Vergaberecht für Einsteiger - Auftragsberatungsstelle Hessen e.V. Wiesbaden, April 2021 - ABSt Hessen
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Wer ist die Auftragsberatungsstelle Hessen e.V. Die Auftragsberatungsstelle Hessen e. V. ist eine Gemeinschaftseinrichtung hessischer Kammern (10 Industrie- und Handelskammern, 3 Handwerkskammern, Ingenieurkammer und Architekten- und Stadtplanerkammer) und des Landes Hessen, vertreten durch das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen (HMWEVW). Auftragsberatungsstelle Was bietet die Auftragsberatungsstelle Hessen e.V.? Hessen e.V. Hessische Ausschreibungsdatenbank (HAD) elektronische Vergabeplattform (eHAD) Hessisches Präqualifikationsregister (HPQR / AVPQ) Beratung der in Hessen ansässigen Firmen und öffentlichen Auftraggeber Bereithaltung der wichtigsten Bestimmungen und Informationen unter: www.absthessen.de Seminare Termine unter: www.absthessen.de Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 2
Teil I Kernelemente, Begrifflichkeiten und Fragen im Zusammenhang mit entscheidenden Weichenstellungen vor dem Start und einer Teilnahme an einem Vergabeverfahren 1. Vergabegrundsätze = Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit, Gleichbehandlung 2. Gesetzessystematik = Welche Vorschrift ist anzuwenden? 3. EU-Schwellenwerte = Zweiteilung des Vergaberechts Gliederung 4. Subjektiver Anwendungsbereich = Wer ist öAG? 5. Objektiver Anwendungsbereich = Was ist ein Öffentlicher Auftrag; Ausnahmen 6. Auftragswertermittlung = § 3 VgV; ggfls.Markterkundung 7. Grundsatz der Losvergabe = Mittelstandsförderung Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 3
Teil II Rechtssicherer Ablauf von Vergabeverfahren für die Beschaffung; Wesentliche Eckpunkte für den Bieterschutz 1. Verfahrensarten = Ablauf und Überblick 2. Fristen 3. Eignungsanforderungen = Festlegung des Eignungsprofils 4. Vergabeunterlagen Gliederung 5. Nebenangebote 6. Leistungsbeschreibung = Grundsatz des LeistungsbestR vs. Produktneutralität 7. Auftragsbekanntmachung 8. Kommunikation = Bieterfragen und Antworten 9. Zusammenschlüsse von Bietern 10. Öffnung von Teilnahmeanträgen und Angeboten 11. Zuschlagskriterien = Festlegung, Bekanntmachung und Gewichtung 12. Angebotswertung = 4 Wertungs- bzw. Prüfungsstufen Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 4
Teil III Beendigung eines Verfahrens sowie Rechtschutz im Vergabeverfahren oberhalb und unterhalb der EU-Schwellenwerte 1. Bieterinformation 2. § 134 GWB = Informations- und Wartepflicht oSW 3. Zuschlagserteilung Gliederung 4. Beendigung oder Aufhebung eines Vergabeverfahrens 5. Vergabebekanntmachung 6. Dokumentation = Vergabeakte und Vergabevermerk 7. Überblick: Vorbereitung und Ablauf eines Verfahrens (öAG) 8. Überblick: Teilnahme an einem Verfahren (Bieter) Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 5
EU-weit werden > 400 000 Ausschreibungen pro Jahr veröffentlicht. Gesamtwert von ca. 300 Milliarden Euro (BMWi 2018) Öffentliches ca. 10-12% des Bruttoinlandsproduktes betroffen Beschaffungswesen in Zahlen… Von Dienstag bis Samstag werden Tag für Tag ca. 1.500 Bekanntmachungen über TED veröffentlicht. Zu jeder EU-Ausschreibung gibt es Informationen in den 24 EU-Amtssprachen. Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 6
Wettbewerb → Transparenz → Gleichbehandlung + Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit + soziale und umweltbezogene Aspekte Grundprinzipien des Vergaberechts: § 97 GWB Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 7
uSW oSW Richtlinien - RL2014/24/EU = öffentliche nationales AuftragsV - RL 2014/25/EU = Sektoren Haushaltsrecht - RL2014/23/EU = Konzessionen = HVTG Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, Landesrecht Gesetzessystematik §§ 97ff. GWB Vergabeveror VSVgV dnung (VgV) SektVO KonzVgV VergStatVO EU UVgO VOL/A VOB/A VOB/A Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 8
GPA – Weltweites Abkommen zur Öffnung der Märkte im oberhalb SW Öffentlichen Beschaffungswesen EG-Primärrecht: EG-Vertrag, EU-Richtlinien Europaweite Vergabeverfahren Zweiteilung des GWB → VgV → EU VOB/A Vergaberechts Nationale Vergabeverfahren Haushaltsrecht der Länder unterhalb SW Hessisches Vergabe- und Tariftreuegesetz (HVTG) Gemeinsamer Runderlass zum Öffentlichen Auftragswesen VOB/A, VOL/A Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 9
Schwellenwerte seit dem 01. Januar 2020* (§ 106 GWB, §§ 1,3 VgV) Liefer- + DL BauL klassische öffentl. Auftraggeber: 214.000 € 5.350.000 € Auftraggeber Sektoren / 428.000 € 5.350.000 € Verteidigung und Sicherheit EU-Schwellenwerte Konzessionen 5.350.000 € netto *alle zwei Jahre von EU-Kommission aufgrund GPA – abhängig von Wechselkursentwicklung der EU-Mitgliedstaaten 10
Auswirkungen national / uSW EU-weit / oSW Fristen „ausreichend, Kalendertage angemessen“ Veröffentlichung HAD TED, HAD verschiedene Medien Zuschlagserteilung sofort nach Wertung frühestens 10 Tage nach möglich Mitteilung Rechtsschutz Rechtsschutz vor Nachprüfungsverfahren Zivilgerichten Vergabekammern Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 11
AUFTRAGGEBER § 98 GWB Öffentlicher Auftraggeber § 99 GWB Subjektiver Anwendungsbereich Konzessionsgeber § 101 GWB Sektorenauftraggeber § 100 GWB Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 12
1. Gebietskörperschaften und deren Sondervermögen (Einheiten ohne eigene Rechtsfähigkeit) Bund, Länder, Gemeinden, Landkreise 2. Juristische Personen des öffentlichen / privaten Rechts = im Allgemeininteresse liegende Aufgaben, nicht gewerblicher Art, die überwiegend durch öAG finanziert werden oder über Leitung der juristischen Person Aufsicht ausüben §§ 98,99 GWB Hochschulen, Krankenhäuser, Museen, Entsorgungswesen 3. Verbände = Mitglieder fallen unter 1. oder 2. Zweckverbände (Wasser- , Abfallwirtschaft-), Arbeits- oder Einkaufskooperationen 4. Sektorenauftraggeber Natürliche oder juristische Personen des privaten Rechts im Bereich Trinkwasser, Energie, Verkehr 5. Konzessionsgeber Verträge, deren Gegenleistung aus dem Recht zur Nutzung eines Bauwerks oder zur Verwertung der Dienstleistung ggfls. zzgl. einer Zahlung besteht. Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 13
Bestimmt sich nach Haushaltsrecht (Vergabeerlass): Gebietskörperschaften: Bund, Land, Kommunen, Landkreise Aber auch: Zuwendungsempfänger, wenn der Zuwendungsbescheid des öffentlichen Zuwendungsgebers dies vorsieht. In Hessen zusätzlich nach Vergaberecht Hessen (§ 1 HVTG): Eigenbetriebe Anstalten nach SGB II (Einrichtungen der kommunalen Daseinsvorsorge) Kommunale Arbeitsgemeinschaften, Zweckverbände (aus öAG) AG im öffentlichen Personennahverkehr = Ausschließlich die Regelungen des HVTG/Vergabeerlass sind zu beachten. Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 14
Öffentliche Aufträge sind entgeltliche Verträge über die Beschaffung von Leistungen, § 103 GWB Lieferaufträge = Beschaffung von Waren Kauf-, Ratenkauf-, Leasing-, Pacht- oder Mietverträge Dienstleistungsaufträge = Erbringung von Leistungen Objektiver alle Form von Aufträgen, die nicht unter Liefer- oder Bauleistung fallen Anwendungsbereich Bauaufträge = Planungs- und Bauleistungen § 103 Abs. 3 Nr. 2 GWB: Ausführung oder die gleichzeitige Planung und Ausführung eines Bauvorhabens oder Bauwerks, das ein Ergebnis von Tief- und/oder Hochbauarbeiten ist und eine wirtschaftliche oder technische Funktion erfüllen soll. Ausnahmen vom VR sind in §§ 107 ff. GWB geregelt = Arbeitsverträge, Erwerb, Miete, Pacht von Grundstücken, Rechtsberatung bzgl. konkreten Rechtsstreit Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 15
Die Schätzung des Auftragswertes erfolgt nach folgender Regel: Ein pflichtgemäß geschätzter Auftragswert ist jener Wert, den ein umsichtiger und sachkundiger öffentlicher Auftraggeber nach Auftragswertermittlung sorgfältiger Prüfung des relevanten Marktsegmentes und im § 3 VgV Einklang mit den Erfordernissen betriebswirtschaftlicher Finanzplanung bei der Anschaffung der vergabegegenständlichen Sachen veranschlagen würde. Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 16
Voraussichtliche netto- Gesamtvergütung der Gesamtmaßnahme / Projekte inkl. Optionen und Vertragsverlängerungen (Rechtsgrundlage: § 3 VgV, § 1 EU VOB/A) Lose sind zu addieren (bei Lieferleistungen = nur gleichartige; die Auftragswerte von Bauleistungen, die zu einem einheitlichen Bauprojekt gehören, sind stets zusammenzurechnen, unabhängig davon, ob sie als Lose eines Vergabeverfahrens oder in getrennten Vergabeverfahren vergeben werden Bei regelmäßig wiederkehrenden Aufträgen, bei Rahmenvereinbarung oder Daueraufträgen über Liefer- und Dienstleistungen über gesamte Laufzeit wenn unbefristeter Vertrag = Wert für 48 Monate heranziehen (gilt auch für Laufzeit über 4 Jahre) Schätzungszeitpunkt: Tag der Einleitung des Verfahrens = Absendung Auftragsbekanntmachung Dokumentation der Schätzung Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 17
„Umgehungsverbot“ (§ 3 Abs. 2 VgV) Splittung zwecks Unterschreitung des Schwellenwertes kann im Nachprüfungsverfahren vor den Vergabekammern zur Aufhebung des Verfahrens führen, wenn Auftragswert tatsächlich oSW liegt und Bekanntmachung bei TED nachzuholen ist. Leistungen sind wertmäßig zusammenzurechnen, wenn: 1. ein ausreichend technisch-funktionaler Zusammenhang gegeben ist, d. h. Maßnahmen müssen sich von der Zielrichtung und technischem Zweck her ähneln oder Leistungen sind nicht trennbar, um das Beschaffungsziel zu erreichen 2. und ein zeitlicher Zusammenhang vorliegt. Indiz für einen zeitlichen Zusammenhang: 2-3 Jahre, max. 5 Jahre Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 18
OLG Köln, Beschluss vom 24.10.2016 – 11 W 54/16 Ausbau einer Bundeswasserstraße: öAG hebt nationales Verfahren auf, nachdem er die Bauleistungen „Bagger- und Transportleistungen“ sowie „Entsorgung von Baggergut“ getrennt voneinander vergeben hatte. Bieter wendet sich gegen Aufhebung des Verfahrens und die Neuausschreibung im Wege eines EU-weiten Offenen Verfahrens. Entscheidung: öAG hat richtig gehandelt, in dem er aufhob und neu in einem EU-weiten Verfahren ausschrieb. Leistungen sind aufgrund innerer Kohärenz und funktionalen Zusammenhangs im Rahmen der Auftragswertermittlung zusammenzuzählen. Mildestes Mittel, um Fehler des Verfahrens zu heilen. Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 19
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 27.06.2018 – 15 Verg 7/17 Ein Sektorenauftraggeber (AG) betreibt eine Werkstatt für Straßenbahnen. Hülle und technische Ausstattung des Werkstattgebäudes sollen saniert werden. Projektziel ist die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Werkhalle. Bieter B beschwert sich gegen die getrennte Ausschreibung. Der AG tritt dem entgegen: Die Auftragswerte für die Sanierung der Gebäudehülle und der Gebäudetechnik seien getrennt zu betrachten. Entscheidung: Der für die Vergabe maßgebliche Auftragswert ist anhand des funktionalen Auftragsbegriffs zu ermitteln. Auch bei Leistungen in verschiedenen Abschnitten ist von einem Gesamtauftrag auszugehen, sofern die Leistungen in wirtschaftlicher und technischer Hinsicht zusammenhängen. Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 20
§ 3 Abs. 7 VgV = Planungsleistungen Lose sind zu addieren, da gleichartige Planungsleistungen Freiberufliche Dienstleistungen, wenn es Teilaufträge derselben freiberuflichen Leistung sind Lose über gleichartige Planungsleistungen, z.B. Objektplanung LP 1-9 = Die HOAI entscheidet nicht über die Frage, was zusammenzurechnen ist. Objektplanung, TGA- oder Statikplanung müssen ggf. addiert werden Einzelfallbetrachtung: Leistungen im Bestand oder für Neuerstellung eines Objekts? Bsp.: (+) Fachplanungsleistungen für einen Neubau sind zu addieren (-) Dachsanierung und Erneuerung der Außenanlagen bei Bestand = Gleichartigkeit der Leistung ist zielorientiert zu betrachten; technisch-funktionaler Zusammenhang, innere Kohärenz Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 21
OLG München, Urteil vom 13.03.2017 Verg 15/16 Das Gericht hat entschieden, dass Planungsleistungen, die zusammengehören, weil sie "lückenlos aufeinander abgestimmt und optimiert" sind und eine "Einheit ohne Schnittstellen" bilden, zusammenzurechnen sind. Entscheidung: Ähnlich wie bei Bauleistungen, sind Planungsgewerke zu addieren, die sich auf ein und dasselbe Bauwerk beziehen. Selbstverständlich ist zwischen diesen immer ein technischer und wirtschaftlicher Zusammenhang zu sehen, der eine Addition erforderlich macht. Die Wertungen der nationalen HOAI haben hingegen keinerlei Bedeutung bei der Auslegung der Bestimmungen des EU-Vergaberechts. Dies ist eigentlich schon seit der Niedernhausen-Entscheidung im Jahr 2012 evident gewesen. Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 22
§ 3 Abs. 9 VgV: „80/20 Regelung“ = Abweichung von der Vorgabe der europaweiten Vergabepflicht für jedes Los: Loskontingent von bis zu 20% des Gesamtauftragswertes kann gebildet und dieses national ausgeschrieben werden. zu beachten: geschätzter Nettowert der betreffenden Lose für Liefer- und DL dürfen nicht > 80.000 EUR und für Bauleistungen nicht > 1 Mio. EUR liegen. Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 23
Das Vergaberecht schreibt dem öffentlichen Auftraggeber nicht nur vor, dass er einen zu vergebenden Auftrag in einem strukturierten Vergabeverfahren auszuschreiben hat. Das Vergaberecht greift vielmehr noch weiter in die Entscheidungshoheit des öffentlichen Auftraggebers ein und diktiert ihm darüber hinaus in einem entscheidenden Punkt, wie er seine Ausschreibung zu gestalten hat. Nach § 97 Abs. 3 S. 2 GWB gilt der Grundsatz der Losaufteilung: Leistungen sind in der Menge aufgeteilt (=Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (=Fachlose) zu vergeben. Im Interesse des Schutzes des Mittelstandes schreibt das Gesetz demnach dem Grundsatz der öffentlichen Auftraggeber vor, dass er seine Aufträge dem Grunde nach nicht in einem Losaufteilung Gesamtpaket, sondern unterteilt in einzelne Fach- oder Teillose zu vergeben hat. Hintergrund dieser gesetzlichen Vorschrift ist der erklärte Wille des Gesetzgebers, den Interessen des Mittelstandes in Deutschland gerecht zu werden und Auftragsart und vor allem Auftragsgröße im Einzelfall so übersichtlich zu halten, dass sich auch noch kleinere mittelständische Unternehmen um den Auftrag bewerben können. Pauschale Vergaben von „einem Stück schlüsselfertiger Leistung“ sind zu vermeiden. Der öffentliche Auftraggeber von Bauleistungen hat das Entstehen von Schnittstellen bei der Vergabe, der Ausführung und der Gewährleistung im Interesse des Mittelstandsschutzes grundsätzlich hinzunehmen. Grundsatz der Losaufteilung gilt auch in Hessen, vgl. §§ 1 ff. HVTG. Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 24
VGH Bayern, Beschluss vom 22.05.2017 - 4 ZB 16.577 Eine Gemeinde mit 1.700 Einwohnern beabsichtigt die Beschaffung eines neuen Feuerwehrfahrzeugs. In diesem Zusammenhang wird G auf Antrag ein Förderbetrag in Höhe von 58.000 EUR ausbezahlt. Im zugrundeliegenden Bewilligungsbescheid wird darauf hingewiesen, dass die allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung an kommunale Körperschaften (ANBest-K) Bestandteil des Bescheids seien. Im Rahmen einer stichprobenartigen Prüfung wird festgestellt, dass eine Losbildung unterblieben war. Die Prüfbehörde sieht darin einen schweren Vergaberechtsverstoß und widerruft den Zuwendungsbescheid teilweise für die Vergangenheit. Zugleich fordert sie 25% der gewährten Zuwendungen zurück. Entscheidung: Eine unterbliebene Losbildung stellt einen schweren Vergaberechtsverstoß dar, der den Zuwendungsgeber zur Rückforderung einer gewährten staatlichen Zuwendung berechtigt. Ein erhöhter Koordinationsaufwand ist jeder Losbildung immanent und reicht deshalb für sich genommen als wirtschaftlicher Grund für die Zulässigkeit einer einheitlichen Vergabe nicht aus. Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 25
nationale Verfahren europaweite Verfahren uSW (§ 10 HVTG, Erlass, § 3 VOL/A , §§ 3 ff. VOB/A, § 8 oSW (§ 119 GWB, § 14 VgV, § 3 EU VOB/A) UVgO) Öffentliche Ausschreibung Offenes Verfahren Beschränkte Ausschreibung mit oder ohne Nichtoffenes Verfahren nur mit Teilnahmewettbewerb Teilnahmewettbewerb Freihändige Vergabe (Verhandlungsvergabe) Verhandlungsverfahren mit oder ohne Teilnahmewettbewerb mit oder ohne Teilnahmewettbewerb Interessenbekundungsverfahren (Hessen) Wettbewerblicher Dialog mit Beschränkter Ausschreibung Innovationspartnerschaft mit Verhandlungsvergabe Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 26
immer zulässig = Öffentliche Ausschreibung als Grundsatzverfahren alternativ: Beschränkte Ausschreibungen (sachliche Rechtfertigung) Nach Auftragswert: § 3a VOB/A (bis 50.000 Ausbau/ohne TGA – 100.000 übrige) Leistung kann nur von einem beschränkten Unternehmerkreis ausgeführt werden Dringlichkeit (= nicht voraussehbar, Umstände nicht öAG zurechenbar) Vorangegangene ÖA hat kein wirtschaftliches Ergebnis Verfahrensarten uSW erbracht alternativ: Freihändige Vergabe (sachliche Rechtfertigung, restriktiv) Es liegt kein wirtschaftliches Angebot aus vorangegangenem Verfahren vor Nur ein Unternehmer kommt in Betracht (Schutzrechte) Nachbestellungen (nicht mehr als 20% des Wertes der urspr. Leistung) Dringlichkeit (= nicht voraussehbar, Umstände nicht öAG zurechenbar) VOB/A 1. Abschnitt / UVgO: freie Wahl zwischen öA und BA+TW Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 27
Durchbrechung durch Freigrenzen in Landesregelungen (in jedem Bundesland gilt abweichendes Vergaberecht = 16 Landesvergabegesetze) Verfahrensarten uSW § 15 HVTG Hessen = Hessisches Vergabe- und Tariftreuegesetz und Gemeinsamer Runderlass für das öffentliche Auftragswesen (Vergabeerlass) Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 28
„Große“ Freigrenzen in Hessen, § 15 HVTG bis 10.000 EUR = ohne förmliche Vergleichsangebote, aber Preise einholen und Dokumentieren = Beachtung des Prinzip der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit Bauleistung Liefer-+ Vergabeart Dienstleistung Freihändige Vergabe bis 100.000 € * bis 100.000 € * Empfehlung Beschränkte bis 1 Million € * bis Ausschreibung 207.000 € * Empfehlung *(netto) Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 29
Freigrenze (netto) Vergabeverfahren generell Berücksichtigung der Haushaltsgrundsätze = Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit bis 7.500 € Lieferleistungen: „Direktvergabe“ (Nr. 1.2 Vergabeerlass) ab 7.500 € bis 10.000 € Lieferleistungen: Einholung von zwei weiteren Preisen (z. B. Internetrecherche, fernmündliche Abfrage) (Nr. 1.2 Vergabeerlass) bis 10.000 € Dienstleistungen: „Direktvergabe“ (Nr. 1.2 Vergabeerlass) to do: Beschaffung von Liefer- und > 10.000 € bis 50.000 € Freihändige Vergabe = Aufforderung von mind. fünf Unternehmen zur Dienstleistungen Angebotsabgabe (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 und § 11 Nr. 3 HVTG) > 50.000 € bis 100.000 € Freihändige Vergabe mit vorgeschaltetem IBV (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 b, § 10 Abs. 5 Nr. 2 und Nr. 3 HVTG) > 100.000 € bis 207.000 € Beschränkte Ausschreibung mit vorgeschaltetem IBV (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 a, § 10 Abs. 5 Nr. 2 und 3 HVTG) > 207.000 € < 214.000 € Öffentliche Ausschreibung ab 214.000 € EU-Vergabeverfahren = eVergabe = grds. Offenes Verfahren oder Nicht offenes Verfahren (§ 119 Abs. 2 GWB) Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 30
Verfahrensarten uSW IBV - § 10 HVTG Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 31
1. Bewerbungsverfahren, ähnlich Teilnahmewettbewerb VOB/A, VOL/A 2. Der Aufforderung zur Angebotsabgabe vorgeschaltet (= 2-Stufen-Verfahren) 3. Inhalt der Bekanntmachung auf HAD: Kurze Beschreibung des Auftragsgegenstandes und Bewerbungsfrist Bekanntgabe der Eignungs- und Zuschlagskriterien Angabe der Anzahl der „gesetzten Bieter“ Beschränkung nach oben möglich (Aufforderung zur Angebotsabgabe) Fristen müssen „ausreichend“ sein 4. Auswahl der Bieter: • Anhand der Eignungsnachweise Vorauswahl von Bietern • Mischung von Bietern → Bieter müssen nicht zwingend aus dem Kreis der Bewerber stammen, es können auch weitere, „bekannte“ Bieter aufgefordert werden die geeignet sind = gesetzte Bieter 5. Informationspflicht an Bewerber = auf formlosen Antrag ist dezidierte Angabe von Gründen erforderlich 6. IBV entfällt: Ausnahme = technische/künstlerische Gründe / bestehende Ausschließlichkeitsrechte / Dringlichkeit / Geheimhaltungsinteresse / Leistung kann nur von einem Unternehmen erbracht werden Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 32
Ausnahmeregelung: Vergabeerlass 12.9.2017 [Ergänzung zu Ziff. 1.3]: gilt für alle Leistungsarten Eine Freihändige Vergabe mit einem Unternehmen bei Vorliegen besonderer Ausnahmegründe ist zulässig: nach vorangegangenem Verfahren (ÖA oder BA, FV mit /ohne IBV) kein annehmbares Ergebnis bei unverschuldeter Dringlichkeit bei Anwendung hoheitlicher Gebührenregelungen bei Vergabe künstlerischer Leistungen Ausnahmegrund ist zu dokumentieren. Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 33
Grundsatz: AG hat Pflicht zur angemessenen Fristsetzung Angebotsfrist: Offenes Verfahren = 35 KT > 15 KT (Dringlichkeit: hier auch vorhersehbare, vom AG zu verantwortende) Nichtoffenes Verfahren mit TW = 30 KT > 10 KT (Dringlichkeit) Verhandlungsverfahren mit TW = 30 KT (Erst- Angebote) > 10 KT (Dringlichkeit) Fristen Teilnahme – oder Bewerbungsfrist: Eingang der Teilnahmeanträge = 30 KT > 15 KT (Dringlichkeit) Bindefrist = Auftraggeber bestimmt angemessene Frist (= so kurz wie möglich < 60 KT) Fristverkürzung möglich: - Vorinformation (VI) = Kürzung für TW >15 KT (= VI war mindestens 35 KT höchstens 12 Monate auf TED) Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 34
Angebotsfrist Fristen müssen angemessen bzw. ausreichend sein = ca. 20 bis 30 Kalendertage bei komplexen Leistungen auch 3-4 Monate bei Dringlichkeit nicht unter 10 Tagen Berücksichtigung von Umständen des Einzelfalls (z.B. Umfang der Beschaffung von Unterlagen, Konzepterstellung) Auftraggeber gibt Kalendertag für Ende der Bindefrist an: so kurz wie möglich AG muss zügig prüfen und werten > 30 Kalendertage, nur in begründeten Ausnahmefällen Bindefrist startet mit Ablauf der Angebotsfrist Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 35
Vergabestelle V ist eine Hochschule in Hessen. Sie hat keine zentrale Vergabestelle, Beschaffungen führen die jeweiligen Beschaffungsstellen im Auftrag der jeweiligen Fachabteilungen durch. Die Kantine der V benötigt einen Fettabscheider im Wert von ca. EUR 15.000.- V kann aufgrund interner Personaländerungen, die nicht vorhersehbar waren, die Zuschlagsentscheidung nicht innerhalb der Bindefrist treffen. Kann V die Bindefrist verlängern? Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 36
Prüfung: Liegen alle geforderten Bewerbungsbedingungen / Eignungskriterien vor? Eignungsprüfung dient allein der Aussonderung unzureichend qualifizierter Bieter Eignung = Prognose-Entscheidung darüber, ob der jeweilige Bieter zum Zeitpunkt des Zuschlags mit seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung in der Lage sein wird, die zu vergebende Leistung ordentlich zu erbringen. Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 37
Bewerbungsbedingungen / Eignungskriterien (§§ 122ff. GWB, §§ 42 ff. VgV, §§ 6 ff. EU VOB/A, §§ 6 ff. VOB/A, § 6 VOL/A) Eignungsprüfung ist unternehmensbezogene Untersuchung, ob Bewerber/Bieter nach seiner personellen, finanziellen und technischen Ausstattung in der Lage sein wird, die Leistung vertragsgerecht zu erfüllen. . Vergabestellen sind zur sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung verpflichtet und dürfen nur geeignete Unternehmen zur Angebotsabgabe auffordern. Eine Beschränkung auf bestimmte Region/Orte ist unzulässig. Grundsätzlich sind Eigenerklärungen ausreichend. So auch in Hessen geregelt = § 13 HVTG Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 38
AG hat grundsätzlich Wahlfreiheit bei der Prüfung der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit (z. B. Bankauskünfte, Jahresumsatz (höchstens, 2-fache des Auftragswertes), Bilanzen, Bestätigung Wirtschaftsprüfer) Bei der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit (Referenzen / Fachkundenachweise / Personal / Technische Ausstattung) Befähigung und . Erlaubnis zur Berufsausübung (z.B. Eintragung Berufs- Handelsregister, Mitgliedschaft Kammer) BauL im uSW = keine Wahlfreiheit über „Was“: öAG hat die Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit mit vorgeschriebenen Kriterienkatalog zu überprüfen, § 6a VOB/A = Umsatz und Referenzen der letzten 3 abgeschl. Geschäftsjahre, Anzahl Beschäftigte unterteilt nach Lohngruppen und techn. Leitungspersonal, Eintragung Berufsregister, Erklärung Insolvenzverfahren, Erklärung Liquidation, keine schwere Verfehlung, Zahlung von Steuern und Sozialabgaben, Anmeldung Berufsgenossenschaft § 122 GWB, § 42 Abs. 1 VgV, § 6 Abs. 2 EU VOB/A, §§ 6 ff. VOB/A, § 6 VOL/A, §§ 31, 33 UVgO Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 39
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1. Der AG hat in der Bekanntmachung (Vorinformation, Teilnahmewettbewerb, Interessensbekundungsverfahren) anzugeben, welche Erklärungen (Nachweise) zur Beurteilung der Eignung vom Bieter vorzulegen sind. Diese müssen im Einzelnen aufgeführt werden, damit sich die Bieter darauf einstellen und rechtzeitig die entsprechenden Erklärungen und ggfls. auch Nachweise beschaffen können; 2. Die Angaben der Bekanntmachung zu den mit dem Angebot vorzulegenden . Eignungsnachweisen müssen zudem klar und widerspruchsfrei sein. Unklarheiten und Widersprüche gehen zu Lasten des Auftraggebers; 3. Ein Verweis auf ein Formblatt, welches später in den Vergabeunterlagen vorzufinden ist, reicht nicht aus. Rechtsfolge bei unterlassener Aufstellung und Bekanntgabe: Nachweise gelten als nicht wirksam gefordert, Angebote dürfen bei Fehlen der Nachweise nicht von der Wertung ausgeschlossen werden. Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 41
BGH, Urteil vom 06.10.2020 - XIII ZR 21/19 Der Auftraggeber (AG) hat Zweifel an der Eignung des Bieters B im Hinblick auf nicht zuvor bekannt gemachte Eignungskriterien. Erstmals in einem Bietergespräch teilt er B mit, dass für einzelne Arbeitsabschnitte die parallele Tätigkeit von mindestens vier Gruppen mit je zwei Monteuren erforderlich sei. B wollte das Vorhaben dagegen mit zwei eigenen Monteuren ausführen und im Übrigen auf Leiharbeiter zurückgreifen. Der AG setzt B davon in Kenntnis, dass sein Betrieb wegen einer unzureichenden Personalausstattung nicht geeignet sei und deshalb ausgeschlossen werde. B macht einen auf das positive Interesse gerichteten Schadensersatzanspruch geltend. Entscheidung: Die Eignung eines Bieters, insbesondere seine für die ordnungsgemäße Leistungserbringung erforderliche Leistungsfähigkeit, darf nur an Kriterien gemessen werden, die der Auftraggeber in den Vergabeunterlagen genannt hat oder die sich unter Berücksichtigung von Art und Umfang der zu erbringenden Leistungen sowie des vorgesehenen Ausführungszeitraums zwingend aus der Sache ergeben. Wegen Nichterfüllung von Anforderungen an die Personalausstattung, die in den Vergabeunterlagen nicht ausdrücklich verlangt werden, darf ein Bieter nur dann als nicht hinreichend leistungsfähig ausgeschlossen werden, wenn aufgrund konkreter Umstände objektiv zumindest ernsthafte Zweifel daran bestehen, ob er mit dem ihm zur Verfügung stehenden Personal den Auftrag ordnungsgemäß und fristgerecht ausführen kann. Schließt der Auftraggeber einen Bieter zu Unrecht wegen Nichterfüllung nicht bekannt gemachter Eignungskriterien als ungeeignet aus und erteilt er den Auftrag einem anderen Bieter, steht es dem Schadensersatzanspruch des ausgeschlossenen Bieters nicht entgegen, dass der Auftraggeber die Erfüllung und den Nachweis dieser Eignungskriterien in den Vergabeunterlagen hätte voraussetzen dürfen. Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 42
Bereitstellung der Vergabeunterlagen Was sind die Bestandteile? Anschreiben (= Aufforderung zur Angebotsabgabe) Bewerbungsbedingungen (= Eignungskriterien) Vergabeunterlagen Festlegung und Gewichtung der Zuschlagskriterien Vertragsunterlagen (= allgemeine, besondere, technische und zusätzliche Vertragsbedingungen) Beachte: mit Zuschlag kommt unmittelbar Vertrag zustande Leistungsbeschreibung (= Kernstück der Vergabeunterlagen) Leistungsverzeichnis / Leistungsprogramm + Baubeschreibung Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 43
Gebot der Klarheit der Vergabeunterlagen Leistungsbeschreibung ist zentrales Element der öffentlichen Ausschreibung Widersprüchliche Angaben Vergabeunterlagen Fehlen von Informationen = Unklarheiten gehen zu Lasten des AG Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 44
VK Hessen, Beschluss vom 29.04.2020 - 69d-VK-23/2020 Der Auftraggeber schrieb die Leistung "Anschaffung einer neuen softwarebasierten Storagelösung" im offenen Verfahren nach der Vergabeverfahrensordnung aus. Er forderte den Bieter (B) wie folgt auf, sein Angebot abzugeben: "Falls Sie bereit sind, die Leistung zu übernehmen, können Sie Ihr Angebot elektronisch in Textform abgeben." B gab sein Angebot jedoch in Papierform auf dem Postweg ab. Der AG informierte B darüber, dass sein Angebot ausgeschlossen werden müsse, da es nicht den vorgegebenen Formerfordernissen entspräche. B rügte den Ausschluss seines Angebots, da die Angebotsaufforderung lediglich die Möglichkeit der elektronischen Abgabe vorsähe. Dies ergäbe sich aus dem Wort "können". Der AG half der Rüge nicht ab. Hiergegen wendete sich B in seinem Nachprüfungsantrag. Entscheidung: Es obliegt dem Auftraggeber, die Vergabeunterlagen so eindeutig zu gestalten, dass die Bieter ihnen deutlich und sicher entnehmen können, welche Erklärungen von ihnen in welchem Stadium des Vergabeverfahrens abzugeben sind. Der Erklärungsgehalt der Vergabeunterlagen ist auch anhand einer Gesamtschau der Vergabeunterlagen zu ermitteln. Mit der Erklärung, dass das Angebot elektronisch in Textform abgegeben werden "kann", wird dem Bieter im Rahmen einer elektronischen Vergabe kein Wahlrecht über die Angebotsform eingeräumt. Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 45
Was ist ein Nebenangebot /Variante? (§ 127 Abs. 4 GWB, § 35 VgV, § 8 EU VOB/A, § 8 VOB/A, § 8 VOL/A,) Vorschlag des Bieters eine andere technische Lösung anzunehmen als die, die in der Leistungsbeschreibung vorgegeben ist. Nebenangebote / Jede Abweichung vom geforderten Angebot, unabhängig von Grad, Gewicht oder Umfang. Variante Abweichung: alle Maßnahmen, die Einfluss auf den Leistungswettbewerb haben. Die Initiative geht vom Bieter aus und er definiert die „Leistung“ selbst. Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 46
oSW: Alle Leistungsarten (Liefer-, DL, BauL): Setzt immer eine ausdrückliche Zulassung (oder Vorschreibung) durch AG in der Bekanntmachung / Vergabeunterlagen voraus AG schreibt Art und Weise der der Einreichung vor; Besondere Kennzeichnung der . NA ist Pflicht NA müssen mit Auftragsgegenstand in Verbindung stehen AG muss Mindestanforderungen festlegen (100% Preis) Zuschlagskriterien müssen auf Haupt- als auch auf NA anwendbar sein Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 47
Was sind „Mindestanforderungen“? = leistungsbezogene, sachlich-technische Vorgaben (einzelfallabhängig) Beispiele: . - Egal ob Bieter runde oder eckige Fenster anbietet, Mindestanforderung: Wärmedämmung von mindestens 0,5 W / m2 K (U Wert: Watt pro Quadratmeter und Kelvin) - Egal aus welchem Material der Bieter eine Akustik-Decke anbietet, Mindestanforderung: Schalldämmmaß von mindestens 40 db Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 48
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20.12.2019 - Verg 35/19 Ein Sektorenauftraggeber (AG) schreibt die Montage technischer Anlagen zur Lärmreduzierung an Eisenbahnschienen aus. Dabei gibt er für das Hauptangebot die Montage von Anlagen in Form von "Schienenstegdämpfern" (SSD) vor. Als Nebenangebot ist die Montage einer anderen Technik, der "Schienenstegabschirmung" (SSA), zugelassen. Einziges Zuschlagskriterium ist der Preis. An die Haupt- und Nebenangebote werden u. a. akustische Mindestanforderungen gestellt, wobei sich die verlangte Messmethodik für die SSD- und die SSA-Technik zum Teil unterscheidet. Bieter B gibt ein Haupt- sowie ein Nebenangebot ab. Das auf der SSD-Technik basierende Hauptangebot liegt nach der Wertung nur auf dem dritten Platz. Das auf die SSA-Technik abstellende Nebenangebot ist gegenüber allen anderen Angeboten das günstigste; der Zuschlag soll dennoch auf ein anderes Angebot erteilt werden. Grund dafür ist, dass dem Nebenangebot zwar ein akustischer Messbericht beigefügt ist, aber die dort genutzte Methode nicht der als Mindestanforderung für SSA-Techniken geforderten Messmethode entspricht. Der Bieter rügt die vom AG für Nebenangebote aufgestellten Mindestanforderungen, die hinsichtlich Messmethodik strenger ausgestaltet sind als jene für die Hauptangebote. Darin liege ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot. Auch würden die in den Vergabeunterlagen bestimmten Mindestanforderungen nicht ausdrücklich als solche bezeichnet. Entscheidung: Auftraggeber müssen Mindestanforderungen für Nebenangebote festlegen; diese dürfen strenger sein als die Anforderungen an das Hauptangebot. Mindestanforderungen müssen nicht ausdrücklich als solche bezeichnet werden, solange Bieter erkennen können, dass es sich um Mindestanforderungen handelt. Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 49
uSW: § 8 VOB/A: Nebenangebote sind grundsätzlich zugelassen, wenn AG sie nicht ausdrücklich ausschließt § 16 Abs. 3 g) VOL/A, UVgO: Nebenangebote sind grundsätzlich ausgeschlossen, wenn AG sie nicht ausdrücklich zulässt besondere Kennzeichnung der NA ist Pflicht . Bedingung: alternative Leistung muss alle Funktionen und Anforderungen erfüllen, die die ausgeschriebenen (Haupt‐)Leistung in Bezug auf Qualität, Gebrauchsfähigkeit, Sicherheit, Umweltschutz, Nutzungkosten etc. vorgibt. Zuschlagskriterien müssen auf Haupt- als auch auf NA anwendbar sein. Mindestanforderungen müssen nicht zwingend festgelegt werden: Die Gleichwertigkeit ist mit dem Angebot nachzuweisen. Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 50
Leistungsbestimmungsrecht des öffentlichen Auftraggebers Der öffentliche Auftraggeber hat die Leistung eindeutig und erschöpfend zu beschreiben. Er ist folglich grundsätzlich frei in der Definition dessen, was er beschaffen will. = öAG weiß am besten, was er braucht. Leistungsbestimmungsg VK Bund 9.11.2018 VK 2 98/18 rundsatz vs. Grundsatz der Produktneutralität Dieses Recht ist dem Vergabeverfahren vorgelagert = Vergaberecht regelt nicht, „Was“ der öAG beschafft, sondern nur die Art und Weise der Beschaffung, also das „Wie“. OLG München, Beschluss vom 09.03.2018 Verg 10/17 Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 51
Schranke: Grundatz der Produktneutralität und Systemoffenheit Das Leistungsbestimmungsrecht wird begrenzt durch die Sach- und Auftragsbezogenheit der Gründe und die Maßgabe, dass nicht andere Marktteilnehmer . versteckt oder offen diskriminiert werden. = Ausfluss des Wettbewerbsgrundsatzes / Verbots der Diskriminierung EuGH, Urteil vom 12.07.2018 Rs. C-14/17 Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 52
Ausnahmen vom Grundsatz der Produktneutralität (§ 31 Abs. 6 VgV, §§ 7 Abs. 2 EU VOB/A, § 7 Abs. 2 VOB/A, § 7 Abs. 4 VOL/A, § 23 UVgO) 1. Ausnahme: es bestehen sachbezogene, objektive Gründe: aus der Nutzung der Sache . technische Zwänge gestalterische Anforderungen Zweckmäßigkeit einheitlicher Wartung wirtschaftliche Aspekte: Ersatzteilvorhaltung, Wartungsaufwand, Schulungsaufwand unvertretbar hoch = Es darf produktspezifisch bzw. systemscharf ausgeschrieben werden, „oder gleichwertig“ entfällt Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 53
Beispiele: Ausnahmen vom Grundsatz der Produktneutralität insbesondere, wenn Leistungen zu vorhandenen Leistungen (im Bestand) beschafft werden: z. B.: Teilsanierung von Fenstern, Bodenbelägen / Ersatzbeschaffung von Möbeln (Ästhetik), Erweiterung Krankenhausbetten . Inkompatibilität, Schnittstellenrisiken (= deutlich erhöhte Risiken) z.B.: Ergänzung zu vorhandener EDV, technischen Systemen (Gebäudeautomation, also Mess-, Steuer- und Regeltechnik) auch Innovationen: z.B. Filmkamera von Panasonic, 2009 einziger Hersteller mit Bandbetrieb Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 54
2. Ausnahme: Ausschreibung eines Leitprodukts mit Zusatz „oder gleichwertig“ Voraussetzung: Die Leistung kann objektiv nicht hinreichend genau und allgemein verständlich beschrieben werden. = Kommt in der Praxis sehr selten vor . wenn doch: Bieter trägt in diesen Fällen das Risiko, die Gleichwertigkeit des angebotenen Produkts nachzuweisen (Sachverständigengutachten, Prüfnachweise u. ä.). Gleichwertigkeit bedeutet, dass die Funktionsanforderungen des Leitprodukts erreicht werden müssen. Beweislast für fehlende Gleichwertigkeit liegt beim öAG (auch hier: Dokumentationspflicht) Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 55
VK Rheinland, Beschluss vom 08.07.2019 - VK-18/19 Ein öffentlicher Auftraggeber schreibt für ein Brückensanierungsvorhaben in einem Fachlos Verkehrsführungs- und sicherungsmaßnahmen aus. Danach soll u. a. angeboten werden: "Die äußerliche Ausführung der Gehäuseoberfläche der LED-WVZ darf nicht zu Widerspiegelung oder zu spiegelnder Reflexion führen, welche die Verkehrsteilnehmer ablenkt. Sie ist daher frontscheibenlos auszuführen. Zusätzlich sind die Lichtaustrittspunkte so zu gestalten, dass sie leicht zu reinigen sind (Reinigung mit Hochdruckreiniger) und ein Austausch von LEDs problemlos vorgenommen werden kann." Bieter B sieht hierin einen Verstoß gegen die produktneutrale Ausschreibung, weil mit dieser Vorgabe zahlreiche Produkte von vorneherein ausgeschlossen würden, ohne dass es eine sachliche Rechtfertigung gäbe. Entscheidung: Eine produktneutrale Ausschreibung bedarf einer Rechtfertigung. Mit dieser Anforderung korreliert das Leistungsbestimmungsrecht des AG. Bei der Beschaffungsentscheidung für ein bestimmtes Produkt ist der AG im rechtlichen Ansatz ungebunden. Diese Entscheidung hängt von vielen Faktoren ab, wie technischen, wirtschaftlichen, gestalterischen oder der Nachhaltigkeit. In einem Nachprüfungsverfahren kann die Beschaffungsentscheidung nicht auf Vertretbarkeit, Nachvollziehbarkeit oder Richtigkeit überprüft werden. Entscheidend ist, dass sie auf sach- und auftragsbezogenen Gründen beruht und dies ausreichend dokumentiert ist. Es ist sicherzustellen, dass die Beschaffungsentscheidung auf keinen sachfremden, willkürlichen oder diskriminierenden Erwägungen fußt. Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 56
VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.07.2016 - 1 VK 28/16 AG schreibt im Offenen Verfahren die Lieferung von drei Steinway-Flügeln des Modells C 227 aus. Der spätere Antragsteller wendet sich hiergegen unter Hinweis darauf, dass er durch die produktspezifische Ausschreibung diskriminiert werde; schließlich sei auch der Zusatz "oder gleichwertig" erforderlich. Der AG wendet hiergegen ein, dass die Beschaffung aus besonderen künstlerischen Anforderungen resultiere, die Steinway-Flügel von 90% aller Konzertpianisten genutzt würden und auch international bekannte Pianisten vorrangig diese Flügel für ihre Konzerte verwendeten. Entscheidung: Aspekt der künstlerischen Anforderungen ist ein zentraler Punkt der hier vorgenommenen Beschaffung. Es geht um den eigenen Anspruch auf Gewährleistung hoher künstlerischer Qualität. Dass die künstlerischen Anforderungen für den AG ausschlaggebend gewesen seien, war ausreichend in der Vergabedokumentation festgehalten worden. Der Zusatz "oder gleichwertig" ist nur zu verwenden, wenn der Auftragsgegenstand andernfalls nicht hinreichend genau und allgemein verständlich beschrieben werden kann. Vorliegend ging es aber um eine produktspezifische Ausschreibung. Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 57
Gebot der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung (§ 121 GWB, §§ 31 ff. VgV, § 7 EU VOB/A, § 7 VOB/A, § 23 UVgO) = Beschreibung aller Leistungsmerkmale, auch spezifischer Prozess oder Methode der Herstellung bzw. Erbringung der Leistung, gesamter Leistungsbeschreibung Lebenszyklus Ggf. Involvierung von Fachberatern Beachte: Vergaberechtskonforme, präzise und rechtssichere Formulierung „Was wird vom Bieter verlangt?“ = Empfängerhorizont Genaue Festlegung des Leistungsumfangs Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 58
Leistungsbeschreibung = „Wie“ konstruktiv (= verkehrsübliche Bezeichnungen nach Art, Beschaffenheit und Umfang; BauL: Einbeziehung von DIN Normen, VOB/C) funktional (= Darstellung Zweck, Leistungs- und Funktionsanforderungen, sonstige Anforderungen = Leistung wird nicht als solche genau spezifiziert, . sondern die an sie gestellten Anforderungen ergebnisorientiert vorgegeben = Planung) konstruktiv + funktional (= Mischform der Beschreibungsarten) = Leistung ist so eindeutig und erschöpfend zu beschreiben, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinn verstehen müssen: „objektiver Empfängerhorizont“, Bieter muss ein klares Bild vom Auftragsgegenstand erhalten. Preise für Angebot können sicher und ohne umfangreiche Vorarbeit berechnet werden. Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 59
Wo ist bekanntzumachen? Hessische Ausschreibungsdatenbank (HAD) = Pflichtbekanntmachungsorgan für alle nationalen und europaweiten Ausschreibungen! bündelt alle hessischen Bekanntmachungen zu Vergabeverfahren auf landes- und kommunaler Ebene Bekanntmachungs- pflichten Tenders Electronic Daily (TED) Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union (http://simap.europa.eu/buyer/forms-standard_de.html) www.service.bund.de Tageszeitungen, Fachzeitschriften, amtl. Veröffentlichungsblätter, kommerzielle Internetplattformen Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 60
Zwingend sind EU- Verfahren elektronisch durchzuführen, d.h. die elektronische Kommunikation ist vorgeschrieben Grundsatz: § 97 Abs. 5 GWB eingehende Regelungen in: VgV (§§ 9 - 13 und § 41), VOB/EU (§§11- §11b, § 12a), VOB/A (§§ 11 ff.), UVgO (§ 7) auch Verfahren nach UVgO sind unterliegen dem Grundsatz der Grundsatz der elektronischen Kommunikation (§ 38 UVgO): elektronischen seit 1. Januar 2019 = AG muss akzeptieren Kommunikation seit 1. Januar 2020 = AG gibt eVergabe vor Ausnahme: Auftragswert < 25.000 EUR oder BA ohne TW / Verhandlungsvergabe ohne TW Unterhalb des Schwellenwerts in der VOB/A gilt der Grundsatz der elektronischen Kommunikation nicht: Der Auftraggeber hat die freie Wahl, ob er weiterhin schriftliche Angebote zulässt oder ausschließlich elektronisch eingereichte. Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 61
Einsicht in Vergabeunterlagen = kein Registrierungszwang § 9 Abs. 3 VgV, § 11a EU Abs. 6 VOB/A, § 7 UVgO Registrierung bedeutet: E-Mailadresse und eindeutige Unternehmensbezeichnung Auftragsbekanntmachung . und den Vergabeunterlagen müssen ohne Registrierung zum Download bereitstehen, § 41 VgV Freiwillige Registrierung ist zulässig Mit Beginn der Bieterkommunikation besteht eine Registrierungspflicht Gleichlautend der Hess. Vergabeerlass Ziff. [3.1.] Informationspflichten des öAG nur bei registrierten Bietern; Risiko für Bieter: Holschuld der nicht registrierten Bieter Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 62
Der Zugang zu den Unterlagen hat uneingeschränkt, vollständig und direkt zu erfolgen Digitale Vergabeunterlagen sind Pflicht Unterlagen sind zeitgleich mit der Bekanntmachung zu veröffentlichen Unterlagen müssen vollständig sein inklusive Leistungsbeschreibung und Vertragskonditionen . Keine Entgeltpflicht für Zugang zu Vergabeunterlagen Auch bei 2-stufigen Verfahren sind beim Teilnahmewettbewerb die kompletten Vergabeunterlagen zu veröffentlichen VK Bund, Beschluss v. 04.12. 2017 VK 2-134/17 = Vertragsentwurf irrelevant, wenn Bieterkreis die Grundzüge erhält Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 63
Das elektronische Angebot erfordert keine Signatur, Bieter übermitteln Angebote, IB, TW „in Textform nach § 126 b BGB“ § 53 Abs. 1 VgV; § 11 EU IV VOB/A Auf Signaturen, die die Identität und Authentizität des Angebots durch Zuordnung zu einer natürlichen . Person im elektronischen Rechtsverkehr sicherstellt, wird verzichtet (Fortgeschrittene elektronischen Signatur oder qualifizierte elektronische Signatur (SiG) oder fortgeschrittenes oder qualifiziertes elektronisches Siegel, sog. VertrauensdienstG (VDG) Ausnahme: Signatur nur bei erhöhten Anforderungen an die Sicherheit zulässig § 53 Abs. 3 VgV, § 11 EU Abs. 5 VOB/A Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 64
Zusammenschlüsse von Bietern (§§ 36, 43 Abs. 2 VgV, §§ 6 ff. EU VOB/A, § 6 VOB/A, § 6 VOL/A, § 32 UvgO) 1. Kombination: Hauptauftragnehmer (HN) - Nachunternehmer (NU) = Teilleistung wird vom HN (=Bieter) an NU unterbeauftragt HN haftet allein gegenüber öAG; NU hat keine Vertragsbeziehung zum AG Zusammenschlüsse von Bietern Wesentlicher Teil der Leistung wird vom NU erbracht NU muss „allgemeine“ Eignung auch nachweisen, zusätzlich hinsichtlich der übertragenen Teilleistung Entspricht ein NU den an die Bieter gestellten Mindestanforderungen an die Eignung nicht, so schlägt dies als Eignungsmangel auf den HN (Bieter) durch und führt zum Ausschluss des Angebots! Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 65
VK Thüringen, Urteil vom 09.11.2017 - 250-4003-8222/2017-E-S-015-GTH Vergabestelle V ist eine Hochschule in Hessen. Sie hat keine zentrale Vergabestelle, Beschaffungen führen die jeweiligen Beschaffungsstellen im Auftrag der jeweiligen Fachabteilungen durch. V beabsichtigt, den Bieter für Abfallentsorgung zu beauftragen, welcher ein anderes Entsorgungsunternehmen für Teilleistungen als Nachunternehmer benannt hatte. Dieser Nachunternehmer hatte im selben Verfahren zusätzlich ein eigenes Angebot abgegeben. Dritter Bieter rügt unter Bezugnahme auf das Geheimhaltungsgebot die Zuschlagsentscheidung. Entscheidung: 1. Eine wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweise kann vorliegen, wenn ein Bieter sein Angebot in Kenntnis eines anderen Angebots erstellt. 2. Diese Kenntnis muss der öAG zunächst nachweisen. 3. Kann der öAG das, kann der Bieter den Gegenbeweis antreten. 4. Die Beteiligung eines Bieters als Bieter und Nachunternehmer im selben Verfahren reicht dafür nicht. Der Nachunternehmer kennt in der Regel nicht das Angebot des Generalunternehmers. Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 66
2. Kombination: Bietergemeinschaft Bietergemeinschaft hat Vertragsbeziehung zum AG = BGB-Gesellschaft Gemeinsamer . Zweck: um einen Auftrag bewerben; gemeinsames Ziel: Zuschlag Kann nicht mehr nach Teilnahmewettbewerb oder Angebotsabgabe eingegangen werden Wird zur ARGE bei Auftragsausführung Gesamtschuldnerische Haftung Vereinbarung im Innenverhältnis mit Abgrenzung von Verantwortlichkeiten und Haftung Eignung hat jedes Mitglied der BG nachzuweisen Frage: Mitglied einer BG gibt im selben Verfahren ein eigenes Angebot ab – zulässig? Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 67
Eröffnungstermin bei Ausschreibungen ohne Anwesenheitsrecht der Bieter unverzüglich nach Ablauf der Angebotsfrist Entkopplung der Angebotsöffnung von der Angebotsfrist nur BauL: Angebotspreise werden unverzüglich bekannt gegeben Die Verhandlungsniederschrift den Bietern elektronisch zur Verfügung gestellt. Öffnungstermin (§ 14 EU Abs. 6 VOB/A) Ablauf Angebotsöffnung: mindestens 2 Vertreter des Auftraggebers Verhandlungsleiter ist Bediensteter der ausschreibenden Stelle stets zwei Vertreter (auch Bevollmächtigte) der ausschreibenden Stelle anwesend, die beide nicht an der Bearbeitung, noch an der Vergabe oder der Vertragsabwicklung beteiligt sind. Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 68
Nur im Bereich VOB-Leistungen „öffentlich“ = 1. Anspruch auf Teilnahme und 2. Anspruch auf Einsichtnahme Niederschrift: Name und Anschrift der Bieter sowie Endbeträge, Preisnachlässe ohne Bedingungen werden verlesen bzw. unverzüglich elektronisch zur Verfügung gestellt; Öffnungstermin Angabe ob und von wem und in welcher Zahl Nebenangebote eingereicht worden sind; Muster und Proben müssen zur Stelle sein; Niederschrift in Schriftform oder elektronischer Form; Unterzeichnung (§ 14 EU VOB/A; § 14a VOB/A, §§ 54, 55 VgV, § 14 VOL/A, § 40 UVgO) Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 69
VK Südbayern, Beschluss vom 02.01.2018 - Z3-3-3194-1-47-08/17 öAG schreibt die Tragwerksplanung europaweit in einem Verhandlungsverfahren mit TW aus. Mit der Abwicklung des Verhandlungsverfahrens wird ein Projektsteuerer beauftragt, der laut Vergabedokumentation mit nur einem Mitarbeiter sowohl die eingegangenen Bewerberunterlagen wie auch die später eingegangenen Angebote öffnet. Ein unterlegener Bieter rügt u. a. eine weit überwiegend ausschließliche Tätigkeit des Projektsteuerers anstelle der Vergabestelle (VSt), und zwar bei der Kommunikation, der Angebotsöffnung und auch bei der Bewertung. Entscheidung: Die Öffnung der Angebote muss nach § 55 Abs. 2 VgV von mindestens zwei Vertretern des öffentlichen Auftraggebers durchgeführt werden. Dies ist zu dokumentieren. Die Öffnung darf nicht ausschließlich von Mitarbeitern eines beauftragten Büros durchgeführt werden. Sie ist ebenso wie die Wertung der Angebote ureigene Aufgabe des öffentlichen Auftraggebers. Sinn und Zweck des § 55 Abs. 2 VgV ist ein formalisiertes Öffnungsverfahren mit Vier-Augen-Prinzip zur Vermeidung von Manipulationen bei der Angebotsöffnung. An Dritte dürfen grundsätzlich nur solche Tätigkeiten im Vergabeverfahren übertragen werden, bei denen der öAG das Handeln des beauftragten Büros im Nachhinein auch nachvollziehen und sich zu eigen machen kann. Eva Waitzendorfer‐Braun, Syndikusrechtsanwältin / ABSt Hessen e.V. 2021 70
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