Von Nürnberg nach Den Haag

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Von Nürnberg nach Den Haag
Von Nürnberg nach Den Haag

Der Weg zum
Internationalen
Strafgerichtshof
         Foto: picture alliance/dpa

                                      Eine Ausstellung des
                                      Nürnberger Menschenrechtszentrums
                                      im Auftrag des Auswärtigen Amts der
                                      Bundesrepublik Deutschland
                                      und in Kooperation mit dem Goethe-Institut, 2006

                                      Mit freundlicher Unterstützung von
                                      „The Planet Foundation“

                                      © Nürnberger Menschenrechtszentrum, Auswärtiges Amt, Goethe-Institut

                                                                                     Nuremberg was little more than a beginning. Its
                                                                                     progress was paralyzed by cold-war antagonisms.
                                                                                     Clear laws, courts and a system of effective enforce-
  www.menschenrechte.org                                                             ment are vital prerequisites for every orderly society.
                                                                                     The matrix for a rational world system has countless
                                                                                     parts that are gradually and painfully being pressed
                                                                                     into place. The ICC is part of this evolutionary
                                                                                     process. It is a new institution created to bring a
                                                                                     greater sense of justice to innocent victims of massive
                                                                                     crimes who seek to live in peace and human dignity.
                                                                                     That’s what the ICC is all about.

  www.auswaertiges-amt.de                                                            Benjamin B. Ferencz, a former Nuremberg Prosecutor as
                                                                                     delivered at the swearing-in ceremony in the Hague of
                                                                                     Luis Moreno Ocampo as Chief Prosecutor of the new
                                                                                     International Criminal Court, June 16, 2003.

  www.goethe.de
Von Nürnberg nach Den Haag
„Von Nürnberg nach Den Haag“:

               Internationale und
               gemischte Strafgerichtshöfe

                                                               Kambodscha
                                                                (seit 2003)
  Bosnien-
Herzegowina
 (seit 2005)
                        Internationaler                         Sierra Leone
                       Strafgerichtshof                          (seit 2002)
                   (ständig, seit 1998/2002)
   Kosovo
 (seit 2000)

                                                                 Ost-Timor
                                                                (1999–2005)
               Ad-hoc-Gerichtshof
                                    Ad-hoc-Gerichtshof
               für das ehemalige
                                        für Ruanda
                  Jugoslawien
                                        (seit 1995)
                   (seit 1993)

                   Nürnberger
                                      Tokio-Tribunal
                     Tribunal
                                        (1946–48)
                    (1945–46)

                                                         ständiger internationaler
                                                         Gerichtshof

                                                         internationale
                                                         Ad-hoc-Gerichthöfe

                                                         internationalisierte
                                                         Ad-hoc-Gerichtshöfe
Von Nürnberg nach Den Haag
Die Bedeutung des Nürnberger Prozesses
                                             für das Völkerrecht

                                             Die Nürnberger Prinzipien

                                                                                                                                                             Foto: Stadtarchiv Nürnberg

Warnte vor zweierlei                         1945                                                    1950
Maß: Robert Jackson, der                     Nach dem Ende des 2. Weltkrieges:                       Die Nürnberger Prinzipien
amerikanische Ankläger,                      „Nicht Rache, sondern Gerechtigkeit“                    Die Völkerrechtskommission formuliert auf der Grund-
bei seiner Eröffnungsrede                    Das internationale Gerichtsverfahren gegen die          lage des Nürnberger Statuts die „Nürnberger Prinzi-
am 21.November 1945 in                       Verantwortlichen für Krieg und Kriegsverbrechen in      pien“. Sie haben für die weitere Entwicklung des
Nürnberg.                                    Deutschland, das die alliierten Siegermächte nach       Völkerrechts eine entscheidende Rolle gespielt:
                                             dem Ende des 2. Weltkriegs durchführten, sollte so
                                             weit als möglich den damals bekannten rechtlichen       1. Jede Person, welche ein völkerrechtliches
                                             Normen entsprechen. Die Grundsätze dieses Interna-         Verbrechen begeht, ist hierfür strafrechtlich
                                             tionalen Nürnberger Militärtribunals wurden dann           verantwortlich.
                                             selbst zu einer wichtigen Quelle des Völkerrechts.
                                             Dazu mussten die in Nürnberg angewandten Prinzi-        2. Auch wenn das nationale Recht für ein völker-
                                             pien für künftige Verfahren auf eine allgemein aner-       rechtliches Verbrechen keine Strafe androht, ist
                                             kannte völkerrechtliche Grundlage gestellt werden.         der Täter nach dem Völkerrecht strafbar.
                                                                                                     3. Auch Staatsoberhäupter und Regierungs-
                                             1946                                                       mitglieder sind für von ihnen begangene völker-
                                             Die Generalversammlung der VN bestätigt                    rechtliche Verbrechen nach dem Völkerrecht
                                             auf ihrer ersten Sitzung die Grundsätze des                verantwortlich.
                                             Nürnberger Prozesses
                                             Damit war wenige Wochen nach dem Ende des               4. Handeln auf höheren Befehl befreit nicht von
                                             Prozesses der erste Schritt zu allgemeinen Prinzipien      völkerrechtlicher Verantwortlichkeit, sofern der
                                             eines Völkerstrafrechts getan.                             Täter auch anders hätte handeln können.
                                                                                                     5. Jeder, der wegen eines völkerrechtlichen Ver-
                                             1947                                                       brechens angeklagt ist, hat Anspruch auf ein
                                             Die VN-Generalversammlung                                  ordnungsgemäßes Verfahren.
                                             setzt die Völkerrechtskommission ein
                                             Die Kommission aus unabhängigen Völkerrechtsex-         6. Folgende Verbrechen sind als völkerrechtliche
                                             perten erhielt den Auftrag, die fortschreitende            Verbrechen strafbar:
                                             Entwicklung des Völkerrechts und dessen Kodifizie-      a) Verbrechen gegen den Frieden,
                                             rung zu fördern.                                        b) Kriegsverbrechen,
                                                                                                     c) Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
                                                                                                     7. Die Mittäterschaft zur Begehung der genannten
                                                                                                        Verbrechen stellt ebenfalls ein völkerrechtliches
                                                                                                        Verbrechen dar.
„…Wir dürfen nicht vergessen, dass nach dem
                                                                                                     Die Nürnberger Prinzipien setzten somit neue
gleichen Maß, mit dem wir die Angeklagten heute                                                      Maßstäbe für das Völkerrecht:
messen, auch wir morgen von der Geschichte                                                           • Politiker haben eine völkerrechtliche Verantwortung
                                                                                                       und können auch persönlich zur Verantwortung
gemessen werden. Diesen Angeklagten einen                                                              gezogen werden.
vergifteten Becher reichen, bedeutet, ihn an                                                         • Die Sicherung des Weltfriedens und die Einhaltung
                                                                                                       der Menschenrechte hat Vorrang vor der nationalen
unsere eigenen Lippen zu bringen…“                                                                     Souveränität eines Staates.
                          Robert Jackson, amerikanischer Ankläger,

        in seiner Eröffnungsrede am 21. November 1945 in Nürnberg
Von Nürnberg nach Den Haag
Ein historischer Meilenstein:

                                            Das Internationale Nürnberger
                                            Militärtribunal 1945/1946

                                                                                                                                                                 Foto: Archiv George Sakheim

Die politische Grundlage                                            Die Anklagepunkte                                       Die Hauptangeklagten:
Die Bestrafung der NS-Hauptkriegsverbrecher hatten                  – Verbrechen gegen die Menschlichkeit                   in der ersten Reihe von links
die Staatschefs von Großbritannien, den USA und der                 – Verbrechen gegen den Frieden                          Hermann Göring, Rudolf Hess,
UdSSR bereits während des Zweiten Weltkrieges zu                    – Kriegsverbrechen                                      Joachim von Ribbentrop und
einem ihrer obersten Kriegsziele erklärt. Im August                                                                         Wilhelm Keitel.
1945 unterzeichneten Großbritannien, die USA, die                   Der Anklagepunkt „Kriegsverbrechen“ hatte seine
UdSSR und die provisorische Regierung Frankreichs                   Grundlage in der Haager Landkriegsordnung. Für den
das Londoner Viermächte-Abkommen über die "Verfol-                  Anklagepunkt „Angriffskrieg“ berief sich das Gericht
gung und Bestrafung der Hauptkriegsverbrecher der                   auf den Kellog-Briand-Pakt von 1927. Bei „Verbrechen
Mächte der Europäischen Achse" sowie das Statut des                 gegen die Menschlichkeit“ (crimes against humanity)
Internationalen Militär-Tribunals (IMT).                            stützte sich die Anklage auf allgemein anerkannte
                                                                    Rechtsgrundsätze und zivilisatorische Normen, die
                                                                    Bestandteil des Strafrechts aller Nationen, auch
                                                                    Deutschlands waren.
                                                                                                                            Das Tribunal in Tokio
                                                                                                                            1946 – 1948
                                                                    Die Angeklagten
                                                                                                                            (International Military Tribunal
                                                                    Die Alliierten erhoben gegen 24 „hauptverantwort-
                                                                                                                            for the Far East, IMTFE)
                                                                    liche“ Nazis aus allen gesellschaftlichen Bereichen
                                                                                                                            1946 wurden in Tokio 28 Haupt-
                                                                    Anklage: Die überlebenden Spitzen der Regierung, des
                                                                                                                            kriegsverbrecher aus der militäri-
                                                                    Heeres, des Unterdrückungsapparates, der Wirtschaft
                                                                                                                            schen und politischen Führung
                                                                    und der Verwaltung auch der besetzten Gebiete. Die
                                                                                                                            Japans nach den gleichen
                                                                    Angeklagten wurden von Rechtsanwälten aus
                                                                                                                            Punkten wie im IMT angeklagt,
                                                                    Deutschland verteidigt.
                                                                                                                            gegen sieben wurde die Todes-
                                                                                                                            strafe verhängt. Das Gericht
                                                                    Die Urteile
                                                                                                                            wurde von den USA unter Beteili-
                                                                    22 Urteile wurden gesprochen:
                                                                                                                            gung der Kriegsgegner Japans
                                                                    12 Todesurteile, 7 Freiheitsstrafen, drei Freisprüche
                                                                                                                            organisiert.
                                                                    Zudem wurden die wichtigsten Terror-Organisationen
                                                                    des Nationalsozialismus zu verbrecherischen Organi-
                                                                    sationen erklärt.

„Vier große Nationen, ihres Sieges und ihrer Macht                  Die Nachfolgeprozesse
                                                                    NS-Kriegsverbrecher und Verantwortliche in
bewusst, wollen nicht Vergeltung üben. Freiwillig                   Konzentrationslagern wurden auch von anderen
liefern sie ihre gefangenen Feinde dem richtenden                   Staaten anklagt und verurteilt. In Nürnberg fanden in
                                                                    alleiniger Verantwortung der USA von 1946 bis 1949
Gesetz. Dies ist die höchste Achtung, die jemals                    12 weitere Prozesse mit 177 Angeklagten statt.
Macht der Vernunft gezeigt hat.“
          Der amerikanische Chefankläger Robert Jackson in seiner

               Eröffnungsrede in Nürnberg am 21. November 1945
Von Nürnberg nach Den Haag
Der wichtige Beitrag der Zivilgesellschaft
                                       zur Herausbildung der internationalen Strafgerichtsbarkeit

                                       Der Ruf nach Gerechtigkeit

                                       Ob in Chile oder Argentinien, in Ost-Timor oder Ruanda, in London oder
                                       Moskau, auf der ganzen Welt haben Familienangehörige von Opfern und
                                       Menschenrechtsaktivisten über Jahrzehnte den Ruf nach Gerechtigkeit
                                       nicht verstummen lassen. Unzählige Petitionen und Denkschriften,
                                       Demonstrationen und Gedenkveranstaltungen, und nicht zuletzt die
                                       eindrucksvollen „Wahrheitskommissionen“ in vielen Ländern haben einen
                                       wesentlichen Beitrag geleistet, dass sich die Justiz zahlreicher Länder
                                       und viele Regierungen schließlich entschlossen haben, die Prinzipien von
                                       Nürnberg in die Tat umzusetzen.

Argentinien, Chile, Peru, Kolumbien,
Südafrika … Ein weltweiter Ruf nach
Wahrheit und Gerechtigkeit.

                                                                                                                  Fotos: Comisión de la Verdad y Reconciliación, Peru;
                                                                                                                  Truth and Reconciliation Commission, South Africa;
                                                                                                                  Rainer Huhle, Ernesto Jiménez, Vera Lentz
Von Nürnberg nach Den Haag
Erstmals setzt die UNO einen Ad-hoc-Gerichtshof ein

Der Internationale Gerichtshof
für das ehemalige Jugoslawien

Rechtliche und politische
Grundlagen
Mit dem Zerfall Jugoslawiens
begann ein Bürgerkrieg, der
mehrere Hunderttausend Opfer
forderte. Zum ersten Mal in seiner
Geschichte richtete im Mai 1993
der Sicherheitsrat der Vereinten          Juni 2004:
Nationen einen „Ad-hoc-Strafge-           Uno-Anklägerin Carla Del Ponte betet
richtshof “ als friedenserhaltende        mit bosnischen Frauen beim Besuch
Maßnahme nach Kapitel VII der             des Gedenkfriedhofs für die Opfer des
VN-Charta ein. Die Zuständigkeit          Massakers von Srebrenica.
des „International Criminal
Tribunal for the Former Yugos-
lavia“ (ICTY) ist zeitlich und
geografisch beschränkt auf die
Kriegs- und Menschenrechtsverbre-
chen in allen Teilen des ehemaligen
Jugoslawien seit dem 1.1.1991.

Anklagepunkte
– Verbrechen gegen die
  Menschlichkeit
– Verbrechen gegen den Frieden
– Kriegsverbrechen

Vorläufige Bilanz (Stand 7/2006)
Gegen 161 Personen aus allen
betroffenen Konfliktparteien
wurden Verfahren eröffnet. Es gab
                                                                                  Fotos: Picture Alliance/epa Demir

47 rechtskräftige Verurteilungen
und acht Freisprüche. Sechs
Beschuldigte sind noch flüchtig.
Der bisher spektakulärste Prozess
gegen den ehemaligen Staatschef
Milosevic endete im März 2006
wegen dessen Tod ohne Urteil.

Berücksichtigung des
Gender-Aspekts
Als Verbrechen gegen die Mensch-
lichkeit und Kriegsverbrechen wird
auch die systematische Vergewalti-
gung von Angehörigen der gegne-
rischen Bevölkerung gewertet und
verurteilt. Für die aussagenden
Zeuginnen steht ein besonderes
Opferschutz-Programm bereit.

                                          August 2002:
                                          Forensische Experten untersuchen bei
                                          Kamenica ein Massengrab, in dem
                                          Opfer des Massakers von Srebrenica
                                          vermutet werden.
Von Nürnberg nach Den Haag
Ein Völkermord kommt vor Gericht:

                                     Der Internationale Gerichtshof
                                     für Ruanda

                                                                                                                                                        Foto: Thomas Lohnes/ddp

Auf der Suche nach Wahrheit,         Entstehung, Statut, Zielsetzung und Struktur des         Der ICTR und die nationalen Gerichte
Gerechtigkeit und Versöhnung: Ein    Ruanda-Gerichtshofs gleichen in Vielem dem Jugosla-      Es gab in Ruanda nicht nur Millionen von Opfern,
Angeklagter wird von einem Gacaca-   wiengerichtshof. Auch das in Arusha (Tansania) ange-     sondern auch unzählige Täter. Der ICTR kann nur eine
Gericht in Ruanda verhört.           siedelte Ruanda-Gericht ist ein zeitlich und räumlich    geringe Zahl besonders schwer Verantwortlicher vor
                                     begrenzter Ad-Hoc-Gerichtshof auf der Grundlage von      Gericht stellen.
                                     Kap. VII der UN-Charta. Es nahm Ende 1995 die Arbeit        Deshalb ist es wichtig, dass in Ruanda gleichzeitig
                                     auf und soll die in Ruanda im Jahr 1994 verübten         die nationale Justiz funktioniert. Neben den ordentli-
                                     Verbrechen aufklären und wesentliche Verantwort-         chen Gerichten wurden sogenannte „Gacaca“-
                                     liche bestrafen.                                         Gerichte mit Laienrichtern eingerichtet, Volksge-
                                        In Ruanda und den Nachbarländern wurden               richte, die auf Elemente der traditionellen Gerichts-
                                     zwischen April und Juli 1994 fast eine Million Tutsi     barkeit zurückgreifen. Sie sollen nicht nur Recht spre-
                                     und gemäßigte Hutu ermordet und über zwei                chen, sondern auch den Prozess der Versöhnung
                                     Millionen Menschen vertrieben.                           voranbringen.

                                     Besonderheiten des Ruanda-Gerichtshofs
                                     – Als erstes Gericht hat der ICTR in einem Urteil (im
                                     Fall Akayesu) die Völkermord-Konvention der UNO von
                                     1948 angewandt und interpretiert. Der ehemalige
                                     Präsident Ruandas, Jean Kambanda, hat sich als erster
                                     Staatschef der Welt eines Völkermords schuldig
                                     bekannt.
                                     – Das Gericht hat sehr klar auch die sexuelle Gewalt
                                     als Teil des Völkermords hervorgehoben.
                                     – Unter den bisher 54 Angeklagten und 27 Verur-
                                     teilten (Stand: Mai 2006) befinden sich neben Politi-
                                     kern und Militärs auch Geschäftsleute, Priester, Ärzte
                                     und Medienleute, die am Völkermord beteiligt waren.
                                     Die schlimme Rolle der Medien, die durch ihre Hassti-
                                     raden [hate speech] den umfangreichen Völkermord in
                                     so kurzer Zeit ermöglichten, wurde deutlich gemacht.
                                     Zum ersten Mal seit dem Nürnberger Prozess wurde
                                     auch der Aufruf zum Völkermord als internationales
                                     Verbrechen verurteilt.
Von Nürnberg nach Den Haag
Mit gemischtem Erfolg:

Internationalisierte Strafgerichte

                                                           Die fünf derzeitigen internationalisierten Strafgerichtshöfe

Ein innovatives Instrument der internationalen           Kambodscha
Strafgerichtsbarkeit sind „internationalisierte“ oder    Auf Grundlage eines Abkommens der Regierung
„hybride“ Strafgerichte. Sie setzen sich aus auswär-     Kambodschas von 2003 wurden – nach langjährigen
tigen und einheimischen Richtern zusammen und            Verhandlungen – Extraordinary Chambers in the
wenden teils internationales, teils nationales Recht     Courts of Cambodia mit Sitz in Phnom Penh
an. Sie sind in den betroffenen Ländern mit deren        geschaffen. Ihre Aufgabe: die Bestrafung der (noch
Zustimmung selbst tätig und wollen einen Beitrag zur     lebenden) Hauptverantwortlichen schwerster
Stärkung der Gerechtigkeit nach schweren internen        Menschenrechtsverbrechen während der Herrschaft
Konflikten leisten. Allerdings hängt das Funktionieren   der Roten Khmer im „Demokratischen Kampuchea“
dieser Gerichte von einem Minimum rechtsstaatlicher      zwischen Mai 1975 und Januar 1979. Damals wurde
Strukturen und der Kooperation staatlicher Stellen vor   fast ein Drittel der Bevölkerung getötet oder starb an
Ort ab.                                                  Hunger und Erschöpfung. Die Prozesse sollen 2007
                                                         beginnen.
Sierra Leone
Zwischen 1991 und 2000 tobte in dem Land ein             Timor Leste (Osttimor)
brutaler Krieg um Macht und Kontrolle über               Abgeschlossen ist die Arbeit der Special Panels for
Rohstoffe. Der Special Court for Sierra Leone mit Sitz   Serious Crimes in the District Court of Dili, die 1999
in Freetown entstand auf Grundlage eines völkerrecht-    durch UN-Sicherheitsratsresolution gegründet worden
lichen Vertrages zwischen den VN und der Regierung       waren. Sie ahndeten bis 2005 schwere Menschen-
von Sierra Leone (2002). Das Sondergericht agiert        rechtsverbrechen, die lokale Milizen unterstützt durch
unabhängig von nationalen und internationalen            indonesisches Militär von April bis September 1999 in
Behörden. Es soll die Hauptverantwortlichen für          Ost-Timor begangen hatten.
schwerste Menschenrechtsverbrechen nach dem
30. November 1996 bestrafen. Hochrangigster Ange-        Ehemaliges Jugoslawien
klagter ist der ehemalige Präsident Liberias, Charles    Weitere internationalisierte Strafgerichtskammern
Taylor, der im März 2006 dem Special Court überstellt    wurden bisher in Gestalt der „Regulation 64“ Panels in
wurde.                                                   the Courts of Kosovo (2000) und der Special War Crimes
                                                         Chamber for Bosnia-Herzegowina (2005) geschaffen.
                                                         Aufgeklärt werden sollen Völkerrechtsverbrechen im
                                                         ehem. Jugoslawien, die nicht vor dem ICTY zur
                                                         Anklage gebracht werden. Der ICTY kann sich somit
                                                         im Rahmen seiner completion strategy (Abwicklungs-
                                                         strategie) auf Führungspersonen wie z.B. den ehema-
                                                         ligen jugoslawischen Präsidenten Milutinovic konzen-
                                                         trieren und wird durch die nationale Strafverfolgung
                                                         der unteren und mittleren Führungskader entlastet.
Von Nürnberg nach Den Haag
Auch vor nationalen Gerichten gilt internationales Recht

Die universelle Gerichtsbarkeit für
Menschenrechtsverbrechen

                                     Foto: Picture Alliance / Johnny Eggitt/AFP

                                                                                  Verbrechen gegen die Menschheit, Völkermord und Kriegsverbrechen
                                                                                  können im Prinzip vor allen Strafgerichtshöfen angeklagt werden. Dieses
                                                                                  „Weltrechtsprinzip“ ist im Völkerrecht schon lange verankert. Die Justiz
                                                                                  eines Landes handelt dabei gewissermaßen im allgemeinen Interesse
                                                                                  aller (Rechts)Staaten. Einige Rechtssysteme machen solche Verfahren
                                                                                  einfacher, bei anderen ist sie ohne Beteiligung eigener Staatsangehöriger
                                                                                  noch schwierig.

                                                                                  Der Fall Pinochet
                                                                                  Weltweit Aufsehen erregte das Weltrechtsprinzip, als im Oktober 1998
                                                                                  in London der frühere chilenische Diktator Augusto Pinochet aufgrund
                                                                                  eines spanischen Haftbefehls festgenommen wurde. Das Einschreiten der
                                                                                  fremden Gerichte führte am Ende dazu, dass Pinochet in seinem Heimat-
                                                                                  land vor Gericht gestellt wurde.
                                                                                     Auch gegen andere ehemalige Diktatoren und ihre Handlanger haben
                                                                                  zahlreiche Richter in verschiedenen Ländern Ermittlungen durchgeführt
                                                                                  und Haftbefehle ausgestellt.

                                                                                  Das Weltrechtsprinzip
                                                                                  Das Weltrechtsprinzip ist als weitere Säule des internationalen Straf-
                                                                                  rechts zu sehen, komplementär zu den internationalen und hybriden
Pinochet-Gegner demonstrieren                                                     Ad-Hoc-Gerichtshöfen bzw. zum Internationalen Strafgerichtshof. Es kann
im Dezember 1998 gegen den in                                                     gerade auch in den Fällen wirksam werden, die nicht in die Zuständigkeit
Großbritannien verhafteten                                                        dieser internationalen Gerichte fallen und so Lücken in der Bestrafung
chilenischen Diktator vor dem Sitz                                                von Menschheitsverbrechen schließen.
des britischen Premierministers in                                                   Das Problem des Weltrechtsprinzips ist seine Abhängigkeit von den
Downing Street Nr. 10.                                                            sehr unterschiedlichen nationalen Rechtssystemen und der ebenso
                                                                                  unterschiedlichen Qualität der Rechtsprechung in den einzelnen Ländern.
                                                                                     Der Gefahr des Wildwuchses können „Völkerstrafgesetzbücher“
                                                                                  entgegenwirken, die die Grundsätze des Römischen Statuts des Interna-
                                                                                  tionalen Strafgerichtshofs in nationales Recht umsetzen.
Von Nürnberg nach Den Haag
Der Internationale Strafgerichtshof entsteht:

                                         Die diplomatische Konferenz von Rom
                                         1998 und die Gründung des Gerichtshofs

         Im Juli 1998 wurde in Rom

                                                                                                                                                                                                         Foto: ICC Photo Gallery
                     im Beisein von
    Uno-Generalsekretär Kofi Annan
     das Statut des Internationalen
        Gerichtshofs unterzeichnet.
                                                                                 Foto: Picture Alliance / epa afp Stan Honda

                                                                                                                               1989
                                                                                                                               Die Idee eines internationalen Strafgerichtshofs wird wiederbelebt:
                                                                                                                               Auf Antrag von Trinidad und Tobago ersucht die VN-Generalversammlung
                                                                                                                               die Völkerrechtskommission, ihre bereits in den fünfziger Jahren begon-
                                                                                                                               nene Arbeit an einem internationalen Strafgerichtshof wieder aufzu-
                                                                                                                               nehmen.

                                                                                                                               1994
                                                                                                                               Entwurf eines Völkerstrafgesetzbuchs; Einsetzung eines „Vorberei-
                                                                                                                               tungskomitees für einen internationalen Strafgerichtshof “
                                                                                                                               Die Völkerrechtskommission legt einen neuen vollständigen Entwurf
                                                                                                                               eines Völkerstrafgesetzbuchs als Grundlage für einen Strafgerichtshof
                                                                                                                               vor. Diesmal handelte die UNO: Ein offenes „Vorbereitungskomitee für
                                         Sie sorgten mit der Hinterlegung der                                                  einen internationalen Strafgerichtshof “ arbeitete die Vorschläge zahl-
                                         Ratifizierungsurkunden ihrer Länder                                                   reicher Staaten ein. Im Frühjahr 1998 legte es einen abgestimmten
                                         am 11. April 2002 mit dafür, dass der                                                 Entwurf vor.
                                         Internationale Strafgerichtshof seine
                                         Arbeit aufnehmen konnte: Im New                                                       1998
                                         Yorker UN-Hauptquartier beglück-                                                      Die Konferenz von Rom – ein Erfolg der Einigkeit
                                         wünschen sich die Uno-Botschafter                                                     Schon im Sommer 1998 beriet dann eine diplomatische Konferenz in Rom
                                         von Irland, Bulgarien, dem Kongo,                                                     dieses Statut. 160 Staaten, 33 zwischenstaatliche Organisationen und
                                         Kambodscha und Bosnien-Herzego-                                                       insgesamt 236 NGOs nahmen teil. Nicht zuletzt kleine Länder und Nicht-
                                         wina (von links).                                                                     Regierungsorganisationen beteiligten sich intensiv und konstruktiv an
                                                                                                                               den Debatten.

                                                                                                                               1998
                                                                                                                               Das Römische Statut
                                                                                                                               Am 17. Juli 1998 wurde das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs
                                                                                                                               von der Konferenz verabschiedet. 120 Staaten stimmten mit ja, nur
                                                                                                                               sieben dagegen.
                                                                                                                                  Um in Kraft zu treten, musste es von 60 Staaten ratifiziert werden.
                                                                                                                               Dies wurde in der ungewöhnlich kurzen Zeit von Februar 1999 (Senegal)
                                                                                                                               und April 2002 (Kambodscha, Niger, Jordanien u.a.) erreicht.

                                                                                                                               2002
                                                                                                                               Das Römische Statut tritt in Kraft und der IStGH nimmt die Arbeit auf
                                                                                                                               Am 1. Juli 2002 trat das Statut in Kraft. Verbrechen, die ab diesem Tag
                                                                                                                               geschehen und in die Zuständigkeit des IstGH fallen, können vor ihm
                                                                                                                               verhandelt werden. Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit
                                                                                                                               gibt es einen unabhängigen internationalen Strafgerichtshof.

„…in dem Bewußtsein, daß alle Völker durch
gemeinsame Bande verbunden und ihre Kulturen
in einem gemeinsamen Erbe zusammengefügt
sind…“
                      (aus der P räambel des Römischen Statuts

                        des Internationalen Strafgerichtshofs)
Die Verfassung des IStGH:

                                                    Das Römische Statut

                                                             Versammlung der Mitgliedsstaaten

                                                                               beruft

 Opfer, NGOs u.a.

     informieren                        Behörde des                                                        Kanzlei
                                                                             18 Richter
                                          Anklägers                                                    (Verwaltung)
                                                                                                                            eigenständige
                                                                                                                                   Organe
                                                                                                                              des Gerichts

 Vertragsstaaten
                                                      Prüfung einer
                                                   Verfahrenseröffnung

                   können Situationen
                       verweisen
                                                                                                                      Rechtsgrundlage des IStGH ist ein völkerrechtlicher
                                                                                                                      Vertrag, dem jeder Staat freiwillig beitreten kann.
                                                                     Vorermittlungskammer                             Dieser Vertrag ist die Gründungsurkunde des IStGH (s.
                                                                                                                      Art. 1) und zugleich sein Statut, d.h. die Rechtsgrund-
                                                                                                                      lage, die die Befugnisse des Gerichts definiert und
VN-Sicherheitsrat
                                                                                              entscheidet über
                                                                                                                      seine Organisation und Verfahren regelt. Nach dem
                                                                                                Zulässigkeit          Ort, wo dieser Vertrag 1998 beschlossen wurde, nennt
                                                                                                                      man ihn das „Römische Statut“.
                         kann zu Ermittlungen
                       auffordern; kann Aufschub                                                                      Die Eigenständigkeit des IStGH
                               verlangen
                                                                                                                      Der IStGH ist somit ein eigenständiges völkerrechtli-
                                                                    Hauptverfahrenskammer                             ches Organ, aber mit den VN durch einen Kooperati-
                                                                                                                      onsvertrag und Immunitätsabkommen verbunden.
                                                                                                                        Sein oberstes Organ ist die „Versammlung der
                                                                                                                      Vertragsstaaten“.
                                                                                              Berufung möglich
                                                                                                                      Unabhängigkeit von Gericht und Anklagebehörde
                                                                                                                      Der IStGH ist ein unabhängiges Gericht. Einmal im
                                                                                                                      Amt, unterliegen die Richter keinen Weisungen, der
                                                                                                                      Ankläger lediglich in bestimmten Fällen denen des
                                                                                                                      Gerichts selbst oder des Sicherheitsrats. Politische
                                                                         Rechtsmittelkammer                           Einflüsse auf die Arbeit des Gerichtshofs sollen so
                                                                                                                      weit als möglich ausgeschlossen bleiben.

                                                                                                                      Die Rolle des Sicherheitsrats
                                                                                                                      Das Statut räumt dem Sicherheitsrat der VN zwei
                                                                                                                      Befugnisse ein:
                                                                                                                      1. Richtet der Sicherheitsrat in einer nach Kapitel VII
                                                                                                                         der Charta der Vereinten Nationen angenommenen
                                                                                                                         Resolution ein entsprechendes Ersuchen an den
                                                                                                                         Gerichtshof, so dürfen für einen Zeitraum von 12
                                                                                                                         Monaten keine Ermittlungen und keine Strafverfol-
                                                                                                                         gung aufgrund dieses Statuts eingeleitet oder fort-
                                                                                                                         geführt werden; der Rat kann sein Ersuchen zu den
                                                                                                                         gleichen Bedingungen wiederholen. (Art. 16)
                                                                                                                      2. Der Sicherheitsrat kann nach Kap. VII der Charta
                                                                                                                         den Ankläger zur Einleitung von Ermittlungen
                                                                                                                         auffordern, deren Ergebnis jedoch nach den Regeln
                                                                                                                         des Statuts offen bleibt. (Art. 13)

„…in der Erkenntnis, daß solche schweren
Verbrechen den Frieden, die Sicherheit und das
Wohl der Welt bedrohen…“
                              (aus der P räambel des Römischen Statuts

                                 des Internationalen Strafgerichtshofs)
Wie der IStGH arbeitet

                                       Die Organe des Gerichts

                                                                                                                                                             Foto: epa anp Vos
                                            Herkunftsländer der Richter und Ankläger

                                                                                                Die 18 Richter bei der feierlichen Amtseinführung des
                                                                                                IStGH am 11. März 2003 in Den Haag.

                                       Wahl und Zusammensetzung der 18 Richter                  Rolle der Anklagebehörde
                                       Die 18 unabhängigen Richter werden von der               Der Ankläger ist ein selbständiges Organ des Gerichts-
                                       Versammlung der Vertragsstaaten für drei bis neun        hofs und handelt unabhängig (Art. 34, 42). Er kann
                                       Jahre gewählt. Sie müssen Personen von hohem sittli-     von sich aus Ermittlungen einleiten, auf der Grund-
                                       chem Ansehen sein, die sich durch Unparteilichkeit       lage von Informationen aus beliebigen Quellen, die er
                                       und Ehrenhaftigkeit auszeichnen und die in ihrem         daraufhin prüft, ob sie unter das Statut fallen (Art. 15).
                                       Staat die für die höchsten richterlichen Ämter erfor-       Das Gericht hat keine Polizeigewalt, bedarf daher
                                       derlichen Voraussetzungen erfüllen. Die Richter sollen   der Kooperation der Mitgliedstaaten, um Angeklagte
                                       – die hauptsächlichen Rechtssysteme der Welt             vor Gericht zu stellen.
                                          vertreten,
                                       – die verschiedenen Teile der Welt repräsentieren und    Die Kanzlei
                                       – die Geschlechterverteilung fair berücksichtigen        Die Kanzlei ist das Verwaltungsorgan des Gerichts-
                                          (Art. 36).                                            hofs, das dem Gerichtspräsidenten untersteht. Neben
                                                                                                der Verwaltung im engeren Sinn ist die Kanzlei auch
                                                                                                für den Schutz und die Betreuung von Opfern und
                                                                                                Zeugen zuständig.

„…entschlossen, die dauerhafte Achtung der
internationalen Rechtspflege zu gewährleisten…“
                    (aus der P räambel des Römischen Statuts

                      des Internationalen Strafgerichtshofs)
Das Römische Statut

                                           Die Jurisdiktion des IStGH

                                                                                                                                                             Foto: UN Photo

Luis Moreno-Ocampo, der Chef               Der IStGH ist erstmals in der Geschichte ein univer-    Zeitlich ist die Zuständigkeit des IStGH nur nach rück-
der Anklagebehörde, berichtet in           seller und ständiger Gerichtshof für Kriegs- und        wärts begrenzt. Seit dem Stichtag 1. Juli 2002 gibt es
New York dem Sicherheitsrat der            Menschenrechtsverbrechen auf völkerrechtlicher          keine Befristung für sein Tätigwerden.
Vereinten Nationen über die Lage           Grundlage.
in Darfur.                                                                                         Prozessual tritt die Gerichtsbarkeit des IStGH nur
                                           Materiell umfasst seine Zuständigkeit alle Verbre-      dann ein, wenn der zuständige Staat „nicht willens
                                           chen, die bereits im Nürnberger Prozess und in den      oder unfähig“ ist, die Ermittlungen oder die Strafver-
                                           Ad-Hoc-Gerichten zu Jugoslawien und Ruanda erfasst      folgung selbst ernsthaft durchzuführen (Komplemen-
                                           waren: Kriegsverbrechen, Völkermord, Verbrechen         taritätsprinzip, Art. 17). Der IStGH ist keine Revisi-
                                           gegen die Menschheit.                                   onsinstanz für nationale Gerichte, überprüft also
                                              Wie schon im Statut von ICTY und ICTR, sind          nicht deren Entscheidungen.
                                           die sexuellen Verbrechen (Vergewaltigung, sexuelle
                                           Sklaverei, Zwangsprostitution, erzwungene Schwan-       Grundsätzlich gibt es drei Wege, wie ein Verfahren
                                           gerschaft, Zwangssterilisation) explizit aufgenommen.   vor dem IStGH in Gang kommen kann:
                                              Auch das Verbrechen des Aggressionskriegs steht      a) ein Vertragsstaat des Römischen Statuts verweist
                                           bereits im Statut, ist aber noch nicht anwendbar, da       einen Fall an das Gericht;
                                           es in Rom zu keiner Einigung über seine Definition      b) der Sicherheitsrat fordert den Ankläger nach
                                           kam.                                                       Kap. VII der VN-Charta zur Untersuchung eines
                                                                                                      Falles auf;
                                                                                                   c) der Ankläger leitet auf der Basis ihm bekannt
                                                                                                      gewordener Information selbst Ermittlungen ein.

„…bekräftigend, daß die schwersten Verbrechen,
welche die internationale Gemeinschaft als Ganzes
berühren, nicht unbestraft bleiben dürfen…“
                       (aus der P räambel des Römischen Statuts

                          des Internationalen Strafgerichtshofs)
Das Römische Statut

                                           Die Garantie fairer Verfahren

         Der erste Angeklagte (links)

                                                                                                                                                      Foto: ICC Photo Gallery
    vor dem IStGH: Thomas Lubanga
   (Kongo), Anführer der Milizen der
      Provinz Ituri. Ihm wird u.a. die
   Rekrutierung und der Einsatz von
        Kindersoldaten vorgeworfen.

                                           Der internationale Strafgerichtshof soll auch ein      Der IStGh lässt Rechtsmittel gegen seine
                                           Vorbild für rechtsstaatliche Verfahren sein. Daher     Entscheidungen zu:
                                           garantiert er auch den Angeklagten faire Prozesse:     – die Berufung vor der Berufungskammer des
                                                                                                    Gerichts;
                                           Das Statut bekräftigt allgemeine                       – Beschwerden gegen einzelne Entscheidungen des
                                           Rechtsgrundsätze wie                                     Anklägers oder des Gerichts während des
                                           – Ne bis in idem: Niemand darf wegen der gleichen        Verfahrens;
                                             Sache mehrfach angeklagt werden;                     – die Möglichkeit, bei entsprechenden Voraus-
                                           – Nullum crimen sine lege: Niemand darf einer Tat        setzungen Antrag auf Wiederaufnahme des
                                             angeklagt werden, die nach dem Statut nicht als        Verfahrens zu stellen.
                                             Verbrechen definiert ist;
                                           – Unschuldsvermutung: Bis zu einer Verurteilung gilt   In Anerkennung des Menschenrechts auf Leben kennt
                                             der Angeklagte als unschuldig;                       der IStGh keine Todesstrafe.
                                           – Rückwirkungsverbot: Keine Anklage für Taten, die
                                             vor der Schaffung des Gerichtshofs begangen
                                             wurden.

                                           Ferner schließt das Statut die Verjährbarkeit für
                                           schwerste Verbrechen aus.

„…entschlossen, der Straflosigkeit der Täter
ein Ende zu setzen und so zur Verhütung solcher
Verbrechen beizutragen…“
                        (aus der P räambel des Römischen Statuts

                          des Internationalen Strafgerichtshofs)
Strafe ist nicht alles

                                        Die Beteiligung der Opfer

                            Alte kosovo-albanische Frau

                                                                 Foto: medica mondiale
                                                                                          Im IStGH wie in jedem Strafprozess geht es der Gesell-
                                      in der Gegend um                                    schaft um die Verurteilung von Tätern. Strafe für die
                                  Gjakova/Kosovo, 2004.                                   Täter genügt aber nicht, um den Opfern gerecht zu
                                                                                          werden. Opfer von Menschenrechtsverbrechen wollen
                                                                                          – gerechte Strafen für die Täter
                                                                                          – eine Stimme im Strafverfahren
                                                                                          – moralische und politische Rehabilitierung
                                                                                          – materielle Entschädigung
                                                                                          – Schutz vor künftigen Menschenrechtsverletzungen

                                                                 Foto: TRC South Africa
                                                                                          Eine solche umfassende Rehabilitation der Opfer über-
                                                                                          fordert normalerweise die Strafjustiz. Beim IStGH hat
                                                                                          man neue Wege eingeschlagen, um den Opfern besser
                                                                                          gerecht zu werden:

                                                                                          Schutz der Opfer
                                                                                          „Der Gerichtshof trifft geeignete Maßnahmen zum
                                                                                          Schutz der Sicherheit, des körperlichen und seelischen
                                                                                          Wohles, der Würde und der Privatsphäre der Opfer
                                                                                          und Zeugen.“ (Art. 68,1)
                                                                                            Opferschutz ist ein wesentliches Ziel des IStGH.
                                                                                          Besonderen Wert legt das Statut dabei auf den Schutz
                                                                                          von Frauen und Kindern.

                                                                                          Wiedergutmachung
                                                                                          Das Statut selbst enthält Bestimmungen auch über
                                                                                          Wiedergutmachung (Art. 75). Das Gericht kann den
                                                                                          Schaden bestimmen, der Opfern entstanden ist.
                                                                                          Es kann den Tätern Maßnahmen der „Wiedergut-
                                                                                          machung, wie Rückerstattung, Entschädigung und
                              Südafrikanische Frauen                                      Rehabilitation des vorherigen Standes“ auferlegen.
                                     trauern um ihre
                        verschwundenen Angehörigen.                                       Beteiligung
                                                                                          Opfer können nicht direkt Klage vor dem IStGH
                                                                                          erheben. Sie können aber dem Ankläger und der
                                                                                          Vorermittlungskammer Informationen übermitteln
                                                                                          (Art. 15) und so zur Einleitung von Ermittlungen bzw.
                                                                                          Eröffnung von Verfahren beitragen. Im Prozess selbst
                                                                                          können sie mit Erlaubnis des Gerichts ihre Anliegen
                                                                                          und Interessen selbst oder durch einen gesetzlichen
                                                                                          Vertreter vortragen. Dazu gehört auch das Recht zur
                                                                                          Befragung des Angeklagten. Dabei treten sie als Opfer,
                                                                                          unabhängig von ihrer möglichen Zeugenrolle auf.

                                                                                          Treuhandfonds
                                                                                          Das Statut sieht außerdem einen „Treuhandfonds“ für
                                                                                          die Opfer vor (Art. 79), den die Vertragsstaaten des
                                                                                          IStGH einrichten. Der Fonds wird von einem unab-
                                                                                          hängigen Direktorium geleitet und derzeit von der
                                                                                          Kanzlei des Gerichtshofs verwaltet. Er sammelt Mittel
                                                                                          und fördert damit Maßnahmen, die das Los der Opfer
                                                                                          erleichtern sollen.

„…eingedenk dessen, daß in diesem Jahrhundert
Millionen von Kindern, Frauen und Männern
Opfer unvorstellbarer Greueltaten geworden
sind, die das Gewissen der Menschheit zutiefst
erschüttern…“
                     (aus der P räambel des Römischen Statuts

                       des Internationalen Strafgerichtshofs)
Damit Menschenrechtsverbrechen
                                        nicht länger straflos bleiben:

                                        Für einen weltumspannenden
                                        internationalen Strafgerichtshof!

                                                                                          Mitgliedsstaaten IStGH

Die Mehrzahl der Staaten ist dem IStGH beigetreten
Im November 2005 hat Mexiko als hundertster Staat
das Statut des IStGH ratifiziert. Unter diesen 100
Mitgliedstaaten sind 27 aus Afrika, 22 aus Westeu-
                                                                „     Stimmen zum IStGH

                                                                In the last sixty years we have
                                                                moved from a world with no inter-
                                                                                                            In the long history of the world’s
                                                                                                            search for international justice and
                                                                                                            end to impunity, there is now a
                                                                                                            permanent court that promises to
ropa, 21 aus Lateinamerika und der Karibik, 15 aus              national criminal justice at all to a       hold accountable perpetrators of
Osteuropa, 12 aus Asien, sowie Kanada, Australien               world that has begun to shape a             the most serious crimes of concern
und Neuseeland.                                                 sophisticated system for apprehen-          to the international community:
   Weitere 39 Staaten haben das Statut unter-                   ding and prosecuting war crimi-             war crimes, crimes against huma-
schrieben, aber noch nicht ratifiziert. (Stand: Mai             nals.                                       nity, genocide and the crime of
2006)                                                           Richard Goldstone, former prosecutor        aggression. For more than 50 years
                                                                at the ICTY, and former judge at the        since the Nuremberg and Tokyo
Was die Staaten mit dem IStGH erreichen wollen                  Constitutional Court of the Republic        trials, the world has failed in brin-
– Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlich-               of South Africa                             ging to justice those responsible
keit dürfen nie mehr straflos bleiben.                                                                      for the millions of victims of such
– Gleiches Recht nach fairen Regeln für Alle.                   This Court has been established to          horrendous crimes.
– einen weltweiten Konsens über die des IStGH                   end impunity for the most serious           Nobel Peace Prize Laureate, Jose
– Frieden durch Recht                                           crimes that concern humanity as a           Ramos-Horta, minister of foreign
                                                                whole. These crimes, often invol-           affairs and cooperation with the
Ein weltweiter Konsens                                          ving complicity by the very state           International Criminal Court (ICC)
Der IStGH bietet die Chance und Gewähr, dass diese              that should prevent and punish
grundlegenden Rechtsprinzipien weltweit Konsens                 them, deprive victims and commu-            The inauguration of the Interna-
werden. Alle Staaten sind eingeladen, sich diesem               nities of their basic rights and free-      tional Criminal Court today is a
Ziel und dem IStGH anzuschließen.                               doms.                                       historic milestone that brings to
                                                                   This is the primary mandate of           fruition the collective efforts of the
                                                                the Court. Victims, witnesses,              international community to esta-
                                                                prosecution and defence                     blish a universal framework to end
                                                                acknowledge and affirm this                 impunity for the most serious
                                                                mandate.                                    crimes under international law.
                                                                Getachew Kitaw, Secretary General,          This occasion also represents a
                                                                Pan African Lawyers Union                   reaffirmation of our commitment
                                                                                                            to human rights, fundamental free-
                                                                As a nation that has unfortunately          doms and justice. The importance
                                                                experienced crimes of the utmost            of the Court in the fight against
                                                                horrendous nature, we can only              impunity and in preventing gross
                                                                stress the importance of the esta-          human rights violations can not be
„…im festen Willen, zu diesem Zweck und um der                  blishment of the International              over emphasized.
                                                                Criminal Court to render justice to         Sergio Vieira de Mello, former United
heutigen und der künftigen Generationen willen                  the victims and their families              Nations High Commissioner for
einen mit dem System der Vereinten Nationen in                  through the convictions of the              Human Rights

                                                                                                                                            “
                                                                perpetrators of such crimes. Only
Beziehung stehenden unabhängigen ständigen                      through justice can those who
Internationalen Strafgerichtshof zu errichten…“                 have suffered come to terms with
                                                                the past, find peace and envisage a
                     (aus der P räambel des Römischen Statuts
                                                                future without hate or resentment.
                       des Internationalen Strafgerichtshofs)   H.E. Ambassador Mirza Kusljugic,
                                                                Permanent Representative of Bosnia
                                                                and Herzegovina to the United
                                                                Nations
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