Die Grippe Otitis Literatur Review und Resultate der Behandlung des eigenen

 
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Universitätsspital Zürich
      Klinik und Poliklinik für Ohren-, Nasen-, Hals- und Gesichtschirurgie
                        Direktor: Prof. Dr. med. S. Schmid

                Arbeit unter der Leitung von Dr. med. A. Huber

                     Die Grippe Otitis
Literatur Review und Resultate der Behandlung des eigenen
                      Patientengutes

                       INAUGURAL-DISSERTATION
          zur Erlangung der Doktorwürde der Medizinischen Fakultät
                            der Universität Zürich

                                vorgelegt von
                            Urs Stefan Hürlimann
                              von Walchwil ZG

              Genehmigt auf Antrag von Prof. Dr. med. S. Schmid
                                Zürich 2003
Inhaltsverzeichnis

1     Zusammenfassung ...................................................................................................3
2     Einleitung..................................................................................................................5
    2.1    Ziele ..................................................................................................................6
3     Methode und Patienten ............................................................................................7
    3.1    Literatursuche....................................................................................................7
    3.2    Patientengut ......................................................................................................7
      3.2.1     Der retrospektive Studienarm.....................................................................7
      3.2.2     Der prospektive Studienarm.....................................................................12
4     Literaturüberblick ....................................................................................................14
    4.1    Grippeotitis ......................................................................................................14
      4.1.1     Die Erregerfrage.......................................................................................14
      4.1.2     Innenohrbeteiligung..................................................................................16
    4.2    Andere Formen der akuten Otitis media mit Innenohrbeteiligung....................17
5     Resultate ................................................................................................................19
    5.1    Akute Otitis media und Myringitis bullosa (Grippeotitis) mit
           Innenohrbeteiligung: Analyse aus unserer Datenbank ....................................19
      5.1.1     Grippeotitis mit Innenohrbeteiligung.........................................................19
      5.1.2     Nicht bullöse akute Otitis media mit Innenohrbeteiligung.........................19
      5.1.3     Häufigkeit nach Monaten/Jahreszeiten von Grippeotitis und akuter nicht
                bullöser Otitis media mit Innenohrbeteiligung ...........................................20
      5.1.4     Validität des Weber-Tests ........................................................................21
      5.1.5     Assoziationen zwischen Grippeotitis und klinischen Symptomen
                gegenüber nicht bullöser akuter Otitis media und Assoziationen der
                Symptome untereinander .........................................................................22
      5.1.6     Vergleich zwischen den Therapiegruppen aller bullösen und nicht bullösen
                Fälle..........................................................................................................23
      5.1.7     Einfluss der Diagnose, der klinischen Symptome und der Therapieart auf
                die prätherapeutische und posttherapeutische Hörschwelle ....................25
      5.1.8     Die Reintonaudiogrammwerte vor und nach konservativer und operativer
                Therapie in der multiplen Regression .......................................................27
      5.1.9     Operationsindikation aufgrund der prätherapeutischen
                Reintonaudiogrammwerte alterskorrigiert nach ISO-7029........................32
    5.2    Prospektiv erfasste Grippeotitisfälle ................................................................33
6     Diskussion ..............................................................................................................35
    6.1    Schlussfolgerungen und Ausblick....................................................................39
7     Literaturverzeichnis ................................................................................................40
8     Verdankungen ........................................................................................................46
9     Curriculum vitae .....................................................................................................47

                                                                 2
1 Zusammenfassung
Die Grippeotitis stellt aufgrund ihrer bekannten häufigen Komplikation der
Innenohrbeteiligung eine wichtige klinische Krankheit dar. Zur Klärung einiger Aspekte
dieses Krankheitsbildes nahmen wir eine Literatursuche und eine retrospektive Analyse
in der Datenbank unserer Klinik, sowie eine Untersuchung des steril entnommenen
Mittelohrpunktates von prospektiv erfassten Patienten mit Grippeotitis, welche
antrotomiert wurden, vor. Das Ziel dieser Arbeit ist, eine Aussage zu folgenden
Fragestellungen machen zu können:
    a) Wie schwer ist die Innenohrbeteiligung bei der Grippeotitis?
    b) Wie schwer ist die Innenohrbeteiligung bei der akuten serösen und akuten
       eitrigen, also bei der nicht bullösen Otitis media?
    c) Lässt sich eine Aussage über die Häufigkeit der Innenohrbeteiligung bei der
       Grippeotitis gegenüber der akuten nicht bullösen Otitis media machen?
    d) Korreliert der klinische Stimmgabeltest nach Weber mit der entsprechenden
       Innenohrbeteiligung im Reintonaudiogramm?
    e) Gibt es signifikante Assoziationen zwischen einerseits der Grippeotitis und
       allgemeiner Erkältungskrankheit (Common Cold), Zeit vom ersten Ohrsymptom
       bis zur Therapie (Delay), Schmerzen, Tinnitus, Schwindel, Beteiligung beider
       Ohren, Operationshäufigkeit und Anzahl der Erholungen gegenüber der nicht
       bullösen akuten Otitis media und andererseits zwischen den genannten
       klinischen Symptomen untereinander?
    f) Wann wurde bei der Grippeotitis und bei der nicht bullösen akuten Otitis media
       konservativ, wann operativ therapiert?
    g) Gibt es Unterschiede im outcome der Hörleistung bei konservativ therapierten,
       durch Parazentese oder Paukenröhrchen versorgten und antrotomierten
       Patienten?
    h) Kann man, abhängig von der Schwere des Innenohrschadens, für das
       therapeutische Vorgehen Empfehlungen abgeben?
    i) Wer ist oder sind die Erreger und Auslöser der Myringitis bullosa
       haemorrhagica?
Wir haben aufgrund unserer Datenanalyse mit Hilfe von Verläufen der
Knochenleitungen im Reintonaudiogramm festgestellt, dass es bei den akuten
Mittelohrentzündungen mit Innenohrbeteiligung sowohl für die Schwere des
Innenohrschadens zu Beginn, als auch für den Entscheid zur operativen Intervention,
als auch für das posttherapeutische Resultat und den Verlauf der Hörschwellen keine
Rolle spielt, ob es sich um eine klassische Grippeotitis mit Bläschen auf dem
Trommelfell oder um eine akute seröse oder eitrige Otitis media gehandelt hat. Wir
konnten 159 Patienten mit mindestens einem pathologischen Reintonaudiogramm und
einem Verlauf, also mindestens zwei Audiogrammen, aus unserer Datenbank
herausfiltern. Davon waren 71 Fälle eine Grippeotitis, 88 eine akute nicht bullöse Otitis
media. Da im klinischen Alltag letztere sicherlich seltener aufgetreten ist, können wir
annehmen, dass die bullöse Form häufiger eine Innenohrbeteiligung aufweist.
Der klinische Stimmgabeltest nach Weber korrelierte bei allen untersuchten Patienten
mit einer Innenohrbeteiligung sehr schwach und bringt demzufolge keinen Nutzen in der
Diagnostik einer Innenohrbeteiligung.
Eine allgemeine Erkältung (Common Cold), die Beidseitigkeit der Erkrankung und ein
deutlich kürzeres Zeitintervall zwischen erstem Ohrsymptom und Beginn einer Therapie
von im Mittel 3.8 Tagen gegenüber 5.6 Tagen bei der nicht bullösen Form sind

                                           3
signifikant assoziiert sind mit einer Grippeotitis mit Innenohrbeteiligung gegenüber der
nicht bullösen Otitis media mit Innenohrbeteiligung.
Es erholten sich statistisch signifikant mehr Patienten, die antrotomiert oder durch
Parazentese oder Paukenröhrchen versorgt worden waren, als solche, die konservativ
behandelt worden waren.
Aufgrund der Analyse unserer Daten sind wir in der Lage, eine Entscheidungshilfe für
das adäquate Vorgehen im Einzelfall bei einer akuten bullösen oder nicht bullösen Otitis
media abzugeben:

      THERAPIE Konservativ       Parazentese      Antrotomie
                                 oder
ALTER                            Paukenröhrli
25 dB

50-70           -30 dB           -35 dB           >35 dB

>70             -40 dB           -45 dB           >45 dB

Dieses einfache Merkschema zeigt für den klinischen Alltag alterskorrigierte Grenzwerte
für die jeweilig optimale Therapie im Pure Tone Average (PTA) der Knochenleitung
(Durchschnitt der Hörschwellen bei 500, 1000, 2000 und 4000 Hertz).
Wir haben bei acht Patienten, welche wegen einer Grippeotitis mit Innenohrbeteiligung
antrotomiert worden waren, das steril entnommene Mittelohrsekret mittels Polymerase
Chain Reaction (PCR) auf die aufgrund der Literatur und der Klinik am
wahrscheinlichsten in Frage kommenden Viren, sowie auf Chlamydien, Mykoplasmen
und Eubakterien untersucht. Dabei fanden wir die folgenden verschiedenen Bakterien:
Streptokokken, Pneumokokken und Pasteurella multocida.

                                           4
2 Einleitung
Die Grippeotitis oder Myringitis bullosa (haemorrhagica) ist eine klinische Diagnose mit
dem otoskopisch erhobenen Hauptbefund von einem bis etlichen Bläschen auf einem
geröteten Trommelfell. Diese subepithelialen Bläschen sind gefüllt mit seröser, serös-
blutiger bis ganz blutiger Flüssigkeit und haben die Tendenz spontan zu rupturieren,
was zu einer entsprechend serös bis blutigen Otorrhöe führt.
Meistens ist das betroffene Ohr für den Patienten äusserst schmerzhaft, nach Ruptur
oder Eröffnung der Bläschen stets weniger.
Häufig geht der plötzlich auftretenden Otalgie eine allgemeine Erkältung über drei bis
fünf Tage voraus mit Halsschmerzen und Rhinitis ohne Fieber.
Der Erreger der Grippeotitis jedoch ist nicht bekannt, obwohl schon viele
Untersuchungen dazu gemacht worden sind. Wie der Name sagt, wurde zuerst das
Influenzavirus für verantwortlich gehalten, da die Myringitis bullosa haemorrhagica
gehäuft während Grippeepidemien beobachtet worden war (vgl. 4.1.1).
Die klinische Bedeutung der Grippeotitis liegt in ihren Komplikationen. Immer führt die
Grippeotitis zu einem mehr oder weniger ausgeprägten Erguss in der Paukenhöhle von
serös bis seromuköser Konsistenz. Häufiger als andere Formen der Otitis media führt
die Grippeotitis zu einer Innenohrbeteiligung mit sensorineuraler Schwerhörigkeit und
manchmal Tinnitus sowie gelegentlich Schwindel. Die sensorineurale Schwerhörigkeit
kann bleibenden Charakter haben (vgl. 4.1.2). Dabei sollen gemäss einer Theorie durch
die Druckerhöhung des Paukenergusses vor dem runden Fenster durch dieses bei
durch die Entzündung bedingter erhöhter Permeabilität Toxine und eventuell Erreger
selbst in das Innenohr gelangen und zu einer serösen Labyrinthitis führen mit
entsprechender Innenohrschädigung [1-6].
Nebst Erhebung der genauen Anamnese und des klinischen Erscheinungsbildes im
ORL-Status wird an unserer Klinik bei der Grippeotitis ein Reintonaudiogramm
durchgeführt zum Ausschluss einer sensorineuralen Schwerhörigkeit als Ausdruck einer
Innenohrschädigung.
Therapiert wird eine Grippeotitis ohne Innenohrsymptomatik mit Analgetika,
abschwellenden Massnahmen zur Verbesserung der Tubenbelüftung des Mittelohrs
unter antibiotischer Abschirmung über zehn Tage.
Liegt eine Innenohrsymptomatik vor, wird in der Regel zur Beurteilung der Paukenhöhle
und des Paukenergusses eine Computertomographie des Felsenbeines angefertigt und
eine operative Drainage angestrebt. Entweder wird eine Parazentese oder die
Installation eines Paukenröhrchens durch das Trommelfell allein oder kombiniert mit
einer Antrotomie, also einer Eröffnung der Paukenhöhle von retroaurikulär her,
durchgeführt.
Der Entscheid zur entsprechenden Therapieform beruht lediglich auf klinischen
Erfahrungen und entbehrt leider fundierter evidenter Grundlagen.

                                           5
2.1 Ziele

Die Ziele dieser Arbeit sind, durch eine Literatursuche und eine retrospektive Analyse
unserer Daten, sowie durch eine Untersuchung des steril entnommenen
Mittelohrpunktates von prospektiv eingeschlossenen Patienten mit Grippeotitis, welche
antrotomiert wurden, eine Aussage zu folgenden Punkten machen zu können:
    a) Wie schwer ist die Innenohrbeteiligung bei der Grippeotitis?
    b) Wie schwer ist die Innenohrbeteiligung bei der akuten serösen und akuten
       eitrigen, also bei der nicht bullösen Otitis media?
    c) Lässt sich eine Aussage über die Häufigkeit der Innenohrbeteiligung bei der
       Grippeotitis gegenüber der akuten nicht bullösen Otitis media machen?
    d) Korreliert der klinische Stimmgabeltest nach Weber mit der entsprechenden
       Innenohrbeteiligung im Reintonaudiogramm?
    e) Gibt es signifikante Assoziationen zwischen einerseits der Grippeotitis und
       allgemeiner Erkältungskrankheit (Common Cold), Zeit vom ersten Ohrsymptom
       bis zur Therapie (Delay), Schmerzen, Tinnitus, Schwindel, Beteiligung beider
       Ohren, Operationshäufigkeit und Anzahl der Erholungen gegenüber der nicht
       bullösen akuten Otitis media und andererseits zwischen den genannten
       klinischen Symptomen untereinander?
    f) Wann wurde bei der Grippeotitis und bei der nicht bullösen akuten Otitis media
       konservativ, wann operativ therapiert?
    g) Gibt es Unterschiede im outcome der Hörleistung bei konservativ therapierten,
       durch Parazentese oder Paukenröhrchen versorgten und antrotomierten
       Patienten?
    h) Kann man, abhängig von der Schwere des Innenohrschadens, für das
       therapeutische Vorgehen Empfehlungen abgeben?
    i) Wer ist oder sind die Erreger und Auslöser der Myringitis bullosa
       haemorrhagica?

                                           6
3 Methode und Patienten
3.1 Literatursuche

Die Literatur wurde mit dem klinikinternen elektronischen Suchprogramm WinSPIRS 4.0
aus folgenden Datenbanken gesucht:

SilverPatter MEDLINE [R] 2002/01-2002/10
SilverPatter MEDLINE [R] 1999-2001
SilverPatter MEDLINE [R] 1996-1998
SilverPatter MEDLINE [R] 1993-1995
SilverPatter MEDLINE [R] 1989-1992
SilverPatter MEDLINE [R] 1984-1988
SilverPatter MEDLINE [R] 1977-1983
SilverPatter MEDLINE [R] 1966-1976

Die verwendeten Suchbegriffe waren:

Myringitis bullosa
Otitis bullosa
Otitis haemorrhagica
Bullous myringitis
Viral otitis
Labyrinthitis and otitis
Acute otitis media
Influenza otitis
Myringitis bullosa haemorrhagica
Otitis media acuta and hearing loss

Die somit gefundene Literatur wurde in einem ersten Schritt in abstracts durchgesehen
und bei Relevanz zu einem der drei Schwerpunkte des Literaturrückblickes, nämlich zur
Ätiologie der Grippeotitis, zur Innenohrbeteiligung bei der Grippeotitis und zur Otitis
media acuta mit Innenohrbeteiligung, im Original entweder in der ORL-klinikinternen
Bibliothek durchgelesen oder, wo nicht vorhanden, via Universitätsbibliothek bestellt,
durchgelesen und im Text verarbeitet. Die in den Originalarbeiten zusätzlich erwähnte
Literatur wurde bei Relevanz zu den oben erwähnten Schwerpunkten ebenfalls im
Original durchgesehen und verarbeitet.

3.2 Patientengut
  3.2.1 Der retrospektive Studienarm

Das Patientengut dieser Arbeit wurde aus der internen Datenbank der Hals-Nasen-
Ohren-Klinik des Universitätsspitals Zürich mis-orl gewonnen.
Für die elektronische Suche der grossen Patientengruppe aller Diagnosen wurden die
registrierten Diagnosecodes nach der internationalen Klassifizierung ICD-10 verwendet:

                                           7
H65.0        Akute seröse Otitis media
H65.1        Sonstige akute nicht eitrige Otitis media
H66.0        Akute eitrige Otitis media
H66.9        Otitis media, nicht näher bezeichnet
H73.0        Akute Myringitis

In einem ersten Schritt wurden alle Patienten mit einem der zuerst genannten
Diagnosecodes aus der Datenbank gefiltert, die zwischen dem 1.1.1989 und dem
31.10.2002 registriert worden waren. Davon wurden die Patienten, welche ein
Reintonaudiogramm erhielten, herausgefiltert. Darauf suchten wir die Patienten mit
mindestens zwei Reintonaudiogrammen, also einem klinischen Verlauf im
Reintonaudiogramm, heraus. Um die Patienten mit sensorineuraler Schwerhörigkeit zu
untersuchen, analysierten wir die Reintonaudiogramme anhand der vertäubten
Knochenleitung oder, wo nicht vorhanden, anhand der unvertäubten Knochenleitung. In
einem nächsten Schritt legten wir die Definitionskriterien für ein pathologisches
Reintonaudiogramm fest. Dazu richteten wir uns nach den international gültigen
Kriterien der ISO-Zertifizierung 7029 (In den Spalten unter Männer respektive Frauen
sind die altersspezifischen Normwerte der Hörschwelle der 90. Perzentilen in Dezibel
angegeben):

ISO-7029: 90.Perzentile
Frequenz Alter Männer Frauen Frequenz Alter Männer Frauen Frequenz Alter Männer Frauen
     125    20    9      9       1000   20     8      8       4000   20    11     10
     125    30   10      9       1000   30     9      9       4000   30    14     12
     125    40   12     11       1000   40    11     11       4000   40    23     17
     125    50   14     13       1000   50    14     14       4000   50    36     24
     125    60   18     17       1000   60    19     19       4000   60    55     35
     125    70   22     21       1000   70   20.3   20.3      4000   70    79     48

     250    20     9       8        2000    20     9      9        6000    20   12         12
     250    30     9       9        2000    30    11     10        6000    30   16         14
     250    40    11      10        2000    40    15     13        6000    40   26         21
     250    50    13      13        2000    50    21     18        6000    50   41         31
     250    60    17      16        2000    60    29     25        6000    60   62         45
     250    70    21      21        2000    70    39     34        6000    70   80         62

     500    20     8       8        3000    20    10      9        8000    20   14         14
     500    30     9       9        3000    30    13     11        8000    30   19         17
     500    40    11      11        3000    40    19     15        8000    40   30         25
     500    50    14      14        3000    50    29     21        8000    50   49         38
     500    60    18      18        3000    60    42     30        8000    60   75         55
     500    70    23      23        3000    70    59     41        8000    70   80         77

Weil sich die Kriterien für die Frauen und Männer unterscheiden, unterteilten wir unsere
Patienten in eine Frauen- und eine Männergruppe und ordneten die
Reintonaudiogrammwerte den jeweiligen geschlechtsspezifischen
altersentsprechenden 90.Perzentilenwerten zu. Bei der nun folgenden Erfassung
unserer pathologischen Reintonaudiogramme gaben wir bei allen Frequenzen der
90.Perzentile der ISO-7029 Tabelle noch 10 dB zu den jeweiligen Werten als Toleranz
dazu, um nur die wirklich pathologischen Reintonaudiogramme zu erfassen, da ja
definitionsgemäss bei der 90.Perzentilen einer von zehn Normalhörenden trotzdem
ausserhalb liegt.

                                            8
Wir konnten nun unsere Reintonaudiogramme anhand der oben erwähnten Kriterien in
eine Gruppe mit nicht pathologischen, also innerhalb der 90.Perzentile plus 10 dB
liegenden, und eine Gruppe mit pathologischen Reintonaudiogrammen einteilen, wobei
es für die Einteilung in die Gruppe pathologischer Reintonaudiogramme reichte, wenn
ein einzelner Wert bei einer entsprechenden Frequenz pathologisch war, also jenseits
der 90.Perzentile plus 10 dB lag. Wir hatten also jetzt alle Patienten mit einem Verlauf
(mindestens zwei Reintonaudiogramme) und davon mit mindestens einem
pathologischen Innenohrwert in mindestens einem Reintonaudiogramm herausgefiltert.

Zur weiteren Bearbeitung suchten wir von den so erhaltenen pathologischen
Reintonaudiogrammen mit einem Verlauf die entsprechenden Krankengeschichten
heraus und kontrollierten diese von Auge mit der jeweiligen vorher erhaltenen Diagnose
aus der mis-orl Datenbank. Wir behielten nur diejenigen Fälle mit der von Auge
bestätigten Diagnose einer Grippeotitis, einer akuten serösen und einer akuten eitrigen
Otitis media für die weitere Bearbeitung zurück.
Die Patienten wurden hiermit unterteilt nach den Diagnosegruppen, um eine Aussage
zu machen über die sensorineurale Schwerhörigkeit und deren Verläufe bei der
Grippeotitis, der eitrigen und der serösen akuten Otitis media. Da die Unterteilung in
eitrige und seröse akute Otitis media rein klinisch aufgrund des Aspektes des
Mittelohrergusses durch das Trommelfell oder allenfalls bei operativer Intervention von
Auge gemacht worden war und somit einer klaren Richtlinie entbehrt hatte, fassten wir
diese beiden Untergruppen für die weiteren Interpretationen unter der Gruppe akute
nicht bullöse Otitis media zusammen.
Ausserdem bestimmten wir die Anzahl erkrankter Ohren, indem wir die beidseitig
erkrankten Patienten registrierten.

Weiterhin suchten wir von jedem dieser Patienten den klinischen Webertest vor
Therapiebeginn aus der Krankenakte heraus und verglichen diesen mit den Werten des
jeweiligen Reintonaudiogramms. Wir registrierten ausserdem aus den
Krankengeschichten all dieser Patienten den Zeitverlust vom Auftreten der ersten
Ohrsymptome bis zur adäquaten Therapie, also bei den operierten Patienten bis zum
Operationstag, bei den nicht Operierten bis zum Beginn einer konservativ antibiotischen
Therapie (= Delay). Aus den Krankenakten aller dieser Patienten suchten wir auch
Angaben zu Otalgie, Tinnitus, Schwindel und vorhergegangener oder begleitender
allgemeiner Erkältung (Common Cold).
Eine weitere Betrachtung betraf die Häufigkeit nach Monaten respektive Jahreszeit der
Grippeotitis und der nicht bullösen Otitis media.

Um die jeweiligen Unterschiede oben genannter klinischer Erscheinungen zwischen
Patienten mit Grippeotitis und Patienten mit nicht bullöser Otitis media auf Signifikanz
zu prüfen, wendeten wir den Chi-Quadrat Test (chi square test) nach Pearson an.
Da wir die klinischen Assoziationen im informativen Zusammenhang darstellen wollten,
wendeten wir bewusst keine Korrektur nach Bonferoni an und akzeptierten eine
Signifikanz von p
Frequenz in Hz 125 250 500 1000 2000 3000 4000 6000 8000
Luftleitung    75 95 120 120 120 120 120 115 95
Knochenleitung X      45 55 70       70 X 65   X    X
X: Keine Messung bei dieser Frequenz

Wir berechneten für die weiteren Analysen jeweils den Pure Tone Average (PTA),
welcher ein international anerkannter Durchschnitt der Frequenzen bei 500, 1000, 2000
und 4000 (sonst auch 3000, jedoch wo nicht vorhanden 4000) Hertz darstellt [7], der
vertäubten und, wo nicht vorhanden, der nicht vertäubten Knochenleitung. Wir konnten
so den Frequenzabfall und die Innenohrleistung erfassen und haben auch gesehen,
dass beim PTA der Knochenleitung unserer Reintonaudiogramme der prädiktive Wert
mindestens gleich gut wie der Wert einzelner oder summierter hoher Frequenzen der
Knochenleitung oder auch der Luftleitung abschnitt.

Nun wurden diejenigen Reintonaudiogramme zu Beginn der Erkrankung oder vor der
Operation mit den Reintonaudiogrammen nach der Intervention verglichen, und zwar
mit einem möglichst späten Reintonaudiogramm, um auch langdauernde
Veränderungen respektive Verbesserungen zu erfassen.
Dabei beurteilten wir auch das jeweilige funktionelle Resultat, nämlich ob sich die
Hörleistung im Verlauf erholt hatte. Um von einer Erholung zu sprechen, musste der
Pure Tone Average (PTA) des Reintonaudiogramms innerhalb des Pure Tone Average
(PTA) der 90.Perzentile-Werten der geschlechts- und alterskorrigierten Tabelle ISO-
7029 Tabelle liegen.
Wir berechneten nun den jeweiligen Prozentsatz der Erholungen der drei
Therapiegruppen Antrotomie, Parazentese und Paukenröhrchen sowie konservative
Therapie aus dem Vergleich zwischen den Werten der posttherapeutischen
Reintonaudiogramme gegenüber jenen der prätherapeutischen Reintonaudiogramme.
Dazu bildeten wir Gruppen anhand der prätherapeutischen Pure Tone Average-Werte
in Dezibel (dB):
ISO-7029: Mediane
Frequenz Alter Männer Frauen Frequenz Alter Männer Frauen Frequenz Alter Männer Frauen
     125    20   0       0       1000   20    0       0       4000   20     0      0
     125    30   0       0       1000   30    1       1       4000   30     2      1
     125    40   2       2       1000   40    2       2       4000   40     8      4
     125    50   3       3       1000   50    4       4       4000   50    16      9
     125    60   5       5       1000   60    7       7       4000   60    28     16
     125    70   8       8       1000   70   7.9     7.9      4000   70    43     24

     250    20    0       0        2000    20    0       0        6000   20     0        0
     250    30    0       0        2000    30    1       1        6000   30     3        2
     250    40    2       2        2000    40    3       3        6000   40     9        6
     250    50    3       3        2000    50    7       6        6000   50    18       12
     250    60    5       5        2000    60   12      11        6000   60    32       21
     250    70    8       8        2000    70   19      16        6000   70    43       32

     500    20    0       0        3000    20    0       0        8000   20     0        0
     500    30    1       0        3000    30    2       1        8000   30     3        2
     500    40    2       2        3000    40    6       4        8000   40    11        7
     500    50    4       4        3000    50   12       8        8000   50    23       15
     500    60    6       6        3000    60   20      13        8000   60    39       27
     500    70   10      10        3000    70   31      20        8000   70    60       41

Für die weitere statistische Auswertung unserer Reintonaudiogrammdaten verwendeten
wir wiederum oben beschriebenen Pure Tone Average (PTA), also den Durchschnitt der
Hörschwellen bei 500, 1000, 2000 und 4000 Hertz der Knochenleitung.

Jetzt konnten wir die erhaltenen Veränderungen als Abweichungen von der Norm
dieser Werte zwischen den konservativ behandelten, den durch Parazentese und
Paukenröhrchen und den durch Antrotomie behandelten Patienten vergleichen.
Um die statistischen Resultate anschaulich darzustellen und eine klare Aussage
machen zu können, benutzten wir multiple lineare Regressionskurven. Dabei wählten
wir auf der Ordinate die prätherapeutische Hörschwelle in Dezibel [dB HL] und auf der
Abszisse die posttherapeutische Hörschwelle in Dezibel [dB HL].

                                          11
70

                                                        60
                Prätherapeutische Hörschwelle [dB HL]
                                                        50

                                                        40

                                                        30

                                                        20                                                       KONSPR
                                                                                                                 KONSPO

                                                        10                                                       PARAPDPR
                                                                                                                 PARAPDPO
                                                         0
                                                                                                                 ANTRPR
                                                        -10                                                      ANTRPO
                                                           -10    0    10    20    30    40    50     60    70

                                                             posttherapeutische Hörschwelle [dB HL]

Nun füllten wir in dieses Diagramm die erhaltenen Resultate ein und berechneten aus
der Verteilung der Werte die Geraden der linearen Regression für jede Therapiegruppe.

In Anlehnung an die Patterson-Kriterien [10] akzeptierten wir als posttherapeutischen
Toleranzwert 15 dB Hörverlust im Pure Tone Average (PTA) der Knochenleitung.
Gemäss diesen Kriterien wird für das gute Funktionieren eines Gehörs im Alltag
maximal 30 dB Hörverlust im PTA eines Ohres toleriert und die Differenz beider Ohren
darf 15 dB Seitendifferenz im PTA nicht überschreiten, da sonst das schlechtere Ohr
unbewusst nicht mehr eingesetzt wird. Wir schnitten also im Diagramm die Geraden der
multiplen linearen Regressionen der verschiedenen therapeutischen Gruppen mit der
Ordinate bei 15 dB posttherapeutischer Hörschwelle und erhielten die damit
verknüpften therapiegruppenspezifischen tolerierbaren prätherapeutischen
Hörschwellen im PTA.
Diese Limiten setzten wir in Relation zu den alters- und geschlechtsspezifischen
Medianen der ISO-7029 Tabelle und leiteten daraus ein einfaches Merkschema für den
klinischen Gebrauch im Alltag ab.

Andererseits wendeten wir die logistische Regression an, um die Erholung der
Reintonaudiogramme wiederum bezogen auf die 90.Perzentile-Werte der ISO-7029
Tabelle (vgl. oben) zwischen den genannten Therapiegruppen statistisch auf Signifikanz
vergleichen zu können.

  3.2.2 Der prospektive Studienarm

Wir erfassten prospektiv ab 1.5.2002 bis 30.4.2003 in einer Pilotphase acht Patienten,
welche eine Grippeotitis hatten und aufgrund einer Innenohrbeteiligung sowie im
allenfalls durchgeführten Computertomogramm Flüssigkeit vor dem runden Fenster
eine Antrotomie erhielten. Bei diesen Patienten wurde intraoperativ venöses Blut
abgenommen, der Mittelohrerguss durch das Trommelfell steril punktiert und nach
operativem Zugang durch eine Antrotomie von der Schleimhaut über dem lateralen

                                                                                                           12
Bogengang eine Gewebeprobe genommen. Um eine paarige Serumprobe für eine
allfällige serologische Verlaufstiterbestimmung zu gewinnen, wurde eine zweite
Serumprobe drei bis sechs Monate postoperativ abgenommen. Da diese zweite
Serumprobe postoperativ einen (in unserer Studie den einzigen) zusätzlichen Eingriff
am Patienten verlangte, wurde dafür eine Bewilligung der Ethikkommission eingeholt
und die Blutentnahme nach ordnungsgemässer Aufklärung und dem
Einwilligungseinverständnis dieser Patienten abgenommen.

Das steril entnommene Mittelohrsekret untersuchten wir mittels PCR (Polymerase
Chain Reaction) auf die aufgrund Literatur und Klinik hauptsächlich in Frage
kommenden DNA- (Desoxyribo Nucleic Acid) und RNA- (Ribo Nucleic Acid) Viren:
Herpes Simplex Virus (HSV) 1, HSV 2, Varizella Zoster Virus (VZV), Cytomegalie Virus
(CMV), Adenoviren, Influenza A Virus, Influenza B Virus, Respitorial Syncitial Virus
(RSV) A und RSV B.
Weiterhin analysierten wir das Sekret mittels PCR auf Chlamydien und Mykoplasmen
und führten eine eubakterielle PCR durch.

Die Serumproben und die Mittelohrschleimhautproben werden für allfällige weitere
Analysen vorerst asserviert.

                                          13
4 Literaturüberblick
4.1 Grippeotitis
  4.1.1 Die Erregerfrage
Bereits 1853 beobachtete Wilde das Vorkommen von Bullae auf dem Trommelfell [11].
Lowenberg beschrieb 1891 das häufige Auftreten von Myringitis haemorrhagica und
Otitis media haemorrhagica während Grippeepidemien [12]. 1902 bestärkte Politzer
durch seine Beobachtungen diesen Verdacht, die Bezeichnung “Grippeotitis“ verbreitete
sich [13]. Während den Grippeepidemien anfangs des letzten Jahrhunderts traten
vermehrt aggressiv verlaufende Otitiden auf, wie Milligan 1926 schrieb, die bisweilen
sowohl durch einen hämorrhagischen Erguss das Innenohr, als auch durch eine direkte
neurotoxische Wirkung den Hörnerv dauerhaft schädigen könnten [14]. Im selben Jahr
postulierte Jenkins ein Modell, wonach Erreger durch eine Filterfunktion des
Trommelfells Bläschen verursachen sollten, wobei er Herpesviren mittels Experimenten
ausschloss. Es konnten vereinzelt aus dem Blut von Grippeotitisbläschen
Streptokokken und Pneumokokken kultiviert werden; Jenkins dachte dabei an
sekundäre Erreger nach Primärinfektion des Trommelfellfilters durch beispielsweise
Influenzaviren [15]. Fünf Jahre später präsentierte Ziegelman anhand zweier Fälle die
Theorie, dass zirkulierende Toxine mit einer Affinität für das Trommelfell die Blasen
verursachten [16]. Karelitz stellte zwischen 1934 und 1936 bei 87 Patienten fest, dass
eine Myringitis bullosa hauptsächlich mit anderen Infekten der oberen Atemwege und
Tonsillitis, als auch manchmal mit Sinusitis, Bronchitis, Pneumonie,
Mittelohrentzündung, Scharlach, Masern und Keuchhusten einherging. Er sah aufgrund
dieses Zusammenhangs den Infektionsweg via Eustach’sche Röhre und Mittelohr zur
Myringitis bullosa als wahrscheinlich an. Ausserdem beobachtete er das gehäufte
Vorkommen der Grippeotitis während den kühleren Monaten [17]. 1938 postulierte
Ruskin, dass die Myringitis bullosa durch einen latenten Skorbut verursacht wäre, wobei
diverse Infekte, so auch die Grippe, die gastrointestinale Resorption von Vitamin C
beeinträchtigen würden und somit zu erhöhter Blutungsneigung auch des proximalen
äusseren Gehörgangs und des Trommelfells führen sollten [18]. Ruskin führte eine
Behandlung mit hohen Dosen an Vitamin C bei zehn dokumentierten Patienten mit
Myringitis bullosa durch, und darunter besserten sich die jeweiligen Symptome rasch,
wobei sicherlich auch der spontane selbstlimitierende Verlauf der Myringitis bullosa
entscheidend war; diese Theorie des latenten Skorbut wurde später widerlegt. Im
Winter 1940/1941 wurde in den Vereinigten Staaten eine grosse Grippeepidemie mit
häufig assoziierten typischen Bläschen auf dem Trommelfell beobachtet; Senturia und
Sulkin versuchten in sechs Fällen aus aspiriertem Bläschensekret ohne Erfolg, mittels
Komplementfixation und neutralisierenden Antikörpern eine Evidenz für eine Infektion
mit Influenza A- oder B-Viren aufzuzeigen [19]. Ebenfalls erfolglos versuchte 1951 Clark
bei 23 Patienten einen spezifischen Erreger aus der Bläschenflüssigkeit oder des
äusseren Gehörgangs zu isolieren [20]. Lahikainen veröffentlichte 1953 eine Studie, in
der er bei 27 von insgesamt 46 Fällen von Myringitis bullosa in der bakteriellen Kultur im
Mittelohrpunktat sowie in einem von neun Bläschenaspiraten ein Wachstum der
üblichen Keime bei akuter Otitis media hatte, nämlich entweder Pneumokokken,
Hämophilus oder Beta-hämolysierende Streptokokken [21]. Yoshie gelang es jedoch
über den Winter 1953-1954 während einer japanischen Grippeepidemie aus dem
Mittelohrsekret bei vier von zehn Patientenproben aus 27 beschriebenen Fällen von
Grippeotitiden das Influenzavirus nachzuweisen [22].1960 stellten Kelemen und
Mitarbeiter einen Fall eines Fetus mit Myringitis bullosa haemorrhagica einer Mutter mit

                                           14
Influenza A-Pneumonie vor [23]. Rifkind und Mitarbeiter fanden 1961 zufälligerweise im
Rahmen einer Studie über Inzidenz und Verlauf von Atemwegsinfektionen mit
Mycoplasma pneumoniae bei zwölf von 27 freiwillig inokulierten gesunden Individuen
ohne Antikörper gegen Mycoplasma pneumoniae eine Myringitis, davon fünf mit
Hämorrhagie und wiederum davon zwei mit Bullae [24]. Von diesen zwei wurde bei
einer Person das Bläschenaspirat ohne Erfolg kultiviert. Couch und Mitarbeiter
bestätigten zwei Jahre später diesen Zusammenhang mit einer Myringitis bullosa bei
zwei von 69 freiwillig mit Mycoplasma inokulierten Personen [25]. Bei einem
natürlicherweise mit Mycoplasma infiziertem Kind mit Myringitis bullosa konnten
Sobeslavsky und Kollegen 1965 aus einem Nasenrachenabstrich Mycoplasma
pneumoniae kultivieren, jedoch nicht aus dem Abstrich aus dem äusseren Gehörgang
nach Parazentese [26]. Feinmesser und Kollegen präsentierten dann 1980 einen Fall
von Grippeotitis einer zwanzig-jährigen Frau, wobei sie im Blut aufgrund von einer
Erhöhung der Kälteagglutinine während der Infektion und dem Auftreten von Helmzellen
[helmet cells] im Blutausstrich eine Mycoplasmeninfektion als Ursache postulierten,
obwohl keine Kultur dieses Keims gewonnen werden konnte [27]. Im Jahr 1964
beschrieb Kilpatrick einen ersten Fall eines Patienten mit Myringitis bullosa bei
infektiöser Mononukleose [28]; erst 1980 wurde ein zweiter solcher Fall von Williams
beschrieben [29]. 1966 führten Merifield und Miller eine Studie durch, in der sie 23
Patienten mit Grippeotitis serologisch mit komplementbindenden Antikörpern im akuten
Krankheitsstadium und fünf bis zehn Wochen später auf Titererhöhungen von
Mycoplasma pneumoniae untersuchten, und zusätzlich Rachenabstriche kultivierten
wobei kein kausaler Zusammenhang zwischen Grippeotitis und Mycoplasma
pneumoniae - Infektion gefunden werden konnte [30]. In der selben Studie wurden bei
zehn der 23 Patienten wieder gepaarte Seren im akuten Krankheitsstadium und fünf bis
zehn Wochen später mit komplementbindenden Antikörpern auf Parainfluenzaviren I-III,
Influenzaviren A,B,C, Adenovirus, Respiratory Syncytial Virus, Mumpsvirus, Poliovirus II
und III, Echoviren 9,16, Rubeolavirus, Coxsackie-Viren A9,B1,B2,B3,B6, Herpes
simplex Virus und Chlamydia psittaci analysiert; es ergab sich ebenfalls kein
Kausalzusammenhang zwischen den Titern in Bezug auf die Grippeotitis. Ebenfalls
1966 fanden Feingold und Mitarbeiter bei fünf von neun als auch Coffey bei zehn von
zehn Fällen von Myringitis bullosa in der Bakterienkultur des Mittelohraspirates ein
Wachstum entweder von Streptococcus pneumoniae, Haemophilus influenzae oder
Beta-hämolysierenden Streptokokken [31/32], wie dies schon Lahikainen dreizehn
Jahre zuvor beschrieben hatte (s.o.). 1967 gelang Clyde und Denny der bis dato einzige
Direktnachweis von Mycoplasma pneumoniae in der Kultur bei einem Patienten sowohl
im Nasenrachenabstrich als auch in der Bläschenflüssigkeit [33]. Im selben Jahr
konnten Tilles und Mitarbeiter bei einem von neun Patienten mit Grippeotitis im
bakteriologisch sterilen Mittelohraspirat einen Adenovirus Typ 3 nachweisen [34].
Roberts fasste 1980 die Studien mit der Suche nach einem ursächlichen Erreger der
Myringitis bullosa zusammen und fand, dass kritisch betrachtet nur ein Nachweis von
Mycoplasma pneumoniae (Clyde und Denny, s.o.), ein Nachweis eines Virus
(Adenovirus Typ 3; Tilles, s.o.) und 43 Nachweise eines Bakterienwachstums in dem
Mittelohraspirat oder der Bläschenflüssigkeit gelang [35]. Er kam somit zu Schluss,
dass die Myringitis bullosa möglicherweise keine klinische Entität darstellen würde,
sondern lediglich eine Form der Otitis media mit Bläschen auf dem Trommelfell als
unspezifischer Reaktion. In Finnland wurde 2001 eine prospektive longitudinale
Kohortenstudie mit Säuglingen und Kleinkindern von einem halben bis zwei Jahren
Alter veröffentlicht, welche die Mittelohraspirate bei der Myringitis bullosa auf Erreger
analysierte [36]. Dabei zeigten sich im Mittelohrpunktat bei 74 Kindern mit Myringitis
bullosa hauptsächlich Pneumokokken, Hämophilus influenzae und Moraxella

                                           15
catarrhalis, statistisch im Vergleich mit der akuten Otitis media übereinstimmend ohne
signifikant unterschiedliche Häufung eines Keimes. In der Serotypisierung der
Pneumokokken kamen viele unterschiedliche Subtypen zutage, keiner schien eine
Prädilektion für die Entstehung der Myringitis bullosa zu haben.

  4.1.2 Innenohrbeteiligung
Die Myringitis bullosa kann mit Schalleitungsschwerhörigkeit allein einhergehen, das
klinische Korrelat dazu ist die Myringitis per se sowie ein häufig vorkommender
Paukenerguss. Relativ oft im Vergleich zu anderen Mittelohrentzündungen schien
jedoch auch eine Erkrankung des Innenohres mit sensorineuraler Schwerhörigkeit und
Tinnitus, sowie bisweilen auch Schwindel, beteiligt zu sein. Somit konnte man eine
alleinige Schallleitungsschwerhörigkeit, eine Schallempfindungsschwerhörigkeit und
eine kombinierte Schallleitungs- und Schallempfindungsschwerhörigkeit beobachten.
Bereits 1926 vermutete Milligan eine Innenohrschädigung aufgrund hämorrhagischer
Effekte der Influenzainfektion und erwähnte die Möglichkeit von persistierendem
Tinnitus und fortschreitendem Hörverlust bis zur Taubheit in gewissen Fällen [14].
Karelitz beschrieb 1937 das Auftreten von Schwindel bei einigen Patienten [17]. 1955
erfasste Dawes unter vielen Patienten mit Myringitis bullosa haemorrhagica zehn Fälle
mit Schallempfindungsschwerhörigkeit, wovon sieben auch Gleichgewichtsstörungen
gehabt hatten und zwei der zehn einen bleibenden Innenohrschaden behielten [37].
Merifield beschrieb 1962 zwei Fälle mit einer kombinierten Schallleitungs- und
Schallempfindungsschwerhörigkeit [38]. 1979 veröffentlichten Wetmore und Abramson
eine Fallserie mit einer kombinierten Schwerhörigkeit bei drei von 22 Patienten mit
Grippeotitis [39]. Diese drei Patienten erholten sich in Bezug auf das Gehör alle
vollständig. Wetmore und Abramson mutmassten, dass eine Innenohrbeteiligung bei
Myringitis bullosa häufiger sei, als bis dahin angenommen. Feinmesser und Kollegen
präsentierten 1980 einen Fall einer zwanzig-jährigen Frau mit beidseitiger Myringitis
bullosa mit kombinierter Schwerhörigkeit und leichtem, bleibendem Hörverlust in den
hohen Frequenzen [27]. 1983 publizierten Hoffman und Shepsman eine prospektive
Studie zur Erforschung der sensorineuralen Schwerhörigkeit [40]. Dabei registrierten sie
bei vierzehn von 21 Ohren mit Grippeotitis eine Schwerhörigkeit, sieben davon mit einer
kombinierten Schallleitungs- und Schallempfindungsschwerhörigkeit und die anderen
sieben mit einer reinen sensorineuralen Schwerhörigkeit. Der durchschnittliche
Innenohrhörverlust betrug bei diesen vierzehn Ohren 21 Dezibel, vor allem in den
hohen Frequenzen. Von den vierzehn Ohren erholten sich lediglich acht vollständig. So
musste angenommen werden, dass bei Grippeotitis eine Innenohrbeteiligung mit häufig
bleibenden Schäden öfters auftrat, als vermutet worden war. Lashin und Mitarbeiter
beschrieben 1988 eine Serie von 24 Patienten mit der klinischen Diagnose einer
Myringitis bullosa, davon hatten acht einen Hörverlust. Von diesen acht Patienten litten
vier an einer sensorineuralen Schwerhörigkeit, drei an einer kombinierten
Schwerhörigkeit und einer an einer reinen Schallleitungsschwerhörigkeit. Der Median
des Hörverlustes der vier Innenohrschwerhörigkeiten lag bei 35 Dezibel Hörschwelle.
Einer der Patienten mit sensorineuraler Schwerhörigkeit erholte sich in Bezug auf das
Gehör nicht komplett [41]. 1990 publizierte Hariri eine prospektive Studie mit achtzehn
Patienten und zwanzig betroffenen Ohren mit Myringitis bullosa [42]. Von den zwanzig
Ohren zeigten sechs eine sensorineurale, sieben eine kombinierte und vier eine reine
schalleitungsbedingte Schwerhörigkeit. Von den 13 Ohren mit Innenohrbeteiligung, mit
einem durchschnittlichen Hörverlust von 28 dB, erholten sich acht vollständig, fünf nicht.

                                           16
4.2 Andere Formen der akuten Otitis media mit Innenohrbeteiligung

Literatur über die Häufigkeit einer Innenohrbeteiligung bei akuter eitriger oder seröser
Otitis media ist nur spärlich vorhanden, so beschrieb es auch Münker in seinem
Rückblick [43]. Mindestens teilweise wird dies durch im Vergleich zur Grippeotitis oder
auch zur chronischen Otitis media selteneres Auftreten von Innenohrkomplikationen
erklärt. Prinzipiell kann als Komplikation einer akuten Otitis media eine akute seröse
(toxische) Labyrinthitis oder eine akute suppurative (eitrige) Labyrinthitis auftreten [44/
45]. Torok beschrieb 1972 das Vorkommen einer diffusen serösen Labyrinthitis bei
einer akuten Mittelohrinfektion genauer [46]. Dabei würden Unwohlsein, Übelkeit und
Tinnitus sowie spontaner Nystagmus auftreten und sich im Audiogramm ein
pancochleäres Absinken der Hörschwelle der Knochenleitung mit Maximum
typischerweise um 2000 Hertz zeigen mit der Möglichkeit einer permanenten
Hörstörung. Margolis präsentierte 1992 einen typischen Verlauf einer akuten serösen
Otitis media mit transienter sensorineuraler Schwerhörigkeit [47]. Münker bemerkte eine
Prädilektion der höheren Frequenzen, wobei die akute seröse Otitis media öfters als die
eitrige Form einen Knochenleitungsverlust bewirken würde [43]. Paparella postulierte
1972 und 1983, dass bei akuter eitriger Otitis media ein sensorineuraler Hörverlust der
sehr hohen Frequenzen auftreten könne bei vorübergehender oder permanenter
Hörschwellenverschiebung aufgrund einer perilymphatischen Entzündung mit
pathologischem Insult im unteren Teil des Bogenganges der Hörschnecke [48/49]. Die
tympanogene seröse Labyrinthitis sollte bei den akuten Mittelohrentzündungen über
das runde Fenster, also über Toxine, welche durch eine entzündungsbedingte erhöhte
Permeabilität des runden Fensters in das Labyrinth gelangten, ausgelöst werden [1-6;
50/51]. Dabei wies Paparella im Tierversuch nach, dass eine akute eitrige Otitis media
für das Innenohr möglicherweise gefährlicher sein kann, als eine chronische Otitis
media, bei welcher das runde Fenster durch die chronische Entzündung bereits verdickt
ist [49,52]. Um eine Innenohrbeteiligung frühzeitig zu erkennen, erschien es Federspil
und Bach 1980 optimal, den Verlauf einer akuten Otitis media immer audiometrisch zu
kontrollieren [53]. 1989 ergab eine finnische Studie, dass in den unteren Frequenzen im
Audiogramm zwischen 500 und 2000 Hertz auch nach mehreren durchgemachten und
behandelten akuten Mittelohrentzündungen keine sensorineuralen Hörschäden
bestehen bleiben würden [54]. Jedoch zeigte 1993 die Studie von Margolis und
Mitarbeiter, dass nach akuter Otitis media bei Kindern die sehr hohen sensorineuralen
Frequenzen zwischen 12'000 und 20'000 Hertz permanent geschädigt sind bei
normalem Audiogramm in den Frequenzen zwischen 250 bis 12'000 Hertz [55]. Auch
Laitila und Mitarbeiter zeigten 1997 in einer finnischen Studie, dass proportional zur
Anzahl durchgemachter akuter Mittelohrentzündungen die Empfindung der sehr hohen
Frequenzen zwischen 10'000 und 18'000 Hertz abgenommen hatte [56]. Diese
Resultate konnten 2002 von Ryding und Mitarbeitern bestätigt werden, wobei in einer
prospektiven Kohortenstudie die Kinder mit einigen durchgemachten
Mittelohrentzündungen auch Jahre später in den hohen Frequenzen zwischen 8'000
und 16'000 Hertz im Audiogramm schlechter abschnitten als die Gruppe der Kinder
ohne durchgemachte Mittelohrentzündungen; in den tieferen Frequenzen zwischen 125
bis 8'000 Hertz fand sich diesbezüglich kein Unterschied [57]. 1985 fanden Paparella
und Mitarbeiter in 83% der Fälle von akuter Otitis media histologisch eine seröse
Labyrinthitis, häufig war diese klinisch stumm geblieben [58]. Mudry und Monnier
präsentierten 1992 eine Serie von 54 hospitalisierten Kindern mit akuter Otitis media mit
Komplikationen, davon hatten fünf eine Labyrinthitis, davon wiederum zwei eine
Schwerhörigkeit [59]. Im Jahr darauf veröffentlichten Kangsanarak und Mitarbeiter eine
Studie, in der während achtzehn Jahren 3196 Fälle von akuter Otitis media in allen

                                            17
Altersgruppen registriert worden waren, davon zehn mit Komplikationen, wobei die
Labyrinthitis bei den extrakraniellen Komplikationen an dritter Stelle folgte [60].
Goldstein und Mitarbeiter fanden zwischen 1980 und 1995 am Kinderspital von
Pittsburgh 100 Kinder mit einer intratemporalen Komplikation nach einer akuten Otitis
media, davon drei mit einer serösen und zwei mit einer eitrigen Labyrinthitis, wobei die
Unterscheidung rein klinisch aufgrund des Behandlungserfolges und der Verbesserung
im Reintonaudiogramm gemacht wurde; die serösen Labyrinthitiden wurden konservativ
behandelt und erholten sich alle, die eitrigen wurden je einmal konservativ und einmal
operativ behandelt und zeigten beide eine persistierende sensorineurale
Schwerhörigkeit [61]. In einer retrospektiven Fallserie hatten bei Albers von 23
Patienten mit Komplikationen ausgehend von einer Mittelohrerkrankung, die zwischen
1993 bis 1996 gesammelt wurden, zehn Komplikationen nach einer akuten Otitis media
und drei eine Labyrinthitis (die absoluten Fallzahlen von akuter Otitis media mit
Labyrinthitis wurden in dieser Studie leider nicht angegeben) [62]. Es wurden von
Fearrington 1991 und von Kanazawa im Jahre 2000 Fälle einer akuten eitrigen Otitis
media bei Infekt mit Streptokokken der Serogruppe A mit sensorineuraler
Schwerhörigkeit publiziert; bei einem Patienten blieb eine Taubheit bestehen, bei den
anderen drei erholte sich die Schwerhörigkeit im Verlauf [63/64].

                                          18
5 Resultate
5.1 Akute Otitis media und Myringitis bullosa (Grippeotitis) mit
    Innenohrbeteiligung: Analyse aus unserer Datenbank

Im Oktober 2002 enthielt unsere Datenbank mis-orl 2149 Patienten mit den Diagnosen
akute seröse Otitis media, sonstige akute nicht eitrige Otitis media, akute eitrige Otitis
media, Otitis media, nicht näher bezeichnet und Akute Myringitis. Davon hatten 1180
Patienten ein oder mehrere Reintonaudiogramme zwischen Januar 1989 und Oktober
2002 erhalten. Bei diesen 1180 Patienten waren insgesamt 2524 Reintonaudiogramme
durchgeführt worden. Bei 698 Patienten war lediglich einmal ein Reintonaudiogramm
durchgeführt worden, bei 482 Patienten waren mehrere Reintonaudiogramme
durchgeführt worden. Von den 2524 Reintonaudiogrammen waren 465 gemäss unseren
Definitionskriterien pathologisch in der vertäubten oder nicht vertäubten Knochenleitung
anhand der ISO 7029-Kriterien. Von oben genannten 482 Patienten mit einem Verlauf,
also mindestens zwei Reintonaudiogrammen, hatten 303 Patienten mindestens ein
pathologisches Reintonaudiogramm.
Von diesen 303 Patienten mit pathologischem Reintonaudiogramm und Verlauf hatten
insgesamt 159 die Diagnose einer Grippeotitis, einer akuten eitrigen oder einer akuten
serösen Otitis media, die restlichen Patienten waren unter den Diagnosen Otitis media,
nicht näher bezeichnet sowie Akute Myringitis subsummiert worden und beinhalteten
Diagnosen wie Tubenmittelohrkatarrh, chronische Otitis media ohne und mit
Cholesteatom und sogar einige wenige Hörstürze.
Von unseren 159 Patienten mit akuter bullöser und nicht bullöser Otitis media hatten 26
eine Erkrankung beider Ohren, wir erhielten also 185 kranke Ohren.

  5.1.1 Grippeotitis mit Innenohrbeteiligung

Von den 159 Patienten hatten 71 Patienten die Diagnose einer Grippeotitis.
Von diesen 71 litten 17 Patienten an einer Erkrankung beider Ohren, wir kommen also
auf 88 an einer Grippeotitis erkrankte Ohren.
Die 71 Patienten mit Grippeotitis mit einem pathologischen Reintonaudiogramm und
einem Verlauf gliederten wir vorerst einmal nach der erhaltenen Therapie:
Konservativ antibiotisch behandelt wurden 25 Patienten, eine Antrotomie mit
Paukenröhrchen erhielten 24 Patienten, ein Paukenröhrli allein hatten 12 Patienten und
eine Parazentese 10 Patienten. Insgesamt wurden von den 71 Patienten mit
Grippeotitis 25 (35%) konservativ und 46 (65%) operativ behandelt.
Der Mittelwert im Pure Tone Average (PTA) der Knochenleitung lag bei den bullösen
Formen prätherapeutisch bei einem Hörverlust von 24.48 dB und posttherapeutisch bei
13.301 dB, der Median war prätherapeutisch bei 24.5 dB und posttherapeutisch bei
10.375 dB Hörverlust.

  5.1.2 Nicht bullöse akute Otitis media mit Innenohrbeteiligung

54 Patienten der oben genannten 159 Patienten hatten eine seröse akute Otitis media.
Davon hatten 4 Patienten eine Erkrankung beider Ohren, insgesamt waren folglich 58
Ohren in unserer Recherche an einer serösen Otitis media erkrankt.

                                           19
34 Patienten der erwähnten 159 Patienten litten an einer eitrigen akuten Otitis media.
Bei 5 Patienten waren beide Ohren betroffen. Dies ergibt 39 Ohren mit einer eitrigen
akuten Otitis media. Von den 88 Patienten mit nicht bullöser Otitis media wurden 33
(37.5%) konservativ und 55 (62.5%) operativ behandelt.
Der Mittelwert im Pure Tone Average (PTA) der Knochenleitung lag bei den nicht
bullösen Formen prätherapeutisch bei einem Hörverlust von 25.765 dB und
posttherapeutisch bei 14.986 dB, der Median war prätherapeutisch bei 24.75 dB und
posttherapeutisch bei 11.5 dB Hörverlust.

  5.1.3 Häufigkeit nach Monaten/Jahreszeiten von Grippeotitis und akuter
        nicht bullöser Otitis media mit Innenohrbeteiligung

Die Verteilung der 159 Krankheitsfälle nach Monaten ergab folgende Tabelle:

                          nicht
Monat       bullös        bullös        total
Jan                   5            12            17
Feb                   9            14            23
Mrz                  12            11            23
Apr                   9             6            15
Mai                   7             4            11
Jun                   4             5             9
Jul                   4             3             7
Aug                   6             3             9
Sep                   3             8            11
Okt                   3             8            11
Nov                   1             8             9
Dez                   8             6            14
Total                                           159

Die Monate mit den meisten Krankheitsfällen waren folglich Februar, März, Januar, April
und Dezember mit abnehmender Krankheitszahl, also die kältere Jahreszeit. Die
Monate mit den wenigsten Krankheitsfällen waren Juli, Juni und August.
Unterscheidet man die bullösen von den nicht bullösen Mittelohraffektionen, sieht man,
dass die nicht bullösen Fälle das Maximum im Februar, dann im Januar und März
haben, die bullösen etwas später im Jahreszyklus, nämlich im März, dann im Februar
und April.
Das Diagramm hat folgenden Aspekt:

                                                20
16
  14
                                          bullös
  12
                                          nicht bullös
  10
   8
   6
   4
   2
   0
        Jan   Feb       Mrz     Apr   Mai         Jun    Jul    Aug   Sep   Okt   Nov   Dez

Stellt man statt der absoluten Fallzahlen die jeweiligen monatlichen prozentualen
Anteile dar, erhält man eine relative Häufung/Dominanz der Grippeotitis mit
Innenohrbeteiligung gegenüber der nicht bullösen Otitis media mit Innenohrbeteiligung
vor allem im Frühling und im Sommer:

    100%            nicht bullös
                    bullös
       80%

       60%

       40%

       20%

       0%
              Jan    Feb      Mrz   Apr     Mai    Jun    Jul    Aug Sep    Okt   Nov Dez

  5.1.4 Validität des Weber-Tests

Um den Webertest mit der jeweiligen kranken Seite im Reintonaudiogramm zu
vergleichen, mussten wir von den 159 Patienten die 26 mit beidseitiger Krankheit
subtrahieren, es blieben 133 Patienten mit einseitiger Erkrankung übrig. Von diesen 133
Patienten hatten bei dem ersten Reintonaudiogramm zu Beginn der Behandlung
respektive vor der Intervention 29 eine Richtung zur gesunden Seite, also einen
richtigen Webertest aufgrund der Innenohrbeteiligung der kranken Seite. Diese 29
Patienten entsprechen lediglich 21% der 133 Patienten.

                                                                21
5.1.5 Assoziationen zwischen Grippeotitis und klinischen Symptomen
        gegenüber nicht bullöser akuter Otitis media und Assoziationen
        der Symptome untereinander

In dieser Tabelle sind alle diese Assoziationen statistisch mit dem Chi-Quadrat Test
nach Pearson berechnet (kursiv fett gedruckte Werte: p
Im Delay, also der Verzögerung vom Auftreten des ersten Ohrsymptoms bis zur
entweder antibiotischen oder operativen Therapie, fanden wir einen signifikanten
Unterschied (p=0.001) zwischen der Grippeotitis mit 3.8 Tagen und der nicht bullösen
Otitis media mit 6.2 Tagen im Durchschnitt.

Von den 71 Patienten mit Grippeotitis wurden 46 (65%) und von den 88 Patienten mit
nicht bullöser Otitis media 55 (62.5%) einer operativen Therapie zugeführt. Dieser
Unterschied ist natürlich nicht signifikant (p=0.949).

Die Grippeotitis ist also mit Schmerz, Common Cold, beidseitiger Erkrankung und
einem kürzeren Delay von durchschnittlich 3.8 Tagen gegenüber 6.2 Tagen bei der
nicht bullösen akuten Otitis media signifikant assoziiert.

Signifikant ist ausserdem Schmerz mit Tinnitus (p
In der Spalte links aussen sind die Fälle nach prätherapeutischen Pure Tone Average-
Werten der Knochenleitung in Untergruppen gegliedert.

Wir haben nun die Unterschiede der Erholung in den Therapiegruppen innerhalb der
90.Perzentile der ISO-7029 Tabelle in der logistischen Regression auf Signifikanz
überprüft und erhalten folgendes Resultat:
-Antrotomie vs. Konservative Therapie:                        p=0.025
-Antrotomie vs. Parazentese/Paukenröhrchen:                   p=0.078
-Antrotomie vs. Konservative Therapie und PZ/PR               p=0.032
-Parazentese/Paukenröhrchen vs. Konservative Therapie: p=0.017
In Bezug auf die Erholung ergibt sich ein signifikanter Unterschied des PTA der
Knochenleitung von den antrotomierten gegenüber den konservativ therapierten
Patienten, von den antrotomierten gegenüber den andersweitig therapierten Patienten
sowie von den durch Parazentese und Paukenröhrchen versorgten gegenüber den
konservativ therapierten Patienten. Der Unterschied von den antrotomierten gegenüber
den durch Parazentese und Paukenröhrchen behandelten Patienten ist in der
logistischen Regression nicht signifikant.

                                         24
5.1.7 Einfluss der Diagnose, der klinischen Symptome und der
        Therapieart auf die prätherapeutische und posttherapeutische
        Hörschwelle

Die Diagnose Grippeotitis ist in der multiplen linearen Regression ohne signifikanten
Einfluss (p=0.68) sowohl auf die prätherapeutische Hörschwelle als auch auf die
posttherapeutische Hörschwelle im Pure Tone Average (PTA) der Knochenleitung
gegenüber der nicht bullösen Otitis media. Im Diagramm stellt sich diese Tatsache
folgendermassen dar:

                      Bivariate Scattergram w ith Regression
                      Split By: Diagnose
               70

               60

               50

               40
                                                                                0
         Prä

               30
                                                                                1
               20

               10

                0

               -10
                     -10    0      10     20       30     40     50   60   70
                                                  Post
                      Prä = 15.734 + .67 * Post; R^2 = .456 (0)
                      Prä = 17.022 + .561 * Post; R^2 = .214 (1)

                       1=bullös 0=nicht bullös
                       Multiple Regression: p=0.68

Schmerz, Tinnitus, Common Cold und beidseitige Erkrankung sind alle im Mann-
Whitney Test ohne signifikanten Einfluss auf die prätherapeutische Hörschwelle,
gemessen als Pure Tone Average (PTA) der Knochenleitung bei 500, 1000, 2000 und
4000 Hertz. Schwindel hat einen knapp signifikanten Effekt p=0.013; der PTA der
Knochenleitung bei oben genannten Frequenzen ist beim Schwindel im Median 30 dB,
ohne Schwindel nur 23 dB.

Die Therapieart, unterteilt in die drei Gruppen Antrotomie, Parazentese und
Paukenröhrchen sowie konservative Therapie zeigt sich in Bezug auf die
prätherapeutischen PTA-Werte im Box-Plot-Diagramm so:

                                                              25
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