrift, Architektur und Kunst, Gesetzgebung und Herrschaftssysteme sind ein wichtiger Bestandteil unserer Kultur. Noch heute begegnen wir den alten Römern auf Schritt und Tritt. Die Ro- mane »Die letzten Tage von Pompeji« von Edward Bulwer-Lutton aus dem Jahre 1834 und »Ein Kampf um Rom« von Felix Dahn aus dem Jahre 1876 werden immer wieder gern gelesen. Im Fernsehen laufen nicht nur regel- mäßig Dokumentarfilme über die Römer, sondern auch viele Klassiker des Kinofilms wie Quo Vadis (USA 1951), Ben Hur (USA 1959), Spartacus (USA 1960) und der Gladiator (USA 2000). Und wer hat sich nicht schon einmal amüsiert über die Römer bei der Lektüre der Asterixbände? Ha- ben sie wirklich nur gesponnen und waren brutal, dekadent, machthung- rig und wahnsinnig wie uns oft die Medien vorgaukeln? Aber haben wir nicht weit mehr von ihnen erhalten als abschreckende Beispiele? Viele, vor allem aus den älteren Generationen, wurden noch mit Latein konfrontiert und das Latinum ist noch heute Pflicht, um viele Fächer an deutschen Universitäten zu studieren. Bis vor wenigen Jahrzehnten war es auch die liturgische Sprache der römisch-katholischen Kirche. Zwar för- Das Forum Romanum derte das Studium des Lateins gewiss Grundlagen des logischen Denkens in Rom war einst das und Handelns und seine Wörter entschlüsselten viele von uns gebrauchte Zentrum der Macht. Fremdwörter, doch Freude brachte das Büffeln von Latein zunächst wohl Im Hintergrund erhe- selten. Erst viele Jahre später werden die mit Latein »Geplagten« oft stolz ben sich zwei typische römische Bauwerke: der berichten, dass sie Latein gelernt haben und sich ihnen eine Welt mit vie- Triumphbogen des Titus len Gedanken erschlossen hat. Im Unterricht las man von Werten, Regeln und links davon das und Normen, die die Römer sogar göttlich verehrten und die auch oder Kolosseum.
Die Anfänge und die Republik Von einem kleinen Dorf im 8. Jahrhundert v. Chr. stieg Rom in den nächsten Jahrhunderten zur beherrschenden Macht im Mittelmeerraum auf. Nach einer rätselhaften Königszeit wurde Rom um 500 v. Chr. zur Republik und bildete eine Staatsform heraus, die noch heute fasziniert und inspiriert. Die Königszeit Die Anfänge Roms liegen im Dunkel der Geschichte. Authentische Quellen aus dieser Zeit liegen uns nicht vor. Eine römische Geschichtsschreibung setzte erst mit Quintus Fabius Pictor um 200 v. Chr. und Polybios im 2. Jahrhundert v. Chr. ein. In ihren Schriften behandelten sie zwar auch die römische Frühzeit. Sie beriefen sich dabei wahrscheinlich auf eine mythische mündliche Überlieferung. Die ältesten heute verfügbaren oben: Der Bronzekopf Schriften zur Frühzeit stammen jedoch aus den Federn von Titus Livius aus dem 3. Jahrhun- und Dionysios von Halikarnassos, die erst in der zweiten Hälfte des dert v. Chr. galt wegen 1. Jahrhunderts v. Chr. – also viele Jahrhunderte später – entstanden. Sie des strengen Ausdrucks konnten sich auf Quintus Fabius Pictor und dessen Zeitgenossen stützen, lange als das Porträt des L. Iunius Brutus, des deren Texte heute nicht mehr erhalten sind. Alle Ereignisse, die vor 400 legendären Begründers v. Chr. liegen, sind daher mehr oder weniger glaubhaft bzw. sicher und der römischen Republik. müssen daher mit großer Vorsicht betrachtet werden. In der Zeit vom 8. bis 5. Jahrhundert v. Chr. war Italien insbesonde- links: Die großen Erobe- rungen im Osten führten re von der Expansionspolitik der Etrusker, Griechen und Karthager ge- in Rom seit dem 2. Jahr- prägt. Die Etrusker breiteten sich von ihrem Stammland Etrurien ab dem hundert v. Chr. dank 7. Jahrhundert v. Chr. über Oberitalien sowie an der Westküste bis nach der reichen Beute zum Kampanien aus, wo sie mit ihren Verbündeten, den Karthagern, 474/473 Bau vieler Tempel. Der Rundtempel auf dem Fo- v. Chr. von Hieron von Syrakus in der Seeschlacht bei Kyme (Cumae) ge- rum Boarium orientierte stoppt wurden. In Ostsizilien sowie im südlichen Teil des italischen Stie- sich an griechischen Vor- fels bis zum Golf von Neapel als nördlichstem Standbein gründeten die bildern.
DIE KOLONIEN Als die Römer im 4. Jahrhundert v. Chr. weite Gebiete dazugewannen, gründe- Zunächst erfolgten solche Stadtgründungen nur in ten sie in den eroberten Landen oft eine Stadt, die sie Kolonie (colonia) nann- Italien, unter vielen anderen Ostia, Tarracina (heute ten, wobei es coloniae romanae und coloniae latinae gab, die unterschiedliche Terracina), Cales (heute Calvi), Capua, Brundisium militärisch-strategische Aufgaben inne hatten. Die angesiedelten Römer bzw. (heute Brindisi), Ariminum (heute Rimini), Bononia die latinischen Bundesgenossen sicherten damit das um die Kolonie gelegene (heute Bologna), Parma, Cremona und Aquileia. Ab Territorium ab. Die Kolonien waren also militärische Vorposten im Feindesland. der 2. Hälfte des 2. Jahrhunderts entstanden auch So entstand eine Vielzahl an Städten, die später zur Manifestation römischer außerhalb Italiens in den neu eroberten Gebieten Ko- Kultur wurden. lonien, insbesondere in Südfrankreich wie Narbo Mar- Eine Kolonie war das verkleinerte Ebenbild Roms in der Fremde. Der Senat be- tius (heute Narbonne), Arelate (heute Arles) und Aquae schloss zunächst eine solche Gründung per Gesetz und bestimmte in der Regel Sextiae (heute Aix-en-Provence). Ab dem Ende des 2. Jahr- drei Personen, die die Gründung zu vollziehen hatten. Freiwillige oder – wenn hunderts v. Chr. wurden oft die Veteranen nach ihrem Mili- nötig – zwangsweise benannte Römer bildeten die zukünftigen Siedler. Zunächst tärdienst zu den Siedlern neuer Städte erkoren. Somit konnten die hielt man an Ort und Stelle der Gründung religiöse Rituale ab, die jener der Feldherren ihre Veteranen mit Grundstücken belohnen und mit solchen Ver- In der Kolonie Cales sagenhaften Gründung Roms durch Romulus entsprechen sollten. Priester voll- heißungen auch Freiwillige für den Militärdienst gewinnen. Solche Gründungen wurde hochwertige schwarzgefirnisste Re- zogen Auspizien (»Vogelschau«), um herauszufinden, ob die geplante Gründung wurden nach der Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. immer häufiger und trugen liefkeramik, besonders günstig war. War dies der Fall, umriss man mit Hilfe eines Pflugs das künftige vor allem zur Romanisierung der unterworfenen Bevölkerung bei. Opferschalen, herge- Stadtgebiet (pomerium). Über der gezogenen Furche wurde später eine Stadt- Die meisten Stadtgründungen fanden im westlichen Teil des Römischen Reiches stellt. Die Schale aus Die festlich in der Toga mauer errichtet. Danach bestimmte man die Stätten für den Marktplatz mit statt, darunter im heutigen Deutschland colonia Treverorum (heute Trier), colo- der Werkstatt des Atilio gekleideten Gründer von zeigt Schiffsvorderteile Versammlungs- und Gerichtsort und für die Tempel. Axial angelegte Straßen nia Agrippinensis (heute Köln) und colonia Ulpia Traiana (heute Xanten ), in der mit Rammsporn. Aquileia umfahren im unterteilten das Stadtareal. Durch Auslosung erhielten die Siedler ihr Land. Ein Schweiz Augusta Raurica (heute Augst und Kaiseraugst bei Basel) und Aven- rituellen Zug mit dem Pflug die geplanten Rat wurde eingerichtet und Magistrate zur Selbstverwaltung der neuen Stadt ticum (heute Avenches) sowie in Österreich Ovilava (heute Wels) und Carnun- Stadtgrenzen. bestimmt. tum (heute Petronell-Bad Deutsch-Altenburg) bei Wien. Die große Anzahl an römischen Kolonien führte zu einer Verstädterung von bis dahin eher ländlich geprägten Gebieten, wie z. B. in Gallien, Germanien und Britannien. Die Städte wurden in römischer Manier untereinander mit einem guten Straßennetz ver- bunden. Häufig wurden spätestens ab den kaiserzeitlichen Gründungen in den neuen Städten neben Römern und Latinern auch Einheimische aufgenommen, was zu einer Verschmelzung der einzelnen Ethnien führte, wobei allerdings die einhei- mischen Traditionen oft schnell verloren gingen und selbst ihre Götterwelt meist in der römischen aufging. So fanden sich alsbald in all diesen Städten gleiche Grundelemente wie z. B. Verwaltung, gesellschaftlicher Aufbau, Lebensweisen, die lateinische Sprache zur Kommunikation, sanitäre Einrichtungen (Latrinen, Brunnen), Kanalisation und öffentliche Bauten wie Marktplätze, Rathäuser, Ge- richtsgebäude, Tempel, Bäder, Theater und bei größeren Städten Amphitheater. Wenn möglich leistete man sich auch eine prächtige Stadtmauer und Aquädukte als Prestigeobjekte.
Der Prinzipat Augustus, der Adoptivsohn Cäsars, verwandelte Rom in ein Kaiser- reich. Etwas mehr als hundert Jahre später sollte Rom unter Kaiser Trajan seine größte Ausdehnung und durch die nächsten zwei Herrscher die wohl größte Blüte- und Friedenszeit erreichen. Augustus Am 13. Januar 27 v. Chr. gab Octavian in einer Senatssitzung die Macht, die er als Diktator zur Beseitigung der innerpolitischen Zerrissenheit Roms inne hatte, an Senat und Volk zurück und trat offiziell von seinen Macht- befugnissen mit Ausnahme des Konsulats zurück. Damit hatte er, zu- mindest formal, die Republik wiederhergestellt (res publica restituta). Er blieb vordergründig »nur« der Erste des Senats (princeps). Zu befürchten hatte er aber nichts. Seine Macht basierte neben dem Konsulat vor allem auf dem Treueeid aller (consensus universorum), auf seinen Veteranen, sei- oben: Dieser Bronze- ner allgemein anerkannten Tugendhaftigkeit (virtus) und Autorität (auc- kopf aus Meroe (Sudan) toritas) sowie auch auf der allgemein angenommenen Zustimmung der mit Augen aus Glas und Alabaster zeigt Augus- Götter (consensus deorum), da er in der damaligen Vorstellungswelt ohne tus in zeitloser jugend- ihren Schutz und Willen nie erfolgreich den Frieden und die Einheit hätte hafter Schönheit. herstellen können. All dies verlieh ihm im römischen Geiste höchste poli- tische Legitimität. Unmittelbar nach Rückgabe seiner Macht erhielt Octa- links: Rom auf dem Höhepunkt seiner vian vom Senat die corona civica, die Bürgerkrone aus Eichenblättern, die Macht: Während rö- ursprünglich verliehen wurde, wenn man einen Bürger im Krieg vor dem mische Soldaten auf Tod unter Einsatz des eigenen Lebens gerettet hatte, hier aber für die Wie- diesem Abschnitt der derherstellung der inneren Einheit und die Beendigung des Bürgerkrieges Trajanssäule im Hinter- grund bauen, werden und somit für die »Rettung aller Bürger« vor dem möglichen Tod. Trajan im Vordergrund Der Senat wusste wohl, dass Octavian die Herrschaft nicht mehr zu zwei dakische Gefange- nehmen war. Um jeglichen möglichen Konflikt zu vermeiden, übertrug ne vorgeführt.
Die Spätantike Nach über 50 Jahren Wirren und Kriegen führten Diocletian und Konstantin I. das Reich nochmals zu einer Blüte. Konstantin I. ebnete im 4. Jahrhundert den Weg für das Christentum, das zur alleinigen Staatsreligion aufstieg. Ständig eindringende Völker brachten den Verfall und Untergang Roms. Die Tetrarchien Diocletian (284–305) sollte schließlich das Reich in seinen Strukturen grundsätzlich verändern. Um die vielfältigen Regierungsgeschäfte zu be- wältigen und die weit voneinander entfernt einbrechenden Feinde effek- tiv zu bekämpfen, ernannte er neben sich einen weiteren Kaiser und beide bestimmten ihrerseits zwei Nachfolger. Damit entstand ein neues Herr- schaftssystem, die Tetrarchie (»Viererherrschaft«). Die innere Krise beab- oben: Auf dem 315 ge- fertigten Silbermedail- sichtigte Diocletian besonders durch wichtige Änderungen in der Verwal- lon Konstantins I. er- tung, beim Heer und bei der Aufteilung der Provinzen sowie durch Steu- scheint mit dem Christo- er- und Wirtschaftsreformen zu beseitigen, die teilweise aber erst unter gramm das erste christ- Konstantin I. dem Großen (306–337) abgeschlossen werden konnten. liche Zeichen auf einem kaiserlichen Werk. Im Jahre 285 ernannte Diocletian seinen alten Freund Maximian (285– 310) zunächst zum Nachfolger (Caesar) und ein Jahr später zum Mitre- links: Auf einem Wand- genten (Augustus). Diocletian herrschte fortan in der Osthälfte des Reiches mosaik von San Vitale in und Maximian in der Westhälfte. Einzig die Gesetzgebung behielt sich Ravenna erscheint in spätantiker Verklärung Diocletian allein vor. Auch wenn Diocletian und Maximian sonst gleich- Justinian I. im pracht- wertig regierten, zeigten ihre Beinamen eine Abstufung an: Diocletian vollen kaiserlichen trug den Beinamen Iovius (»Sohn des Iupiter«) und Maximian den Bei- Ornat. In spätantiker namen Herculius (»Sohn des Hercules«). Sie standen somit unter dem Überhöhung umrahmt den Kaiserkopf der Schutz des Iupiter und des Hercules, wobei Ersterer der oberste Gott und Nimbus, der vorher den Letzterer sein Sohn und Halbgott war, und damit eine klare Hierarchie Lichtgöttern vorbehal- ausgedrückt wurde. Rom blieb zwar offiziell Hauptstadt, doch verlegten ten war.
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