Der Schutz technischer Produktmerkmale im Design-, Marken- und Lauterkeitsrecht - GRUR Vortrag am 31.01.2019 in München Rechtsanwalt Prof ...
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Der Schutz technischer Produktmerkmale im Design-, Marken- und Lauterkeitsrecht GRUR Vortrag am 31.01.2019 in München Rechtsanwalt Prof. Christian Klawitter, Hamburg
2 Der Schutz technischer Lösungen bzw. Formgestaltungen ist bekanntlich den technischen Schutzrechten zugewiesen, insbesondere also dem Patentschutz. Im Designrecht ist dies in § 3 Abs. 1 Nr. 1 DesignG bzw. Art. 8 Abs. 1 GGV festgelegt: Für Erscheinungsmerkmale von Erzeugnissen, die ausschließlich durch deren technische Funktion bedingt sind, besteht kein Geschmacksmusterschutz.
3 Schutzausschluss im Designrecht Die Vorschriften enthalten nicht nur einen Schutzausschlussgrund, sondern auch einen Schutzerschwernisgrund in dem Sinn, dass einzelne Merkmale des Erzeugnisses, die funktional oder technisch bedingt sind, bei der Prüfung der Neuheit und Eigenart ausgeblendet werden müssen (OLG Frankfurt a.M., GRUR-RS 2016, 07605; s. dazu auch Klawitter, GRUR-Prax 2016, 221). Diese Schutz- erschwernis setzt sich fort bei der Prüfung des Schutzumfanges und damit der Verletzungshandlung: auch beim Vergleich zwischen dem geschützten und dem angegriffenen Muster bleiben nach § 3 ausschließlich technisch bedingte Erscheinungsmerkmale außer Betracht.
4 Schutzausschluss im Markenrecht Im Markenrecht ist dies in § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG bzw. Art. 7 Abs. 1 lit. e), Ziffer ii UMVO geregelt: Dem Schutz als Marke nicht zugänglich sind Zeichen, die ausschließlich aus einer Form [oder einem anderen charakteristischen Merkmal] bestehen, die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist.
5 Schutzausschluss im öffentlichen Interesse Übergreifend sowohl für das Designrecht als auch für das Markenrecht gilt, dass der Schutz technischer Lösungen allein den technischen Schutzrechten vorbehalten sein soll (BGH GRUR 2012, 58, 60, Rn. 21 – Seilzirkus): „Dem Inhaber eines Marken- oder Designschutzrechts ist es im öffentlichen Interesse verwehrt, technische Lösungen für sich zu monopolisieren.“
6 Schutzausschluss im Designrecht Wann ein Merkmal ausschließlich technisch bedingt ist bzw. war, ist umstritten. Die wohl überwiegende Meinung geht davon aus, dass ein Merkmal dann nicht ausschließlich durch eine technische Funktion bedingt ist, wenn eine gangbare Designalternative zu ihm besteht, mit der das Erzeugnis seine technische Funktion in gleicher Weise erfüllen kann. Nach anderer Auffassung soll es entscheidend darauf ankommen, ob allein funktionale, nicht aber ästhetische Erwägungen ausschlaggebend für die Designentscheidung waren, sog. „No-aesthetic-consideration-test“ (s. zum Meinungsstand das diesbezügliche Vorabentscheidungsersuchen des OLG Düsseldorf, GRUR Int. 2016, 1083 – Zentrierstifte). Der Generalanwalt spricht in seinen Schlussanträgen zur „Zentrierstifte“-Entscheidung vom 19.10.2017 von „Kausalitätstheorie“ im Gegensatz zur „Formenvielfaltslehre“, s. BeckRS 2017, 128452 = GRUR-Prax 2017,535 [Hackbarth].
7 EuGH GRUR 2018, 612 mit Anm. Hackbarth – DOCERAM/CeramTec (Zentrierstifte) = GRUR-Prax 2018, 174 [Klawitter] Mit der Vorschrift in Art. 8 I GGV soll verhindert werden, dass technologische Innovationen dadurch behindert werden, dass Erscheinungsmerkmale geschützt werden, die ausschließlich durch die technische Funktion des betreffenden Erzeugnisses bedingt sind. Genügte bereits die Existenz alternativer Muster, mit denen die Funktion des Erzeugnisses in gleicher Weise erfüllt würde, um die Anwendung von Art. 8 I GGV auszuschließen, würde dies die Monopolisierung technischer Lösungen begünstigen und der Vorschrift damit ihre praktische Wirksamkeit nehmen.
8 Schutzausschluss im Designrecht In der Tat: Wenn technisch oder funktional bedingte Lösungen vom Geschmacksmusterschutz ausgeschlossen sein sollen, muss dies für jede dieser Lösungen gelten, gleichgültig, ob es zu der gewählten technischen Lösung Designalternativen gibt oder nicht. Das Freihaltebedürfnis für technische Lösungen besteht unabhängig davon, ob dieselbe Wirkung auch durch andere Gestaltungsformen erzielt werden kann (Eichmann/von Falckenstein/Kühne § 3 Rn. 8; s. auch Generalanwalt in der Rs. C-395/16 – Zentrierstifte, BeckRS 2017, 128452, Tz. 37, 46 f.).
9 EuGH GRUR 2018, 612 mit Anm. Hackbarth – DOCERAM/CeramTec (Zentrierstifte) = GRUR-Prax 2018, 174 [Klawitter] Folglich ist der Geschmacksmusterschutz für Erscheiunungsmerkmale eines Erzeugnisses schon dann ausgeschlossen, wenn andere als technische Erwägungen bei der Entscheidung für diese Merkmale keine Rollen gespielt haben, und zwar auch dann, wenn es andere Muster gibt, mit denen diesselbe Funktion gewährleistet ist.
10 EuGH GRUR 2018, 612 mit Anm. Hackbarth – DOCERAM/CeramTec (Zentrierstifte) = GRUR-Prax 2018, 174 [Klawitter] Wann eine Gestaltungslösung ausschließlich technisch bedingt ist, richtet sich nach den objektiven Umständen, aus denen die Motive für die Wahl der Erscheinungsmerkmale des betreffenden Erzeugnisses deutlich werden, nach der Verwendung der Erzeugnisses oder auch nach dem Bestehen alternativer Geschmacksmuster, mit denen sich dieselbe technische Funktion erfüllen lässt, soweit für diese Umstände, Informationen oder Alternativen tragfähige Beweise vorliegen. Auf die (theoretische) Sicht eines objektiven Beobachters kommt es insoweit nicht an.
11 EuGH GRUR 2018, 612 mit Anm. Hackbarth – DOCERAM/CeramTec (Zentrierstifte) = GRUR-Prax 2018, 174 [Klawitter] Für die Beurteilung, ob Erscheinungsmerkmale eines Erzeugnisses iSd Art. 8 I GGV ausschließlich durch dessen technische Funktion bedingt sind, ist also nach Maßgabe aller Einzelfallumstände zu ermitteln, ob diese Funktion der einzige die Erscheinung der Merkmale bestimmende Faktor war und gestalterische Erwägungen dabei keine Rolle gespielt haben. Das Bestehen alternativer Gestaltungsmöglichkeiten ist nicht ausschlaggebend.
12 EuGH GRUR 2018, 612 mit Anm. Hackbarth – DOCERAM/CeramTec (Zentrierstifte) = GRUR-Prax 2018, 174 [Klawitter] Danach ist klar, dass ausschließlich technisch bedingte Merkmale künftig weder allein objektiv nach Maßgabe möglicher Gestaltungsalternativen noch subjektiv allein nach Maßgabe der Motive des Entwerfers für die Wahl der betreffenden Merkmale zu bestimmen sind, sondern im Wege einer Gesamtschau unter Würdigung aller konkreten Umstände des Einzelfalls. Die Bestimmungsfaktoren der Formenvielfaltslehre und des No-Aesthtic- Consideration-Tests werden so vereint, was indessen nicht ausschließt, ggf. vorhandene Gestaltungsalternativen in die Gesamtbetrachtung einzubeziehen.
13 Schutzausschluss im Designrecht [Allein] das Bestehen alternativer Gestaltungsmöglichkeiten ist also nicht entscheidend, ist aber nach Auffassung des EuGH offensichtlich auch nicht irrelevant, sondern bei der Gesamtbetrachtung aller Umstände zu berücksichtigen.
14 Szenenwechsel I:
15 Schutzausschluss im Markenrecht EuGH GRUR Int. 2017, 623 – Yoshido Metal Industry/EUIPO Nach der markenrechtlichen Rechtsprechung des EuGH greift das Schutzhindernis der technischen Bedingtheit (insbesondere von Formmarken) schon dann, wenn alle wesentlichen Merkmale des Zeichens technisch bedingt sind. Demgemäß kommt es nicht darauf an, ob es andere Formen gibt, mit denen die gleiche technische Wirkung erzielt werden kann oder ob das Zeichen über funktionelle Merkmale hinaus auch weitere, unwesentliche gestalterische Merkmale aufweist (EuGH, GRUR Int. 2017, 623, 625, Tz. 30 – Yoshido Metal Industry/EUIPO; so auch schon EuGH GRUR 2002, 804 – Philips/Remington sowie EuGH GRUR 2010, 1008 – Lego, s. auch EuGH GRUR Int. 2017, 140 – Rubik´s Cube).
16 Schutzausschluss im Markenrecht EuGH GRUR 2010, 1008 - Lego Art. 7 I lit. e ii der Verordnung (EG) Nr. 40/94 ist dahingehend auszulegen, dass diese Bestimmung einer Eintragung entgegensteht, die in ihren wesentlichen Merkmalen ausschließlich aus der Form der Ware besteht, die für das Erreichen der fraglichen technischen Wirkung technisch kausal und hinreichend ist, selbst wenn diese Wirkung auch durch andere Formen erreicht werden kann, die die gleiche oder eine andere technische Lösung nutzen.
17 Schutzausschluss im Markenrecht EuGH GRUR Int. 2017, 140 – Rubik´s Cube Worauf ist entscheidend abzustellen? Bei der Beurteilung der Funktionalität der wesentlichen Merkmale eines angemeldeten dreidimensionalen Zeichens, das aus der Form der konkreten Ware besteht (hier: dreidimensionale Marke in Form eines Würfels mit seitlicher Gitterstruktur), ist es nicht ausreichend, diese Prüfung ausschließlich anhand der grafischen Darstellung vorzunehmen. Vielmehr muss auf zusätzliche Informationen über die tatsächliche Ware zurückgegriffen und etwa die technische Funktion der betreffenden Ware (hier: Drehbarkeit von Einzelteilen des Würfels) berücksichtigt werden.
18 Schutzausschluss im Markenrecht EuGH GRUR Int. 2016, 1008 – Lego Auch im Markenrecht gilt: Das Eintragungshindernis des Art. 7 I lit. e ii der Verordnung (EG) Nr. 40/94 soll sicherstellen, dass Unternehmen nicht das Markenrecht in Anspruch nehmen können, um ausschließliche Rechte ohne zeitliche Begrenzung festzuschreiben, insbesondere über die Schutzgrenze technischer Schutzrechte hinaus.
19 Schutzausschluss im Markenrecht EuGH GRUR 2010, 1008, 110, dort Tz. 46 – Lego Besteht nämlich die Form einer Ware nur darin, dass sie die von deren Hersteller entwickelte und auf dessen Antrag patentierte technische Lösung verkörpert, würde ein Schutz dieser Form als Marke nach Ablauf des Patents die Möglichkeit der anderen Unternehmen, diese technische Lösung zu verwenden, auf Dauer erheblich beschränken. Im System der Rechte des geistigen Eigentums sind aber technische Lösungen nur für eine begrenzte Dauer schutzfähig, so dass sie danach von allen Wirtschaftsteilnehmern frei verwendet werden können. Diese Erwägung liegt nicht nur der Richtlinie 89/104 /EWG und der Verordnung (EG) Nr. 40794 zum Markenrecht, sondern auch der Verordnung Nr. 6/2002 über Geschmacksmuster zu Grunde. [Siehe dazu aber auch EuGH GRUR 2002, 804, 808, Tz. 65 – Philips/Remington (abweichend?) zu EuGH GRUR 2010, 1008, 1009, Tz. 47 – Lego].
20 Schutzausschluss im Markenrecht Zwischenruf: Gilt die Ratio der „Rubik‘s Cube“-Entscheidung auch im Designrecht? Dort gilt der Grundsatz: What you see is what you get. Dessen ungeachtet ist nach der Rechtsprechung bei der Bestimmung der Eigenart eines Musters bekanntlich auch auf die Benutzungssituation abzustellen, und daraus könnte durchaus der Schluss zulässig sein, dass dann also auch konkrete Erscheinungsmerkmale des nach dem Muster hergestellten Erzeugnis bei der Bestimmung der Eigenart relevant sein könnten. Andererseits widerspräche dies dem Grundsatz, dass bei der Bestimmung der Eigenart eines Musters ausschließlich auf die hinterlegten Abbildungen abzustellen ist (s. dazu Klawitter, in: Erdmann u.a. (Hrsg.) Handbuch des Fachanwalts Gewerblicher Rechtsschutz, 3. Auflage, 2018, Kapitel 8, Designrecht, Rn. 206 am Ende).
21 Szenenwechsel II:
22 Technische Produktmerkmale im Lauterkeitsrecht Rechte des geistigen Eigentums sind „Inseln im Meer der Nachahmungsfreiheit“ (Ohly, Anm. zu BGH GRUR 2017, 79 (91) – Segmentstruktur). Nach ständiger Rechtsprechung reicht die bloße Nachahmung fremder Leistungen für sich allein nicht aus, um diese als unlauter zu brandmarken. Voraussetzung dafür ist vielmehr, dass das fremde Leistungsergebnis wettbewerbliche Eigenart aufweist und besondere Umstände hinzukommen, die die Leistungsübernahme (erst) unlauter machen, z.B. die Herkunftstäuschung oder Rufausbeutung (BGH GRUR 2017, 79, 89, Tz. 94 – Segmentstruktur).
23 Technische Produktmerkmale im Lauterkeitsrecht Dies führt zu der Frage, ob technische Produktmerkmale die nach Maßgabe des Lauterkeitsrechts festzustellende wettbewerbliche Eigenart begründen können, ggf. also geeignet sind, eine Herkunftsvorstellung zu vermitteln? Die Frage stellt sich insbesondere in Bezug auf solche Produktmerkmale, die (zuvor) patentgeschützt waren. Der Bundesgerichtshof sagt ja:
24 Technische Produktmerkmale im Lauterkeitsrecht BGH GRUR 2017, 734 – Bodendübel Auch einem (zuvor) patentgeschützten Erzeugnis kann wettbewerbliche Eigenart zukommen. Dabei können nicht nur solche Merkmale eines derartigen Erzeugnisses wettbewerbliche Eigenart begründen, die von der patentierten technischen Lösung unabhängig sind. Einem Erzeugnis ist im Hinblick auf den (früheren) Patentschutz seiner Merkmale die wettbewerbliche Eigenart nicht von vornherein zu versagen und es dadurch schlechter zu stellen als andere technische Erzeugnisse, die nicht unter Patentschutz standen (Festhaltung BGH GRUR 2015, 909 – Exzenterzähne).
25 Technische Produktmerkmale im Lauterkeitsrecht BGH GRUR 2017, 734 - Bodendübel Zur Begründung führt der BGH aus: Der sog. ergänzende wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz sieht keinen allgemeinen Nachahmungsschutz einer technisch bedingten Produktgestaltung vor, sondern dient der Absicherung eines konkreten Leistungsergebnisses vor Nachahmungen, die im Einzelfall aufgrund eines unlauteren Verhaltens des Mitbewerbers zu missbilligen sind. Damit können die formgebenden technischen Merkmale eines Erzeugnisses als Herkunftshinweis dienen, auch wenn sie für den Schutz (in den Entscheidungsgründen heißt es wörtlich „…zur Monopolisierung“) der Warenform als dreidimensionale Marke [bzw. als Geschmacksmuster] ungeeignet sind.
26 Technische Produktmerkmale im Lauterkeitsrecht BGH GRUR 2017, 734 - Bodendübel Die fehlende Schutzfähigkeit technisch bedingter Gestaltungsmerkmale im Design- bzw. Markenrecht hindert nach Auffassung des BGH also nicht den ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz.
27 Technische Merkmale im Lauterkeitsrecht BGH GRUR 2017, 734, 739, Tz. 21 – Bodendübel Anders gewendet: Der Umstand, dass der nach Ablauf des Patentschutzes freie Stand der Technik für den Wettbewerb offenzuhalten ist, gebietet es nach Auffassung des Bundesgerichtshofs nicht, den vom abgelaufenen Patentschutz erfassten technischen Merkmalen eines Erzeugnisses aus Rechtsgründen von vornherein die Eignung abzusprechen, auf die betriebliche Herkunft oder die Besonderheit des Erzeugnisses hinzuweisen.
28 Technische Merkmale im Lauterkeitsrecht BGH GRUR 2015, 909 – Exzenterzähne Dabei unterscheidet der BGH zwischen technisch notwendigen Merkmalen und solchen Merkmalen, die zwar technisch bedingt sind, aber nicht zwingend verwendet werden müssen, sondern austauschbar sind, ohne dass damit Qualitätseinbußen einhergehen müssten.
29 Technische Merkmale im Lauterkeitsrecht BGH GRUR 2015, 909 – Exzenterzähne Wörtlich heißt es in der Entscheidung „Exzenterzähne“, dort Tz. 18: „Technisch notwendige Merkmale – also solche, die bei gleichartigen Erzeugnissen aus technischen Gründen zwingend verwendet werden müssen – können aus Rechtsgründen keine wettbewerbliche Eigenart begründen. Die Übernahme solcher – nicht oder nicht mehr unter Sonderrechtsschutz stehender – Gestaltungsmerkmale ist mit Rücksicht auf den Grundsatz des freien Stands der Technik wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden.“
30 Technische Merkmale im Lauterkeitsrecht BGH GRUR 2015, 909 – Exzenterzähne Und weiter (Tz. 19): „Handelt es sich dagegen nicht um technisch notwendige Merkmale, sondern nur um solche, die zwar technisch bedingt, aber frei austauschbar sind, ohne dass damit Qualitätseinbußen verbunden sind, können sie eine wettbewerbliche Eigenart (mit)begründen, sofern der Verkehr wegen dieser Merkmale auf die Herkunft der Erzeugnisse aus einem bestimmten Unternehmen Wert legt oder mit ihnen gewisse Qualitätserwartungen verbindet.“
31 Technische Merkmale im Lauterkeitsrecht Dies begründet der BGH mit der unterschiedlichen Zweckbestimmung des Patentschutzes im Vergleich zum ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz. Für den wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz reiche die Nachahmung als solche gerade nicht aus, hinzutreten müssten vielmehr besondere Umstände unter Abwägung aller betroffenen Interessen. Dazu gehöre auch das Interesse der Mitbewerber, sich einer zum freien Stand der Technik gehörigen technischen Lösung zu bedienen, weshalb kein sachlicher Grund bestehe, einem Erzeugnis im Hinblick auf den früheren Patentschutz der betreffenden Merkmale die wettbewerbliche Eigenart von vornherein abzusprechen und es dadurch schlechter zu stellen als andere technische Erzeugnisse, die nicht unter Patentschutz standen (BGH GRUR 2017 734, 739, Tz. 22 – Bodendübel).
32 Technische Merkmale im Lauterkeitsrecht (Kritik) Dies rechtfertigt indessen nicht, die wettbewerbliche Eigenart gerade an zuvor patentgeschützten technischen Merkmalen festzumachen, denn natürlich dürfen an ausschließlich technisch bedingte Merkmale auch dann keine lauterkeitsrechtlichen Ansprüche anknüpfen, wenn diese zuvor nicht dem Patentschutz unterlagen. Der Schutzausschluss beruht nicht auf dem vorangegangenen Patentschutz, sondern auf der technischen Bedingtheit der betreffenden Merkmale, die durch das Patentrecht ebenso wie nach Maßgabe des Lauterkeitsrechts nur so lange geschützt sein können, wie der Patentschutz fortbesteht (Klawitter, in: Erdmann u.a. (Hrsg.) Handbuch des Fachanwalts Gewerblicher Rechtsschutz, 3. Auflage. 2018, Kapitel 8, Designrecht, Rn. 38).
33 Technische Merkmale im Lauterkeitsrecht (Kritik) Mit anderen Worten: Wenn die betreffenden Merkmale patentbegründend waren (oder hätten sein können), sind diese Merkmale auch lauterkeitsrechtlich gleichsam „verbraucht“.
34 Technische Merkmale im Lauterkeitsrecht (Kritik) Das Argument der Schlechterstellung zuvor patentgeschützter Erzeugnisse im Vergleich zu nicht patentgeschützten Erzeugnissen ist ein Scheinargument: es geht nicht um die Schlechter- oder Besserstellung, sondern um die Gleichstellung technisch bedingter Produktmerkmale. Was im Markenrecht bzw. Designrecht aus übergeordneten systematisch-dogmatischen Gründen nicht schutzfähig ist, kann auch nicht lauterkeitsrechtlich geschützt sein.
35 Technische Merkmale im Lauterkeitsrecht (Kritik) In dem Fall, in dem die betreffenden Merkmale die patentgeschützte Lösung selbst verkörpern, kommt ein ergänzender wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz nach Ablauf des Patentschutzes folglich nur dann in Betracht, wenn die Herkunfts- oder Gütevorstellungen, die der Verkehr mit bestimmten Merkmalen ggf. weiterhin verbindet, an solche Merkmale anknüpfen, die sich von der zuvor patentierten technischen Lösung und deren Erscheinungsmerkmalen unterscheiden. Die betreffenden Merkmale dürfen also nicht identisch mit denjenigen Merkmalen sein, die zuvor patentbegründend waren (Klawitter, ebenda).
36 Technische Merkmale im Lauterkeitsrecht (Kritik) Zu Recht stellt der EuGH dazu fest: „Dass die angesprochenen Verkehrskreise die Ware als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennen [d.h. die betreffenden technischen Merkmale eine Herkunftsvorstellung hervorrufen, Anm. des Referenten], muss auf der Benutzung der Marke als Marke und somit auf ihrer Natur und Wirkung beruhen, die sie geeignet machen, die betroffene Ware von den Waren anderer Unternehmen zu unterscheiden.“ (EuGH GRUR 2002, 804, 808, Tz. 64 und 65 am Ende – Philips/Remington)
37 Technische Merkmale im Lauterkeitsrecht (Kritik) Und weiter (EuGH GRUR 2010, 1008, 1009, Tz. 46 – Lego): „Besteht nämlich die Form einer Ware nur darin, dass sie die von deren Hersteller entwickelte und auf dessen Antrag patentierte technische Lösung verkörpert, würde ein Schutz dieser Form als Marke nach Ablauf des Patents die Möglichkeit der anderen Unternehmen, diese technische Lösung zu verwenden, auf Dauer erheblich beschränken. Im System der Rechte des geistigen Eigentums, wie es in der Union entwickelt worden ist, sind aber technische Lösungen nur für eine begrenzte Dauer schutzfähig, so dass sie danach von allen Wirtschaftsteilnehmern frei verwendet werden können.“ D.h. begründen gerade die technischen Produktmerkmale die Herkunftsvorstellung des Verbrauchers, können diese nicht gleichermaßen die wettbewerbliche Eigenart begründen, an die wettbewerbsrechtliche Ansprüche zu knüpfen wären.
38 Technische Merkmale im Lauterkeitsrecht (Kritik) Zwar kann ein über viele Jahre mit Erfolg vertriebenes patentgeschütztes Erzeugnis naturgemäß beim angesprochenen Verkehr Herkunftsvorstellungen hervorrufen, die auch nach Ablauf des Patentschutzes fortbestehen. Das darf aber nicht dazu führen, dass nunmehr ein ergänzender wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz allein deswegen eingreift, weil der Verkehr das Erzeugnis bzw. die betreffenden technischen Merkmale wegen der über Jahre patentgeschützten technischen Lösung einem bestimmten Hersteller zuordnet (so schon BGH GRUR 1968, 425 – feuerfest II). Ansonsten würde dies eine Verlängerung des Patentschutzes über das Wettbewerbsrecht bedeuten, die auch nicht aufgrund der vorangegangenen Vertriebsaktivitäten des Patentinhabers gerechtfertigt sein kann (Klawitter, ebenda; a.A. Nemeczek, GRUR 2015, 909, 915 Anm. zur Entscheidung „Exzenterzähne“).
39 Technische Merkmale im Lauterkeitsrecht (Kritik) Dazu jüngst Josepha Koch, in: GRUR Newsletter 2/2018, S. 11, 13: „Anders als nach der Schutzrichtung des § 4 Nr. 3 UWG gefordert, ist die so entstandene Bekanntheit (auch) gerade kein Ausdruck einer wettbewerblich herausragenden Leistung des Originalherstellers. Vielmehr wurde sie dadurch begründet, dass kein Mitbewerber diese Lehre und somit dieses Merkmal nutzen konnte um zu verhindern, dass das Merkmal als Herkunftshinweis gesehen werden kann.“
40 Technische Merkmale im Lauterkeitsrecht (Kritik) Dem steht auch nicht entgegen, dass der EuGH in dem Zusammenhang festgestellt hat, dass dieser Befund ggf. im Licht der Regeln des lauteren Wettbewerbs überprüft werden könne, worauf der BGH zur Begründung seiner Auffassung hinweist. Dies rechtfertigt allein, die vermeidbare Herkunftstäuschung oder die unangemessene Rufausbeutung am Lauterkeitsrecht zu messen, nicht aber ausschließlich technisch bedingte Merkmale zum Anknüpfungspunkt und damit de facto (Zur Kritik siehe schon Sambuc, Der UWG-Nachahmungsschutz, 1996) zum Schutzgegenstand lauterkeitsrechtlicher Ansprüche zu machen, die außerhalb des Patentrechts nicht geschützt sind oder waren und schon gar nicht nach Ablauf des betreffenden Patents geschützt bleiben dürfen (EuGH GRUR 2017, 66, 68, Tz. 39 – Rubik´s Cube). Dies hindert nicht, lauterkeitsrechtliche Ansprüche an nicht technische Gestaltungsmerkmale anzuknüpfen (s. z.B. BGH GRUR 2008, 793 – Rillenkoffer), worauf der EuGH GRUR 2010, 1008, 1010, Tz. 61 – Lego zutreffend hingewiesen hat. Der Schutz technischer Gestaltungsmerkmale sollte, soweit ersichtlich, von diesem Vorbehalt aber gerade nicht erfasst werden.
41 Technische Produktmerkmale im Lauterkeitsrecht OLG Frankfurt a. M. GRUR-RR 2013, 394 – Steckdübel Richtig ist deshalb die Wertung des OLG Frankfurt a.M.: Ein ergänzender wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz für ein technisches Erzeugnis (hier: Befestigungselemente mit Steckdübel), das hinsichtlich eines bestimmten Teils (hier: Ausführung des Steckdübels als geteilter Schaft mit als Exzenterzähnen ausgestalteten Spreizkörpern) patentgeschützt war, kommt nach Ablauf des Patentschutzes also nur dann in Betracht, wenn die Herkunfts- oder Gütevorstellungen, die der angesprochene Verkehr mit dem Erzeugnis – weiterhin – verbindet, an solchen Merkmalen anknüpfen, die von der früher patentierten technischen Lösung unabhängig sind.
42 Prof. Christian Klawitter KNPZ Rechtsanwälte Kaiser-Wilhelm-Straße 9 20355 Hamburg T +49 40 636 07 59 -0 F +49 40 636 07 59 -59 E klawitter@knpz.de www.knpz.de
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