Der Einsatz von Mind und Concept Maps als Werkzeuge f ur kreatives Denken und Projektmanagement

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Der Einsatz von Mind und Concept Maps als Werkzeuge f ur kreatives Denken und Projektmanagement
Software-Seminararbeit

Der Einsatz von Mind und Concept Maps
als Werkzeuge für kreatives Denken und
          Projektmanagement

                 Michael Bayer, 0231070
                      michael.bayer@tugraz.at

                    ————————————–

      Institut für Informationssysteme und Computer Medien
                      Technische Universität Graz

                Betreuer: Dipl.-Ing. Christian Safran

                       Graz, im August 2008
Abstract
This paper tries to show a basic overview about mind maps as a technique to visualize
complex information. Ideas for the comprehensive use of computers in this context are
given, thereby aspects of distributed environments play an important role.
The use of mind and concept maps in project planning and project management are dis-
cussed.
Requirements to user interfaces for working with computer-aided mind maps are consi-
dered. Beside writing this paper there was a usability study about this kind of software,
which is referenced as well. The applied methodologies of usability inspection and usability
testing are illustrated.
Kurzfassung
Diese Arbeit soll neben einer grundlegenden Auseinandersetzung mit Mind Maps als Visua-
lisierungstechnik Ideen für umfassende computergestützte Verwendungszwecke anbieten,
bei denen auch Aspekte von verteilten Umgebungen eine Rolle spielen.
Daneben wird die Eignung des Einsatzes von Mind und Concept Maps zur Planung und
Abwicklung von Projekten diskutiert.
Anforderungen an Benutzerschnittstellen zur Erstellung von Mind Maps am Computer
werden erörtert. Dabei wird auch auf eine im Rahmen dieses Bakkalaureatsprojekts an-
gelegte praktische Usability-Untersuchung Bezug genommen. Die dabei angewandten Me-
thoden der usability inspection und des usability testings werden erklärt und beleuchtet.
Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung                                                                                                                                              5
  1.1 Einteilung der Arbeit .     .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   5
  1.2 Begriffsabgrenzungen .      .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   6
       1.2.1 Mind Map . . .       .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   6
       1.2.2 Concept Map .        .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   7

2 Mind Maps als Mittel zur Förderung kreativen Denkens                                                                                                    9
  2.1 Traditionelle Notier-/Aufzeichnungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . .                                                                    .    9
  2.2 Mind Maps - Abbilder radialer Denkprozesse . . . . . . . . . . . . . . . .                                                                      .   10
      2.2.1 Hinweise zur Gestaltung von Mind Maps . . . . . . . . . . . . . . .                                                                       .   12
  2.3 Einsatzmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                                               .   12
      2.3.1 Brainstorming . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                                                   .   13
      2.3.2 Wissenschaftliches Arbeiten und Schreiben . . . . . . . . . . . . .                                                                       .   13
      2.3.3 Lehren und Lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                                                   .   13
      2.3.4 Kooperatives Lernen und Problemlösen . . . . . . . . . . . . . . .                                                                       .   14
      2.3.5 Vorträge und Präsentationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                                                   .   14
      2.3.6 Projektplanung und Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                                                       .   14
  2.4 Diskussion computerbasierter Mind oder Concept Maps . . . . . . . . . .                                                                         .   14
      2.4.1 Vorteile und Potentiale, die sich durch digitale Maps ergeben . . .                                                                       .   14
      2.4.2 Denkbare Nachteile digitaler Mind Maps . . . . . . . . . . . . . . .                                                                      .   17
      2.4.3 Anforderungen an die Benutzerschnittstelle einer entsprechenden
             Softwarelösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                                                . 18

3 Einsatz von Mind Maps zur Planung und Leitung von Projekten                                                                                           20
  3.1 Whole-Brain Thinking“ im Projektmanagement . . . . . . . . . . . . . .                                                                          . 20
      ”
  3.2 Praktischer Einsatz von Mind und Concept Maps bei der Durchführung von
      Projekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                                               . 21
      3.2.1 Digitale Mind Maps zur zentralen Informationsverwaltung . . . . .                                                                         . 21
      3.2.2 Ressourcen- und Zeitmanagement mit Concept Maps . . . . . . . .                                                                           . 22

4 Usability-Untersuchung zu verfügbarer Software                                                                                                         25
  4.1 Diskussion der Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . .                                                 .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   26
  4.2 Definition der Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . .                                                .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   26
  4.3 Heuristische Evaluierungen . . . . . . . . . . . . . . . . .                                                .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   27
      4.3.1 Hintergründe zur Methodik . . . . . . . . . . . . .                                                  .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   27
      4.3.2 Details zu den Evaluierungen von Mind-Map-Tools                                                           .   .   .   .   .   .   .   .   .   30

                                                              1
4.4   Thinking-Aloud Tests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .      30
        4.4.1 Hintergründe zur Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .        30
        4.4.2 Details zur Durchführung der thinking-aloud tests zu Mind-Mapping-
               Software . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   35
  4.5   Ergebnisse der gesamten Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .        36

5 Schlussbemerkungen                                                                          37

                                              2
Tabellenverzeichnis

 4.1   Fünfteilige Punkteskala für die Gewichtung gefundener Usability Probleme
       bei Heuristischen Evaluierungen nach [Nielsen 1994]. . . . . . . . . . . . . . 29

                                          3
Abbildungsverzeichnis

 1.1   Beispiel für eine handgezeichnete Mind Map . . . . . . . . . . . . . . . . . .    7
 1.2   Beispiel einer Concept Map . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   8

 3.1   Mind Map über Projektmanagement aus [Wilcox 2003] . . . . . . . . . . . . 22
 3.2   Eine Concept Map als Netzplan für ein Projekt aus [Nückles et al 2004] . . 24

                                            4
Kapitel 1

Einleitung

Der Einsatz von Visualisierungstechniken war schon verbreitet, bevor die Informations-
technologie samt globaler Vernetzung in sämtliche gesellschaftliche Bereiche einzog. Doch
gerade dieser Einzug bietet eine Vielzahl von neuen Möglichkeiten, die erst zum Teil er-
schlossen worden sind. Gleichzeitig werden mit der zunehmenden Informatisierung unseres
Lebens die Möglichkeiten zur Darstellung von komplexen Ideen, Abläufen und Zusam-
menhängen immer wichtiger.
Diese Arbeit soll neben einer grundlegenden Auseinandersetzung mit Mind Maps als Visua-
lisierungstechnik Ideen für umfassende computergestützte Verwendungszwecke anbieten,
bei denen auch Aspekte von verteilten Umgebungen eine Rolle spielen.
Daneben wird die Eignung des Einsatzes von Mind und Concept Maps zur Planung und
Abwicklung von Projekten diskutiert.
Abschließend wird eine vom Autor durchgeführte Untersuchung über die Anwendbarkeit
von vorhandenen Tools für die erörterten Zwecke vorgestellt. Aus den Ergebnissen sind
Anforderungen an das User Inferface einer neu zu entwickelnden Software zur Erstellung
und Bearbeitung von Mind Maps abgeleitet worden.

Hinweis zu geschlechterspezifischen Formulierungen
Da geschlechterspezifischische Doppelformulierungen (wie Die Wissenschaftlerin oder der
                                                           ”
Wissenschaftler, die oder der ...“) bzw. die Integration der femininen Formen durch Bin-
nenmajuskeln ( WissenschaftlerInnen“) die Lesbarkeit nicht erhöhen und dazu beitragen,
               ”
vom eigentlichen Thema abzulenken, ist es üblich, mit der Verwendung der maskulinen
Formen beide Geschlechter zu adressieren.
Der Autor wählt in diesem Rahmen den - etwas unorthodoxen - umgekehrten Ansatz:
Sämtliche weibliche Formen sind als geschlechtsneutral zu verstehen, es sei denn der je-
weilige Kontext verweist auf das Gegenteil.

1.1    Einteilung der Arbeit
Die Entstehung dieser Arbeit ist wie bereits erläutert mit der Durchführung einer Studie
einhergegangen, die Teil der Planung eines Softwareprojektes war. Ziel des Projektes ist
die Entwicklung eines Programms, das die Anwendung von Mind Maps in fortschrittlicher
Weise ermöglichen soll.

                                            5
In dieser Arbeit werden dazu hauptsächlich die theoretischen Konzepte der angewandten
Methoden beschrieben. Dies soll nicht bedeuten, dass der dazugehörige praktische Teil
völlig außer Acht gelassen wird.
Denjenigen Leserinnen, die am gesamten Umfang dieses Bakkalaureatsprojektes interes-
siert sind, könnenzusätzlich die Dokumente des praktischen Teils zu studieren. Diese sind
im Anhang zu finden.

Die vorliegende Arbeit ist in folgende Kapitel gegliedert:

   • Mind Maps als Mittel zur Förderung kreativen Denkens
     Mindmapping wird als Werkzeug zur Gedankenaufzeichnung und Förderung krea-
     tiver Prozesse präsentiert. Neben den Vorteilen gegenüber traditionellen Aufzeich-
     nungsformen werden mögliche Einsatzgebiete erklärt. Auch der computerunterstütz-
     te Einsatz und die damit verbundenen Anforderungen an User Interfaces werden
     berücksichtigt.

   • Einsatz von Mind und Concept Maps zur Planung und Leitung von Pro-
     jekten
     Möglichkeiten des Einsatzes von Mind und Concept Maps bei der Planung und
     Abwicklung von Projekten werden aufgezeigt. Dabei wird auch auf verteilte Umge-
     bungen Bezug genommen.

   • Usability-Untersuchung verfügbarer Software
     Die Usability-Untersuchung von zum Zeitpunkt der Durchführung verfügbarer Mind-
     Mapping-Software wird vorgestellt. Speziell werden die dabei angewandten Metho-
     diken beleuchtet.

Im Anhang befinden sich diese Dokumente zum praktischen Teil des Projektes:

   • Anhang A: Anwenderszenarien zur Durchführung der usabiltiy inspections und tests

   • Anhang B: Berichte über Heuristische Evaluierungen

   • Anhang C: Berichte über Thinking-aloud tests

   • Anhang D: Empfehlungen zu einer Benutzerschnittstelle einer Software zum Erstel-
     len und Bearbeiten von Mind Maps

1.2     Begriffsabgrenzungen
1.2.1   Mind Map
Eine Mind Map ist laut [Anderson 1993] eine handfeste Repräsentation bewusstseins-
                                          ”
stromartigen Denkens, die fortwährend verzweigt, vereint und wiederverzweigt“. Greifba-
rer formuliert versteht man unter diesem Begriff eine beliebte Technik zum Festhalten
und Ordnen von Ideen und Gedanken, wobei einzelne Aspekte (konventionell auf Papier)
platziert und durch Verbindungen zueinander in Beziehung gesetzt werden.
Um ein Zentralbild oder ein Zentralwort werden in meist radialer Weise weitere Wörter

                                             6
und Bilder angeordnet, die dann mit dem Zentralelement verbunden werden. Durch re-
kursive Anwendung dieses Prinzips ergibt sich ein Graph mit einer Baumstruktur. Eine
Typisierung der Kanten des Graphs durch Beschriftung, Pfeile o.ä. findet üblicherweise
nicht statt, es gibt aber auch keine formalen Restriktionen bezüglich der Verbindungen
zwischen den einzelnen Elementen.
Diese Visualisierungstechnik hat wohl verschiedene Ursprünge, allerdings beansprucht der
Engländer Tony Buzan, der Urheber des Begriffs Mind Map“ zu sein [Buzan 1997].
                                                 ”

              Abbildung 1.1: Beispiel für eine handgezeichnete Mind Map

1.2.2   Concept Map
Eine Concept Map hat im Vergleich zur Mind Map nicht zwangsweise eine Baumstruktur.
Auch hier wird eine Anzahl von Schlüsselbegriffen festgehalten, wobei diese durch Verbin-
dungslinien in Beziehung gesetzt werden. Diese Relationen haben Richtungen, die durch
Pfeile gekennzeichnet werden. Zudem können Beziehungen verschiedenster Art verwendet
werden, ihre Typen werden durch prägnante Beschriftungen festgelegt.
Im Unterschied zu Mind Maps kann jedes Schlüsselelement, jeder Knoten eine Beziehung
zu jedem anderen Schlüsselelement in der Zeichnung haben. Daraus folgt, dass Concept
Maps in ihrer Struktur freier bzw. umfangreicher sein können. Eine hierarchische Gliede-
rung der Begriffe ergibt sich nicht von Natur aus - kann aber ebenso durch entsprechende
Anordnung oder Hervorhebungen herbeigeführt werden.

                                            7
Rein mathematisch kann von einem gerichteten Graphen mit beschrifteten Kanten gespro-
chen werden.

                     Abbildung 1.2: Beispiel einer Concept Map

                                         8
Kapitel 2

Mind Maps als Mittel zur
Förderung kreativen Denkens

2.1    Traditionelle Notier-/Aufzeichnungssysteme
Untersuchungen zu Folge [Buzan 1997] finden vor allem drei Stilarten des Notierens und
Aufzeichnens in allen Bildungsniveaus und innerhalb verschiedenster Berufsgruppen An-
wendung:

   • Das zu Vermittelnde wird in erzählender Form niedergeschrieben.

   • Ideen und Gedanken werden in Listenform niedergeschrieben, in der Reihenfolge, in
     der sie auftauchen.

   • Es wird hierarchisch in Haupt- und Unterpunkte gegliedert.

Zudem kommen vor allem meist liniertes Papier sowie nur eine Farbe zum Einsatz.
Diese linearen Aufzeichnungsstile sind in sämtlichen Kulturkreisen die stark überwiegend
angewandten. Sie machen Gebrauch von den Hilfsmitteln linearer Gestaltung, Symbolen
und Analyse, wobei letztere durch die Bevorzugung der linearen Gestaltung beeinträchtigt
wird.
Bei diesen üblichen Formen der Notierung werden folgende Gehirnfunktionen fast völlig
außer acht gelassen [Buzan 1997]:

   • visueller Rhythmus

   • visuelle Gestaltung und Gestaltung allgemein

   • Farben

   • Bilder

   • Visualisierung

   • Mehrdimensionalität

   • räumliches Bewusstsein

                                            9
• Assoziationen

[Buzan 1997] nennt drei gravierende Nachteile der besprochenen Aufzeichnungsstile:

   • Schlüsselwörter werden durch die Fülle des Textes verschleiert. Sie kommen oftmals
     auf mehreren Seiten des Textes vor und gehen in der Masse weniger wichtiger In-
     formationen unter. Wichtige Assoziationen zwischen wichtigen Begriffen kann das
     menschliche Gehirn kaum noch herstellen.

   • Die Darstellungen der Informationen ähneln einander und sehen wie endlose Listen
     aus, was visuell langweilig ist. Dadurch wird es schwieriger, sich daran zu erinnern.

   • Konventionelle Notationstechniken motivieren dazu, Unnötiges zu notieren. Unnöti-
     ges muss jedoch gelesen werden, Schlüsselbegriffe müssen gesucht werden. Dies ver-
     schwendet Zeit und Energie.

2.2    Mind Maps - Abbilder radialer Denkprozesse
Um diesen Nachteilen entgegenzuwirken wird empfohlen, sich Alternativen zu bedienen, in
denen sich Strukuren des menschlichen Gedächtnisses besser widerspiegeln. Nach [Buzan
1997] sind Mind Maps das Werkzeug dafür schlechthin. Es wird von einer Evolution in
der Funkion des menschlichen Denkens gesprochen, die durch Anwendung dieser Metho-
dik gefördert, beschleunigt oder gar erst ermöglicht wird. Als etwas pragmatischer ist der
Ansatz zu sehen, dass durch die hier besprochenen Mapping-Techniken unterschiedliche,
einander ergänzende Modi des menschlichen Denkens unterstützt werden [Nückles et al
2004].

Demnach liegen Mind Maps eine Auffassung des menschlichen Gedächtnisses als assoziati-
ves Netzwerk zu Grunde. Begriffe werden nach thematischer Nähe angeordnet. Ausgehend
von einem Schlüsselwort können schnell zahlreiche thematisch verwandte Begriffe gefun-
den werden. Mind Mapping soll genau diese Fähigkeit des Gedächtnisses durch spontane
Produktion und Verkettung von Ideen fördern. Das assoziative und kreative Potential wird
stimuliert [Nückles et al 2004].

Von einer anderen Auffassung wird bei der Verwendung von Concept Maps ausgegangen.
Hierbei wird das Gedächtnis als hierarchisch geordnetes Netzwerk von Begriffen gesehen.
Die Position eines Begriffs sowie der Aufbau und die Struktur des Netzwerks werden durch
inhaltliche und logische Beziehungen zwischen den Begriffen bestimmt. Nicht spontane
Assoziationen, sondern die Analyse der Beziehungen stehen im Vordergrund. Concept
Maps sollen dazu dienen, das analytische Potential des Denkens zu stimulieren - durch
Unterstützung der analysierenden und reflektierenden Auseinandersetzung mit einem Ge-
genstandsbereich [Nückles et al 2004].

Diese jeweiligen Annahmen über Funktionen des menschlichen Gedächtnisses sollen nun
wie einleitend erwähnt weniger als konkurrierende wissenschaftliche Auffassungen sondern

                                            10
vielmehr als zwei sich gegenseitig ergänzende Modi und Potentiale des menschlichen Den-
kens verstanden werden.

Sechs Argumente für den Einsatz der besprochenen Visualisierungstechniken werden an-
geführt [Nückles et al 2004]:

   • Reduktionsfunktion: Komplexe Inhalte und Sachverhalte werden bei Mind und
     Concept Maps auf das Wesentliche reduziert. Die Reduktion auf Schlüsselbegriffe
     und Hauptthesen einer Thematik hilft, Wesentliches von weniger Wesentlichem zu
     trennen. Die Komplexität wird reduziert und bildet die erste Basis, um sich mit
     einem Thema auseinanderzusetzen.

   • Strukturierungsfunktion: Durch die Herausarbeitung der inhaltlichen Zusam-
     menhänge wird es ermöglicht, die Komplexität eines Sachverhaltes zu durchschauen
     und als sinnhaft zu erleben. Die Klassifikation von Gegenständen und das Einordnen
     von Ereignissen ist ein wesentlicher Teil der Wissensorganisation. Je besser letztere
     gelingt, desto einfacher und dauerhafter wird das Wissen im Gedächtnis abgespei-
     chert.

   • Visualisierungsfunktion: Begriffe und Beziehungen werden durch die Zeichnungen
     visuell erfassbar gemacht; Verbindungen werden auf diese Weise erst wahrnehmbar,
     da nicht Sichtbares sichtbar gemacht wird.
     Das Vorstellungsvermögen - unser Arbeitsgedächtnis - wird durch die Visualisierung
     entlastet. Vorstellungen über inhaltliche Beziehungen von Begriffen zueinander wer-
     den auf Eigenschaften des Raumes projeziert - oben versus unten, links versus rechts,
     Nähe versus Distanz. Abstrakte Zusammenhänge werden sichtbar; es fällt daraufhin
     leichter, sich diese zu merken oder darüber zu reden.

   • Kommunikationsfunktion: Mapping-Techniken erleichtern die Herstellung eines
     gemeinsamen Verständnisses zu einem Sachverhalt. Dies macht sie zu mächtigen
     Werkzeugen, wenn es darum geht, Probleme und deren Lösungsmoeglichkeiten in-
     nerhalb einer Gruppe zu analysieren, der die Map als externer Fokus dient, auf den
     sie sich gemeinsam bezieht. Die Diskussion über den Aufbau einer gemeinsamen
     Mind oder Concept Map zwingt die einzelne, seine eigene Perspektive zu einer The-
     matik zu rechtfertigen, eventuell zu überdenken oder anzupassen. Missverständnisse
     und Verständnislücken können so leicht identifiziert und behoben werden.

   • Elaborationsfunktion: Durch die Erläuterung der Beziehung zwischen den einzel-
     nen Begriffen wird das Erarbeitete elaboriert. Die Begriffe und Beziehungen können
     auf verschiedenste Arten erklärt werden - dadurch werden Begriffe samt Zusammen-
     hang in das bereits vorhandene Wissen integriert (siehe auch [Murley 2007]). Durch
     Anschaulichkeit und räumliche Struktur werden Elaborationen besonders gefördert.

   • Anregungsfunktion: Beim gemeinsamen oder alleinigen Entwurf von Mind Maps
     entstehen neue Ideen, kreatives Denken wird angeregt. Die nichtlineare Darstellung
     fördert das Denken in verschiedene Richtungen - sogenanntes divergentes Denken.
     In Gruppen wird dieser Effekt verstärkt.

                                           11
Die meisten Menschen leben innerhalb einer Wand der Rationalität, die einerseits durch
Naturgesetze, andererseits durch gesellschaftliche Normen definiert wird. Diese Wand der
Rationalität stellt bei kreativen Denkprozessen eine Einschränkung dar, speziell bei der
Suche nach neuen Ideen. Mind Maps können helfen, diese Wand zu durchbrechen [Ander-
son 1993].

2.2.1   Hinweise zur Gestaltung von Mind Maps
Es sollen in aller Kürze die Empfehlungen zur Erstellung und Gestaltung von Mind Maps
aus [Buzan 1997], [Nückles et al 2004] und [Anderson 1993] zusammengefasst werden. Die
verschiedenen Möglichkeiten zur Gestaltung einer Mind Map spielen auch beim Einsatz
einer Computersoftware eine wesentliche Rolle.

   • Ein nicht zu kleines Blatt Papier soll verwendet werden, [Nückles et al 2004] spricht
     vom Format DIN A3. Es soll niemals passieren, dass das Papier zu klein wird - damit
     wird der Ideenfluss unterbrochen. [Anderson 1993] empfiehlt in diesem Zusammen-
     hang die Verwendung einer immensen Kreidetafel“.
                                 ”
   • Das Thema der Mind Map wird in die Mitte des Blattes geschrieben und eingekreist.

   • Drei bis vier wichtige Aspekte des Themas sollten in Form von Hauptästen angefügt
     werden. Nun kann den Ideen freier Lauf gelassen werden. Passt ein Aspekt zu einem
     Hauptast, wird ein neuer Teilast angefügt, wenn nicht, wird der Aspekt selbst zum
     Hauptast.
     Es soll kein Anspruch auf Vollständigkeit oder absolute Trennschärfe erhoben wer-
     den. Wichtig ist, dass alle Gedanken festgehalten werden.

   • Der Einsatz verschiedener Farben ist wichtig. Zusammengehörende Bereiche sollen
     durch gemeinsame Farben hervorgehoben werden.

   • Pro Ast sollte - wenn möglich - nur ein Stichwort verwendet werden. Diese sollten
     wiederum auf waagrechte Linien geschrieben werden, es soll kein Bedarf bestehen,
     das Blatt zu drehen.

   • Wo es möglich ist, sollen Bilder und Symbole eingefügt werden.

   • Nummerierungen können zur Bezeichnung von Reihenfolgen verwendet werden.

   • Wird eine Mind Map zu unübersichtlich, können zu den Unterpunkten einzelne Mind
     Maps erstellt werden.

Derartige Richtlinien sollen keinesfalls als strenge, unumstößliche Regeln aufgefasst wer-
den. Mind Mapping ist ein rein subjektives Werkzeug, das am Besten ist, wenn es zu
Persönlichkeit und Stil der Anwenderinnen passt [Anderson 1993].

2.3     Einsatzmöglichkeiten
Es liegt auf der Hand, dass es nahezu unzählige Einsatzgebiete für die thematisierten
Visualisierungsformen gibt. Diese werden wahrscheinlich nur durch die Kreativität der

                                            12
Anwenderinnen begrenzt. Hier sollen einige typische, in der Fachliteratur angeführte An-
wendungsgebiete erläutert werden.

2.3.1   Brainstorming
Mind Mapping ist eine gute Technik für Brainstorming, da Ideen festgehalten werden, wie
sie angeregt werden, ohne dass berücksichtigt wird, wo sie in eine Hierarchie passen. Wenn
alle Ideen gesammelt wurden, können sie gruppiert und priorisiert werden. Die Visualisie-
rung macht es einfach, die Verbindungen zwischen den Ideen zu sehen [Murley 2007].
Das Heranziehen eines Computerprogrammes zum Erstellen einer Mind Map beim Brain-
storming kann sehr hilfreich sein, da alle Einfälle festgehalten werden und danach leicht
umstrukturiert bzw. sortiert werden können [Nückles et al 2004].
Verschiedene Techniken des individuellen oder gemeinsamen Brainstormings werden wer-
den in diesem Rahmen nicht besprochen.

2.3.2   Wissenschaftliches Arbeiten und Schreiben
Mind Mapping wird als mächtiges Werkzeug zur Organisation von wissenschaftlicher For-
schung und der damit verbundenem Textproduktion beschrieben.
Der jeweilige Forschungs- und Publikationsprozess kann Monate dauern, in denen Auto-
rinnen oftmals abgelenkt werden. Mind Maps können ihnen helfen, den Fokus auf das
Gesamtbild zu behalten, während sehr viele Informationen in einem Dokument angesam-
melt werden. Notizzettel und linear strukturierte Aufzeichnungen können hilfreich sein, sie
können aber ab einem gewissen Umfang schnell dazu beitragen, den Überblick zu verlie-
ren. Speziell können Mind Maps bei drei Teilen des Verfassens wissenschaftlicher Arbeiten
helfen: Aufzeichnen und skizzieren, forschen und aufzeichnen, analyisieren und schreiben.
Mind Maps erlauben es vielen Forscherinnen, komplexe Informationen zu visualisieren und
zu verwalten, die Verbindungen zwischen den Quellen zu sehen, zwischen den Details in
einem großen Bild zu navigieren. Während des Schreibprozesses kann eine Mind Map be-
hilflich sein, schnell zu sehen, welche Reorganisationen in den Aufzeichnungen notwendig
sind. Ein Blick auf die Mind Map kann so auch helfen, Blockaden zu überwinden [Murley
2007].

2.3.3   Lehren und Lernen
Vortragende sind stets daran interessiert, dass das Publikum die präsentierte Information
versteht und diese behält. Dies kann durch Mind Maps als Ersatz oder Zusatz von gewohn-
ten Präsentationsfolien erreicht werden. Details können zu einem Gesamtbild zusammen-
gefügt werden, Beziehungen zwischen den Themen werden dargestellt, was es erleichtert,
die Präsentation zu verinnerlichen.
Mit computerunterstützten Mind Maps können durch eine Ein- und Ausblendefunktion
Schritt für Schritt relevante Informationen eingeblendet werden. Eine entsprechende Mind
Map kann mit verschiedensten Bildern und Dokumenten verknüpft sein, nach dem Vor-
trag kann sie den Lernenden zur Verfügung gestellt werden und als zentrale Basis für das
weitere Studium der Materie dienen.

                                            13
Visualisierungen können Lehrenden helfen, verschiedene Lerntypen anzusprechen. Sie un-
terstützen speziell stark visuelle Lerntypen, aber alle Typen profitieren von der Reduzie-
rung des Dargestellten auf das Wesentliche [Murley 2007]. Studierende, die von der rechten
Gehirnhälfte dominiert werden und sich deshalb leicht in Details verlieren oder nicht zwi-
schen Schlüsselideen und Nebeninformationen unterscheiden können, werden durch die
Anwendung von Mind Maps unterstützt [Murley 2007] [Brown et al 2002].

2.3.4   Kooperatives Lernen und Problemlösen
Oftmals sind im Rahmen von Seminaren Kleingruppen angehalten, innerhalb eines vorge-
gebenen Zeitrahmens gemeinsam eine Thematik auszuarbeiten. Mind und Concept Maps
eignen sich zur Visualisierung solcher Ausarbeitungen. Die Map bildet wieder den gemein-
samen Fokus und regt wie mehrmals angeführt den Prozess der Ideenfindung an. Das
Ergebnis wird in einer gut strukturierten Art und Weise festgehalten und kann danach zur
Präsentation des Erarbeiteten herangezogen werden [Nückles et al 2004].

2.3.5   Vorträge und Präsentationen
Mind und Concept Maps unterstützen nicht nur das Vortragen von Lehrinhalten, sondern
können vielmehr ein Mittel zum Vorbereiten und Abhalten von Präsentationen allgemein
sein.
Linearität liegt in der Natur eines Vortrages, so ja nicht zwei Dinge gleichzeitig gesagt
werden können. Dennoch entsteht durch Über- und Unterpunkte sowie existierende Quer-
verbindungen einer Thematik eine hierarchische, netzartige Struktur. Wird ein Thema mit
Hilfe einer Concept Map aufgearbeitet, können diese Beziehungen gefunden werden, das
Konzept eines Vortrages oder einer Präsentation kann daraus abgeleitet werden.
Diese Concept Map kann beim Vortrag selbst als eine Art Redemanuskript dienen. Da sie
nur Schlüsselbegriffe enthält, wird freies Sprechen angeregt [Nückles et al 2004].

2.3.6   Projektplanung und Management
Die Einsatzmöglichkeiten von Mind oder Concept Maps zur Planung und Leitung von
Projekten werden in Kapitel 3 gesondert behandelt.

2.4     Diskussion computerbasierter Mind oder Concept Maps
2.4.1   Vorteile und Potentiale, die sich durch digitale Maps ergeben
Der folgende Abschnitt soll die Ideen wiedergeben, die der Autor im Laufe des Projek-
tes im Zusammenhang mit computerunterstützten Mind Maps gesammelt hat. Sie haben
ihren Ursprung in gemeinsamen Brainstormings mit dem Betreuer, in bereits existieren-
den Softwarelösungen, in Unterhaltungen mit Testbenutzerinnen (siehe Kapitel 4) sowie
in angeführten Quellen. Einige Vorteile des Einsatzes von Mind Maps gegenüber anderen
Aufzeichnungsformen werden durch die Digitalisierung offensichtlich verstärkt - dies wurde
eingearbeitet.

                                            14
Flexibilität und Gestaltungsfreiheit
Eine Mind Map auf Papier hat sehr statischen Charakter. Wer nicht mit Bleistift arbei-
tet, hat kaum Chancen, verschiedene Äste umzustrukturieren, zu entfernen oder einfach
nur Schlüsselbegriffe umzubenennen. Die Erstellung und Bearbeitung einer Map am Bild-
schirm kann am ehesten mit einer Mind Map am Black- oder Whiteboard verglichen
werden. Die sich ergebene Dynamik kann durch ein Computerprogramm noch verstärkt
werden. So kann es die Anwenderin bei der graphischen Gestaltung unterstützen, die dann
weniger von den jeweiligen zeichnerischen Fähigkeiten als vom Vorstellungspotential der
einzelnen abhängt. Zudem kann eine Software auch grobe Umstrukturierungen erleichtern,
Verzweigungen können samt allen Unterknoten von einem Ast zum anderen verschoben
werden.
Zudem ist denkbar, ein und die selbe Map durch verschiedene Stile darstellen zu lassen.
Dieser kann je nach Anwenderin oder Verwendungszweck unterschiedlich sein.

Verteilung der Maps
Eine Mind Map auf Papier kann fotographiert oder kopiert und so unter verschiedene In-
teressierte verteilt werden. Die Verteilung einer digitalen Mind Map erfolgt einfach über
die Weitergabe einer entsprechenden Datei. Ohne sie neu zeichnen zu müssen kann, die
Mind Map bearbeitet, also erweitert, umgebaut oder aktualisiert werden. Hat die Mind
Map einen gewissen Umfang, können Teile davon als eigene Mind Map gespeichert wer-
den (siehe Gestaltungshinweise, Abschnitt 2.2.1). Weiters kann die gesamte Map oder ein
Teil davon effizient in ein anderes Format exportiert werden [Wilcox 2003], zum Beispiel
in eine Website, eine Graphik oder eine Bildschirmpräsentation. Wird eine Mind Map
zur Strukturierung / zur Gliederung eines Textes verwendet, ist es vorstellbar, gleich ein
entsprechendes Textdokument zu erzeugen (beispielsweise ein LATEX-Dokument).

Zeitliche Entwicklung
Eine Mind oder Concept Map im Verlauf ihrer zeitlichen Entstehung zu betrachten kann
bei Zeichnungen auf Papier oder auf Tafeln durch Abfotographieren der zwischenzeitlichen
Versionen realisiert werden.
Hier können Softwarelösungen erhebliches Potential erschöpfen. Die beschriebenen Foto-
graphien können recht einfach durch Zwischenspeichern in verschiedenen Dateien simuliert
werden. Weiters ist es denkbar, dass ein Dateiformat für Mind Maps Historien mitspei-
chert. So kann zum einen jeder beliebige Zeitpunkt der Lebenszeit einer Visualisierung
immer wiederhergestellt werden. Zum anderen kann - etwa für Präsentations- oder Ana-
lysezwecke - die Entwicklung der Map als Film betrachtet werden. Kombiniert mit den
Aspekten der Strukturierungsfreiheit digitaler Maps kann ein solches Feature ein mächtiges
Werkzeug darstellen.

Verschiedene Anichten
Eine schon häufig in heutiger Mind-Map-Software angebotene Funktion ist das Ein- und
Ausblenden von Zweigen. Dies kann helfen, bei großen Mind Maps die Übersicht zu be-
wahren. Es können immer die für den Augenblick relevanten Äste eingeblendet werden.

                                            15
Weitergedacht könnte man verschiedenen Anwenderinnen unterschiedliche Ansichten ei-
ner Visualisierung anbieten - die jeweils mit entsprechenden Rechten ausgestattet sind.
Bestimmte Bereiche könnten nur für jene Mitwirkende schreibbar sein, die sie bearbeiten
müssen. Enthalten Teile einer Map sensible Informationen, könnten diese nur für jene Per-
sonen lesbar sein (also angezeigt werden), die diese benötigen.
Ebenso kann für jene, die nur an einem Teil der Map interessiert sind, dieser Teil als
einzelne Mind Map dargestellt werden [Nückles et al 2004]. Hat beispielsweise die Mind
Map Projekt den Ast Personal, kann die Mitarbeiterinnenorganisation in einer eigenen,
möglicherweise auch detailierteren Map Personal dargestellt werden, die aber zugleich Teil
der Hauptzeichnung ist.
Die hier beschriebenen Mechanismen könnten beispielsweise durch eine Client-Server-
Architektur realisiert werden, die Datei-, Benutzerinnen- und Rechteverwaltung anbietet.

Verknüpfung mit Dokumenten
Nach [Buzan 1997] und [Nückles et al 2004] sollen die einzelnen Knoten der Maps immer
nur einzelne Wörter als Schlüsselbegriffe beinhalten. Dies hindert aber in der digitalen Welt
niemanden daran, die Knoten mit beliebiger Zusatzinformation auszustatten und diese mit
entsprechenden Dokumenten zu verknüpfen. So können zusätzliche Notizfenster angezeigt
werden, in denen Detailinformationen zu den Schlüsselbegriffen abgelegt werden. Zudem
können entsprechende Links zu Dokumenten, die für den Begriff relevant sind, eingefügt
werden [Wilcox 2003]. Denkbar ist auch, die Dokumente direkt anzuhängen (im Sinne
eines Attachments) und in der Datei der Mind Map mitzuspeichern.

Suchfunktionen
Diverse Suchfunktionen sind denkbar. Einerseits kann in der Mind Map und in den da-
mit verknüpften Dokumenten gesucht werden. Ist die Mind Map umfangreich, könnte eine
effektive Suchfunktion dabei helfen, einen Schlüsselbegriff schnell zu finden und anzuvisie-
ren. Wird vom Anhängen und Verlinken von Dokumenten viel Gebrauch gemacht, wird
auch eine Volltextsuche in diesen von Relevanz sein. Letztlich ist denkbar, Dateisysteme
oder Internetdienste nach Schlüsselbegriffen der Mind Map durchsuchen zu können.

Importieren von Zweigen / Zusammenführung mehrerer Maps
Schon angesprochen wurde, dass einzelne Äste von Mind Maps wieder als eigene Mind
Maps behandelt werden können. Dies ergibt sich aus der Baumstruktur. Werden nun
einzelne Teilbereiche getrennt bearbeitet, möchte man diese eventuell zu eine großen Mind
Map zusammenführen - eine Möglichkeit, die auch nur digitalen Maps offenbleibt.
Ein anderer Gesichtspunkt wäre, dass ein und dieselbe Mind Map von unterschiedlichen
Personen bearbeitet wird. Ein Mechanismus mit einer Art Versionskontrolle könnte es
ermöglichen, diese danach wieder zu einer Map zusammenzuführen. Dadurch können sich
natürlich Probleme ergeben, beispielsweise wenn eine Person Äste löscht oder zweimal der
gleiche Bereich bearbeitet wird, was ein entsprechendes Werkzeug berücksichtigen müsste.

                                              16
Ortsunabhängiges Arbeiten in Gruppen
Bei den Einsatzmöglichkeiten von Mind und Concept Maps wurden einige Aktivitäten
genannt, bei denen mehrere Personen beteiligt sind. Wenn mit Mind Maps an Computern
gearbeitet wird, können bestimmte dieser Aktivitäten auch stattfinden, wenn nicht alle
Personen am gleichen Ort sind. Weltweit vernetzte Rechner sind heute Gang und Gebe,
unterstützende Technologien wie etwa Voice-over-IP und Instant Messaging erleichtern die
direkte Kommunikation und ermöglichen die Arbeit an einer gemeinsamen Sache. Wenn
nun eine Mind Map einen gemeinsamen externen Fokus darstellen kann [Nückles et al
2004], kann sie dies auch beim verteilten Arbeiten tun - wo ein solcher vielleicht sogar
noch notwendiger ist als sonst.
Denkbar wäre dann, dass Änderungen oder Markierungen, die eine Teilnehmerin an der
gemeinsamen Mind Map vornimmt, in Echtzeit bei allen anderen Teilnehmerinnen darge-
stellt werden. Sämtliche Vorteile, die das gemeinsame Arbeiten mit dieser Visualisierungs-
technik bietet, würden auch in ortsungebundener Weise zum Tragen kommen. Software,
mit der dies möglich ist, existiert, wenn auch in einem sehr frühen Stadium (siehe Anhang
B).

2.4.2   Denkbare Nachteile digitaler Mind Maps
Neben vielen Vorteilen digitaler Mind Maps können sich aber auch Nachteile gegenüber
handgezeichneten Pendants ergeben:

   • Es wird behauptet, dass die Schreibbewegungen bei der Erstellung von Mind Maps
     das Erinnerungsvermögen und kreative Denkprozesse anregen [Buzan 1997].

   • Zudem wird oftmals mit sehr großen Papierbögen oder Wandtafeln gearbeitet, was
     neben den oben erörterten Platzgründen auch zum Zweck der guten Übersicht ge-
     schehen kann. Trotz steigender Monitorgrößen im Personalcomputerbereich sind die-
     se wohl noch lange nicht mit der Größe von Whiteboards vergleichbar. [Wilcox 2003]
     empfielt, diesem Umstand mit dem Einsatz von Projektoren entgegenzuwirken.

   • Es wird wie angesprochen empfohlen, statt diverser Schlüsselbegriffe möglichst vie-
     le Bilder und Zeichnungen zu benutzen. Auch wenn Computergraphiken in Hülle
     und Fülle verfügbar sind, wird durch die Beschränkung auf Vorhandene ein viel-
     leicht nicht zu vernachlässigender Teil von Individualität genommen [Nückles et al
     2004]. Das Heranziehen von externer Graphiksoftware während dem Erstellen einer
     Mind Map wird möglicherweise als unpassend oder störend wahrgenommen. Denkbar
     wäre die Integration entsprechender Eingabegeräte wie elektronischer Zeichenstifte.
     Damit würde man vermutlich auch dem Nachteil bezüglich der Schreibbewegungen
     entgegenwirken.

   • Als weiterer möglicher Nachteil digitaler Maps wird die Einschränkung der Un-
     abhängigkeit genannt, weil Stifte und Papier eher zur Verfügung stehen als Rechner
     mit entsprechender Ausstattung [Nückles et al 2004]. Dieser Einwand wird wohl mit
     fortschreitender Technisierung mehr und mehr an Bedeutung verlieren.

                                            17
2.4.3   Anforderungen an die Benutzerschnittstelle einer entsprechenden
        Softwarelösung
Kreativität kann nicht gezielt herbeigeführt, vielmehr kann sie nur zugelassen werden. Dies
mag für aggressive Manager recht frustrierend sein, geht aber konform mit einer Reihe von
Berichten von Kreativen, die bis nach Michaelangelo zurückgehen [Anderson 1993]. An-
dererseits soll nach [Shneiderman 2002] das Hauptziel einer kreativitätsunterstützenden
Anwendung sein, mehr Leute öfter kreativer zu machen“.
                   ”
Um Kreativität möglichst gut zu fördern, muss das Umfeld entsprechend gestaltet werden -
ein Aspekt, der auch im Anbetracht der Entwicklung einer Benutzerschnittstelle zu einem
Programm zur Erstellung und Bearbeitung von kognitiven Landkarten nicht vergessen
werden darf. So ist das Ziel der Anwendung, der Anwenderin bei der Visualisierung ihrer
Ideen und Denkprozesse zu helfen. Implizit ergibt sich die Anforderung an die Schnittstelle,
möglichst einfach zu bedienen zu sein. Es soll keine erhebliche Energie dafür aufgewendet
werden müssen - unnötig komplexe Interaktion mit einem Computerprogramm lässt die
Gedankenströme in ähnlicher Weise abreißen wie der angesprochene Platzmangel auf dem
Papier zur Ideenvisualisierung.

Das genex-Framework
Ben Shneiderman hat ein Vier-Phasen-Framework zur Erklärung kreativer Prozesse aus-
gearbeitet, das Framework for generating excellence, kurz genex [Shneiderman 2000]. Es
soll Interface Designerinnen ermöglichen, diese kreativen Prozesse besser zu verstehen und
effektive Werkzeuge dafür zur Verfügung zu stellen.
Demnach gliedert sich kreatives Arbeiten in vier Phasen:

   • Collect: Dem Lernen aus bestehenden Arbeiten, gespeichert in Bibliotheken, dem
     Web etc.

   • Relate: Dem Beratschlagen mit Gleichgesinnten und Mentorinnen

   • Create: Dem Erkunden, Entwerfen und Überprüfen von möglichen Lösungen

   • Donate: Dem Verbreiten der Ergebnisse

In diesen Phasen kommen wiederum acht Aktivitäten zum Einsatz, welche es bestmöglich
zu unterstützen gilt:

   • Durchsuchen von digitalen Bibliotheken

   • Beraten mit Gleichgesinnten und Mentorinnen

   • Visualisierung von Daten und Prozessen

   • Denken mit freien Assoziationen

   • Erkundung von Lösungen - what-if tools

   • Erzeugung von Artefakten und Ergebnissen

                                             18
• Überdenken und Wiederholen vergangener Sitzungen

   • Verbreiten von Ergebnissen

Im Zusammenhang mit Denken mit freien Assoziationen“ greift [Shneiderman 2000] Mind
                       ”
und Concept Maps als bewährtes Mittel heraus. Der Vorteil der Anwendung von Com-
puterprogrammen ist die Möglichkeit,diese Art von Diagrammen schnell erzeugen und
einfach manipulieren zu können.

Weiters weißt [Shneiderman 2000] im Zuge der Vorstellung des genex-Frameworks darauf
hin, dass diese Visualisierungen auf einfachem Wege mit anderen geteilt werden müssen,
verlinkbar, durchsuchbar und kommentierbar sein sollen.
Zudem sollen Import- und Exportfunktionen vorhanden sein, zum Beispiel um die Darstel-
lung in eine andere Sprache zu übersetzen oder von den Knoten zu Websites zu verlinken.

                                          19
Kapitel 3

Einsatz von Mind Maps zur
Planung und Leitung von
Projekten

Es gibt verschiedene Arten von Visualisierungen, mit verschiedensten Funktionen. Maps
können Aufmerksamkeit erregen oder Erinnerungen auslösen. Sie können Prioritäten si-
gnalisieren und fehlende Informationen anbieten. Diese Funktionen sind wichtig für die
Entscheidungsprozesse in Organisationen. Eine einzelne kognitive Landkarte kann Ma-
nagerinnen keine Antworten geben, nicht auf die heutigen Fragen mit steigender Kom-
plexität. Gutes Management wird sich eher dadurch auszeichnen, Inhalte verschiedenster
Visualisierungen samt auftretenden Widersprüchen erkennen und aufeinander abstimmen
zu können [Fiol et al 1992]. Daraus folgt, dass es keine einzelne Visualisierungsform geben
wird, die per se erfolgreiches Projektmanagement sichert. Trotzdem ergeben sich durch
die Anwendung von Mind und Concept Maps einige Möglichkeiten in diesem Bereich, die
nun erläutert werden sollen.

3.1     Whole-Brain Thinking“ im Projektmanagement
       ”
        Mind mapping is more useful to me as a project manager than the software
      ”
      package my company produces!“ - Ein Projektmanager, der die Entwicklung
      einer Projektmanagement-Software geleitet hat [Brown et al 2002]

Im Kontext der Projektplanung ist kreatives Führen nicht genug. Es muss das gesam-
te kreative Potential eines Teams angesprochen und ausgenutzt werden. Um eine ganze
Gruppe zum kreativen Denken zu motivieren, muss eine Führungskraft einen passenden
Kontext etablieren und Werkzeuge einführen, die Synergien hervorbringen, wenn Grup-
penmitglieder Ideen und Visionen austauschen. Mind Maps können ein solches Werkzeug
sein [Brown et al 2002].

[Buzan 1983] stützt sich auf ein Modell für verschiedene Formen menschlichen Denkens ein:
Dabei schreibt er Fähigkeiten zum Umgang mit Sprache, Logik, Zahlen, Linearität oder

                                            20
Analyse der linken Gehirnhälfte zu. Für Musik, Bilder, Vorstellung, Farben, Kreativität
und Dimensionen sei die rechte Gehirnhälfte zuständig. Weiters sei die Art des Denkens bei
verschiedenen Menschen jeweils eher von der linken oder der rechten Gehirnhälfte domi-
niert. Dieses Modell ist sehr mächtig, es sollte aber metaphorisch und nicht physiologisch
verstanden werden [Leonard et al 1997].

Bei der Definition und Planung von Projekten tendieren die Beteiligten oftmals dazu, die
analytischen, rationalen Eigenschaften des Denkens in den Vordergrund zu stellen. Er-
folgreiche Projektdefinition und Projektplanung benötigt allerdings ein gewisses Maß an
Kreativität - gute Resultate erfordern die Kombination analytischer und kreativer Fähig-
keiten. Dafür hat sich der Ausdruck whole-brain thinking“ etabliert. Mind Maps stellen
                                        ”
einen Mechanismus bereit, um die kreativen Potentiale einer Gruppe hervorzubringen und
stimuiert diese Art des whole-brain thinking“ [Brown et al 2002].
                          ”
Synergien, die sich durch den Einsatz von Mind Maps bei bestimmten Aktivitäten wie
Brainstorming und Arbeiten in Gruppen ergeben, wurden im vorherigen Kapitel analy-
siert. Diese treffen natürlich auch zu, wenn sie im Zuge eines Projektes stattfinden.

3.2     Praktischer Einsatz von Mind und Concept Maps bei
        der Durchführung von Projekten
3.2.1   Digitale Mind Maps zur zentralen Informationsverwaltung
Für die erfolgreiche Durchführung von Projekten ist Kontrolle weniger wichtig als schnel-
len Zugang zu korrekten und vollständigen Informationen zu haben - und die Fähigkeit,
diese Informationen schnell mit allen Beteiligten teilen zu können. Der Einsatz einer di-
gitalen Mind Map mit der Möglichkeit, verschiedenste Dokumente damit zu verknüpfen,
stellt ein effektives Werkzeug zur Erfüllung dieser Anforderungen dar [Wilcox 2003].

Aufgabenaufteilung
Eine gute Aufteilung der Aufgaben und die Analyse der zwischen ihnen vorhandenen Bezie-
hungen ist der Schlüssel zu einem guten Projektstart. Eine digitale Mind Map kann dabei
behilflich sein. Die einzelnen Aufgaben werden als Zweige eingefügt, Details können in
weiteren Unterzweigen festgelegt werden. Mitglieder des Projektteams können über Kon-
ferenzfunktionen von entfernten Orten weite Informationen hinzufügen. Die Mind Map
kann um bekannte Daten, geschätzte Zeitrahmen, Verantwortliche, Prioritäten und Kate-
gorien erweitert werden.
Wird die Mind Map zu umfangreich, können einzelne Mind Maps angelegt werden, die
mit der Hauptmap verknüpft werden sollen. Verantwortliche für einen Teilbereich können
mit der für den Bereich vorgesehenen Mind Map arbeiten.

Neben der Aufgabenaufteilung ergibt sich einen Menge an weiternen Anwendungsgebieten
von Mind Maps im Projektmanagement wie zum Beispiel Risikoanalysen, Problemlösun-
gen und Prozessdefinitionen [Wilcox 2003].

                                            21
Abbildung 3.1: Mind Map über Projektmanagement aus [Wilcox 2003]

Zeitpläne und Termine
Wird eine Mind Map mit zu erledigenden Aufgaben zusammen mit deren Dauer und
Terminen angelegt, kann eine entsprechende Software ermöglichen, daraus Dateien für
Projektmanagement-Tools zu generieren. Projektpläne können so automatisch erstellt wer-
den [Wilcox 2003]..
Eine geteilte Mind Map kann zur Vorbereitung eines Projekttermins dienen. Schlüssel-
punkte und Links zu relevanten Dokumenten werden von der Einladenden festgehalten
und können von den Beteiligten erweitert werden. Damit fungiert die Map gleichzeitig als
Basis zur Vorbereitung. Beim Treffen selbst stellt die Mind Map wieder den gemeinsamen
Fokus dar; die Schlüsselbegriffe bilden einen Leitfaden und können gemeinsam beliebig de-
tailiert werden. Benötigte Dokumente können durch entsprechende Verknüpfungen sofort
eingesehen werden. Abschließend bekommt die Map den Status read-only, kann exportiert
und als Ergebnis der Besprechung verteilt werden.
Beim nächsten Treffen können erledigte Aufgaben direkt in der Mind Map abgehakt wer-
den.
Treffen, die mit derartigen Behelfen unterstützt werden, tendieren dazu, schneller voran-
zugehen und Ergebnisse zu erziehlen [Wilcox 2003] (vergleiche auch Abschnitt 2.4).

3.2.2   Ressourcen- und Zeitmanagement mit Concept Maps
Einen etwas anderen Ansatz verfolgen [Nückles et al 2004], wo Zeit- und Ressourcenma-
nagement eines Projektes durch eine Concept Map als Projekt-Netzplan unterstützt bzw.

                                            22
dargestellt wird.

Die Entwicklung eines derartigen Netzplans kann wie ablaufen (vergleiche dazu Abbildung
3.2):

   • Definition der verschiedenen Aufgaben

   • Ordnen: Welche Aufgaben müssen anderen vorangehen? Welche können parallel
     durchgeführt werden?

   • Verbindungenslinien zeichnen: Eine Concept Map kann gezeichnet werden. Die
     Knoten stellen die einzelnen Aufgaben dar. Eine Pfeillinie bedeutet ist unmittelbar
                                                                        ”
     Voraussetzung für“.

   • Aufwand und Dauer einschätzen: Der Aufwand in Stunden oder Tagen für die
     einzelnen Aufgaben wird eruiert und bei den entsprechenden Schüsselwörtern notiert,
     ebenso wie die Anzahl der eingeplanten Mitarbeiterinnen. Letztendlich werden die
     Pfade mit der Zeitdauer der Aufgabe beschriftet, von der sie ausgehen.

   • Kritischer Pfad: Bei einigen Aufgaben gibt es einen zeitlichen Spielraum, andere
     bringen bei Verzug eine Verzögerung des gesamten Projektes mit sich. Diese Aufga-
     ben werden nun samt Pfaden speziell gekennzeichnet (zum Beispiel durch Fettdruck)
     und stellen den kritischen Pfad des Netzplans dar.

Ein derartiges Diagramm kann für Ressourcenplanung und Zeitmanagement sehr behilflich
sein [Nückles et al 2004].

                                           23
Abbildung 3.2: Eine Concept Map als Netzplan für ein Projekt aus [Nückles et al 2004]

In den Rechtecken sind die einzelnen Aufgaben notiert. Die arabische Zahl stellt den
geschätzten Stundenaufwand dar, die römische die eingeplanten Mitarbeiterinnen. Die
Pfeillinien zeigen Voraussetzungen an, ihre Beschriftung ist der geschätzte Aufwand in
Tagen. Der sogenannte kritische Pfad ist fettgedruckt.

                                          24
Kapitel 4

Usability-Untersuchung zu
verfügbarer Software

Um eine Softwarelösung zu finden, mit der Vorteile des computergestützten Arbeitens mit
Mind Maps möglichst effizient zu nutzen sind, sind im Rahmen dieses Bakkalaureatspro-
jektes der Reihe nach einige Untersuchungen durchgeführt worden.

Ziele waren im Speziellen

   • eine möglichst brauchbare Software zu finden, eventuell mit der Option, diese erwei-
     tern und den Bedürfnissen anzupassen zu können

   • sowie Erfahrungen bezüglich der Benutzerschnittstellen zu sammeln, die später im
     Zuge einer Erweiterung oder Neuentwicklung eingearbeitet werden können.

Nun sollen die Vorgehensweise geschildert und die verwendeten Methodiken beschrieben
und diskutiert werden.

Folgende Schritte wurden der Reihe nach durchgeführt:

   • Definition von Anforderungen in Form von anwendungsspezifischen Szenarien (use
     cases)

   • Verschaffung eines Marktüberblicks und Treffen einer engeren Auswahl von brauch-
     barer Software

   • Anwendung von heuristischen Evaluierungen an den ausgewählten Produkten

   • Durchführung von thinking-aloud tests mit jenen bei den heuristischen Evaluierun-
     gen am besten abschneidenden Produkten

   • Ausarbeitung von Empfehlungen für das user interface einer Neuentwicklung, un-
     terstützt durch stark vereinfachte Prototypen in Form von paper mock-ups

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4.1    Diskussion der Vorgehensweise
Ein Ziel des Projektes war, Erfahrung mit user interfaces zu Mind-Map-Software zu sam-
meln - d.h. neben der Überprüfung der Produkte auf Eignung für entsprechende Zwecke
sollten möglichst viele domänenspezifische Usability-Probleme entdeckt werden, die es bei
einer Neu- oder Weiterentwicklung zu bedenken gibt.

Verschiedene Methoden zur Evaluierung der usability ermöglichen üblicherweise das Auf-
finden verschiedener Probleme. Genauer können durch heuristische Evaluierungen oft Feh-
ler bzw. Probleme gefunden werden, die bei thinking-aloud tests untergehen und vice verca.
Es wird deshalb empfohlen, beide Methoden auf das selbe Produkt anzuwenden.
Werden diese unterschiedlichen Methoden im Laufe eines Softwareentwicklungsprozesses
verwendet, so wird man eine heuristische Evaluierung eher im Anfangsstadium durchführen.
Damit sollten grundlegende, schwerwiegende Probleme lokalisiert werden. Der Abhaltung
von zeit- und kostenintensiveren thinking-aloud tests (oder allgemein sogenannten user
testing methods) kann ein Redesign der Benutzerschnittstelle vorausgehen. Dies hat den
Vorteil, dass die thinking-aloud tests nicht durch Probleme dominiert werden, die ohne-
hin durch die (günstigere) heuristische Evaluierung identifiziert werden konnten [Nielsen
1994].
Ein derartiges Redesign war an dieser Stelle nicht notwendig oder möglich, allerdings konn-
te Erfahrung mit Anwenderinnen im Arbeitsbereich nur durch Tests mit Anwenderinnen
gewonnen werden.
Der Umstand, dass heuristische Evaluierungen schneller und einfacher durchzuführen sind
als thinking-aloud tests (siehe unten) wurde insofern ausgenutzt, dass mehrere Programme
einer Heuristischen Evaluierung unterzogen wurden. Die Ergebnisse bildeten die Entschei-
dungsbasis zur Auswahl jener Software, die einem thinking-aloud test unterzogen wurde.

Für den gesamten Prozess lässt sich eine Orientierung a dem in [Nielsen 1993] erörterten
Usability Engineering Lifecycle feststellen. Elemente wie Know the User, Goal Setting,
Interface Evaluation, Interface Design oder Prototyping finden sich an den verschiedenen
Stellen der angewandten Vorgangsweise wieder.

4.2    Definition der Anforderungen
Im Rahmen eines Brainstormings wurden Szenarien für den Einsatz von Mind Maps in
Computersoftware entwickelt. Augenmerk wurde dabei auf die Eignung von Mind Maps
zur Planung und Abwicklung von Projekten - vor allem mit mehreren Beteiligten - gelegt.
Folgende sich erst durch die EDV ergebenden Perspektiven wurden insbesondere berück-
sichtigt:

   • Anders als bei Visualisierungen auf Papier können durch verteilte Umgebungen, wie
     wir sie heute kennen, durchaus mehrere Personen an verschiedenen Orten oder Zeiten
     an einer Visualisierung mitarbeiten.

   • Eine in elektronischer Form abgebildete Mind Map kann beliebig verändert, also
     kopiert, umgebaut, gelöscht, erweitert oder aufgeteilt werden (siehe Kapitel 2).

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Ferner sind die unter diesen Aspekten abgeleiteten Szenarien (use cases) ausformuliert und
festgehalten worden.

Anschließend ist eine Marktanalyse durchgeführt worden, die einen Überblick über beste-
hende bzw. verfügbare Lösungen geben sollte. Hier ist zu bemerken, dass es nicht Ziel war,
Programme zu finden, mit denen gezeichnete Mind Maps oder Visualisierungen allgemein
digitalisiert werden können. Dafür gibt es mittlerweile wohl eine Vielzahl von mehr oder
weniger bekannten Werkzeugen. Vielmehr war man auf der Suche nach Software, die die
Entstehung der kreativen Prozesse unmittelbar am Rechner unterstützen, erleichtern oder
gar fördern soll.

Es wurde aus einer großen Anzahl an verfügbaren Produkten eine Auswahl getroffen, die
genauer untersucht werden sollte. Als Kriterium zogen die Teilnehmer die definierten Sze-
narien heran. Wenn die Umsetzbarkeit einiger Szenarien mit einer Software nach einer
kurzen Untersuchung wahrscheinlich schien, wurde das Produkt für eine heuristische Eva-
luierung vorgemerkt. Schon zu diesem Zeitpunkt hat sich abgezeichnet, dass wohl keine
Applikation eine größere Zahl der Anforderungen erfüllen konnte. Wohl aber hatten ver-
schiedene Programme passende Features, die eine genauere Betrachtung nahelegten.
Letztendlich haben sich die Durchführenden der Untersuchung bei vier Softwarepaketen
für eine heuristische Evaluierung entschieden. Drei davon waren für Mind Maps, eines für
Concept Maps konzipiert.

Nach den heuristischen Evaluierungen bot sich ein guter Überblick über Qualität und
Funktionsumfang der einzelnen Anwendungen. So konnten die zwei ausgereiftesten Tools
( Freemind“ sowie Mindjet MindManager Pro“) zur weiteren Untersuchung durch thinking-
 ”                ”
aloud tests ausgewählt werden.

4.3     Heuristische Evaluierungen
4.3.1   Hintergründe zur Methodik
Nielsen spricht im Bezug auf die heuristische Evaluierung von discount usabiltiy enginee-
                                                              ”
ring“ - von Usability-Untersuchungen, die schnell, billig und einfach“ zu verwenden sind.
                                           ”
Heuristische Evaluierung können daher in ständiger Wechselwirkung zum Designprozess
des Interfaces stehen und schon in einem frühen Stadium des letzteren zum Einsatz kom-
men.

Eine Heuristische Evaluierung bedeutet nach [Nielsen 1994], dass eine kleine Anzahl von
                                                                   ”
Evaluatorinnen eine Schnittstelle begutachten und deren Übereinstimmung mit anerkann-
ten Usability-Prinzipien (den Heuristiken) beurteilen“. Es wird also systematisch versucht,
Probleme der Benutzerschnittstelle zu identifizieren. Heuristische Evaluierungen werden
den Methoden der usability inspection zugeschrieben.

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Evaluierung
Für eine Einzelperson ist die Durchführung einer Heuristischen Evaluierung schwierig. Un-
tersuchungen belegen, dass verschiedene Leute verschiedene Probleme finden. Schwer zu
findende Probleme werden oftmals (ausschließlich) von Evaluatoren gefunden, die durch-
schnittlich weniger Probleme finden als andere. Wenn keine handfesten Gründe für eine
höhere Anzahl vorhanden sind, empfiehlt [Nielsen 1994] die Verwendung von drei bis fünf
Evaluatorinnen.

Ein wichtiger Aspekt ist, dass die Begutachtungen von den Evaluatorinnen einzeln durch-
geführt werden (man spricht von Evaluierungssitzungen). Eine solche Sitzung ist in der
Regel mit einem Zeitrahmen von ein bis zwei Stunden begrenzt. Bei sehr umfangreichen,
komplizierten Schnittstellen kann dieser Zeitrahmen ausgedehnt werden. [Nielsen 1994]
empfielt jedoch, dann mehrere Sitzungen pro Evaluatorin abzuhalten.

Während einer Sitzung begutachtet eine Evaluatorin verschiedenste Teile der Benutzer-
schnittstelle und vergleicht sie mit einer anerkannten Liste von Usability-Richtlinien.
Eine sogenannte Beobachterin oder Leiterin kann der Sitzung beiwohnen, um neben der
Dokumentation der Vorgänge domain-spezifische Fragen der Evaluatorin zu beantworten.
Eine solche Beobachterin ist nicht zwingend erforderlich.

Genannt seien an dieser Stelle die Usablity-Heuristiken von Jakob Nielson und Rolf Mo-
lich [Nielsen 1994]. Es wird dezidiert darauf hingewiesen, dass sich eine Untersuchung nicht
auf diese Heuristiken beschränken muss oder soll. Vielmehr kann jede Evaluatorin zusätz-
lich Kriterien zu Rate ziehen, die sie im jeweiligen Zusammenhang für sinnvoll erachtet.
Zudem können für die gesamte Evaluierung kategoriespezifische Heuristiken als Zusatz zu
den allgemeinen definiert werden.

Die jeweiligen Evaluatorinnen entscheiden selbst, wie und wie genau entsprechende Teile
des zur Untersuchung stehenden Interfaces untersucht werden. Generell wird empfohlen,
die Schnittstelle mindestens zwei mal durchzugehen.
Den Evaluatorinnen kann ein möglichst realistisches Anwendungsszenario vorgelegt wer-
den, an dem sie sich orientieren können, aber nicht müssen.

Nicht unwesentlich ist, dass eine derartige Vorgehensweise es möglich macht, auch Schnitt-
stellen zu bewerten, die erst in Form von Prototypen existieren. Die Evaluatorinnen können
in der Lage sein, ein Interface in rein fiktiver Art und Weise durchzugehen und zu bewerten.

Während der Evaluierungssitzungen sollten gefundene Probleme so gut wie möglich fest-
gehalten werden. Anschließend werden alle entdeckten Probleme von einer Koordinatorin
gesammelt, eine Liste dieser Probleme ist das vorläufige Ergebnis [Nielsen 1994].

Bewertung durch Severity Ratings
Die Gewichtung der einzelnen Fehler ergibt sic durch sogenannte severity ratings. Die
severity (Gewicht, Härte) eines Usability-Problems setzt sich nach [Nielsen 1994] aus drei

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Faktoren zusammen:

     • Der Häufigkeit, mit der das Problem auftritt.

     • Den Auswirkungen bei Auftreten des Problems: Wie leicht oder schwer werden die
       Anwenderinnen damit umgehen können.

     • Dem Fortdauern des Problems, d.h. kann nach erstem Auftreten damit umgegangen
       werden oder muss sich die Anwenderin ständig mit dem Problem auseinandersetzen.

Nicht zu vergessen ist zudem der Einfluss des Problems auf den Absatz am Markt, sollte
es sich beim untersuchten Produkt um ein kommerzielles handeln.

Es wird nun versucht, all diese Kriterien durch eine einzelne Zahl zusammenzufassen.
Üblicherweise wird eine fünfteilige Punkteskala verwendet. Jede Evaluatorin ist nach den
Evaluierungssitzungen angehalten, für jedes identifizierte Problem - also auch für jene,
die andere Evaluatorinnen gefunden haben - eine entsprechende ganzzahlige Bewertung
abzugeben. Ob sie dabei Zugang zum zu bewertenden System haben sollen oder nicht,
bleibt der Testleitung freigestellt.

 0    Ich finde, es handelt sich um kein Usability Problem.
 1    Kosmetisches Problem - es muss nicht korrigiert werden, wenn nicht zusätzliche Zeit
      für das Projekt anfällt.
 2    Kleines Usability Problem - der Behebung soll niedrige Priorität zugewiesen werden.
 3    Großes Usability Problem - Behebung wichtig, deshalb hohe Priorität
 4    Usability-Katastrophe - Behebung vor dem Release unbedingt erforderlich.

Tabelle 4.1: Fünfteilige Punkteskala für die Gewichtung gefundener Usability Probleme
bei Heuristischen Evaluierungen nach [Nielsen 1994].

Am Ende wird für jedes Problem der Durchschnitt sowie die Standardabweichung der
severity ratings gebildet. Dies hat den Hintergrund, dass Bewertungen dieser Form von
einzelnen Evaluatorinnen - verglichen mit anderen anerkannten Bewertungsverfahren -
recht unverlässlich sind. Diese Verlässlichkeit steigt allerdings mit der Zunahme der An-
zahl der Bewerterinnen stark an. Die Kombination von Durchschnitt und Standardabwei-
chung ermöglicht es in einigen Fällen, wichtige Designentscheidungen von severity ratings
abhängig zu machen. Eine detaillierte Auseinandersetzung mit der Thematik ist in [Nielsen
1994] zu finden.

Auswahl der Evaluatorinnen
Die Qualität der Ergebnisse von Heuristischen Evaluierungen hängt maßgeblich von der
Qualität der Evaluatorinnen ab. Untersuchungen haben ergeben, dass ein und die selbe
Evaluatorin beim Einsatz in verschiedenen Projekten jeweils eine ähnliche Rate beim Fin-
den von Usability-Problemen erreicht hat. Diese Rate unterscheidet sich von Evaluatorin
zu Evaluatorin, selbst wenn deren Hintergrundwissen vergleichbar ist. Es ist also mit einer

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