Das Römische Reich - Das Fundament Europas

Die Seite wird erstellt Stefan-Santiago Jung
 
WEITER LESEN
Das Römische Reich - Das Fundament Europas
Das Römische Reich –
Das Fundament Europas
Die Römer schufen das am längsten währende Weltreich der Geschichte.
Noch heute erinnert vieles an ihre vergangene Größe. Ihre Sprache,
Schrift, Architektur und Kunst, Gesetzgebung und Herrschaftssysteme sind
ein wichtiger Bestandteil unserer Kultur.

Noch heute begegnen wir den alten Römern auf Schritt und Tritt. Die Ro-
mane »Die letzten Tage von Pompeji« von Edward Bulwer-Lutton aus dem
Jahre 1834 und »Ein Kampf um Rom« von Felix Dahn aus dem Jahre 1876
werden immer wieder gern gelesen. Im Fernsehen laufen nicht nur regel-
mäßig Dokumentarfilme über die Römer, sondern auch viele Klassiker
des Kinofilms wie Quo Vadis (USA 1951), Ben Hur (USA 1959), Spartacus
(USA 1960) und der Gladiator (USA 2000). Und wer hat sich nicht schon
einmal amüsiert über die Römer bei der Lektüre der Asterixbände? Ha-
ben sie wirklich nur gesponnen und waren brutal, dekadent, machthung-
rig und wahnsinnig wie uns oft die Medien vorgaukeln? Aber haben wir
nicht weit mehr von ihnen erhalten als abschreckende Beispiele?
   Viele, vor allem aus den älteren Generationen, wurden noch mit Latein
konfrontiert und das Latinum ist noch heute Pflicht, um viele Fächer an
deutschen Universitäten zu studieren. Bis vor wenigen Jahrzehnten war es
auch die liturgische Sprache der römisch-katholischen Kirche. Zwar för-
                                                                              Das Forum Romanum
derte das Studium des Lateins gewiss Grundlagen des logischen Denkens
                                                                              in Rom war einst das
und Handelns und seine Wörter entschlüsselten viele von uns gebrauchte        Zentrum der Macht.
Fremdwörter, doch Freude brachte das Büffeln von Latein zunächst wohl         Im Hintergrund erhe-
selten. Erst viele Jahre später werden die mit Latein »Geplagten« oft stolz   ben sich zwei typische
                                                                              römische Bauwerke: der
berichten, dass sie Latein gelernt haben und sich ihnen eine Welt mit vie-
                                                                              Triumphbogen des Titus
len Gedanken erschlossen hat. Im Unterricht las man von Werten, Regeln        und links davon das
und Normen, die die Römer sogar göttlich verehrten und die auch oder          Kolosseum.
Das Römische Reich - Das Fundament Europas
Die Anfänge und die Republik
Von einem kleinen Dorf im 8. Jahrhundert v. Chr. stieg Rom in den nächsten
Jahrhunderten zur beherrschenden Macht im Mittelmeerraum auf. Nach einer
rätselhaften Königszeit wurde Rom um 500 v. Chr. zur Republik und bildete
eine Staatsform heraus, die noch heute fasziniert und inspiriert.

   Die Königszeit
Die Anfänge Roms liegen im Dunkel der Geschichte. Authentische Quellen
aus dieser Zeit liegen uns nicht vor. Eine römische Geschichtsschreibung
setzte erst mit Quintus Fabius Pictor um 200 v. Chr. und Polybios im
2. Jahrhundert v. Chr. ein. In ihren Schriften behandelten sie zwar auch
die römische Frühzeit. Sie beriefen sich dabei wahrscheinlich auf eine
mythische mündliche Überlieferung. Die ältesten heute verfügbaren
                                                                             oben: Der Bronzekopf
Schriften zur Frühzeit stammen jedoch aus den Federn von Titus Livius
                                                                             aus dem 3. Jahrhun-
und Dionysios von Halikarnassos, die erst in der zweiten Hälfte des          dert v. Chr. galt wegen
1. Jahrhunderts v. Chr. – also viele Jahrhunderte später – entstanden. Sie   des strengen Ausdrucks
konnten sich auf Quintus Fabius Pictor und dessen Zeitgenossen stützen,      lange als das Porträt
                                                                             des L. Iunius Brutus, des
deren Texte heute nicht mehr erhalten sind. Alle Ereignisse, die vor 400
                                                                             legendären Begründers
v. Chr. liegen, sind daher mehr oder weniger glaubhaft bzw. sicher und       der römischen Republik.
müssen daher mit großer Vorsicht betrachtet werden.
    In der Zeit vom 8. bis 5. Jahrhundert v. Chr. war Italien insbesonde-    links: Die großen Erobe-
                                                                             rungen im Osten führten
re von der Expansionspolitik der Etrusker, Griechen und Karthager ge-
                                                                             in Rom seit dem 2. Jahr-
prägt. Die Etrusker breiteten sich von ihrem Stammland Etrurien ab dem       hundert v. Chr. dank
7. Jahrhundert v. Chr. über Oberitalien sowie an der Westküste bis nach      der reichen Beute zum
Kampanien aus, wo sie mit ihren Verbündeten, den Karthagern, 474/473         Bau vieler Tempel. Der
                                                                             Rundtempel auf dem Fo-
v. Chr. von Hieron von Syrakus in der Seeschlacht bei Kyme (Cumae) ge-
                                                                             rum Boarium orientierte
stoppt wurden. In Ostsizilien sowie im südlichen Teil des italischen Stie-   sich an griechischen Vor-
fels bis zum Golf von Neapel als nördlichstem Standbein gründeten die        bildern.
Das Römische Reich - Das Fundament Europas
DIE KOLONIEN

                           Als die Römer im 4. Jahrhundert v. Chr. weite Gebiete dazugewannen, gründe-        Zunächst erfolgten solche Stadtgründungen nur in
                           ten sie in den eroberten Landen oft eine Stadt, die sie Kolonie (colonia) nann-    Italien, unter vielen anderen Ostia, Tarracina (heute
                           ten, wobei es coloniae romanae und coloniae latinae gab, die unterschiedliche      Terracina), Cales (heute Calvi), Capua, Brundisium
                           militärisch-strategische Aufgaben inne hatten. Die angesiedelten Römer bzw.        (heute Brindisi), Ariminum (heute Rimini), Bononia
                           die latinischen Bundesgenossen sicherten damit das um die Kolonie gelegene         (heute Bologna), Parma, Cremona und Aquileia. Ab
                           Territorium ab. Die Kolonien waren also militärische Vorposten im Feindesland.     der 2. Hälfte des 2. Jahrhunderts entstanden auch
                           So entstand eine Vielzahl an Städten, die später zur Manifestation römischer       außerhalb Italiens in den neu eroberten Gebieten Ko-
                           Kultur wurden.                                                                     lonien, insbesondere in Südfrankreich wie Narbo Mar-
                           Eine Kolonie war das verkleinerte Ebenbild Roms in der Fremde. Der Senat be-       tius (heute Narbonne), Arelate (heute Arles) und Aquae
                           schloss zunächst eine solche Gründung per Gesetz und bestimmte in der Regel        Sextiae (heute Aix-en-Provence). Ab dem Ende des 2. Jahr-
                           drei Personen, die die Gründung zu vollziehen hatten. Freiwillige oder – wenn      hunderts v. Chr. wurden oft die Veteranen nach ihrem Mili-
                           nötig – zwangsweise benannte Römer bildeten die zukünftigen Siedler. Zunächst      tärdienst zu den Siedlern neuer Städte erkoren. Somit konnten die
                           hielt man an Ort und Stelle der Gründung religiöse Rituale ab, die jener der       Feldherren ihre Veteranen mit Grundstücken belohnen und mit solchen Ver-           In der Kolonie Cales
                           sagenhaften Gründung Roms durch Romulus entsprechen sollten. Priester voll-        heißungen auch Freiwillige für den Militärdienst gewinnen. Solche Gründungen       wurde hochwertige
                                                                                                                                                                                                 schwarzgefirnisste Re-
                           zogen Auspizien (»Vogelschau«), um herauszufinden, ob die geplante Gründung        wurden nach der Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. immer häufiger und trugen
                                                                                                                                                                                                 liefkeramik, besonders
                           günstig war. War dies der Fall, umriss man mit Hilfe eines Pflugs das künftige     vor allem zur Romanisierung der unterworfenen Bevölkerung bei.                     Opferschalen, herge-
                           Stadtgebiet (pomerium). Über der gezogenen Furche wurde später eine Stadt-         Die meisten Stadtgründungen fanden im westlichen Teil des Römischen Reiches        stellt. Die Schale aus
Die festlich in der Toga   mauer errichtet. Danach bestimmte man die Stätten für den Marktplatz mit           statt, darunter im heutigen Deutschland colonia Treverorum (heute Trier), colo-    der Werkstatt des Atilio
gekleideten Gründer von                                                                                                                                                                          zeigt Schiffsvorderteile
                           Versammlungs- und Gerichtsort und für die Tempel. Axial angelegte Straßen          nia Agrippinensis (heute Köln) und colonia Ulpia Traiana (heute Xanten ), in der   mit Rammsporn.
Aquileia umfahren im
                           unterteilten das Stadtareal. Durch Auslosung erhielten die Siedler ihr Land. Ein   Schweiz Augusta Raurica (heute Augst und Kaiseraugst bei Basel) und Aven-
rituellen Zug mit dem
Pflug die geplanten        Rat wurde eingerichtet und Magistrate zur Selbstverwaltung der neuen Stadt         ticum (heute Avenches) sowie in Österreich Ovilava (heute Wels) und Carnun-
Stadtgrenzen.              bestimmt.                                                                          tum (heute Petronell-Bad Deutsch-Altenburg) bei Wien. Die große Anzahl an
                                                                                                              römischen Kolonien führte zu einer Verstädterung von bis dahin eher ländlich
                                                                                                              geprägten Gebieten, wie z. B. in Gallien, Germanien und Britannien. Die Städte
                                                                                                              wurden in römischer Manier untereinander mit einem guten Straßennetz ver-
                                                                                                              bunden.
                                                                                                              Häufig wurden spätestens ab den kaiserzeitlichen Gründungen in den neuen
                                                                                                              Städten neben Römern und Latinern auch Einheimische aufgenommen, was zu
                                                                                                              einer Verschmelzung der einzelnen Ethnien führte, wobei allerdings die einhei-
                                                                                                              mischen Traditionen oft schnell verloren gingen und selbst ihre Götterwelt meist
                                                                                                              in der römischen aufging. So fanden sich alsbald in all diesen Städten gleiche
                                                                                                              Grundelemente wie z. B. Verwaltung, gesellschaftlicher Aufbau, Lebensweisen,
                                                                                                              die lateinische Sprache zur Kommunikation, sanitäre Einrichtungen (Latrinen,
                                                                                                              Brunnen), Kanalisation und öffentliche Bauten wie Marktplätze, Rathäuser, Ge-
                                                                                                              richtsgebäude, Tempel, Bäder, Theater und bei größeren Städten Amphitheater.
                                                                                                              Wenn möglich leistete man sich auch eine prächtige Stadtmauer und Aquädukte
                                                                                                              als Prestigeobjekte.
Das Römische Reich - Das Fundament Europas
Der Prinzipat
Augustus, der Adoptivsohn Cäsars, verwandelte Rom in ein Kaiser-
reich. Etwas mehr als hundert Jahre später sollte Rom unter Kaiser Trajan
seine größte Ausdehnung und durch die nächsten zwei Herrscher die wohl
größte Blüte- und Friedenszeit erreichen.

   Augustus
Am 13. Januar 27 v. Chr. gab Octavian in einer Senatssitzung die Macht, die
er als Diktator zur Beseitigung der innerpolitischen Zerrissenheit Roms
inne hatte, an Senat und Volk zurück und trat offiziell von seinen Macht-
befugnissen mit Ausnahme des Konsulats zurück. Damit hatte er, zu-
mindest formal, die Republik wiederhergestellt (res publica restituta). Er
blieb vordergründig »nur« der Erste des Senats (princeps). Zu befürchten
hatte er aber nichts. Seine Macht basierte neben dem Konsulat vor allem
auf dem Treueeid aller (consensus universorum), auf seinen Veteranen, sei-    oben: Dieser Bronze-
ner allgemein anerkannten Tugendhaftigkeit (virtus) und Autorität (auc-       kopf aus Meroe (Sudan)
toritas) sowie auch auf der allgemein angenommenen Zustimmung der             mit Augen aus Glas und
                                                                              Alabaster zeigt Augus-
Götter (consensus deorum), da er in der damaligen Vorstellungswelt ohne
                                                                              tus in zeitloser jugend-
ihren Schutz und Willen nie erfolgreich den Frieden und die Einheit hätte     hafter Schönheit.
herstellen können. All dies verlieh ihm im römischen Geiste höchste poli-
tische Legitimität. Unmittelbar nach Rückgabe seiner Macht erhielt Octa-      links: Rom auf dem
                                                                              Höhepunkt seiner
vian vom Senat die corona civica, die Bürgerkrone aus Eichenblättern, die
                                                                              Macht: Während rö-
ursprünglich verliehen wurde, wenn man einen Bürger im Krieg vor dem          mische Soldaten auf
Tod unter Einsatz des eigenen Lebens gerettet hatte, hier aber für die Wie-   diesem Abschnitt der
derherstellung der inneren Einheit und die Beendigung des Bürgerkrieges       Trajanssäule im Hinter-
                                                                              grund bauen, werden
und somit für die »Rettung aller Bürger« vor dem möglichen Tod.
                                                                              Trajan im Vordergrund
   Der Senat wusste wohl, dass Octavian die Herrschaft nicht mehr zu          zwei dakische Gefange-
nehmen war. Um jeglichen möglichen Konflikt zu vermeiden, übertrug            ne vorgeführt.
Die Spätantike
Nach über 50 Jahren Wirren und Kriegen führten Diocletian und Konstantin I.
das Reich nochmals zu einer Blüte. Konstantin I. ebnete im 4. Jahrhundert
den Weg für das Christentum, das zur alleinigen Staatsreligion aufstieg.
Ständig eindringende Völker brachten den Verfall und Untergang Roms.

   Die Tetrarchien
Diocletian (284–305) sollte schließlich das Reich in seinen Strukturen
grundsätzlich verändern. Um die vielfältigen Regierungsgeschäfte zu be-
wältigen und die weit voneinander entfernt einbrechenden Feinde effek-
tiv zu bekämpfen, ernannte er neben sich einen weiteren Kaiser und beide
bestimmten ihrerseits zwei Nachfolger. Damit entstand ein neues Herr-
schaftssystem, die Tetrarchie (»Viererherrschaft«). Die innere Krise beab-    oben: Auf dem 315 ge-
                                                                              fertigten Silbermedail-
sichtigte Diocletian besonders durch wichtige Änderungen in der Verwal-
                                                                              lon Konstantins I. er-
tung, beim Heer und bei der Aufteilung der Provinzen sowie durch Steu-        scheint mit dem Christo-
er- und Wirtschaftsreformen zu beseitigen, die teilweise aber erst unter      gramm das erste christ-
Konstantin I. dem Großen (306–337) abgeschlossen werden konnten.              liche Zeichen auf einem
                                                                              kaiserlichen Werk.
   Im Jahre 285 ernannte Diocletian seinen alten Freund Maximian (285–
310) zunächst zum Nachfolger (Caesar) und ein Jahr später zum Mitre-          links: Auf einem Wand-
genten (Augustus). Diocletian herrschte fortan in der Osthälfte des Reiches   mosaik von San Vitale in
und Maximian in der Westhälfte. Einzig die Gesetzgebung behielt sich          Ravenna erscheint in
                                                                              spätantiker Verklärung
Diocletian allein vor. Auch wenn Diocletian und Maximian sonst gleich-
                                                                              Justinian I. im pracht-
wertig regierten, zeigten ihre Beinamen eine Abstufung an: Diocletian         vollen kaiserlichen
trug den Beinamen Iovius (»Sohn des Iupiter«) und Maximian den Bei-           Ornat. In spätantiker
namen Herculius (»Sohn des Hercules«). Sie standen somit unter dem            Überhöhung umrahmt
                                                                              den Kaiserkopf der
Schutz des Iupiter und des Hercules, wobei Ersterer der oberste Gott und
                                                                              Nimbus, der vorher den
Letzterer sein Sohn und Halbgott war, und damit eine klare Hierarchie         Lichtgöttern vorbehal-
ausgedrückt wurde. Rom blieb zwar offiziell Hauptstadt, doch verlegten        ten war.
Sie können auch lesen