Musiktherapie und Depression: Einführung ins Thema Depression - Hans Ulrich Schmidt
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Musiktherapie und Depression: Einführung ins Thema Depression Hans Ulrich Schmidt Vortrag 26. werkstatt für musiktherapeutische forschung augsburg 7.2.2014 H.U. Schmidt
Zum Thema Depression Beschreibung Psychische Störungen, bei denen Beeinträchtigung der Stimmung, Niedergeschlagenheit, Verlust der Freude, emotionale Leere, Antriebslosigkeit, Interessenverlust und verschiedene körperliche Beschwerden wesentliche Merkmale sind Komorbidität: Manien, Persönlichkeitsauffälligkeiten, Ängste, Furcht- u. Trauerreaktionen Zusammengenommen mit milderen Formen u. Reaktionen auf körperliche Erkrankungen häufigste psychische Beeinträchtigungen H.U. Schmidt
Zum Thema Depression Grenze zur Normalität? Viele Menschen kennen Traurigkeit, Energielosigkeit, Antriebsminderung, Selbstzweifel, Schlafstörungen, Schmerzen u. ä. Solche Symptome sind in bestimmtem Ausmaß normale, gesunde Reaktionen auf Erfahrungen Wann und wodurch die Grenze zwischen normalen Reaktionen und klinisch auffälligen Symptomen überschritten wird, gehört zu den ungelösten Fragen im Zusammenhang mit Depressionen H.U. Schmidt
Zum Thema Depression Definitionskriterien Aktuelle Klassifikationssysteme verpflichten sich zu vorwiegend deskriptiver Diagnostik D. werden heute durch eine gewisse Anzahl gleichzeitig vorhandener Symptome, die eine gewisse Zeit andauern müssen und nicht durch andere Erkrankungen bzw. Umstände erklärbar sind, definiert Verlauf, Schwere (leicht, mittelgradig, schwer) und besondere Ausprägung der S. (z. B. somatisch, psychotisch) werden zur Definition weiterer Untergruppen herangezogen H.U. Schmidt
Zum Thema Depression Häufigkeit Häufigste psychische Erkrankungen Laut BGM erkranken jährlich 4 Millionen Deutsche Gut 10 Millionen werden bis zum 65. LJ eine Depression erlitten haben Ungenaue Zahlen (hohe Dunkelziffer, z. T. breite Krankheitsdefinition) Frauen erkranken ungefähr doppelt so häufig wie Männer Dagegen begehen Männer mehr depressionsbedingte Suizide H.U. Schmidt
Zum Thema Depression Häufigkeit ff Inzidenz bei Vorschulkindern unter 1%, Anstieg bei Schulkindern auf 2-3%, Jugendalter 7-13% In amerikanischer Studie (2003) zwei-Wochen-Prävalenz innerhalb der werktätigen amerikanischen Bevölkerung fast 10 % In ihrer häufigen „verschleierten“ (larvierten, somatisierten) Form beschäftigt Erkrankung nicht nur Psychiater, Nervenärzte oder Psychotherapeuten, sondern v. a. Allgemeinmediziner H.U. Schmidt
Zum Thema Depression Risikofaktoren Geschlecht (Frauen doppelt so hohes Risiko für unipolare D.). Gilt v. a. für jüngeres Lebensalter. Psychosozial: Getrennte, geschiedene Personen u. solche ohne vertraute Personen erkranken häufiger Im Vorfeld gehäuft belastende Lebensereignisse Bei bipolar-affektiven Störungen wenig Einfluss sozialer/sozioökonomischer Faktoren Familiäre Belastung vergrößert für alle affektiven Störungen Erkrankungsrisiko H.U. Schmidt
Zum Thema Depression Präsentation und Diagnostik Gründe: Pat. fühlen sich mit der Präsentation körperlicher Beschwerden in der Arzt-Pat.-Beziehung häufig besser aufgehoben Ältere Bezeichnungen unterscheiden zwischen endogener, neurotischer und reaktiver Depression Aktuell in Deutschland deskriptiv ausgerichtetes Diagnoseschema nach ICD-10 verbindlich (z. Zt. Übergang zu ICD-11) Trennung zwischen depressiven Episoden und rezidivierenden depressiven Störungen H.U. Schmidt
Zum Thema Depression Diagnostik ff Einstufung der Schwere zwischen leichter, mittelgradiger, schwerer und schwerer Episode mit psychotischen Symptomen Begriff der Dysthymie steht für chronifizierte Depression und wird z. T. dafür verwendet, den - klassifikatorisch - alten Begriff der neurotischen Depression zu ersetzen. Unter den sog. Anpassungsstörungen weitere Kategorie im Sinne der Reaktion auf belastendes Lebensereignis H.U. Schmidt
Zum Thema Depression Diagnostik: Depressionsfragebögen erfassen mittels standardisierter Selbstauskunft Vorliegen depressiver Symptome häufig eingesetzt: PHQ-9 BDI-II HADS H.U. Schmidt
Zum Thema Depression Diagnostik: Depressionsfragebögen PHQ-9 „Patient Health Questionnaire“ Screeninginstrument für D. bei Erwachsenen BDI-II Beck Depression-Inventory II Am häufigsten eingesetzter Fragebogen bei Adoleszenten u. Erwachsenen HADS Kurzer Screeningfragebogen zur Erfassung von Angst u. Depressivität H.U. Schmidt
Zum Thema Depression Cave: Suizidalität Suizidalität beinhaltet Ruhe- und Todeswünsche, Suizidideen, Suizidversuche und Suizid. Motive: Zäsur, Appell, Hoffnungslosigkeit, Kränkung, Entlastung von Schuldgefühl, Erlösung, Autoaggression, dranghaft-psychotischer Antrieb Ernsthaftigkeit von Versuchen kann beschrieben werden durch Suizidintention, Suizidarrangement und Suizidmethode H.U. Schmidt
Zum Thema Depression Cave: Suizidalität ff Indikator für akute Suizidalität: Pat. distanziert sich nicht, wirkt ausgesprochen hoffnungs- und perspektivlos, ist zurückgezogen und isoliert, hat ungelösten Konflikt, ist aggressiv-gereizt, kein Gesprächsrapport Krisenintervention: Vertrauensverhältnis aufbauen, Herausnahme aus konflikthafter Umgebung, Verstehen der Bedeutung eines Notsignals, Bearbeitung der gescheiterten Bewältigungsversuche, alternative Problemlösungen bei zukünftigen Krisen, Einbeziehung von Angehörigen H.U. Schmidt
Zum Thema Depression Differentialdiagnostik 15-20% der Pat. in einer Allgemeinpraxis leiden an nicht erkannten Depressionen, die hinter einer sich körperlich präsentierenden Erkrankung verborgen liegt Differentialdiagnostisch Ausschluss manifester körperlicher Erkrankung (z. B. Hypothyreose) oder Einwirkung von Medikamenten (z. B. Antihypertensiva im Alter) Psychopathologisch Ausschluss einer bipolaren affektiven Störung/Zyklotomie H.U. Schmidt
Zum Thema Depression Überdiagnostik? Diagnostischer Vorreiter in den USA: DSM, akt. DSM-5 als neueste Fassung Problem „Überdiagnostik“? „Das DSM-5 macht es möglich, bereits wenige Wochen nach dem Tod eines nahestehenden Menschen eine „schwere Depression“ zu diagnostizieren. Das ist eine Fehlentscheidung, die trotz einhelliger Proteste seitens der Kliniker, Berufsverbände und Fachzeitschriften, der Presse und Hunderttausender Trauernder auf der ganzen Welt hartnäckig verteidigt wurde. H.U. Schmidt
Zum Thema Depression Überdiagnostik ff Problem „Überdiagnostik ff“? „Dass nach einem Todesfall für eine bestimmte Zeitspanne exakt die gleichen Symptome auftreten wie bei einer klinischen Depression, gehört zum normalen Trauerprozess. Man ist niedergeschlagen, verliert das Interesse am Leben, schläft schlecht, hat keinen Appetit, kann sich nicht auf die Arbeit konzentrieren – es ist das klassische, sehr leicht erkennbare Erscheinungsbild der Trauer, und es definiert auch die klinische Depression. Erst wenn die Hinterbliebenen an Selbstmord denken, Wahnvorstellungen entwickeln oder unter anhaltenden, schweren, beeinträchtigenden H.U. Schmidt
Zum Thema Depression Überdiagnostik ff Problem „Überdiagnostik ff“? „Symptomen leiden, dürfen wir tatsächlich eine Depression diagnostizieren....Wenn wir Trauer pathologisieren, dann nehmen wir dem Schmerz die Würde, kürzen den Trauerprozess ab, der notwendig zur menschlichen Existenz gehört....Die Pathologisierung von Trauer macht den Trauernden zum Patienten und behauptet, seine Reaktion sei eine psychische Störung“ (Allen Frances: Normal. Gegen die Inflation psychiatrischer Diagnosen. Dumont 2013, S. 267-68) H.U. Schmidt
Zum Thema Depression Psychotherapeutische Behandlung Wirksamer Einsatz eines breiten Spektrums psychotherapeutischer Verfahren und Methoden Beispielhaft Erwähnung kognitiver Verhaltenstherapie, analytischer Psychotherapie und tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie Wenig Erwähnung finden in entsprechenden ärztlichen/psychologischen Fachbüchern nach wie vor Künstlerische Therapien H.U. Schmidt
Zum Thema Depression Stand der Psychotherapieforschung Drei Formen, die sich der empirischen Überprüfung z. T. wiederholt gestellt haben: Kognitive Verhaltenstherapie Interpersonale Psychotherapie Psychodynamische Fokaltherapie In keiner Studie schnitten die jeweiligen Psychotherapien schlechter ab als die Vergleichsbedingungen Kurzfristige PT-Erfolge sind mit den Effekten einer Pharmakotherapie bzw. einer Kombination vergleichbar H.U. Schmidt
Zum Thema Depression Stand der Psychotherapieforschung ff Bei längerfristigen Beobachtungen schneiden Psychotherapien meist besser ab als Pharmakotherapie Kombiniert man Pharmakotherapie mit Psychotherapie, zeigen sich langfristig größere Effekte als bei Monotherapien Psychotherapie bzw. Kombinationsbehandlung ist langfristig kostengünstiger H.U. Schmidt
Zum Thema Depression Wirksames therapeutisches Verhalten Aktive Therapeuten Kooperative, direktive Therapeuten Gestuftes, Erfolge vermittelndes Vorgehen Verständliches Therapiemodell Transparenz der Intervention und Vorbereitung auf Krisen H.U. Schmidt
Zum Thema Depression Indikationen zur Psychotherapie ? Schwere Depressionen: Initial Pat. kaum für PT zugänglich. Unterstützende und med. Behandlung. Später Kombinationsbehandlung Dysthymien/d. Anpassungsstörungen: Wahrscheinlich PT Methode der Wahl Depressionen in Verbindung mit körperlichen Erkrankungen: Gut und erfolgreich durch PT zu behandeln Bipolare Störungen: Unklare Studienlage. Z. T. Empfehlung Verbindung Psychopharmaka/PT H.U. Schmidt
Zum Thema Depression Psychopharmakologische Behandlung 2010 nahmen in den USA11% aller Erwachsenen, dabei 21% der Frauen ein Antidepressivum 2011 wurden in den USA 11 Milliarden Dollar für Antidepressiva ausgegeben Ca. 80% der Psychopharmaka werden in den USA dabei von Allgemeinmedizinern verschrieben! H.U. Schmidt
Zum Thema Depression Psychopharmakologische Behandlung Heute Bevorzugung sog. SSRI (geringeres Nebenwirkungsspektrum) gegenüber den älteren trizyklischen Antidepressiva (rel. breites Nebenwirkungsspektrum) Häufiger als früher Kombination von psychotherapeutischer und psychopharmakologischer Behandlung Wissenschaftlich gesichert: Trizyklische Antidepressiva, MAO-Hemmer, selektive Serotonin-Wiederaufnahme- Hemmer (SSRI) H.U. Schmidt
Zum Thema Depression Psychopharmakologische Behandlung Zielpunkte: Antriebsschwäche, Hemmung, Apathie Traurige Verstimmtheit, Bedrücktheit, Niedergeschlagenheit Angst, ängstliche Unruhe, Agitiertheit Empfehlungen psychiatrische Gesellschaften: Individuell zugeschnittene Behandlung, Berücksichtgung von Begleiterkrankungen, Suizidtendenzen etc. Bei Nicht-Ansprechen von 6-8 Wo Wechsel auf andere Substanz H.U. Schmidt
Zum Thema Depression Psychopharmakologische Behandlung Empfehlungen psychiatrische Gesellschaften ff: Ev. zusätzliche Gabe von Lithium oder Antikonvulsiva Ersterkrankte sollten nach Remission Medikamente bis zu 20 Wochen weiter einnehmen Bei wiederholten Phasen ev. dauerhafte Einnahme Empfehlungen gehen bis zu 3 a voller Medikamentendosis, dann ca. 80% Pat. ohne Rückfall H.U. Schmidt
Zum Thema Depression Musiktherapeutische Behandlung Zahlreiche klinische Erfahrungs-/Behandlungsberichte Medizinische Leitlinien: Empfehlung im Rahmen eines multimodalen Behandlungsansatzes - DGPPN: Bipolare Störungen; NVL-Programm BÄK, KBV, AWMF: Unipolare Depression DGPPN (Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde) zu Einsatz MT: „Durch die Musiktherapie kann Zugang zu Gefühlen, Ausdruck von Stimmungen und Zuwachs an Selbstbewusstsein erzielt werden, wie in einem Review inkl. Metaanalyse zur Frage einer dosisabhängigen Wirkung bei schweren psychischen Störungen (Gold et al. 2009) berichtet wird. H.U. Schmidt
Zum Thema Depression Musiktherapeutische Behandlung Medizinische Leitlinien ff: DGPPN (Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde) zu Einsatz MT ff: Zur Anwendung von Musiktherapie gibt es bisher...keine störungsspezifischen Studien. Insgesamt ist bislang unklar, inwieweit Musiktherapie durch die angenommene Förderung der Affektregulation, des Selbstwertgefühls und der sozialen Kompetenz in einem integrierten Behandlungskonzept eine ergänzende Funktion im Hinblick auf die Rehabilitation und Rückfallprophylaxe hat.“. H.U. Schmidt
Zum Thema Depression Musiktherapeutische Behandlung Leitlinie zur Behandlung von depressiven Störungen bei Kindern und Jugendlichen (nach EBM-Kriterien berücksichtigte Studien in AWMF-Leitlinien, Fachbereiche Künstlerischer Therapien), Auswahl: Maratos, A. et al (2008): Music therapy for depression:Cochrane Database Syst Rev Hendricks, C. B. et al (1999): Using Music Techniques to Treat Adolescent Depression. The Journal of Humanistic Counseling, Education and Development, 38(1), 39-46 Wooten, M. A. (1992): The effects of heavy metal music on affects shifts of adolescents in an inpatient psychiatric setting. Music Therapy Perspectives, 10(2), 93-98 H.U. Schmidt
Zum Thema Depression Musiktherapeutische Behandlung Ausgewählte Forschungsliteratur: Pesek, U. (2005): Musiktherapie - Versuch einer Metaanalyse. Bericht über die Ergebnisse einer Diplomarbeit im Studiengang Psychologie. Eberhard- Karls-Universität Tübingen: Einschluss von 16 Studien (4 aktive MT, 5 aktiv/rezeptiv, 7 rezeptiv).Durchgehend relativ hohe Effektstärken.Zielvariablen z. B. Selbstkonzept, Stimmung, Depressivität. Maratos, A. et al (2008): Music therapy for depression:Cochrane Database Syst Rev.: Detektion von 5 Forschungsstudien, in denen bei Behandlung von Depressionen Wirkung einer Musiktherapie zusätzlich zur Standardtherapie mit der der Standardtherapie allein verglichen wurde. 4 Untersuchungen kamen zu Ergebnis, dass Patienten mit zusätzlicher MT stärker verminderte Symptome einer Depression als diejenigen allein mit Standardtherapie zeigen. H.U. Schmidt
Zum Thema Depression Musiktherapeutische Behandlung Ausgewählte Forschungsliteratur ff: Mössler, K., Gold, C. (2009): Effektforschung - Zur Wirkung von Musiktherapie bei Depressionen. Musik und Gesundsein 8.: Zusammenfassende Wertung des systematic review von Maratos (2008) sowie einer Metaanalyse von Gold et al. (2009). Problem große MT- Bandbreite, große klinische Heterogenität. Für Benennung eines generalisierbaren signifikanten Effektes weitere Forschung! Wichtiges Ergebnis der Gold-Metaanalyse viel zitierte Dosis-Wirkungs-Relation: Bei schweren psychischen Störungen steigert sich Wirkung von Musiktherapie mit zunehmender Stundenzahl. H.U. Schmidt
Zum Thema Depression Musiktherapeutische Behandlung Ausgewählte Forschungsliteratur Anwesender......: Fachner, J., Erkkilä, J. (2013): Das finnische Behandlungsmodell einer musiktherapeutischen Behandlungspraxis von Depressionen Kierspel, D., König, J., Hillecke, T. et al (2012?): Music Therapy in the Treatment of Depression in Adolescents. Towards the design of a RCT. Quelle: Internet Stegemann, T. (2009): „Achtung! Musiktherapie verändert Ihr Gehirn“ - Neurobiologische Aspekte von Depression und Musik Später mehr..... H.U. Schmidt
Zum Thema Depression Musiktherapeutische Behandlung Das noch junge, aber bereits mehrfach nützliche Promotionsverzeichnis... Das Wort haben hier später unsere Augsburger Studierenden, die 6 Promotionen zum Thema in Kürze darstellen werden H.U. Schmidt
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