DAS SHARE-DEAL-GESETZ - VERSCHÄRFT DIE VORSCHRIFTEN DER GRUNDERWERBSTEUER BEI DEM ERWERB EINER GRUNDBESITZHALTENDEN GESELLSCHAFT - Cornea-Franz ...

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DAS SHARE-DEAL-GESETZ - VERSCHÄRFT DIE VORSCHRIFTEN DER GRUNDERWERBSTEUER BEI DEM ERWERB EINER GRUNDBESITZHALTENDEN GESELLSCHAFT - Cornea-Franz ...
Mai 2021
                                        DAS SHARE-DEAL-GESETZ
                                        VERSCHÄRFT DIE VORSCHRIFTEN DER GRUNDERWERBSTEUER BEI
                                        DEM ERWERB EINER GRUNDBESITZHALTENDEN GESELLSCHAFT

                                        I. Hintergrund
Die Grunderwerbsteuer trägt mit         Bereits im Juli 2019 beabsichtigte die Große Koalition ein - aus Sicht der Politik - beste-
15,8 Mrd. EUR im Jahr 2019 er-          hendes „Steuerschlupfloch“ in Bezug auf die Grunderwerbsteuer zu schließen: Erwar-
heblich zum Steueraufkommen der         ben nämlich Investoren nicht unmittelbar eine Immobilie, sondern eine Gesellschaft,
Länder bei. Je nach Bundesland be-      die eine Immobilie besitzt (sog. share deal), gelänge es diesen allzuleicht durch entspre-
trägt der Steuersatz zwischen 3,5%      chende Strukturierung des Erwerbs die hierfür anfallende Grunderwerbsteuer zu ver-
bis 6,5%. Die Grunderwerbsteuer         meiden. Damals wurde es um jene Reformpläne nach einer Expertenanhörung zunächst
fällt nicht nur bei der unmittelbaren   ruhig. Der Obmann der Unionsfraktion, Hans Michelbach (CSU) urteilte damals noch:
Übertragung von Immobilien an,          „Die Anhörung war eine Vernichtung auf gesamter Ebene.“ – „ineffektiv und mögli-
sondern auch wenn die Anteile an        cherweise verfassungswidrig,“ war der Grundtenor der Anhörung. Gleichwohl griff der
einer grundbesitzhaltenden Gesell-      Bundestag die damaligen Pläne wieder auf und beschloss am 21.04.2021 die Gesetzes-
schaft übertragen werden (sog. sha-     reform, welche nun mit Wirkung zum 01.07.2021 in Kraft treten wird. Im Ergebnis
re deals). Durch eine entsprechende     hebt der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes die
Strukturierung lässt sich hierdurch     Hürden für solche Investoren drastisch an, die statt dem unmittelbaren Erwerb einer
die Grunderwerbsteuer umgehen.          Immobilie lediglich Anteile an einer grundbesitzhaltenden Gesellschaft erwerben.

                                        II. Überblick über die Änderungen

                                        Folgende Maßnahmen wurden von dem Gesetzgeber umgesetzt:

                                        » Absenkung der 95%-Grenze in den Ergänzungstatbeständen auf 90%, § 1 Abs. 2a,
                                          2b, 3 und 3a GrEStG n.F.
                                        » Einführung eines neuen Ergänzungstatbestands zur Erfassung von Anteilseigner-
                                          wechseln in Höhe von mindestens 90% bei Kapitalgesellschaften, § 1 Abs. 2b
                                          GrEStG n.F.
                                        » Verlängerung der Fristen von fünf auf zehn Jahre, § 5 Abs. 3 und § 6 Abs. 3 Satz 2
                                          und Abs. 4 GrEStG n.F.
                                        » Anwendung der Ersatzbemessungsgrundlage auf Grundstücksverkäufe im Rück-
                                          wirkungszeitraum von Umwandlungsfällen, § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 GrEStG n.F.
                                        » Verlängerung der Vorbehaltensfrist in § 6 GrEStG auf fünfzehn Jahre, § 6 Abs. 4
                                          GrEStG n.F.

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III. Ausgewählte Änderungen

1 Absenkung der 95%-Schwelle
Entgegen der Forderung der SPD den Schwellenwert für die Steuerbarkeit bei An-
teilsübertragungen auf 75% zu senken, erfolgt eine Senkung nur auf 90%. Nach den
in § 1 Abs. 2a, 2b, 3 und 3a GrEStG genannten Ergänzungstatbeständen löst eine mit-
telbare oder unmittelbare Übertragung von Anteilen an einer Gesellschaft, zu deren
Vermögen ein in Deutschland belegenes Grundstück gehört, Grunderwerbsteuer aus,
wenn eine relevante Beteiligungshöhe erreicht wird. Ziel der Ergänzungstatbestände
ist die Missbrauchsvermeidung. Aus Sicht des Gesetzgebers wird bei wirtschaftlicher
Betrachtung das Grundstück übertragen, sodass keine Verschonung bei der Grunder-
werbsteuer in Betracht kommt. Die Herabsetzung der relevanten Beteiligungshöhe
auf 90% stellt eine Verschärfung der bestehenden Regelungen dar. Die kritische Quo-
te, bei der ein Erwerb von Anteilen an einer grundbesitzenden Gesellschaft noch keine
Grunderwerbsteuer auslöst, verschiebt sich somit von 94,9% auf 89,9%.
Dies macht Vermeidungsstrategien für Investoren unattraktiver, aber nicht unmög-
lich. In der Praxis ist bereits zu beobachten, dass Erwerbstrukturen die zukünftigen
Beteiligungshöhen antizipieren.

2   Verlängerung der Behaltensfristen
Neben den Beteiligungsschwellen werden auch die Haltefristen der Ergänzungs-
tatbestände in § 1 Abs. 2a und 2b sowie in den Befreiungsvorschriften der §§ 5 und
6 GrEStG von fünf auf zehn Jahre verlängert. In einem speziellen Fall wird die Hal-
tefrist für grundbesitzhaltende Personengesellschaften sogar auf 15 Jahre verlängert.
Dies gilt immer dann, wenn der ausstehende Anteil an einer Immobilien-Personen-
gesellschaft unter Anwendung einer Befreiung (§ 6 GrEStG) durch den / die anderen
Gesellschafter steueroptimal erworben werden soll.
Auch durch diese Verschärfung wird es für Investoren unattraktiver eine Vermei-
dungsstrategie zu planen, da die erworbene Gesellschaft länger im Bestand gehalten
werden muss, bevor eine Exit-Strategie greifen kann.

3 Einfügung eines § 1 Abs. 2b GrEStG n.F.
Die tiefgreifendste Änderung betrifft die Einführung eines neuen Ergänzungstat-
bestands für Kapitalgesellschaften. Ebenso wie für Personengesellschaften ist nach
dem neuen § 1 Abs. 2b GrEStG n.F. nun auch bei Kapitalgesellschaften nicht nur die
Anteilsvereinigung in einer Hand von mindestens 90%, sondern auch die saldierte
Anteilsübertragung in der relevanten Höhe von 90% steuerbar. Dies bedeutet, dass
Grunderwerbsteuer ausgelöst wird, sobald in einem Zeitraum von zehn Jahren min-
destens 90% der Anteile an einer GmbH oder AG übertragen werden. Diese Über-
tragung muss nicht an dieselbe Person erfolgen, es genügt somit, dass während der
10-Jahres-Frist insgesamt mindestens 90% der Anteile „bewegt“ werden. Ein sofor-
tiger steuerfreier Erwerb aller Anteile unter Beteiligung eines Co-Investors ist damit
bei Kapitalgesellschaften nicht mehr möglich. Um Grunderwerbsteuer zu vermeiden,
müsste der Veräußerer der Beteiligung mindestens 10,1% selbst zurückhalten.
Der neue Ergänzungstatbestand ist den Regelungen für Personengesellschaften nach-
gebildet. Beachtung verdient, dass die Steuerbefreiungen gemäß §§ 5,6 GrEStG nicht
für die Kapitalgesellschaften gelten, sodass diese im neuen Grunderwerbsteuerrecht
deutlich strenger reglementiert werden als Personengesellschaften.

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Dieser Umstand wird auch für die Geschäftsführer einer immobilienhaltenden Ge-
sellschaft von stärkerer Bedeutung werden, da bei Verwirklichung des neuen Ergän-
zungstatbestands die Grunderwerbsteuer bei Vollzug des Anteilsübergangs (dingli-
che Wirksamkeit) auf Ebene der Kapitalgesellschaft als Steuerschuldner (§ 13 Nr. 7
GrEStG n.F.) anfällt. Zwar wird für börsennotierte Gesellschaften eine Erleichterung
in § 1 Abs. 2c GrEStG eingeführt, da diesen Gesellschaften in der Regel unmöglich
sein wird, Bewegungen im Aktionärskreis zu verfolgen. Für den großen Anteil mit-
telständischer Gesellschaften in Deutschland wird dieser Ergänzungstatbestand aber
weit über eine legitime Missbrauchsbekämpfung hinausgehen. Zukünftig müssen die
Geschäftsführer einer jeden grundbesitzende Kapitalgesellschaft die Entwicklung
ihrer Gesellschafterstruktur langfristig dokumentieren und auswerten, um ggf. eine
grunderwerbsteuerbare Änderung der Anteilseignerstruktur anzeigen zu können. Ne-
ben potentiell unbilliger Liquiditätsbelastungen für die betroffene Gesellschaft, steht
sonach insbesondere auch die persönliche Haftung des Geschäftsführers bei entspre-
chenden Versäumnissen im Raum.

4   Inkrafttreten
Die Neuregelungen werden ab dem 01.07.2021 wirksam. Sämtliche Anteilsübertra-
gungen, die ab diesem Tag vollzogen werden, unterfallen den verschärften Regelungen.
Für die Praxis begrüßenswert ist, dass auf eine ursprünglich geplante rückwirkende
Anwendung der Regelungen ab einem definierten Zeitpunkt, der in der Vergangenheit
liegt (z.B. 1. Anhörung des Gesetzes im Bundestag), verzichtet wurde. Allerdings soll
durch komplizierte Übergangsregelungen verhindert werden, dass es zu „Übergangs-
gewinnern“ kommt. So besteht nicht die Möglichkeit, nach dem 01.07.2021 steuerfrei
eine Beteiligung aufzustocken von beispielsweise 94% auf 100%.
Für den neuen Ergänzungstatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG gilt: Vor dem 01.07.2021
bereits übertragene Anteile werden für die neue 90%-Schwelle nicht mitgerechnet.
Dies gilt der Systematik folgend sowohl für unmittelbare als auch für mittelbare An-
teilsübertragungen an Kapitalgesellschaften vor dem 01.07.2021. Neu ist dabei, dass
der im bisherigen Entwurf vorgesehene Vertrauensschutz für Verpflichtungsgeschäf-
te, die ein Jahr vor Inkrafttreten der Reform abgeschlossen wurden, entfällt. An-
teilsübertragungen, die vor dem 01.07.2021 abgeschlossen wurden, aber erst ab dem
01.07.2021 dinglich vollzogen werden, dürften nach Maßgabe der neuen Regelungen
steuerbar sein. Sofern derzeit noch Transaktionen von Geschäftsanteilen an einer
grundbesitzhaltenden Kapitalgesellschaft geplant sind, müssen diese zügig abge-
schlossen werden, um eine steuerfreie Übertragung zu ermöglichen. Möglicherweise
sollte erwogen werden, auf Vollzugsbedingungen zu verzichten, um eine rechtzeitige
Übertragung der Anteile sicherzustellen.

IV. Fazit

Statt die Kritik aus der Expertenanhörung aufzunehmen, hat sich die Bundesregie-
rung entschieden, die Reform kurzfristig umzusetzen, mutmaßlich um dadurch ein
Wahlkampfthema weniger auf die Agenda zu setzen. Das neue Grunderwerbsteuer-
recht macht Umgehungsstrategien für Investoren schwieriger, geht aber damit zu-
gleich über eine bloße Missbrauchsbekämpfung hinaus. Die Spitzenverbände der
deutschen Wirtschaft sehen die Gefahr „erheblicher Kollateralschäden“. Gesellschaf-
ten, die eine inländische Immobilie in Deutschland im Vermögen haben, ist jedenfalls
eine detaillierte Dokumentation etwaiger Gesellschafterwechsel dringend anzuraten.

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