Davidskauz (Strix uralensis davidi) und China-Haselhuhn (Bonasa sewerzowi) als Highlights der Avifauna in den Gebirgswäldern von Gansu / ...

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Davidskauz (Strix uralensis davidi) und China-Haselhuhn (Bonasa sewerzowi) als Highlights der Avifauna in den Gebirgswäldern von Gansu / ...
monticola Nummer 104/2011                                                                            Seite 32

Davidskauz (Strix uralensis davidi) und China-Haselhuhn
(Bonasa sewerzowi) als Highlights der Avifauna in den
Gebirgswäldern von Gansu / Zentral-China*
Wolfgang Scherzinger, Yun Fang, Siegfried Klaus, Yue-Hua Sun

Einleitung
Chinas Bergwelt weist eine sehr beeindruckende Vielfalt in Flora und Fauna auf, über die
wir in Europa, auf Grund einer jahrzehntelangen Abschottung des „Reichs der Mitte“, kaum
Kenntnis haben. Anknüpfungspunkt für ein Kooperationsprojekt mit den Kollegen Y. H. Sun
und Y. Fang vom Zoologischen Institut der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Pe-
king waren die Freilandarbeiten zur Ökologie des Haselhuhns (Bonasa bonasia) von S. Klaus
aus Jena und die verhaltenskundlichen Arbeiten an diesem Raufußhuhn im Nationalpark
Bayerischer Wald durch W. Scherzinger – sowie die Vorstudien am China-Haselhuhn von
N. Liu, Zoologieprofessor an der Universität Landzhou / Provinz Gansu. Mit der Einladung
1995 sollten die Erfahrungen aus Mitteleuropa zur Entwicklung einer zeitgemäßen Feldstu-
die am kaum bekannten China-Haselhuhn beitragen. – Die Entdeckung des bis dato nicht
minder unbekannten Davidskauzes im Beobachtungsgebiet kam rein zufällig dazu.

Beobachtungsgebiet                                      bestände in den felsdurchsetzten Steilhän-
Ausgehend von der Feststellung einer kopf-              gen halten (Sun et al. 2008, Klaus et al. 2009).
starken Population des China-Haselhuhns                 Zentrum des Reservats ist ein buddhistischer
im Waldreservat „LianHuaShan“ (Kang-                    Wallfahrtsberg (3800 m NN), der dem Gebiet
le County / Provinz Gansu, etwa 200 km                  auch den Namen gab (LianHuaShan = „herr-
südlich der Provinzhauptstadt Landzhou)                 licher Lotosblüten Berg“).
durch Prof. Liu wurde in einer Baracke der              An den ersten Aufenthalt 1995 schlossen sich
Forstpolizei in 2700 m Seehöhe eine beschei-            bis heute 6 Freilandaufenthalte von jeweils
dene Feldstation eingerichtet. Das 120 km2              3-5 Wochen an, wobei durch saisonale Staf-
große Schutzgebiet umfasst rund 40 km2                  felung beim China-Haselhuhn neben Balz-,
Waldfläche, die schattseitig von Tannen und             Brut- und Führungszeit auch die herbstliche
Fichten, sonnseitig von Dornsträuchern und              Phase der Revierbesetzung durch die Hähne
diversen Laubbäumen dominiert wird. Die                 bzw. der Dismigration der Junghühner abge-
Waldgrenze liegt bei etwa 3000 m NN, ist                deckt werden konnten. Die Beobachtungen
jedoch stark durch Weidevieh beeinflusst.               am Davidskauz liefen zunächst nur „neben-
Infolge intensiver Abholzungen zu Zeiten                her“, konnten aber 2006 und 2010 durch
der Kulturrevolution liegt das Durchschnitts-           jeweils 4-5-wöchige Feldarbeiten systemati-
alter der Nadelbäume bei etwa 50-60 Jahren,             siert werden. Bei allen Aufenthalten wurden
doch konnten sich noch naturnahe Wald-                  auch Artenlisten zur Avifauna geführt.

* Auszug aus dem Vortrag von W. Scherzinger bei der Monticola-Jahrestagung 2011 in Semogo / Italien
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Seite 33                                               Davidskauz und China-Haselhuhn als Highlight

  Abb. 1: Reich untergliederter Nadelwald im Reservat LianHuaShan, mit dem namengebenden Wallfahrtsberg
im Hintergrund. Bild: W. Scherzinger.

Ein konservatives Ur-Waldhuhn                         Geschwisterarten – zeigen die Schwanzfe-
Die Erstbeschreibung von Bonasa sewerzowi             dern eine kontrastreiche Schwarz-Weiß-Bän-
stammt vom russischen Forschungsreisenden             derung. Obwohl ein echtes „Raufußhuhn“,
N. Przewalski 1873 (Klaus et al. 2009). Die-          fehlen dem China-Haselhuhn sowohl die na-
ses auf deckungsreichen Lichtungen lebende            mengebende Beinbefiederung als auch eine
Waldhuhn weist eine dem nahe verwandten               Verbreiterung der Trittfläche durch die soge-
Haselhuhn (Bonasa bonasia) vergleichba-               nannten Balzstifte.
re Kopfzeichnung auf (mit schwarzer Kehl-
zeichnung, die als „Kehlbart“ gesträubt wer-
den kann, samt weißer Rahmung, sowie einer
zur Balzzeit kräftig roten „Rose“ über dem
Auge), ebenso eine bei Erregung aufstellbare
Federholle von rostbrauner Färbung. Mit nur
337-341 g ist Bonasa sewerzowi leichter als
Bonasa bonasia – und damit der kleinste Ver-
treter innerhalb der Tetraoniden. Brust und
Bauchgefieder sind dunkel, schwarz-braun
gebändert, worauf sich der ältere Artname
„Schwarzbrust-Haselhuhn“ bezieht. Deut-
                                                        Abb. 2: Zur Aufnahme von Knospen klettert das
lich verschieden von Hasel- und Kragenhuhn            China-Haselhuhn bis ins äußerste Gezweig der Weiden-
(Bonasa umbellus) – als nächstverwandte               büsche (♂ im Frühjahr; Bild: S. Klaus)
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Das Verbreitungsgebiet ist auf ein sehr en-          Innerhalb der Gattung Bonasa weist ein zwi-
ges Areal urtümlicher Gebirgswälder in den           schenartlicher Vergleich auf ein wenig diffe-
Provinzen Gansu und Sitchuan beschränkt,             renziertes Stimminventar bei B. sewerzowi
bei völliger Isolation gegenüber dem groß-           hin, das sich auf eher basale Lautäußerungen
räumigen Artareal der eurasischen Ge-                beschränkt und weder einen artspezifischen
schwisterart Bonasa bonasia (Synopse in              Reviergesang kennt noch einen weittragen-
Klaus et al. 2009).                                  den Instrumentallaut mit Territorial-Funkti-

Vergleich der Stimm-Inventare innerhalb der Gattung Bonasa

                                   China-Haselhuhn
                                   B. sewerzowi

                                                                        Kragenhuhn
                                                                        B. umbellus

                                                                                             Bemerkung
                                                         Haselhuhn
                                                         B. bonasia
Merkmal
Altvogel
einfache Stimmfühlung
intensive Stimmfühlung
Tonleiter
Huderlaut
Alarmlaut-Serie
Burren C Alarm „brurr“)
Plittern (Alarm)
Alarmlaut „krräj“
Imponier-Triller
Jammern (Alarm ?)
Kundgabelaut (Hahn)
Zwielen (Nestzeigen)                    ?
Nestlaut (Eiablage)
Führungslaut (Henne)
Gackern (Alarm)                         ?
Fauchen
Angriffs-Gesang (quäkend)                                                             artspezifisch
Reviergesang („Spiessen“)                                                             artspezifisch
Angriffs-Laut                                                                         homoiolog ?
Hennenruf                                                                             artspezifisch
Zicken (Nestzeigen)                                                                   artspezifisch
Zipp-Serie (Nestzeigen)                                                               artspezifisch
Seite 35                                                      Davidskauz und China-Haselhuhn als Highlight

Alarm gedehnt „pijü“                                                                           artspezifisch
Angst-Schirken                                                                                 artspezifisch ?
Schnauf-Gesang („Dampflock“)                                                                   artspezifisch
Säuseln (Nachfolge-Laut)                                                                       artspezifisch
sirren (Alarm)                                                                                 artspezifisch
Küken
einfache Stimmfühlung
intensive Stimmfühlung
Klagen / Tonleiter
Angstlaut                                                                                      artspezifisch ?
„Weinen“                                                                                       artspezifisch ?
Summe =                                        15                   26             21
  Tab. 1: Im Vergleich der Stimm-Inventare innerhalb der Gattung Bonasa wird der geringe Differenzierungsgrad
an Lautäußerungen beim China-Haselhuhn deutlich (nach Scherzinger, in: Bergmann et al. 1996).

              Vergleich der Instrumentallaute innerhalb der Gattung Bonasa
                                            China-Haselhuhn
                                            B. sewerzowi

                                                                                 Kragenhuhn
                                                                                 B. umbellus

                                                                                                      Bemerkung
                                                                  Haselhuhn
                                                                  B. bonasia

Verhaltens-Kontext
Flatter-Sprung
Flügel-Schleifen (beim Zirkeln)
Demonstrationsflug im Revier
Flügel-Schleifen (beim Losrennen)                ?
Flügel-Knallen (Alarm?)
Flügel-Klatschen
Fuß-Aufstampfen
Bodenpicken (aggressiv)                                              ?
Flügel-Raspeln (beim Zirkeln)                                                                  artspezifisch
Flügel-Trommeln                                                                                artspezifisch
Summe = 10 Laute                                 3                6 (7)          9 (10)
  Tab. 2: Zu Kundgabe und Reviermarkierung hat speziell das Kragenhuhn sehr komplexe Instrumentallaute
entwickelt, während sich diese beim China-Haselhuhn auf geräuschvolle Flugstrecken und Flattersprung beschrän-
ken, wie sie als Universalien bei nahezu allen Raufußhühnern beobachtet werden können (nach Scherzinger, in:
Bergmann et al. 1996).
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on. Das in Eurasien großräumig und in zahl-     Ein Phantom nimmt Konturen an
reichen Unterarten verbreitete Haselhuhn        Auf das Vorkommen des Davidskauzes (Strix
unterscheidet sich durch ein vielfältig dif-    uralensis davidi) in den Wäldern von Lian-
ferenziertes Stimminventar, von denen der       HuaShan wurden wir ganz zufällig aufmerk-
hoch frequente Reviergesang („Spießen“)         sam, als ein Männchen Anfang April 1995
hervorzuheben ist, ansonsten Kontakt- und       bei aufgehendem Mond im Kronendach eines
Alarmlaute überwiegen. Obwohl näher an          dichten Nadelwaldes rief: Eine große, grau-
der phylogenetischen „Quelle“ aller Wald-       braune Eule wiederholte in kurzen Intervallen
hühner, weist das nordamerikanische Kra-        dumpf-nachhallende huhu-huhohuho-Stro-
genhuhn sehr komplexe Spezialisierungen         phen. Auf Grund der deutlichen Übereinstim-
seines Kommunikationssystems auf, von           mung mit dem Reviergesang des eurasischen
denen der lokomotivenartige „Schnaufge-         Habichtskauz´ (Strix uralensis) wurde uns die
sang“ und das dumpf-akzelerierende Flü-         Bedeutung dieser Beobachtung nicht gleich
geltrommeln besonders hervorzuheben sind        bewusst, vielmehr als Erstnachweis eines Ha-
(Scherzinger in: Bergmann et al. 1996; vgl.     bichtskauzes für das Reservat verbucht. Erst
Tab. 1, 2).                                     wiederholte Beobachtungen bei Tageslicht
Die basalen Laute der Stimmfühlung von          und ein Vergleich mit einem reichlich zer-
Küken und Altvögeln stimmen innerhalb           zausten Stopfpräparat, das in der Schutzge-
der Gattung Bonasa weitgehend überein.          bietsverwaltung ausgestellt war, brachten den
Wenn dies auch für die Zeichnungen im Kü-       Hinweis, dass es sich um den nahezu unbe-
kengefieder der drei Arten in hohem Maße        kannten Davidskauz handelte.
gilt, so ist die Artentrennung doch vollstän-   Von dieser Eule gab es bisher nur ein Beleg-
dig erfolgt, wie das interspezifische Nicht-    exemplar, das der französische Missionar Pa-
Erkennen stimmlicher und instrumenta-           ter David 1866 erlegt hatte, und zur Erstbe-
ler Lautäußerungen eindrücklich bestätigt       schreibung an das Britische Museum sandte
(Bergmann et al. 1996).                         (erste Benennung durch Sharpe 1875, als
In der Zusammenschau aus morpholo-
gischen, ethologischen und genetischen
Merkmalen lässt sich das China-Hasel-
huhn als frühe Abspaltung vom Stamm-
baum der Waldhühner interpretieren, die
sich auf Grund lange zurückreichender Iso-
lation nur wenig weiter differenziert hat
bzw. sehr ursprüngliche Merkmale konser-
vieren konnte. Diese Entwicklung wurde
durch die Gebirgsauffaltung des Himala-
ja-Massivs und die Ausweitung der Wüste
Gobi maßgeblich bestimmt (Liu, in Berg-
mann et al. 1996).
Folgerichtig stuft das Chinesische Arten-
schutzgesetz das China-Haselhuhn als En-          Abb. 3: Das Brutvorkommen des Davidskauz´
demiten mit stark eingeschränkter Ver-          scheint eng an naturnahe, deckungsreiche Nadelwälder
                                                im Gebirge, mit lückig-durchbrochenem Altbestand
breitung in die höchste Schutzkategorie,        gebunden zu sein (♂ nahe Brutplatz; Bild: W. Scherzin-
vergleichbar dem Großen Panda.                  ger).
Seite 37                                                  Davidskauz und China-Haselhuhn als Highlight

Syrnium davidi). Ein zweites Exemplar er-                 te Wende, denn 2005 nahm ein freilebendes
hielt Stresemann (1923) aus der Sammlung                  Pärchen des Davidskauz´ eine solche Kunst-
Weigolds. Wie ein „Phantom“ wird dieser                   höhle an und erbrütete erstmals unter sys-
Kauz seither in Arten- und Faunenlisten auf-              tematischer Beobachtung 2 Junge, die auch
geführt, ohne dass konkretere Daten zu Art-               erfolgreich zum Ausfliegen kamen. Diesem
merkmalen, Ökologie, Stimme oder Verhal-                  Erfolg sind erste Fotobelege von Eiern und
ten hinzugekommen wären. – Demnach war                    Nestlingen sowie Videosequenzen von Beu-
uns in LianHuaShan der allererste Foto- und               teübergaben und Fütterungen zu verdanken.
Tonbandbeleg gelungen. Konnten Eulen-                     2006 wurden darüber hinaus zwei eben aus-
beobachtungen während der ersten Aufent-                  geflogene Jungeulen in einem felsdurchsetz-
halte nur am Rande des Haselhuhnprojek-                   ten Steilhang entdeckt, wo ein 2. Paar ganz
tes erfolgen, so erbrachte das Angebot von                offensichtlich in einer Felsnische gebrütet
zunächst 30 großen Nistkästen eine markan-                hatte. Trotz hellem Tageslicht versuchten die

Fortpflanzungs-Aktivität Davidskauz, Reservat LianHuaShan

Jahr       Reviere    Paare      Brutaktivität      Brutplatz        Eier     Nestlinge Ästlinge Jungkäuze
1995         >1         >1      wahrscheinlich     Felsnische?
1996         ?
1997         >1         >1         möglich
1998         ?
1999         >1         >1         möglich
2000         ?
2001         ?
2002         ?
2003         ?                                            (Nk.-Angebot)
2004         ?
2005         >2         >2         bestätigt       Nistkasten          2           2          2          2
                                   bestätigt       Felsnische          ?          >1          0          0
2006         4?         >2         möglich
                                   bestätigt       Felsnische          ?         >2           2         2?
2007         >2         >2         bestätigt       Nistkasten          3          3           3          0
                                   bestätigt       Felsnische          ?         >2           0          0
2008         ?
2009         ?
2010         >2         >2         bestätigt       Nistkasten          2          2           2          2
                                   möglich
2011         >2         >2         bestätigt       Nistkasten          1          1          0          0
                                   bestätigt       Nistkasten          ?          3          3?         3?
   S        2 (4)       >2          9 (10)                                        16      9 (12 ?)     4 (9?)
  Tab. 3: Bei einer vergleichsweise geringen Gelegegröße bleibt der Bruterfolg des Davidskauzes sehr niedrig,
zumal auch zahlreiche Brutausfälle und Jungvogelverluste zu verzeichnen waren (Scherzinger, unveröff.).
monticola Nummer 104/2011                                                                      Seite 38

Altvögel, uns durch lautstarkes Rufen, Über-
fliegen und Verleiten von ihrem Nachwuchs
abzudrängen. Durch allabendliche Gebiets-
kontrollen konnte für das Waldreservat ein
Bestand von 4 ♂ und 2 ♀ bestätigt werden,
was einer durchschnittlichen Siedlungsdich-
te von nur 0,15 Individuen pro 100 ha ent-
spricht (Scherzinger et al. 2008).
2007 und 2010 gab es wieder Nistkastenbru-
ten des 1. Paares; 2011 eine erfolgreiche Brut
des 2. Paares. Auf Grund wiederholter Ver-
luste an Nestlingen und Ästlingen blieb der
Reproduktionserfolg – soweit bisher Anga-           Abb. 4: Da der Gebirgswald durch intensive Bewei-
ben von Hirten, Rangern und eigenen Studi-       dung, Terrassen-Feldbau und massive Holznutzung
en vorliegen – sehr gering: 9 [12] Ästlinge      bereits auf überwiegender Fläche einer anthropogenen
                                                 Steppe gewichen ist, kommt dem Schutz naturnah
aus 8 Bruten von 2 Paaren (= 0,56 [0,75] pro     verbliebener Waldrelikte eine sehr große Bedeutung zu
Paar und Jahr; vgl. Tab. 3).                     (Urwald in Jiushaigou / Sitchuan). Bild: W. Scherzinger.
Bis heute ist der taxonomische Status des
Davidskauz´ unklar, denn einerseits wei-         dieser Region stoßen gleichzeitig die Area-
sen Körpergröße, Stimme und Verhalten            le der nördlichen Steppen- und Wüstenfau-
große Übereinstimmungen mit dem eurasi-          na (Wüste Gobi) und die der subtropischen
schen Habichtskauz auf, weshalb ihn Strese-      Waldfauna aus dem Süden aneinander, so
mann (1923) als streng isoliert lebende Un-      dass sich – zusammen mit der Vogelwelt
terart desselben einstuft. Andererseits sind     aus den kontinentalen Trockengebieten im
die mittleren Stoßfedern des Davidskauz´         Osten und der Hochgebirgsfauna aus dem
völlig abweichend gezeichnet (ohne Quer-         Westen – ein Schnittpunkt von außerordent-
bänderung) und das Gefieder der Schulter-        licher Artendiversität ergibt. Da auf Grund
und Rückenpartie sehr viel dunkler – ohne        jahrzehntelanger Abschottung der Reichtum
der für den Habichtskauz typischen Striche-      dieser Bergregion kaum bekannt ist, sei-
lung. Die heutige Systematik stuft den Da-       en hier einige Aspekte zur Vogel-Artenlis-
vidskauz allein auf Grund der völligen Isola-    te im Reservat LianHuaShan dargelegt, die
tion in einem sehr kleinen Verbreitungsareal     vorwiegend auf Beobachtungen der Auto-
als eigenständige Art ein (Strix davidi; Kö-     ren basiert, unterstützt durch Studenten der
nig et al. 1999, Hoyo et al. 1999), doch fehlt   Normal-Universität Peking.
dazu noch eine genetische Bestätigung.           Als „Nebenprodukt“ der Suche nach dem
                                                 Davidskauz konnten 1995 wenigstens zwei
Relikte naturnaher Gebirgswälder –               Raufußkauz- ♂ verhört werden; 1997 wur-
Treffpunkt der Vogelwelt                         de auch eine besetzte Bruthöhle entdeckt.
Zwischen den riesigen Lößebenen und dem          Wegen des Mangels an geeigneten Bruthöh-
Hochgebirgsplateau des Himalaja steigen          len in dem eher jungen Baumbestand wur-
schroffe Gebirgskette abrupt an, die ur-         den mehrere Nistkästen gefertigt, die auch
sprünglich bis etwa 2200 m Seehöhe mit           prompt angenommen wurden. Im Schnitt
Mischwäldern, darüber vorwiegend mit ar-         brüten seither an die sieben Paare der zier-
tenreichen Nadelwäldern bedeckt waren. In        lichen Unterart Aegolius funereus beickia-
Seite 39                                                  Davidskauz und China-Haselhuhn als Highlight

nus im Reservat. Auf Grund ihrer lautstar-               Beispielsweise sind in den Wäldern von Li-
ken Rufe deutlich auffälliger sind Blutfasan             anHuaShan gleich je 3 Arten an Kleibern
(Ithaginis cruentus) und der Blaue Ohrfasan              und Kernbeißern, 4 aus der Rotkehlchen-
(Crossoptilon auritum), die zusammen mit                 Verwandtschaft, je 5 an Fliegenschnäppern
Ringfasan (Phasianus colchicus), China-                  und Kuckucken, 6 an Rotschwänzen und
Haselhuhn und dem sehr heimlichen Keil-                  8 an Karmingimpeln, letztlich 11 (12) an
schwanzhuhn (Tetraophasis obscurus) die                  Laubsängern zu beobachten (Gesamt-Ar-
winterliche Fauna auffällig dominieren.                  tenliste in: Sun et al. 2008, S. 87-90). Ad-
Das dichte Unterholz aus Bambus, Weiden,                 diert man die Vogelarten aus Bergdörfern,
Wildrosen, Spier- und Pfeifenstrauch, di-                Bergwald, Almweiden bzw. Krummholzre-
versen Cotoneaster-Arten etc. erschwert die              gion und den alpinen Matten bzw. der Fels-
Sichtbeobachtung der Singvögel, von de-                  region leben in den Europäischen Alpen
nen die Häherlinge (Garrulax), Drosseln,                 rund 106 Gebirgs-Vogelarten, im Vergleich
Rotschwänze, Laubsänger, Meisen- und                     zu wenigstens 146 Arten in den Bergen von
Finkenvögel (vor allem Gimpel, Karmin-                   Gansu (wobei die Vögel der Bergdörfer bis-
gimpel, Kreuzschnäbel) in beeindrucken-                  her nicht gezielt untersucht wurden). Die
der Artenfülle und mit vielfältigem Gesang               Differenz aus 40 Vogelarten bezieht sich in
hervorstechen. Da Landschaften und Wäl-                  erster Linie auf den Bergwald (34 Arten), in
der mit den Gebirgsregionen Mitteleuropas                geringerem Maße auf das durch Yakweiden
durchaus vergleichbar erscheinen (abgese-                durchbrochene Buschland an der Waldgren-
hen von der viel höheren Waldgrenze am                   ze (14 Arten; vgl. Tabelle 4).
südlicheren Breitengrad), drängt sich un-                Diese Gegenüberstellung verdeutlicht die
mittelbar die Frage auf, wie sich die auffäl-            besondere Bedeutung der reliktären Ge-
lig hohe Artenzahl innerhalb einiger Vogel-              birgswälder, zumal sich sicher analoge Ver-
gruppen interpretieren lässt, zumal hier kein            gleiche für die Diversität an Kleinsäugern
entsprechend breiteres Nischenpotenzial er-              und Blütenpflanzen anschließen ließen.
kennbar wäre:                                            Es ist daher sehr erfreulich, dass die Chi-

Vogelarten-Diversität                                  ALPEN                              GANSU

Bergdörfer                                                 22                               > 15

Bergwald                                                   60                                94

Krummholz / Almweide                                       8                                 22

Alpine Matten / Felsregion                                 16                               > 15

Summe                                                     106                               146

   Tab. 4: Im Vergleich der Vogelartenzahlen aus den europäischen Alpen und der Gebirgsregion in Gansu / Chi-
na beeindruckt nicht nur die eindrucksvolle Artendichte in Asien, auch wird die hohe Bedeutung der reliktären
Gebirgswälder sowie des extensiven Weidewalds für die Biodiversität deutlich (Werte für „Bergdörfer“ nicht
repräsentativ; Scherzinger, unveröff.).
monticola Nummer 104/2011                                                            Seite 40

nesische Regierung auf Grund unserer Er-        Abstract
hebungen nicht nur den Rang des Reser-          Owing to a German-Chinese cooperation 6
vats LianHuaShan deutlich angehoben hat         campaigns could get organized in the forest-
(Schutzgebiet nationaler Bedeutung) son-        reserve of LianHuaShan so far, aimed to a
dern auch Initiativen zur Vernetzung des        bird census in the high mountainous wood-
Bergwaldgebiets durch Begründung von            land, whereby observations on behaviour,
Trittsteinen und Korridoren zu umliegenden      vocalization and ecology of two rather unk-
Waldreservaten gesetzt hat.                     nown endemics were in our focus, as Chi-
                                                nese Hazel Grouse (Bonasa sewerzowi) and
Zusammenfassung                                 Sichuan Wood Owl (Strix uralensis davidi).
Im Rahmen einer deutsch-chinesischen Ko-        Compared to the sibling species Hazel
operation konnten bisher 6 Freilandaufent-      Grouse (Bonas bonasia; Eurasia) and Ruf-
halte im Waldreservat LianHuaShan zur Er-       fed Grouse (Bonasa umbellus; northern
fassung der Vogelwelt im hochmontanen           America) the Chinese Hazel Grouse shows a
Bergwald erfolgen, wobei Beobachtungen zu       rather low stage of differentiation in its vo-
Verhalten, Stimme und Ökologie der kaum         cal inventory, and represents almost ances-
bekannten Endemiten China-Haselhuhn (Bo-        tral characters in its courtship behaviour. –
nasa sewerzowi) und Davidskauz (Strix ura-      Only two specimen were the base for a first
lensis davidi) im Vordergrund standen.          description in 1875 and a taxonomic clas-
Im Vergleich zu den Geschwisterarten Hasel-     sification in 1923 of the powerful Sichuan
huhn (Bonasa bonasia; Eurasien) und Kra-        Wood Owl. In consequence data on physical
genhuhn (Bonasa umbellus; Nordamerika)          appearance, behaviour, vocalization, and
zeigt das China-Haselhuhn eine vergleichs-      reproduction were missing totally. Found-
weise geringe Differenzierung des Stimmin-      ed by a systematic census of the local popu-
ventars und sticht durch eine Reihe sehr ur-    lation, searching for breeding sites and of-
sprünglich gebliebener Merkmale hervor.         fering special nest boxes we not only could
– Der stattliche Davidskauz wurde an Hand       document habitat and adult owls by photos
zweier Belegexemplare 1875 erstmals be-         and tape recordings, but also could observe
schrieben bzw. 1923 taxonomisch zugeord-        eggs and nestlings of successful reproduc-
net, doch fehlten bislang jegliche Angaben      tions for the very first time.
zu Erscheinungsbild, Verhalten, Stimme und      Due to its position at a junction of different
Brutbiologie. Dank gezielter Bestandserfas-     faunistic areas, the relics of natural wood-
sung, Brutplatzsuche und Nistkastenange-        lands in the high mountains are of extra-
bote konnten nicht nur erste Foto- und Ton-     ordinary importance for biodiversity. Pre-
bandaufnahmen hergestellt, sondern auch         serving forest stands of adequate extension
Balz, Eiablage und mehrere erfolgreiche         gets a predominant challenge, especially in
Bruten beobachtet werden.                       respect to a rising pressure of utilization in
Im Schnittpunkt unterschiedlicher Faunenbe-     this landscape.
reiche gelegen, erweisen sich die Relikte na-
turnaher Gebirgswälder als außerordentlich
artenreich. Die Sicherung ausreichend gro-      Literatur
ßer Waldbestände erscheint bei dem rasant       Bergmann H.-H., Klaus S., Müller F., Scher-
wachsenden Nutzungsdruck in der Land-              zinger W., Swenson J., Wiesner J. (1996):
schaft als vordringliche Aufgabe.                  Die Haselhühner. Neue Brehm-Büche-
Seite 41                                         Davidskauz und China-Haselhuhn als Highlight

  rei, Westarp-Wissenschaften, Magdeburg;           nicht länger ein “Phantom”. Eulen-Rund-
  Band 77                                           blick 58: 21 – 25
Hoyo J., Elliott A., Sargatal J. (1999): Hand-   Sharpe R.-B. (1875): Contributions to a his-
  book of the birds of the world. Vol. 5:           tory of Accipitres. Notes on birds of prey
  Barn owls to Hummingbirds. Lynx Editi-            in the museum at the Jardin des Plantes
  on, Barcelona                                     and the collection of Mons. A. Bouvier.
Klaus S., Scherzinger W., Sun Y.-H., Swen-          Ibis 5 (3. Ser.): Syrnium davidi
  son J., Wang J., Fang Y. (2009): Das Chi-      Stresemann E. (1923): Zoologische Ergeb-
  nahaselhuhn Tetrastes sewerzowi – Ak-             nisse der Walter Stötznerschen Expeditio-
  robat im Weidengebüsch. Limicola 23: 1            nen nach Szetschwan, Osttibet und Tschi-
  – 57                                              li. Abhandl. Ber. Mus. Tierk. Völkerkunde
König C., Weick F., Becking J.-H. (1999):           Dresden 16: 58 – 70
  Owls, a guide to the owls of the world. Pi-    Sun Y.-H., Fang Y., Klaus S., Martens J.,
  ca-Press, Sussex                                  Scherzinger W., Swenson, J. (2008): Na-
Scherzinger W., Fang Y., Sun Y.-H. (2008):          ture of the Lianhuashan Natural Reserve.
  Der Davidskauz Strix uralensis davidi             Liaoning Science and Technology Publi-
  aus den Gebirgswäldern Zentral-Chinas –           shing House, Peking: 100 S.

Für das Autorenteam:
Wolfgang Scherzinger
D- 83483 Bischofswiesen
E-Mail: W.Scherzinger@gmx.de
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