DGUV Information 206-031 - Betriebliches Eingliederungsmanagement - BEM Orientierungshilfe für die praktische Umsetzung - BG BAU
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206-031 DGUV Information 206-031 Betriebliches Eingliederungsmanagement – BEM Orientierungshilfe für die praktische Umsetzung März 2021
kommmitmensch ist die bundesweite Kampagne der gesetzlichen Unfallversicherung in Deutschland. Sie will Unternehmen und Bildungseinrichtungen dabei unterstützen, eine Präventionskultur zu entwickeln, in der Sicherheit und Gesundheit Grundlage al- len Handelns sind. Weitere Informationen unter www.kommmitmensch.de Impressum Herausgegeben von: Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V. (DGUV) Glinkastraße 40 10117 Berlin Telefon: 030 13001-0 (Zentrale) Fax: 030 13001-9876 E-Mail: info@dguv.de Internet: www.dguv.de Sachgebiet Beschäftigungsfähigkeit des Fachbereichs Gesundheit im Betrieb der DGUV Projektleitung: Franka Gerber (UK RLP), Burkhard Rehn (BG RCI) Projektteam: Birgit Althoff (UK NRW), Tobias Belz (VBG), Sabine Ernst (DGUV), Alexandra Sikora (BAuA) Ausgabe: März 2021 DGUV Information 206-031 zu beziehen bei Ihrem zuständigen Unfallversicherungsträger oder unter www.dguv.de/publikationen Webcode: p206031 Bildnachweis Alle Abbildungen: © KonzeptQuartier GmbH
Betriebliches Eingliederungsmanagement – BEM Orientierungshilfe für die praktische Umsetzung DGUV Information 206-031 März 2021
Inhaltsverzeichnis Seite Warum diese Orientierungshilfe?..................................................................................................... 5 Warum BEM? ................................................................................................................................................ 7 Was regelt das Gesetz?........................................................................................................................... 10 Wer sind die Beteiligten?....................................................................................................................... 16 Wie gehen Sie vor?..................................................................................................................................... 19 Wie gehen Sie mit den Daten um?.................................................................................................... 24 Welche rechtlichen Aspekte sind wichtig?.................................................................................. 26 Wer kann Sie unterstützen?.................................................................................................................. 27 Wie geht es nach dem BEM weiter?................................................................................................. 30 Anhang ............................................................................................................................................................ 33
Warum diese Orientierungshilfe? Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit setzt das Betriebliche Eingliederungs- von Mitarbeitenden zu erhalten oder management (BEM) an. Kernanliegen wiederherzustellen ist eine wichtige des BEMs ist es, Zeiten der Arbeitsun- gesellschaftliche Aufgabe. Dies gilt so- fähigkeit zu überwinden, eine Wieder- wohl betriebs- und volkswirtschaftlich eingliederung zu erreichen und Arbeits als auch sozialpolitisch. Vor dem Hinter- plätze dauerhaft zu erhalten. grund der demografischen Entwicklung und des schon spürbaren Fachkräfte- BEM wurde bereits im Jahr 2004 etab- mangels ist dies ein immer wichtiger liert. Arbeitgebende müssen BEM seit- werdendes Handlungsfeld. dem verpflichtend anbieten, sofern Be- schäftigte in einem 12-Monats-Zeitraum Für Sie als Unternehmerin oder Unter- länger als sechs Wochen wiederholt oder nehmer ist die Arbeitskraft Ihrer Mit- am Stück arbeitsunfähig waren. Die An- arbeiterinnen und Mitarbeiter von be- nahme des BEM-Angebots durch die be- sonderer Bedeutung. Das gilt auch für schäftigte Person ist freiwillig. Beschäftigte mit vorübergehenden oder dauerhaften krankheitsbedingten Ein- Ungeachtet der gesetzlichen Regelung schränkungen. Genau an diesem Punkt wirft BEM in Betrieben immer noch Fra- gen auf, die oft dazu führen, dass BEM- Verfahren nicht oder nicht hinreichend umgesetzt werden. Die gesetzliche Un- fallversicherung und ihre Träger erach- ten es als wichtige Aufgabe, ihre Mit- glieder bei der Umsetzung des BEMs zu unterstützen. 5
Warum diese Orientierungshilfe? Diese Orientierungshilfe soll dazu bei- tragen. Sie wurde von einer Arbeitsgrup- Tipp: Haben Sie spezifische Fragen pe des Sachgebietes Beschäftigungs- zur Unterstützung durch Ihren Un- fähigkeit im Fachbereich Gesundheit im fallversicherungsträger in Bezug Betrieb der DGUV erarbeitet und rich- auf BEM? Fragen Sie dort nach! Eine tet sich in erster Linie an Arbeitgeben- Auflistung aller Unfallversicherungs- de. Diese sind für die Umsetzung des träger finden Sie auf www.dguv.de BEMs im Betrieb verantwortlich. Darü- unter „Wir über uns“ > „Mitglieder“. ber hinaus finden auch andere am Ver- fahren Beteiligte (z. B. BEM-berechtigte Personen, betriebliche Interessenver- BEM ist dann erfolgreich, wenn es nach- tretungen, BEM-Beauftragte) wertvolle haltig hilft, die Beschäftigungsfähigkeit Anregungen. zu erhalten. Schon mit geringem orga- nisatorischem Aufwand und externer Prägnante Hinweise und Tipps sollen Unterstützung bei Bedarf kann man gute insbesondere Kleinbetrieben helfen, Resultate erzielen. das BEM umzusetzen. Auch eine proaktive bzw. wertschöpfen- de Kultur der Prävention trägt zum Erfolg Ihres BEMs bei. 6
Warum BEM? Warum Sie BEM haben müssen! Warum Sie BEM haben sollten! BEM ist gesetzlich vorgeschrieben. Be- Ein erfolgreich durchgeführtes BEM ist schäftigen Sie in Ihrem Betrieb Arbeit- vorteilhaft für alle Beteiligten. nehmerinnen bzw. Arbeitnehmer, dann müssen Sie ihnen ein BEM anbieten, Know-how im Unternehmen halten wenn diese in einem 12-Monats-Zeit- Scheiden Beschäftigte in Folge einer Er- raum länger als sechs Wochen ununter- krankung aus einem Betrieb aus, so ist brochen oder wiederholt arbeitsunfähig das für Sie von großem Nachteil: Wert- waren. Nimmt die berechtigte Person volles Wissen und Sachverstand gehen das BEM-Angebot an, haben Sie als verloren. Das BEM trägt dazu bei, diesen Arbeitgeberin bzw. Arbeitgeber zu klä- Effekt zu minimieren. Zudem ist der Ver- ren, wie die Arbeitsunfähigkeit über- bleib einer Person mit ihren Kompeten- wunden und der Arbeitsplatz erhalten zen Voraussetzung für die Weitergabe werden kann. Ziel ist deren gesund- von Wissen an andere Beschäftigte. heitsgerechte Beschäftigung sowie die Vermeidung krankheitsbedingter Kündi- gungen. Verstöße gegen diese Verpflichtung füh- ren oft zu arbeitsrechtlichen Auseinan- dersetzungen. Wenn das Angebot bzw. die Durchführung (im Falle der Annahme durch Beschäftigte) eines BEM-Verfah- rens nicht nachgewiesen werden kann, entscheiden Gerichte im Rahmen von Kündigungsschutzklagen regelmäßig zu- gunsten der BEM-berechtigten Personen. 7
Warum BEM? Wirtschaftliche Überlegungen Positive interne Wahrnehmung BEM hilft Ihnen nicht nur dabei, dem Wie Sie in Ihrem Betrieb mit erkrank- Verlust von Arbeitskraft vorzubeugen. ten Beschäftigten umgehen, hat in aller Es hilft Ihnen auch, Einsparungen im Regel auch Einfluss auf die Wahrneh- Bereich der Überbrückungs-, Neueins- mung als Arbeitgeberin bzw. Arbeitge- tellungs- und Einarbeitungskosten zu ber in der übrigen Belegschaft. Überle- realisieren. Darüber hinaus binden auch gungen wie „Was passiert mit mir, wenn Kündigungsschutzprozesse Arbeitskraft ich – vorübergehend oder dauerhaft und bergen das Risiko hoher unmittel- – nicht mehr die volle Leistung bringen barer oder mittelbarer Kostenbelastun- kann?“ wirken sich auf die Motivation gen. Nicht zuletzt kann BEM auch dazu und Arbeitszufriedenheit Ihrer Betriebs- beitragen, die interne sowie externe angehörigen aus. Dies kann auch schon Wahrnehmung Ihres Unternehmens zu der Fall sein, wenn konkrete Leistungs- beeinflussen. Im Idealfall lassen sich einschränkungen aus Sicht der einzel- dadurch wirtschaftliche Vorteile im Sin- nen Personen noch gar nicht absehbar ne der Wettbewerbsfähigkeit erzielen. sind. Als Arbeitgeberin bzw. Arbeitgeber können Sie auch durch ordnungsgemäß durchgeführte BEM-Verfahren Ihre Wert- schätzung gegenüber Ihren Beschäftig- Tipp: Erinnern Sie Ihre Beschäftigten ten zum Ausdruck bringen. immer wieder an den Sinn und Zweck von BEM (z. B. am schwarzen Brett oder bei Betriebsversammlungen). Das schafft Klarheit bereits vor der Kontaktaufnahme im Einzelfall und hilft, möglichen Verunsicherungen vorzubeugen. 8
Warum BEM? Positive externe Wahrnehmung auch die Wahrnehmung Ihres Betriebs Betriebe haben insbesondere in Zeiten durch die Kundinnen und Kunden. des Fachkräftemangels ein Interesse Gerade in einem schwierigen Markt daran, auch extern als fürsorgliche und umfeld kann Ihr wertschätzender Um- wertschätzende Arbeitgebende wahr- gang mit Ihren Mitarbeiterinnen und genommen zu werden. Kommentare in Mitarbeitern ein wichtiges Alleinstel- Bewertungsportalen, Presseberichte lungsmerkmal sein; und zwar sowohl oder auch Mund-zu-Mund-Propagan- im Wettbewerb um neue Beschäftigte da können sowohl Ihre Suche nach als auch um Kundschaft. neuen Beschäftigten beeinflussen als 9
Was regelt das Gesetz? Rechtsgrundlage Ziele des BEMs Das BEM ist gesetzlich in § 167 Abs. 21 BEM dient der frühzeitigen Klärung, ob Neuntes Buch Sozialgesetzbuch und ggf. welche Maßnahmen ergriffen (SGB IX) verankert und als Verpflich- werden können, um: tung der Arbeitgebenden festgeschrie- ben. Unter den dort genannten Voraus- • Arbeitsunfähigkeit zu überwinden, setzungen haben Sie der berechtigten • erneuter Arbeitsunfähigkeit vorzu- Person ein BEM-Verfahren anzubieten. beugen, Die Annahme des BEM-Angebotes ba- • den Arbeitsplatz zu sichern und zu siert auf Freiwilligkeit. Es steht der BEM- erhalten und berechtigten Person frei, die Teilnahme • betriebliche Belastungen zu reduzie- abzulehnen. Auch kann sie jederzeit ein ren, die aus der Arbeitsunfähigkeit begonnenes BEM-Verfahren abbrechen resultieren. und damit den Prozess beenden. Wie Sie als Arbeitgeberin oder Arbeit- geber diese gesetzliche Verpflichtung umsetzen können und welche einzel- nen Schritte sich daraus ergeben, wird im Abschnitt „Wie gehen Sie vor?“ näher beschrieben. SGB IX § 167 (2) 10
Was regelt das Gesetz? BEM-Verfahren 2. Sachliche Voraussetzungen Ein BEM setzt voraus, dass die be- Grundsätze rechtigte Person innerhalb eines Der Ablauf des Verfahrens ist gesetzlich Jahres länger als sechs Wochen nicht festgelegt. Laut Bundesarbeitsge- ununterbrochen oder wiederholt richt2 handelt es sich beim BEM um einen arbeitsunfähig war. Das BEM ist ergebnisoffenen Prozess. Das Gesetz auch anzubieten, wenn die Arbeits vertraut darauf, dass Arbeitgebende, Be- unfähigkeit (AU) noch andauert. schäftigte, Interessenvertretung und ex- Der zu betrachtende Zeitraum bezieht terne Stellen mit ihrem Sachverstand ein sich auf zwölf Monate – nicht auf faires und sachorientiertes Gespräch im ein Kalenderjahr – rückblickend vom Interesse der BEM-berechtigten Person Betrachtungszeitpunkt an. führen, bei dem sich Verlauf und Ergebnis nach dem jeweiligen Einzelfall richten2. Unerheblich ist, ob eine zusammen- hängende AU vorliegt oder ob meh- Voraussetzungen rere AU-Zeiten gegeben sind. Auch 1. Persönlicher Geltungsbereich die Ursachen sind ohne Belang. Es ist Das BEM ist allen Beschäftigten anzu- nicht relevant, ob die Gründe für die bieten. Es ist nicht gekoppelt an Arbeitsunfähigkeit betrieblicher oder Schwerbehinderung oder Gleichstel- privater Natur sind. lung. Die Regelung gilt für alle Arbeitge- bende (auch Klein- und Kleinst betriebe). Tipp: Das Gesetz gilt für alle Beschäftigten: Angestellte, außer- tariflich Angestellte, Beamtinnen und Beamte, befristet Beschäftig- te, Aushilfskräfte, Auszubildende, Praktikantinnen und Praktikanten, Werksstudierende, Voll- oder Teilzeit- beschäftigte, unabhängig von einer Schwerbehinderung. 11
Was regelt das Gesetz? Berechnung der 6-Wochenfrist: Das bedeutet bei einer 5-Tage-Woche Bei durchgehender Arbeitsunfähigkeit (6 Wochen × 5 Arbeitstage = 30), dass (AU) wird die Verpflichtung der Arbeit- ab dem 31. Tag die 6-Wochen-Grenze gebenden nach 42 Kalendertagen überschritten ist. Eine teilzeitbeschäftig- ausgelöst. Bei wiederholter AU sind nur te Person, die z. B. an 3 Tagen pro Wo- die Wochentage zu berücksichtigen, an che tätig ist, ist am 19. Arbeitstag länger denen AU besteht. als 6 Wochen (6 Wochen × 3 Arbeitstage = 18 Arbeitstage) arbeitsunfähig. Betriebliches Eingliederungsmanagement BEM Beschäftigte: arbeitsfähig arbeitsunfähig Mai Mai Juni Juni 2 Wochen Juli arbeitsunfähig Juli + August August 1 Woche September arbeitsunfähig September Oktober oder Oktober November November Dezember Dezember Januar Januar Februar 6 Wochen 3 Wochen Februar arbeitsunfähig arbeitsunfähig März März April April Verpflichtung der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber zum Angebot eines BEM Abb. 1 Berechnung der 6-Wochenfrist 12
Was regelt das Gesetz? U-Tage, für die keine AU-Bescheinigung A Einladung vorgelegt wird, gehen genauso mit in die Laut Rechtsprechung muss die Einladung Berechnung ein wie Kuren und zum BEM bestimmte Formalien erfüllen3. Rehabilitations-Maßnahmen. Sie muss folgende Hinweise enthalten: • relevante Fehlzeiten • Ziele des BEMs (mehr als bloße Be- Tipp: Sie können BEM auch früher zugnahme auf den Gesetzestext4) ohne Vorliegen der sachlichen Vor- • Freiwilligkeit des BEMs aussetzungen (das heißt bei geringe- • Möglichkeit, weitere Personen hin ren Fehlzeiten als 42 Tagen in den zu- zuzuziehen rückliegenden 12 Monaten) anbieten. • Art und Umfang der zu erhebenden und zu verwendenden Daten5 und Klarstellung über den Umgang damit4 • etwaige kündigungsrechtliche Folgen6 Beteiligte Der Betriebs- bzw. Personalrat oder die Mitarbeitendenvertretung (betriebliche Interessenvertretung) wacht über die Tipp: Formulieren Sie das Einladungs- Umsetzung des BEMs und unterstützt schreiben so, dass die berechtigte das Verfahren. Betrifft das BEM eine Person BEM als attraktives Angebot schwerbehinderte Person, ist auch die und nicht als Bedrohung versteht. Schwerbehindertenvertretung einzubin- den. Soweit erforderlich wird die Be- triebsärztin oder der Betriebsarzt hinzu- gezogen. Die BEM-berechtigte Person muss jedoch der Teilnahme der genann- ten Personen und Stellen zustimmen. Auf mögliche weitere Beteiligte wird im folgenden A bschnitt „Wer sind die Betei- ligten?“ näher eingegangen. 13
Was regelt das Gesetz? Betriebliche Mitbestimmung Datenschutz Diese spielt unter mehreren Aspekten Ein umfassender Datenschutz ist eine im BEM eine wesentliche Rolle. Zum wichtige Grundlage dafür, dass berech- einen hat der Betriebsrat nach Betriebs- tigte Personen am BEM teilnehmen. verfassungsgesetz (BetrVG) ein Initiativ- Hier entsteht ein Spannungsfeld. Für recht zur Mitgestaltung bei der Einfüh- den konkreten Einzelfall muss geprüft rung genereller BEM-Verfahrensregeln im werden: Wieviel müssen Sie als Arbeit- Betrieb. Weiter überwacht die betriebli- geberin und Arbeitgeber wissen, damit che Interessenvertretung die Einhaltung Sie Ihren gesetzlichen Pflichten nach- und Erfüllung der gesetzlichen Pflicht kommen können und wie viel sollten die der Arbeitgebenden. Sofern die BEM-be- BEM-berechtigten Personen von ihren rechtigte Person die Einbindung der Inte- Daten offenlegen? Wie werden die Daten ressenvertretung wünscht, ist diese auch behandelt? im konkreten Einzelfall zu beteiligen. Sofern es im Betrieb eine beauftragte Person für den Datenschutz gibt, sollte diese eingebunden werden. Tipp: Förmliche Betriebs- oder Dienst- vereinbarungen zwischen der Interes- senvertretung und dem Arbeitgeben- den können genutzt werden, um die Rahmenbedingungen und den Ablauf von BEM zu beschreiben. Sie sind nicht verpflichtend. Prägnante und eindeutige Vereinbarungen haben sich jedoch bewährt. 14
Was regelt das Gesetz? Wichtig ist, dass die BEM-berechtigte Arbeitgebende müssen gemäß § 1 Abs. 2 Person vom Unternehmen beim ers- Ziffer 4 Kündigungsschutzgesetz die ten Kontakt auf Art und Umfang zu er- negative Gesundheitsprognose sowie hebender bzw. zu verwendender Daten erhebliche Beeinträchtigungen betriebli- hingewiesen wird. Es ist daher ratsam, cher Interessen darlegen und beweisen. die Einwilligung der BEM-berechtigten Auch die Beweislast für eine fehlende Person zur Erhebung und Verwendung Möglichkeit der Weiterbeschäftigung der Gesundheitsdaten sowie weiterer liegt bei den Arbeitgebenden. Haben für das BEM-Verfahren relevanter Daten diese das BEM-Verfahren nicht durch- einzuholen.7 geführt, müssen sie begründet darlegen und beweisen, dass das Verfahren ob- Fehlt die Einwilligung oder ist sie un- jektiv nutzlos gewesen wäre8. Das hat wirksam, ist eine Erhebung, Verarbei- wenig Aussicht auf Erfolg. tung und Speicherung von Daten rechtswidrig. Mögliche Folgen sind War das BEM fehlerhaft, kommt es da- u. a. Ordnungswidrigkeitenverfahren rauf an, ob die Fehler schwerwiegend und zivilrechtliche Schadensersatz waren9. Dies ist z. B. der Fall, wenn ent- ansprüche. gegen des Wunsches der berechtigten Person keine Beteiligung der Interessen- vertretung erfolgt ist. Für ein erfolgrei- Kündigungsschutz ches Kündigungsschutzverfahren muss die BEM-berechtigte Person diesen Das Thema BEM spielt im Kontext krank- Fehler rügen. heitsbedingter Kündigungen häufig eine Rolle. Eine wirksame krankheitsbeding- Wurde der berechtigten Person das BEM te Kündigung setzt die Durchführung ordnungsgemäß angeboten und hat die- eines BEM-Verfahrens nicht zwingend se es abgelehnt, findet das BEM keine voraus. Die unterlassene Durchführung Berücksichtigung im Kündigungsschutz- kann aber im Kündigungsschutzprozess verfahren. Es bleibt dann bei den grund- Konsequenzen haben. Bei der Frage sätzlichen Darlegungs- und Beweislast- nach der Wirksamkeit der Kündigung fin- regeln im Kündigungsschutzprozess. det eine Interessenabwägung statt. 15
Wer sind die Beteiligten? Zwingend am BEM-Verfahren beteiligt Als Arbeitgeberin bzw. Arbeitgeber sind Sie als Arbeitgeberin oder Arbeit- müssen Sie sicherstellen, dass Arbeits- geber und die BEM-berechtigte Person. unfähigkeitszeiten von sechs Wochen Darüber hinaus können weitere interne und mehr in den vergangenen zwölf und externe Personen bzw. Institutionen Monaten regelmäßig erfasst und ent- am BEM beteiligt werden. In Betracht sprechend ausgewertet werden. kommen insbesondere: • betriebliche Interessenvertretung • Schwerbehindertenvertretung • Betriebsärztin bzw. Betriebsarzt Tipp: In der Praxis hat es sich be- • behandelnde Ärztinnen bzw. Ärzte währt, eine im Betrieb anerkannte und Therapeutinnen bzw. Therapeuten Person zur bzw. zum „BEM-Beauf- • Fachkraft für Arbeitssicherheit tragten“ zu benennen. Der oder die • Rehabilitationsträger (z. B. gesetzli- „BEM-Beauftragte“ kümmert sich im che Kranken-, Renten- oder Unfallver- Auftrag der Arbeitgeberin oder des sicherung, Bundesagentur für Arbeit) Arbeitgebers um den BEM-Prozess • Integrationsamt bei Menschen mit und kann gleichzeitig Ansprechper- Behinderung son für die Rehabilitationsträger sein. Tipp: Wenn BEM den Themenbereich Sucht berührt, unterstützen Sucht beratungsstellen. Ein Verzeichnis finden Sie bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung auf www.bzga.de unter „Service“ > „Beratungsstellen“ > „Suchtprobleme“. 16
Wer sind die Beteiligten? Die BEM-berechtigte Person steht im Die Schwerbehindertenvertretung ver- Mittelpunkt aller Aktivitäten des BEMs. fügt über Erfahrung in der persönlichen Für sie ist die Teilnahme freiwillig. Als Beratung von Personen mit gesund- Arbeitgeberin bzw. Arbeitgeber müssen heitlichen Problemen und bei der Be- Sie daher in jedem Einzelfall deren Zu- antragung von Leistungen zur Teilhabe. stimmung einholen. Beteiligen Sie die Schwerbehinderten- vertretung bei der Ausgestaltung des Ein BEM-Prozess wird nur dann erfolg- BEM-Verfahrens in Ihrem Betrieb. Mit Zu- reich sein, wenn Sie nicht über die stimmung der berechtigten Person kann BEM-berechtigen Beschäftigten hinweg, sie an BEM-Gesprächen teilnehmen. sondern mit ihnen gemeinsam Lösungs- wege suchen und beschreiten. Das BEM In geeigneten Fällen sowie mit Zustim- lebt von einer vertrauensvollen Ge- mung der BEM-berechtigten Person sprächskultur, welche wiederum einen llten Sie die Betriebsärztin bzw. den s o wichtigen Aspekt der betrieblichen Prä- Betriebsarzt möglichst frühzeitig hinzu- ventionskultur darstellt. Da die Teilnah- ziehen. Dies bietet sich insbesondere me am BEM-Verfahren sowie den damit an, wenn medizinisches Wissen verbundenen Gesprächen für die be- erforderlich ist. Beispielsweise kann dies rechtigte Person freiwillig ist, handelt es vorteilhaft sein, wenn mit der behandeln- sich nicht um ein klassisches Kranken- den Ärztin bzw. dem behandelnden Arzt rückkehrgespräch. oder einer Klinik das individuelle Leis- tungsbild mit dem Anforderungsprofil Die betriebliche Interessenvertretung am Arbeitsplatz abgeglichen werden soll. hat das Recht, eine betriebliche Re- Auch eine stufenweise Wiedereingliede- gelung zur Durchführung des BEMs zu rung kann so vorbereitet werden. fordern. Die Interessenvertretung über- wacht und unterstützt das BEM. Mit Zu- stimmung der berechtigten Person kann sie an BEM-Gesprächen teilnehmen. In Tipp: Eine Beteiligung der Betriebs- Betrieben, in denen es keine Interessen- ärztin bzw. des Betriebsarztes an vertretung gibt, ist ein BEM dennoch an- Gesprächen zum BEM ist auch tele- zubieten. arbeitsmedizinisch denkbar. 17
Wer sind die Beteiligten? Die Fachkraft für Arbeitssicherheit kann sprechstellen der Rehabilitationsträger mit ihrem Wissen zu Belastungen und und bei Menschen mit Behinderung das Gefährdungen und der Gestaltung von Integrationsamt zu beteiligen. Art und Arbeitsplätzen im Einzelfall wertvolle Umfang einer möglichen Unterstützung Unterstützung leisten. finden Sie im Abschnitt „Wer kann Sie unterstützen?“. In größeren Betrieben Sofern Beschäftigte im Rahmen des wird häufig ein BEM-Team gebildet, in BEMs Leistungen zur Teilhabe oder be- dem Vertreterinnen und Vertreter aller gleitende Hilfen im Arbeitsleben benö- Beteiligten gemeinsam den Prozess ge- tigen, sind Sie als Arbeitgeberin bzw. stalten. Arbeitgeber gehalten, die örtlichen An- 18
Wie gehen Sie vor? Um ein BEM-Verfahren erfolgreich kleinere und größere Betriebe gleich. durchführen zu können, sollten Sie un- Der Unterschied liegt in der Anzahl der bedingt systematisch vorgehen. Die Beteiligten und dem Umfang der inner- grundsätzlichen Schritte sind dabei für betrieblichen Regelungen. BEM-Schritte im Kleinbetrieb Zusätzliche Module im Großbetrieb Feststellen der Arbeits- BEM-Team unfähigkeit 6 Wochen BEM-Betriebs-/ Kontaktaufnahme Dienstvereinbarung Prozessbeschreibung Erstgespräch und Mustervorlagen BEM-Gespräch(e) IT-gestützte Auswertung Maßnahmenumsetzung und -überprüfung Abschluss Abb. 2 BEM-Verfahren im Klein- und Großbetrieb 19
Wie gehen Sie vor? 1. Feststellen der Arbeitsunfähigkeit Zustimmung oder Ablehnung zum BEM Sie als Arbeitgeberin bzw. Arbeitgeber sollten jeweils in der Personalakte der sind für die Feststellung der Dauer der BEM-berechtigten Person dokumentiert Arbeitsunfähigkeit verantwortlich. Wenn werden. Beschäftigte erkranken, müssen Sie prü- fen, ob innerhalb der vergangenen zwölf Monate ununterbrochen oder in Summe krankheitsbedingte Fehlzeiten von mehr Tipp: Auch wenn die BEM-berech- als sechs Wochen auftraten. Sind die tigte Person BEM-Verfahren wieder- Voraussetzungen erfüllt, wird das BEM- holt abgelehnt hat, ist bei erneuter Verfahren eingeleitet. Überschreitung einer sechswöchigen Arbeitsunfähigkeit ein weiteres BEM- 2. Kontaktaufnahme Angebot zu unterbreiten. Sie als Arbeitgeberin bzw. Arbeitgeber oder Ihre Vertretung nehmen Kontakt mit der BEM-berechtigten Person auf und bieten Unterstützung bei der Rückkehr 3. Erstgespräch an. Hierbei empfiehlt sich die Schrift- Das Gespräch zielt darauf ab, Vertrau- form. Telefonate oder Besuche können en aufzubauen bzw. zu erweitern. Sie die schriftliche Kontaktaufnahme ergän- als Arbeitgeberin bzw. Arbeitgeber oder zen. Es ist wichtig, dass Sie eine vertrau- eine von Ihnen beauftragte Person infor- ensvolle Basis schaffen. Wesentliche miert die BEM-berechtigte Person über Inhalte zum Einladungsschreiben finden alle Aspekte des BEM-Verfahrens inklu- Sie unter dem Abschnitt „Was regelt das sive der Ziele und des Datenschutzes. Gesetz?“. Ist die BEM-berechtigte Per- Offen gebliebene Fragen werden beant- son einverstanden, wird ein Termin für wortet. Auf dieser Grundlage kann sich ein Erstgespräch vereinbart. Ist sie nicht die BEM-berechtigte Person nochmals bereit, an der betrieblichen Wiederein- bewusst für oder gegen eine Teilnahme gliederung teilzunehmen, endet das entscheiden. Inhalt und Ergebnis des BEM an dieser Stelle. Gesprächs sollten Sie in einer separa- ten BEM-Akte dokumentieren. Sofern die Zustimmung zum BEM vorliegt, wird gemeinsam mit der BEM-berechtigten 20
Wie gehen Sie vor? Person beschlossen, wer im nächsten Es kann sehr sinnvoll sein, hier auf die Schritt ggf. zusätzlich mit eingebunden Expertise weiterer Beteiligter (siehe werden soll (siehe Abschnitt „Wer sind Abschnitt „Wer sind die Beteiligten?“) die Beteiligten?“). zurückzugreifen. Über die Teilnahme dieser unterstützenden Personenkreise Der nachfolgend dargestellte Schritt entscheidet die BEM-berechtigte Person „BEM-Gespräch(e)“ kann insbesondere vorab im Erstgespräch. Alle Beteiligten bei Kleinbetrieben auch im Rahmen des unterliegen der Schweigepflicht. Erstgesprächs erfolgen. Die oder der BEM-Berechtigte bleibt 4. BEM-Gespräch(e) jederzeit Hauptperson des Verfahrens. Ziel ist das Festlegen des weiteren Vor- Diese sollte direkt nach ihren Ideen und gehens – im besten Falle vor der Rück- Lösungsvorschlägen gefragt werden. Auf kehr der bzw. des erkrankten Beschäf- dieser Grundlage werden anschließend tigten. Zur Vorbereitung müssen alle gemeinsam Maßnahmen entwickelt. notwendigen Informationen zusam- Diese können auch nur vorübergehend mengestellt werden, die der Wiederein- sein. gliederung der BEM-berechtigten Per- son dienen. Hierzu zählen die künftig Beispiele sind: zu erwartende Leistungsfähigkeit, die • Beschaffung und / oder Einsatz von Qualifikation sowie die Ziele der BEM- technischen Hilfsmitteln berechtigten Person. Auch die Arbeits- • Anpassung des Arbeitsplatzes platzanforderungen und Auswertungen • Anpassung der Arbeitszeiten der Gefährdungsbeurteilung sind zu be- • Vermeidung von Kundenkontakten rücksichtigen. oder Dienstreisen in einem definier- ten Zeitraum • Stufenweise Wiedereingliederung Tipp: Informative Unterlagen, kom- petente Ansprechpersonen zum BEM und bekannte Gesprächsleitfäden er- leichtern die BEM-Gespräche. 21
Wie gehen Sie vor? Tipp: Oftmals wird die stufenweise Da Vorgesetzte eine wesentliche Verant- Wiedereingliederung (es wird auch wortung während der Maßnahmenum- vom „Hamburger Modell“ gespro- setzung haben, sollten sie nach Zustim- chen) mit dem BEM verwechselt. Bei mung durch die BEM-berechtigte Person der stufenweisen Wiedereingliede- frühzeitig im Prozess der Maßnahmen- rung erstellt die behandelnde Ärztin entwicklung beteiligt werden. oder der behandelnde Arzt gemein- sam mit einer oder einem erkrankten Sollte aufgrund der Erkrankung ein Ein- Beschäftigten einen Stufenplan zur satz am alten Arbeitsplatz nicht mehr schrittweisen Rückkehr zur Arbeit. möglich sein, muss über eine alternative Arbeitszeit und die Arbeitsbelastung Tätigkeit nachgedacht werden. Dazu werden zuerst reduziert und dann muss die BEM-berechtigte Person ggf. über einen festgesetzten Zeitraum entsprechend qualifiziert werden. Wenn Schritt für Schritt wieder gesteigert. dies erforderlich ist, sollte zur Klärung Voraussetzung dafür ist das ärztli- einer möglichen Kostenübernahme che Befürworten sowie die Prognose, auch der zuständige Rehabilitations dass eine volle Belastbarkeit der oder träger mit eingebunden werden. des Erkrankten langfristig wieder er- reicht werden kann. Mit Einverständ- nis der oder des Beschäftigten kann sich die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt mit der Betriebs- ärztin oder dem Betriebsarzt über die Arbeitsbelastung abstimmen. Die stufenweise Wiedereingliederung ist somit kein BEM, aber sie kann im Rahmen eines BEMs zum Überwin- den von Arbeitsunfähigkeitszeiten eingesetzt werden. 22
Wie gehen Sie vor? 5. Maßnahmenumsetzung und 6. Abschluss -überprüfung Am Ende des BEMs sollten Sie als Arbeit- Alle am BEM Beteiligten sind im Rah- geberin bzw. Arbeitgeber die berechtigte men ihrer Zuständigkeit dafür verant- Person z. B. in einem Abschlussgespräch wortlich, dass die vereinbarten Maßnah- zum Erfolg der Eingliederung und zu men schriftlich festgehalten und zeitnah ihrer Arbeitsplatzsituation befragen. Das umgesetzt werden (z. B. in einem Ein- BEM wird beendet, wenn die definierten gliederungsplan). Die BEM-berechtig- Ziele erreicht sind. Das BEM gilt auch als te Person wird während der Durchfüh- abgeschlossen, wenn keine Maßnah- rung der Maßnahmen begleitet und men nötig, möglich oder erfolgreich wa- unterstützt. Dabei können auftretende ren. Der Beginn und das Ende des BEM- Schwierigkeiten frühzeitig erkannt und Verfahrens sind in der Personalakte zu beseitigt werden. Es ist dann zu prüfen, dokumentieren. ob die eingeleiteten Maßnahmen erfolg- reich waren. 23
Wie gehen Sie mit den Daten um? Ein wirksamer und sorgfältiger Daten- Das sind: schutz ist eine Grundvoraussetzung für • BEM-Angebot das BEM. Ihm kommt eine besondere • Aufklärung über Art und Umfang Bedeutung zu, da das Gelingen oder erforderlicher, erhobener und Scheitern der Wiedereingliederungs- verwendeter Daten maßnahmen ganz wesentlich vom Ver- • Zustimmung bzw. Ablehnung durch trauen der Mitarbeiterinnen und Mit- Beschäftigte arbeiter abhängt. • konkrete Maßnahmen, die zur Über- windung von Arbeitsunfähigkeit angeboten und umgesetzt wurden • BEM-Abschluss Tipp: Treffen Sie zum Schutz der Daten schriftliche Regelungen zur Daten wie ärztliche Angaben und Gut- Verschwiegenheit der am BEM- achten, Stellungnahmen der Rehabili- Verfahren beteiligten Personen. tationsträger oder des Integrationsfach- dienstes gehören hingegen nicht in die Personalakte. Sie sind getrennt in einer BEM-Akte unter Verschluss aufzube- Eine erfolgreiche Zusammenarbeit der wahren. Eine Weitergabe der Daten mit am BEM beteiligten Personen erfordert Gesundheitsbezug darf nur mit schriftli- den Austausch schützenswerter Infor- cher Zustimmung der bzw. des Beschäf- mationen. Es gilt daher in jedem Einzel- tigten erfolgen. Alle Informationen, die fall sensibel abzuwägen, was Sie als im Zusammenhang mit dem BEM erho- Arbeitgeberin oder Arbeitgeber wissen ben und getrennt von der Personalakte müssen bzw. dürfen. Umgekehrt ist aber aufbewahrt werden, sind zu vernichten, auch zu überlegen, was die BEM-berech- wenn sie nicht mehr benötigt werden tigten Beschäftigten Ihnen als Arbeit- (in der Regel spätestens nach drei Jahren). geberin bzw. Arbeitgeber gegenüber an Krankheits- und ggf. auch Behinde- rungsdaten offenlegen sollten, damit das BEM zielführend sein kann. Es gibt Daten, die der Betrieb in der Personal akte dokumentieren darf und sollte. 24
Wie gehen Sie mit den Daten um? Tipp: Bieten Sie der BEM-berechtig- Als Arbeitgeberin bzw. Arbeitgeber dür- ten Person die BEM-Akte vor deren fen Sie medizinische oder weitere per- Vernichtung zur eigenen Verwahrung sonenbezogene Daten, die Ihnen im an. Rahmen des BEMs bekannt werden, nicht für andere Zwecke nutzen. Keines- falls dürfen diese Daten im Zusammen- hang mit krankheitsbedingten Kündi- Medizinische Diagnosen sind zur Durch- gungen verwendet werden. führung des BEMs grundsätzlich nicht erforderlich. Benötigt werden im BEM- Prozess allerdings Daten zu gesund- heitsbedingten Einschränkungen der Tipp: Auf eine elektronische Speiche- Einsatzmöglichkeit sowie die Verände- rung von BEM-Daten sollte verzichtet rung von Fähigkeiten der BEM-berech- werden. Ansonsten besteht die Ge- tigten Person. fahr, dass unberechtigte Personen zu leicht Zugang zu sensiblen Daten erhalten. BEM-Akte 25
Welche rechtlichen Aspekte sind wichtig? Seit der gesetzlichen Verankerung des lungen. Besondere Bedeutung erlangen BEM im Jahre 2004 beschäftigen sich die Urteile für den Bereich der krank- auch die Gerichte mit Inhalt und Gren- heitsbedingten Kündigungen. Hier ent- zen des BEM-Verfahrens. Zuständig für falten sie eine regulierende Wirkung und rechtliche Auseinandersetzungen in die- stärken die Rechte der Beschäftigten. sem Bereich sind die Arbeitsgerichte bis Gerichte prüfen im Rahmen von Kündi- hin zum Bundesarbeitsgericht sowie die gungsschutzklagen, ob dem Anspruch Verwaltungsgerichte. auf gesundheitsgerechte Beschäftigung und der möglichen rechtskonformen Die Entscheidungen der Gerichte kon- Vermeidung krankheitsbedingter Kün- kretisieren den gesetzlichen Geltungs- digungen mit der ordnungsgemäßen bereich sowie die formalen Voraus- Durchführung eines BEMs Genüge getan setzungen eines ordnungsgemäßen wurde. BEM-Verfahrens. Sie stärken die Infor- mationsrechte sowie die Mitbestim- Leitsätze von gerichtlichen Entscheidun- mungs- und Beteiligungsrechte der gen sind unter Nennung der Fundstellen betrieblichen Interessenvertretung im im Anhang aufgelistet. Kontext möglicher und konkreter BEM- Verfahren. Ferner thematisieren die Ge- richte datenschutzrechtliche Fragestel- Tipp: Urteile finden Sie unter www.rehadat-recht.de > „Arbeit/Be- schäftigung“ > „Betrieblicher Arbeits- und Gesundheitsschutz/Prävention“. 26
Wer kann Sie unterstützen? i nnerbetriebliche Umsetzung und Qualifizierungsmaßnahmen). Wie bereits im Abschnitt „Wer sind die Die UVT verfügen über langjährige Beteiligten?“ ausgeführt, kommen eine Erfahrungen bei der Eingliederung Reihe von Personen und Institutionen als von Versicherten in den betrieblichen Unterstützende bei der Umsetzung von Alltag nach einem Arbeitsunfall oder BEM in Frage. Die folgenden Institutio- einer Berufskrankheit. Auch wenn nen haben hierbei eine besondere Rolle: das nicht der Fall ist, kann eine Be- ratung zur Wiedereingliederung mög- Unfallversicherungsträger (UVT) lich sein, denn die UVT haben den Auf der Internetseite der DGUV erhalten Auftrag, arbeitsbedingte Gesund- Sie allgemeine Hinweise zum BEM heitsgefahren zu verhüten. (www.dguv.de; webcodes d1182856 und Zudem verfügen UVT über Ansprech- e1085784). Unfallversicherungsträger stellen, die bei der Erkennung von unterstützen Sie darüber hinaus sowohl Rehabilitationsbedarfen unterstützen beim BEM im konkreten Einzelfall als und über Leistungen zur Teilhabe am auch beim Aufbau der grundsätzlichen Arbeitsleben informieren (§ 12 SGB IX Struktur im Betrieb: Maßnahmen zur Unterstützung der frühzeitigen Bedarfserkennung). • Einzelfallberatung Dies ist immer dann eine verpflich- • Strukturberatung zur Einführung oder tende Aufgabe für den Unfallversi- Weiterentwicklung eines BEMs cherungsträger, wenn der Anlass für Ihr Unfallversicherungsträger unter- die Arbeitsunfähigkeit ein Arbeits- stützt Sie beim grundsätzlichen Vor- unfall oder eine Berufskrankheit ist. gehen im BEM, z. B. beim Aufbau von Dabei geht es neben der optimalen Strukturen und Prozessen. Dies trägt medizinischen Rehabilitation auch dazu bei, das BEM nachhaltig im Be- um die Sicherstellung des vorhande- trieb ein- bzw. durchzuführen. Die nen Arbeitsplatzes durch technische, UVT haben die Möglichkeit, den be- organisatorische und persönliche trieblichen Bedarf zu ermitteln und Maßnahmen (z. B. stufenweise Wie- die notwendigen Kontakte zu internen dereingliederung, Anpassung des oder externen Institutionen und Exper- Arbeitsplatzes, Hilfsmitteleinsatz, tinnen und Experten herzustellen. 27
Wer kann Sie unterstützen? Einige UVT führen spezielle Seminare • Angebote zur Umsetzung eines ge- oder Inhouse-Schulungen zur Imple- sundheitsförderlichen Arbeits- und mentierung und Durchführung eines Lebensstils (z. B. Stressbewältigung, BEMs durch. Auch werden zum Teil the- Bewegungsförderung, Ernährung und menbezogene Schriften angeboten. Suchtprävention) Rentenversicherungsträger Agenturen für Arbeit Rentenversicherungsträger bieten mit Agenturen für Arbeit arbeiten regional dem Firmenservice ein neues Unterstüt- und unterstützen u. a. durch: zungsangebot und sind beispielsweise • Beratung zur Rehabilitation in folgenden Feldern aktiv: • Hilfe beim BEM • Leistungen zur medizinischen • Leistungen zur Teilhabe am Arbeits- Rehabilitation leben (inner- und außerbetriebliche • Beratung zur Rehabilitation Qualifizierungsmaßnahmen, Probe- • Hilfe beim BEM beschäftigung und Eingliederungs • Leistungen zur Teilhabe am Arbeits- zuschuss, Technische Hilfen am leben (inner- und außerbetriebliche Arbeitsplatz) Qualifizierungsmaßnahmen, Probe- beschäftigung und Eingliederungs- Integrations- und Inklusionsämter zuschuss, Technische Hilfen am Integrations- und Inklusionsämter bie- Arbeitsplatz) ten im Rahmen der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben beispielsweise an: Krankenkassen • Unterstützung bei der Suche geeigne- Krankenkassen können BEM insbeson- ter Arbeitsplätze und deren behinder- dere durch folgende Leistungen unter- tengerechter Gestaltung (Technische stützen: Beratung) • Krankengeldzahlung im Fall der • finanzielle Leistungen in Form von stufenweisen Wiedereingliederung Zuschüssen, Darlehen und Prämien (da die einzugliedernde Person in (auch um ein BEM einzuführen) diesem Fall weiterhin als erkrankt/ • Unterstützung eines betrieblichen In- arbeitsunfähig gilt) tegrationsteams z. B. durch Bildungs- • Angebote zur gesundheitsförder und Informationsangebote lichen Arbeitsgestaltung • Beratung zum BEM im Einzelfall 28
Wer kann Sie unterstützen? • Psychosoziale Betreuung, um z. B. Gemeinsame Ansprechstellen schwerwiegende Konflikte zu lösen für Rehabilitation Gemeinsame Ansprechstellen für Re- Integrationsfachdienste habilitation (www.ansprechstellen.de) Integrationsfachdienste werden in sichern eine trägerübergreifende, um- der Regel vom Integrationsamt beauf- fassende und individuelle Beratung tragt. Sie beraten und unterstützen die sowie die Weiterleitung an die entspre- schwerbehinderten Menschen sowie die chenden Rehabilitationsträger zu. Hier Arbeitgebenden und helfen bei der Be- werden Sie über Leistungen, Leistungs- antragung von Leistungen, wie z. B.: voraussetzungen sowie über Verwal- • Zuschüsse/Darlehen zu den Investi- tungsabläufe der einzelnen Rehabilita- tionskosten eines Arbeitsplatzes tionsträger informiert. Sie wirken darauf • Kostenübernahme des behinderungs- hin, dass alle erforderlichen Leistungen bedingten Mehraufwands und Hilfen unverzüglich beantragt und • Lohnkostenzuschüsse erbracht werden. (Eingliederungszuschüsse) • Zuschüsse und Prämien bei schwer- behinderten Auszubildenden 29
Wie geht es nach dem BEM weiter? Zur Überprüfung der Wirksamkeit des Erfahrungen und Ergebnisse aus den BEMs empfiehlt es sich, anonymisierte einzelnen BEM-Verfahren können Ih- Daten aus den BEM-Verfahren auszu- nen wichtige Hinweise zur Vorbeugung werten. Bei der Festlegung von Kennzah- künftiger Ausfallzeiten liefern und soll- len sind die betrieblichen Interessen- ten daher regelmäßig und systematisch vertretungen zu beteiligen. Weiterhin ausgewertet werden. Rückmeldungen kann es in Ihrem Betrieb neben der der Teilnehmenden nach Abschluss reinen Auswertung von Arbeitsunfähig- oder Abbruch des BEMs können dazu keitsdaten hilfreich sein, die einzelnen beitragen, den BEM-Prozess in Ihrem Arbeitsbereiche und die Altersstruktur Betrieb stetig zu verbessern. der erkrankten Personen zu analysieren. Beachten Sie immer auch die Schnitt- stellen des BEMs zur betrieblichen Prä- vention bei der Arbeit (z. B. Beurteilung Tipp: Überprüfen Sie auch das BEM- der Arbeitsbedingungen, Betriebliches Verfahren an sich. Was hat gut ge- Gesundheitsmanagement). klappt? Was ist verbesserungsbe- dürftig? Passen Sie das Verfahren erforderlichenfalls an! 30
Wie geht es nach dem BEM weiter? Immer wieder geht es im Rahmen von Tipp: Denken Sie auch daran, die BEM um individuelle Einschränkungen, Beteiligungsquote am BEM systema- Möglichkeiten und Maßnahmen. Behal- tisch zu erfassen. Sie ist ein wertvol- ten Sie im Blick, dass auch die Chance les Indiz bei der Klärung der Frage, besteht, aus individuellen BEM-Maß- ob Ihre Beschäftigten BEM als attrak- nahmen Ableitungen zum Wohle der ge- tives Angebot wahrnehmen. Beach- samten Belegschaft zu realisieren. Eine ten Sie aber: Berechtigte Personen Hebehilfe ist beispielsweise nicht nur können viele Gründe für die Ableh- für Beschäftigte von Vorteil, die nach nung von BEM haben; auch, dass sie einer längeren Ausfallzeit aufgrund von tatsächlich keine Unterstützung bei Rückenproblemen an den Arbeitsplatz der Überwindung und Prävention von zurückkehren. Solch eine technische Arbeitsunfähigkeiten benötigen. Einrichtung kann auch dazu beitragen, die Belastungen der Beschäftigten zu verringern, welche bislang noch kei- ne Probleme mit dem Muskel-Skelett- System hatten. 31
Anhang Die im Abschnitt „Welche rechtlichen Aspekte sind wichtig?“ erwähnten Leitsätze von gerichtlichen Entscheidungen sind für Sie in der nachfolgenden Tabelle unter Nennung der Fundstellen aufgelistet. Aspekt: I Zur Zielsetzung und zum Verfahren Fundstelle Einleitung Für die Einleitung und Durchführung eines betrieblichen Einglie- BAG v. 11/2014 und Durch- derungsmanagements trägt der Arbeitgeber die Initiativlast. 2 AZR 755/13 führung Soweit die Voraussetzungen für ein solches Verfahren vorliegen, muss der Arbeitgeber ein BEM-Verfahren einleiten. Einladung Ein ordnungsgemäßes BEM-Verfahren bedarf einer ordnungsge- LAG Hessen v. mäßen Einladung, ein pauschaler Hinweis reicht nicht aus. Zum 13.08.2018 Umfang der Unterrichtung gehört auch der konkrete Hinweis auf 16 SA 1466/17 die eventuelle Beteiligung aller gesetzlich vorgesehenen Stellen. Ein pauschaler Verweis auf eine etwaige Betriebsvereinbarung zum betrieblichen Eingliederungsmanagement, die ihrerseits ge- gebenenfalls nähere Regelungen aufweist, genügt ebenso wenig, wie ein schlichter Hinweis auf den Gesetzestext. Ziel Durch die dem Arbeitgeber […] auferlegten besonderen Verhal- BAG v. 12.07.2007 tenspflichten soll möglichst frühzeitig einer Gefährdung des 2 AZR 716/06 Arbeitsverhältnisses eines kranken Menschen begegnet und die dauerhafte Fortsetzung der Beschäftigung erreicht werden. Ziel des betrieblichen Eingliederungsmanagements ist – wie das der gesetzlichen Prävention […] – die frühzeitige Klärung, ob und wel- che Maßnahmen zu ergreifen sind, um eine möglichst dauerhafte Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses zu fördern (vgl. BAG v. 04.10.2005 – 9 AZR 632/04 – BAGE 116, 121). Prozess Das BEM-Verfahren muss als organisierter Suchprozess gestaltet LAG Niedersachsen werden, d. h. es ist zu prüfen, ob und ggf. in welcher Weise der v. 13.09.2018 Arbeitnehmer (wieder) beschäftigt werden kann. 6 Sa 180/18 ArbG Berlin v. 16.10.2015 28 Ca 9065/15 33
Anhang Aspekt: I Zur Zielsetzung und zum Verfahren Fundstelle Also: BAG v. 10.12.2009 … ein verlaufs- und ergebnisoffener Suchprozess, der individuell 2 AZR 400/08 angepasste Lösungen zur Vermeidung zukünftiger Arbeitsun fähigkeit ermitteln soll. Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kann sich die Ver- BAG v. 20.11.2014 pflichtung des Arbeitgebers ergeben, dem Arbeitnehmer vor einer 2 AZR 755/13 Kündigung die Chance zu bieten, ggf. spezifische Behandlungs- maßnahmen zu ergreifen, um dadurch die Wahrscheinlichkeit LAG Rheinland- künftiger Fehlzeiten auszuschließen. Ergebnis kann auch sein, Pfalz v. 25.04.2018 den Arbeitnehmer auf eine Maßnahme der Rehabilitation zu ver- 7 Sa 477/17 weisen. Der Rahmen kann sehr weit sein, Beispiel: LAG Hessen Beruhen die Fehlzeiten eines Arbeitnehmers auf einer überdurch- 06/2013 schnittlichen Krankheitsanfälligkeit, so kann Gegenstand eines 21 Sa 1456/12 Eingliederungsmanagements auch die Erarbeitung eines umfas- senden Konzeptes zur Änderung der generellen (d.h. auch priva- BAG v. 20.11.2014 ten) Lebensweise sein, damit der Arbeitnehmer auf diese Weise 2 AZR 755/13 seine gesundheitliche Verfassung, gerade bei körperlich anstren- genden Tätigkeiten, verbessert und damit seine Krankheitsanfäl- ligkeit mindert. Auch wenn die Umsetzung des im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements erarbeiteten Konzeptes nicht dem Arbeitgeber, sondern dem Arbeitnehmer obliegt, ist die Erarbei- tung eines derartigen Konzeptes noch Bestandteil des betriebli- chen Eingliederungsmanagements. Eindeutiges Der Arbeitgeber kann nicht auf das Angebot eines BEM-Verfah- BAG v. 12.02.2007 Angebot rens mit der Behauptung verzichten, der Arbeitnehmer hätte 2 AZR 716/06 einem solchen Vorgehen ohnehin nicht zugestimmt. Der Betroffe- ne muss eindeutig aufgefordert werden und ein entsprechendes BEM-Angebot ist zwingend zu unterbreiten. 34
Anhang Aspekt: I Zur Zielsetzung und zum Verfahren Fundstelle Mindest- Ausgangspunkt für Anforderungen an ein ordnungsgemäßes BAG 12/2009 anforde- BEM-Verfahren ist das Gesetz, das weder konkrete inhaltliche 2 AZR 198/09 rungen Anforderungen noch bestimmte Verfahrensschritte des betrieb- lichen Eingliederungsmanagements vorsieht. Es benennt ledig- lich die zu beteiligenden Personen und Stellen und fordert vom Arbeitgeber, mit diesen die Möglichkeit zu „klären“, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit wel- chen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorge- beugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Das Gesetz … beschreibt … den Klärungsprozess danach nicht als formalisiertes Verfahren, sondern lässt den Beteiligten jeden denkbaren Spielraum. Offenbar soll so erreicht werden, dass keine der vernünftigerwei- se in Betracht kommenden Möglichkeiten ausgeschlossen wird. Das Gesetz vertraut darauf, dass die Einbeziehung von Arbeit- geber, Arbeitnehmer, Betriebsrat und externen Stellen sowie die abstrakte Beschreibung des Ziels ausreichen, um die Vorstellun- gen der Betroffenen sowie internen und externen Sachverstand in ein faires und sachorientiertes Gespräch einzubringen, dessen Verlauf im Einzelnen und dessen Ergebnis sich nach den – … – Er- fordernissen des jeweiligen Einzelfalls zu richten haben. Demnach geht es um die Etablierung eines unverstellten sowie verlaufs- und ergebnisoffenen Suchprozesses. Ein betriebliches Eingliederungsmanagement entspricht den gesetzlichen Erfordernissen, wenn es die zu beteiligenden Perso- nen und Stellen unterrichtet und diese – ggf. abhängig von ihrer Zustimmung – einbezieht und kein vernünftigerweise im Betracht zu ziehendes Ergebnis ausschließt und die von diesen Personen und Stellen eingebrachten Vorschläge erörtert. Hinweis- Arbeitgeber muss darauf hinweisen, dass von ihm die örtlichen LAG Hessen v. pflicht gemeinsamen Servicestellen (ab 01.01.2018 Rehabilitationsträ- 13.08.2018 ger) hinzugezogen werden, sofern Leistungen zur Teilhabe oder 16 Sa 1466 / 17 begleitenden Hilfen im Arbeitsleben in Betracht kommen. Die Beteiligung der gesetzlich dafür vorgesehenen Stellen ist Min- deststandard eines betrieblichen Eingliederungsmanagements. 35
Anhang Aspekt: I Zur Zielsetzung und zum Verfahren Fundstelle Umsetzung Sobald das BEM zu einem positiven Ergebnis geführt hat, ist der BAG v. 10.12.2009 Arbeitgeber verpflichtet, dieses umzusetzen (im zitierten Fall war 2 AZR 400/08 dies die Empfehlung der Betriebsärztin). LAG Schleswig-Hol- stein v. 11.04.2018 6 SA 361/17 Eigenver- Aber es gibt auch eine Eigenverantwortung des Arbeitnehmers. BAG 12/2009 antwortung Das betriebliche Eingliederungsmanagement verlangt vom Arbeit- 2 AZR 198/09 geber nicht, bestimmte Vorschläge zu unterbreiten. Vielmehr hat es jeder am betrieblichen Eingliederungsmanagement Beteiligte – auch der Arbeitnehmer – selbst in der Hand, alle ihm sinnvoll erscheinenden Gesichtspunkte und Lösungsmöglichkeiten in das Gespräch einzubringen. 36
Anhang Aspekt: II Zur Mitbestimmung im Rahmen eines betrieblichen Fundstelle Eingliederungsmanagements Initiativrecht Bei der Ausgestaltung der „Klärung von Möglichkeiten“ eines Ein- BAG v. gliederungsmanagements … durch generelle Verfahrensregelungen 22.03.2016 steht dem Betriebsrat ein Initiativrecht nach BetrVG zu. 1 ABR 14/14 Betriebsrat kann im Rahmen des Klärungsprozesses seine Unter- richtung und eine Beratung mit dem Ziel der Verständigung über die Möglichkeiten eines BEM verlangen. Mitbestimmungsrecht erfasst aber nur die Aufstellung von Verfah- rensgrundsätzen … (d. h. dem Betriebsrat steht kein umfassendes allgemeines Mitbestimmungsrecht zu). Überwachungs Der Arbeitgeber hat allen Arbeitnehmern bei Vorliegen der Voraus- BAG v. recht setzungen ein betriebliches Eingliederungsmanagement anzu- 07.02.2012 bieten. Dies hat der Betriebsrat zu überwachen (§ 84 Abs. 2 S. 7 1 ABR 46/10 SGB IX). Der Arbeitgeber kann die namentliche Benennung der Be- troffenen nicht von deren Zustimmung abhängig machen, da sonst der Betriebsrat seiner Verpflichtung zur Ausübung des gesetzli- chen Überwachungsrechts nicht nachkommen kann. Der Dienststellenleiter hat einem vom Personalrat bestellten Mit- VGH München glied regelmäßig (im zitierten Fall monatlich) die Namen der Be- v. 15.03.2016 schäftigten, denen ein betriebliches Eingliederungsmanagement 17 P 14.2689 anzubieten ist, unabhängig von der Zustimmung, mitzuteilen. Welche Auskünfte dem Antragsteller (PR) zur Wahrnehmung seiner BAG v. Überwachungsfunktion … zu erteilen sind, beurteilt sich am Maß- 07.02.2012 stab der Erforderlichkeit … 1 ABR 46/10 Die Mitteilung anonymisierter Daten reicht zur Wahrnehmung sei- ner Überwachungsaufgaben nicht aus. Schulungs Der Betriebsrat hat Anspruch auf Freistellung und Übernahme der BAG v. anspruch Schulungskosten zur Vermittlung von Kenntnissen zum betriebli- 14.01.2015 chen Eingliederungsmanagement, sofern dies erforderlich ist. 7 ARB 95/12 Die Schulung ist nicht notwendig, wenn die in der Schulungsver- anstaltung vermittelten Kenntnisse im Betriebsrat bereits (aus- BAG v. reichend) vorhanden sind. Bei der Prüfung der Erforderlichkeit hat 28.09.2016 der Betriebsrat die betriebliche Situation und die mit dem Besuch 7 AZR 699/14 der Schulungsveranstaltung verbundenen Belastungen des Arbeit- gebers zu berücksichtigen. Er hat darauf zu achten, dass der Schu- lungszweck in einem angemessenen Verhältnis zu den hierfür auf- zuwendenden Mitteln steht. 37
Anhang Aspekt: III Zur Wirksamkeit einer Kündigung Fundstelle Abwägung Eine Kündigung ist … entsprechend dem das Kündigungsrecht be- BAG v. der Mittel herrschenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unverhältnismäßig 29.01.1997 und damit rechtsunwirksam, wenn sie durch andere mildere Mittel 2 AZR 9/96 vermieden werden kann, … Der Arbeitgeber muss von mehreren gleich geeigneten, zumutbaren BAG v. Mitteln, dasjenige wählen, welches das Arbeitsverhältnis und den 12.07.2007 betroffenen Arbeitnehmer am wenigsten belastet. Eine Kündigung ist – 2 AZR als letztes Mittel nur zulässig, wenn der Arbeitgeber alle zumutbaren 714/06 Möglichkeiten zu ihrer Vermeidung ausgeschöpft hat … . Gibt es aber andere geeignete Mittel, ist die Kündigung nicht ge- rechtfertigt. Ein solch milderes Mittel ist das BEM an sich nicht. Dank des BEM können aber solche milderen Mittel, z. B. Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbe- dingungen … erkannt und entwickelt werden. Ob die Kündigung wegen unterlassener Durchführung eines BEM-Ver- BAG v. fahrens unwirksam ist, hängt (also) davon ab, ob bei Durchführung 12.07.2007 – des BEM Möglichkeiten zur Weiterbeschäftigung bestanden hätten. 2 AZR 714/06 Allein die Unterlassung begründet die Unwirksamkeit noch nicht. Wäre (aber) das BEM geeignet und erforderlich gewesen, die aus- LAG Hamm v. gesprochene Kündigung zu vermeiden, so ist die Kündigung wegen 24.01.2007 Sozialwidrigkeit rechtsungültig. 2 SA 991/06 LAG Berlin v. 27.10.205 10 Sa 783/05 38
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