Die Beyeler Baumpakete - Christo & Jeanne-Claude im Winter 1997: Heft 35 - René Furer
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Heft 35 Christo & Jeanne-Claude im Winter 1997: Die Beyeler Baumpakete René Furer furer@bluewin.ch | www.renefurer.ch
Riehen? Wir sind da bei Basel, unmittelbar an der nördlichen Lan- Nennen wir die Dreiheit von Anblick, Einblick & Durchblick den desgrenze. Weil am Rhein liegt gegenüber am Fusse des Schwarz- optischen Treibhauseffekt! St.Gobain ist dazu der glasige Gründer- waldes. Der anmutige Museumsbau von Renzo Piano war im um- name. Seine Wirkung führt aus dem Davor durch das Darin kon- fassenden Sinne der Hintergrund zum künstlerischen Ereignis auf tinuierlich weiter ins Dahinter. Nicht nur für Architekten ist das seiner Parkseite. Die eingekleideten Bäume stehen dort als Bach- auch der Weg, der von der Strasse durch das Haus weiter in den begleiter auf seinem Schwemmland. Nachdem das unerbittliche rückwärtigen Garten führt. Winterwetter die Hüllen zerfetzte, ist das tragende Astwerk ohne sein Sonntagskleid wieder zurück im Alltag. Die Qualität der soeben beschriebene Abfolge gibt dem Werk eine Tragweite. Sein Standort bringt eine zusätzliche Gunst. Die Lage Jedoch: Die damalige Besucherschar trägt die entschwundene am Oberrhein und dem fast ebenso nahen Dreiländereck geben Pracht weiterhin als Erinnerung mit sich. Dabei sind auch die Riehen einen kontinental europäischen Rang. Das Zusammenwir- Bildkonserven der Fotografen und Filmer hilfreich. Mit der Halt- ken des Kunstsammlers mit dem ebenso namhaften Italienischen barkeit dienen Medien der Evokation. Sie vermögen als Ersatz he- Architekten bringt für das gemeinsame Untnehmen sogar den zu- raufbeschwörend zu wirken. sätzlichen Weltrang; denn: Centre Pompidou, das Frühwerk von Renzo Piano mit Richard Rogers in Paris von 1977, vermag als Das war der Fall: Mit bunten Folien schufen Christo und Jean- Jahrhundert-Palast zu gelten. Der Insel-Flugplatz vor dem fernen ne-Claude ebenso künstliche wie künstlerische Baumkronen. Die Osaka, im japanischen Binnenmeer liegend, gehört ebenfalls mit Spitzen des kahlen Geästs wurden zur Trägerschaft für eine uner- zu seinen späteren Verdiensten. Die beiden Gebäude stimmen mit wartete und deshalb überwältigende Wirkungskette. Sie bringt auch ihrem weiten Glasdach überein. Als optimaler Lichtspender ist das eine dreifaltige Antwort auf die Transparenzfrage der Moderne. in Riehen die Voraussetzung für das Betrachten der Bildwerke. Das beginnt mit der körperlichen Wirkung der Baumkronen bei ihrem Anblick. Die Hüllen sorgen mit ihren aalglatten Oberflächen dafür, indem sie das Tageslicht zurückwerfen, reflektieren. Der Lichtwiderstand der Folien ist bloss von der partiellen Art. Damit wird die doppelte Wirkung möglich: Neben dem Anblick ge- währt das Durchscheinen auch den Einblick in den erhellten In- nenraum. Dort kommt das verborgene Geäst zum Vorschein. Die umfassende Durchsichtigkeit der Hülle öffnet in dritter Linie den noch weiterführenden Durchblick ins rückwärtige Umfeld. Der resultierende Sichtstrahl ist ein Name für das Ganze. 2 3
Bei der Ankunft in Riehen rückt das Museum Beyeler sogleich mit seiner südlichen Das untere Bild macht den Titel Anschaulich. Schmalseite ins Blickfeld. Dort folgt auf den Zugang der Eingang. 4 5
Das weit ausladende Glasdach beschirmt das Portal. Mit seiner beeindruckenden Grösse geht das direkt ins Auge. Es macht die Schmalseite zur Hauptsache. Die beiden Längsseiten des Gebäudes kommen nicht gleichermassen zur Geltung. 6 7
Der abgetreppte Gartenhof ist eine glänzende Lösung mit Seltenheitswert; denn auf Das obere Bild zeigt das: auf der südlichen Schmalseite des Museums liegen der Ein- die Hinwendung mit dem Haupteingang folgt die Rückwendung beim Ausblick. gang und der Ausblick ebenso unmittelbar wie gegenläufig nebeneinander. 10 11
Das obere Bildpaar kontrastiert mit seinem Darunter. Zusammen bringen sie den Ge- Die Hangfusslage vom Park zum Museum schlägt sich in einer augenfälligen Geschoss- ländefaktor zum Vorschein. stufe nieder. Der Gärtner hat die Stützmauer mit überhängten Büschen eingekleidet. 12 13
Hier stimmt alles. Die Besucher und die Bäume sind sorgfältig eingekleidet. Die Sonne Die Strandkleider der Seite 14 wirken hier als Gegensatz. Sie zeigen Riehen in einer des Schönwettertages bringt beide zur Geltung. Bloss die Aussaat des Winterweizens sommerlichen Festlaune. fröstelt schutzlos vor sich hin. 14 15
Hier kommen die künstlerischen Baumpakete zu ihrem Auftritt in der winterlichen Landschaft. Der Südfuss des Schwarzwaldes ist die Kulisse, vor der sich das abspielt. Das frühlingshafte Bachbild unten ist wieder ein Gegensatz zu den Frostspuren. 16 17
Hier kommt ein Merkmal der Weitwinkel-Fotografie zum Vorschein: Linsen mit der Brennweite von 28 mm polarisieren das Verhältnis zwischen Vordergrund und Hinter- grund. Sie verzwergen auch die Mitbesucher. Für Drama ist damit gesorgt. 18 19
So geht das weiter mit der körperlichen Wirkung der Baumkronen im winterlich ge- prägten Schönwetter. 20 21
Jetzt sind wir mitten drin bei der monumentalen Wirkung der Baumkronen als Kör- per. Das Verhältnis zwischen Licht und Schatten führt die Gliederung vor, und das wickelt sich im Tageslauf der Sonne ab. Die Massfiguren sind immer noch da. 22 23
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Die Heftmitte brachte soeben diese Veränderung: Es ist die Röntgensicht, die enthül- Der neue Gesichtspunkt entfaltet in der Folge seine Pracht. Hier ordnet er sich in lend wirkt, indem sie Einblick gewährt. den Rahmen des Vorausgegangenen ein. 28 29
Da wird verzweigt. Im Bild unten wird der Stamm fassbar. Dann geht es los mit dem Geäst. 30 31
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Das Verhüllen und Enthüllen stehen da in einem wechselden Verhältnis. Das kann für den Betrachter anregend sein. 34 35
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In diesen Fotos sind zwei Stellen bemerkenswert: Das ist die Tageslichtfuge oben, und Die soeben gemachte Beobachtung bringt die Seite 43 in ihrem Gleichgewicht zum es ist der überstrahlte Bildteil unten. strahlen. 42 43
Man nennt es ein Unikum. Das einmalige Werk in Riehen wird abschliessend mit na- Der grosse Vogelkäfig von Cedric Price kommt als Netzwerk ähnlich daher wie das heliegenden Vergleichen zur Geltung gebracht. Sie geniessen in der Fachwelt ebenfalls benachbarte Affenhaus. Unter der weiten Fluggrenze machen die Besucher die Weg- Weltruhm. Wir sind da in London Regents Park Zoo. grenze zwischen Mensch und Tier anschaulich. 44 45
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Das Bild von Tropenhaus der Universität Zürich macht den Sehstrahl fassbar. Der Die letzten Bilder gewähren einen Ausblick vom Tropenhaus. In Riehen gab es dazu führt vom unmittelbaren Davor des Betrachters, durch das Darin, bis zum Dahinter keine Entsprechung, weil die Baumkronen nicht begehbar waren. Man konnte dort des Horizonts. Es ist die Abfolge von der Ansicht, über den Einblick zur Durchsicht. hinein-und hindurch schauen, aber nicht hinaus. 48 49
Impressum Heft 35 weitere Hefte von René Furer Die Beyeler Heft 1 Entwurfsfaktoren Heft 15 Atlas – Oasen ISBN 978-3-9523419-4-0 Der Bauzyklus ISBN 978-3-9523262-0-6 Heft 16 Die Geburt der Allee Baumpakete Heft 2 Herzog & de Meuron Rehab Burgfeld ISBN 978-3-9523419-5-7 Heft 17 Großgeräte ISBN 978-3-9523262-1-3 in der Landschaft ISBN 978-3-9523419-6-4 No.03 Lord Norman Foster Heftübersicht und Bestellung Millau ISBN 978-3-9523262-2-0 Heft 18 Reyner Banham www.renefurer.ch Behälter Heft 4 Rudolf Gabarel ISBN 978-3-9523419-7-1 über den Verfasser Waldfriedhof Davos René Furer war von 1968-1994 Dozent ISBN 978-3-9523262-3-7 Heft 19 Archigram für Architekturtheorie an der ETH Zürich. in Monte-Carlo Heft 5 Gigon/Guyer ISBN 978-3-9523419-8-8 Kalkriese Text und Bilder ISBN 978-3-9523262-4-4 Heft 20 Le Palais Idéal du René Furer Facteur Heft 6 Haerle Hubacher F. Cheval à Hauterives Kontakt Eigenheim Stapel ISBN 978-3-9523419-9-5 ISBN 978-3-9523262-5-1 furer@bluewin.ch René Furer Heft 7 K. Moser, Bodenacherstrasse 101 O.R. Salvisberg CH-8121 Benglen Zwei Eingänge ISBN 978-3-9523262-6-8 Druck Heft 8 Herzog & de Meuron Sautercopy AG, Zürich Allianz-Arena ISBN 978-3-9523262-7-5 © 2020 René Furer, Benglen ZH Alle Rechte vorbehalten, Nachdruck, Heft 9 Bob Gysin + Partner Aufnahme in elektronische Datenbanken, BGP Mailboxen sowie sonstige Vervielfältigungen, Ein Glashaus ISBN 978-3-9523262-8-2 auch auszugsweise und in Ausschnitten, nur mit schriftlicher Genehmigung des Heft 10 Märkte im Orient Herausgebers. ISBN 978-3-9523262-9-9 ISBN 978-3-9523854-5-6 Heft 11 Wohnungsbau Die Schweiz im 20. Jh. ISBN 978-3-9523419-0-2 Heft 12 Theo Hotz Sihlcity ISBN 978-3-9523419-1-9 Heft 13 Christoph Haerle Rieselbrunnen ISBN 978-3-9523419-2-6 Heft 14 architextur verfeinert – vergröbert ISBN 978-3-9523419-3-3 50
ISBN 978-3-9523854-5-6
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