"Die Kurse werden sich erholen" - profil.bayern

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„Die Kurse werden sich erholen“
Hans Joachim Reinke ist überzeugt, dass es trotz Corona gute Gründe für die
positive Stimmung an den Aktienmärkten gibt. Im Interview erklärt der
Vorstandschef von Union Investment außerdem, weshalb seine Mitarbeiter bei DAX-
Konzernen auch mal öffentlich den Finger in die Wunde legen.

Interview: Christof Dahlmann, Redaktion „Profil“
Foto: Union Investment

Profil – Das bayerische Genossenschaftsblatt – Ausgabe 09 2020
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Die wichtigsten Aussagen von Hans Joachim Reinke

           Trotz der gestiegenen Volatilität an den Kapitalmärkten in Zeiten von Corona
         hat ein Großteil der Anleger besonnen reagiert und an ihren Sparplänen
         festgehalten.

          Das Geschäft von Union Investment läuft operativ stabil, im ersten Halbjahr
         2020 flossen Nettomittel in Höhe von 4,3 Milliarden Euro zu.

           Für die positive Stimmung an den Aktienmärkten gibt es einige Gründe: Unter
         anderem meldet eine beachtliche Zahl von Unternehmen weiter Gewinne und die
         großen US-Technologiekonzerne profitieren sogar von der Krise.

           Immer mehr Privatkunden setzen auf Nachhaltigkeitsfonds, jeder zweite Euro
         des Neugeschäfts floss im ersten Halbjahr 2020 in entsprechende Produkte. Auch
         beim Abstimmungsverhalten und bei Wortbeiträgen auf den
         Jahreshauptversammlungen der DAX-Konzerne legt Union Investment einen
         Schwerpunkt auf das Thema Nachhaltigkeit.

Herr Reinke, das Auf und Ab an den Aktienmärkten scheint die Anleger in
Deutschland kaum zu beeindrucken: Die große Mehrheit ändert ihr Anlageverhalten
auch in Zeiten von Corona nicht, wie Union Investment bei einer
Haushaltsbefragung herausgefunden hat. Haben Sie eine Erklärung für das
Verhalten? Die Deutschen gelten ja nicht gerade als Volk der Aktionäre…

Hans Joachim Reinke: Es stimmt, insgesamt nehmen wir bei unseren Kunden keine
Beunruhigung wahr. Im Gegenteil: Der Großteil hat trotz der gestiegenen Volatilität
an den Kapitalmärkten besonnen reagiert. Die Anleger haben verstanden, dass
vorübergehende Kursrückgänge keine Verluste nach sich ziehen müssen.
Offensichtlich sind wir bei der Evolution des Sparens doch einen Schritt weiter als
angenommen. Die Standhaftigkeit, mit der die Anleger auch während der
zurückliegenden Wochen an ihren Sparplänen festgehalten haben, stimmt uns mit

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Blick nach vorne positiv. Dabei spielen die Berater in den Volksbanken und
Raiffeisenbanken übrigens eine wichtige Rolle, denn sie standen ihren Kunden in
diesen unruhigen Zeiten zur Seite. Egal ob per Video, Telefon oder Chat: Beratung
ist ein nicht zu unterschätzender Baustein des Erfolgs im genossenschaftlichen
Fondsgeschäft.

  „Beratung ist ein nicht zu unterschätzender Baustein des
     Erfolgs im genossenschaftlichen Fondsgeschäft.“

Lohnt es sich, trotz der Kursschwankungen weiter in Aktienfonds zu investieren?

Reinke: Mit einem breit diversifizierten Aktienfonds können Anleger die Chancen der
Aktienmärkte nutzen – auch in Zeiten starker Kursschwankungen. Wenn man den
Aktienmarkt über eine längere Zeit betrachtet, dann wird schnell klar, dass es zwar
immer mal wieder Krisen gegeben hat, die einen mitunter heftigen Kursverlust
ausgelöst haben. Letztlich machen sich diese Einbrüche langfristig aber kaum
bemerkbar, da sie stets wieder aufgeholt wurden. Als Beispiel dafür kann ich
unseren Fonds UniGlobal nennen, der weltweit in Aktien investiert. In der Corona-
Krise hat das Fondsmanagement um meinen Kollegen Marc Hellingrath unser 6,72
Milliarden Euro schweres Flaggschiff souverän gesteuert. Gemessen am Anteilspreis
im Januar dieses Jahres, also vor der Corona-Krise, konnte der Fonds um gut 27
Prozent zulegen und damit sowohl seine Benchmark als auch seine Wettbewerber
distanzieren.

Wie ist das Geschäft von Union Investment im ersten Halbjahr 2020 vor dem
Hintergrund Ihrer Ausführungen gelaufen?

Reinke: Wir konnten das erste Halbjahr 2020 mit einem positiven
Neumittelaufkommen beenden. So flossen im ersten Halbjahr Nettomittel in Höhe

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von insgesamt 4,3 Milliarden Euro zu. Das verwaltete Vermögen belief sich per Ende
Juni 2020 auf 359,8 Milliarden Euro. Der Lockdown spiegelt sich in der Entwicklung
der „Assets under Management“ und dem Neugeschäft im Vergleich zu den
Vorjahren wider. Wir sind jedoch insbesondere wegen des starken
Privatkundengeschäfts gut durch diese schwierige Phase gekommen. Es ist uns
gelungen, beim Mittelaufkommen besser als erwartet abzuschneiden und dadurch
unsere Marktposition trotz Corona weiter zu festigen.

Schritt für Schritt zum Vermögen: Mit Fondssparplänen können Anleger von den Chancen am
Aktienmarkt profitieren. Foto: PantherMedia / AndreyPopov

Wo lag der Fokus der Anleger, welche Trends können Sie feststellen?

Reinke: Das Privatkundengeschäft erwies sich als tragende Säule des Neugeschäfts.
Nachgefragt wurden vor allem Aktienfonds (1,8 Milliarden Euro), Mischfonds (1,8
Milliarden Euro) und offene Immobilienfonds (1,2 Milliarden Euro). Einen immer
größeren Zuspruch finden Nachhaltigkeitslösungen bei Privatkunden. Jeder zweite
Euro des Neugeschäfts floss im ersten Halbjahr 2020 in Nachhaltigkeitsfonds.
Insgesamt erhöhten sich innerhalb eines Jahres die nachhaltigen Assets im
Privatkundengeschäft auf 9,2 Milliarden Euro. Das Thema Nachhaltigkeit ist
endgültig auch bei den Privatkunden angekommen. Für rund ein Drittel von ihnen ist

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Nachhaltigkeit nach Einschätzung von Bankberatern heute ein Grund, sich für Fonds
zu entscheiden. Als Rückgrat des Neugeschäfts mit Privatkunden erweisen sich
einmal mehr die Fondssparpläne. Ihre Zahl stieg selbst auf dem Höhepunkt der
Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Märkte im März 2020 weiter an. So
wurden im ersten Halbjahr 232.000 neue Sparverträge netto abgeschlossen und
damit deutlich mehr als im Vorjahreszeitraum. Die durchschnittliche monatliche
Sparrate aller Sparpläne beträgt 161 Euro. Bei den im ersten Halbjahr 2020
abgeschlossenen Sparplänen liegt sie sogar bei 260 Euro.

 „Die Chancen, dass wir weiter profitabel wachsen werden,
               sind größer als die Risiken.“

Mit welchem Ergebnis rechnen Sie für das Gesamtjahr 2020 – auch im Vergleich zu
2019, in dem sie mit einem Neugeschäft von 19,4 Milliarden Euro eines der
absatzstärksten Jahre in der Unternehmensgeschichte von Union Investment feiern
konnten?

Reinke: Corona hinterlässt Spuren, aber Union Investment ist operativ stabil und
weiter auf einem Wachstumspfad. Wir sind mit dem Geschäftsverlauf unter diesen
Vorzeichen sehr zufrieden. Aus den Trends lässt sich ein erhöhtes Potenzial für die
Fondsanlage ableiten. Die Chancen, dass wir weiter profitabel wachsen werden, sind
größer als die Risiken. Das stärkt die Bedeutung des Fondsgeschäfts für die
bayerischen Genossenschaftsbanken. Die Ertragsseite der Banken über einen
Ausbau des Provisionsgeschäfts zu stärken, ist nicht neu, aber weiterhin
entscheidend und mit hohem Potenzial für die Gewinn- und Verlustrechnung der
Banken. Diese strategische Weichenstellung wird schon seit Jahren als Lösung
gesehen, um sinkende Erträge an anderer Stelle zumindest ein gutes Stück weit
auszugleichen.

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Die Aktienkurse sind zuletzt gestiegen, doch die Realwirtschaft befindet sich nach
wie vor in einer schwierigen Situation. Für den Herbst erwarten Experten gar eine
Insolvenzwelle mit drastischen Folgen für Konjunktur und Arbeitsmarkt. Wie sollten
sich Anleger in diesem Marktumfeld verhalten?

Reinke: Ungeachtet aller Nachrichten aus den Volkswirtschaften gibt es durchaus
Gründe für die positive Stimmung am Aktienmarkt: Eine beachtliche Zahl von
Unternehmen meldet weiter Gewinne und seit Kurzem auch wieder steigende
Umsätze. Das gilt vor allem für die großen US-Technologiekonzerne, die in der Krise
profitiert haben. Auch wenn es aller Wahrscheinlichkeit nach kurzfristig turbulent
bleiben könnte: Vieles spricht nach Ansicht unseres Portfoliomanagements dafür,
dass sich die Kurse mittel- bis langfristig erholen. In solchen Zeiten kann das Prinzip
des Fondssparplans durch seine Kontinuität besonders vorteilhaft sein. Zum einen
sorgt ein Fondssparplan dafür, dass Anleger auch dann Aktien oder andere
Wertpapiere erwerben, wenn die Preise günstig sind. Ein Blick auf die Kursverläufe
der letzten Jahrzehnte zeigt zudem: Jede Krise brachte nach Phasen des Abschwungs
auch Phasen der Erholung mit sich und damit Gelegenheiten, an steigenden Kursen
teilzuhaben.

Amazonstraße in Rheinberg (Nordrhein-Westfalen): Das Unternehmen hat von den Auswirkungen der
Corona-Pandemie profitiert, der Aktienkurs ist seit Jahresanfang um mehr als 70 Prozent gestiegen.
Foto: imago images/blickwinkel

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In den vergangenen Wochen und Monaten hat Union Investment viele DAX-
Unternehmen auf deren Jahreshauptversammlungen öffentlich auf Probleme
hingewiesen. Unter anderem haben Sie Vorstand und Aufsichtsrat von Daimler nicht
entlastet. Über die Kritik haben zahlreiche Medien wie die FAZ oder das
Handelsblatt berichtet. Mit welchem Selbstverständnis tritt Union Investment bei
solchen Veranstaltungen auf?

Reinke: Mit dem Selbstverständnis, im Sinne unserer Anleger als aktiver Aktionär zu
agieren. Die Speerspitze unseres aktiven Engagements sind dabei die Reden auf den
Hauptversammlungen. Die Saison 2020 steht natürlich ganz erheblich im Zeichen
von Corona. Dennoch haben die bisherigen Aktionärstreffen sehr deutlich gezeigt,
dass die ESG-Aspekte Umwelt, Soziales und nachhaltige Unternehmensführung
weiter auf der Agenda bleiben und die inhaltlichen Schwerpunkte bildeten. Daher
haben wir auch in dieser Saison bei den Hauptversammlungen durch unser
Abstimmungsverhalten und unsere Wortbeiträge einen Schwerpunkt auf das Thema
Nachhaltigkeit gelegt – unter anderem bei Daimler. Das Flaggschiff der deutschen
Automobilindustrie ist bei den Flottenemissionen derzeit leider Schlusslicht in
Europa und muss sich sehr anstrengen, um die Klimavorgaben der EU zu erreichen.

Zusätzlich führen Sie jährlich rund 4.000 Gespräche mit Unternehmen. Inwieweit
kommt beides den Anlegern zugute, die ihr Geld über die Volksbanken und
Raiffeisenbanken in Fonds von Union Investment anlegen?

Reinke: Als Fondsgesellschaft haben wir ein Interesse am Erfolg der Unternehmen,
in die wir für unsere Kunden investieren. Um diesen zu gewährleisten, haben wir die
Aufgabe, die Prozesse in Aktiengesellschaften kritisch zu hinterfragen. Nicht weil
wir den Unternehmen nicht trauen. Sondern weil unsere Anleger zu Recht erwarten,
dass ihr Geld in Unternehmen fließt, die nach dem Prinzip des ehrbaren Kaufmanns
agieren.

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Werbung von Mercedes mit dem Musiker The Weeknd: Das Flaggschiff der deutschen
Automobilindustrie muss sich anstrengen, um die Klimavorgaben der EU zu erreichen. Foto: Daimler
AG.

Der Skandal um die Bilanzmanipulationen beim DAX-Unternehmen Wirecard schlägt
nach wie vor hohe Wellen. Inwieweit ist die Entwicklung ein Schlag für die
Aktienkultur in Deutschland? Und was raten Sie denjenigen, die möglicherweise
wegen Wirecard vor einem Investment in Aktien zurückschrecken?

Reinke: Anders als seinerzeit die Telekom hat Wirecard nie den Status einer
sogenannten Volksaktie besessen. Dieses Einzelereignis macht aber wieder einmal
deutlich, wie wichtig Diversifikation ist – gerade für Kleinsparer. Daher müssen wir
unseren Anlegern intelligente und passgenaue Lösungen bieten. Dies gelingt uns in
Zusammenarbeit mit den Genossenschaftsbanken sehr gut. Dabei sind die dezentrale
Aufstellung und der persönliche Kontakt mit Experten vor Ort der Schlüssel für den
Erfolg der genossenschaftlichen FinanzGruppe. Sparer wünschen sich einen Partner
an ihrer Seite, dem sie vertrauen können, der ihnen gerade in Krisenzeiten Rede und
Antwort steht. Das können die Volksbanken und Raiffeisenbanken mit ihrer Nähe vor
Ort. Wenn es uns gelingt, diese Stärke weiter auszuspielen, bleiben wir für die
Menschen vor Ort weiterhin ein nutzenstiftender und regionaler Partner – und zwar
unabhängig von den Entwicklungen auf der Welt.

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Herr Reinke, vielen Dank für das Gespräch!

Hans Joachim Reinke ist seit Juli 2010 Vorstandsvorsitzender von Union Investment.
Er ist zuständig für Strategie und Steuerung der gesamten Union Investment
Gruppe. Bereits im Januar 2004 wurde Reinke Mitglied des Vorstands der Union
Asset Management Holding AG und verantwortet seitdem insbesondere das
Privatkundengeschäft von Union Investment.

WEITERFÜHRENDE LINKS

        Mehr Informationen zu Union Investment auf der Webseite des Unternehmens

        Das „Voting Dashboard“ zeigt, wie Union Investment auf Hauptversammlungen von
      Unternehmen abgestimmt hat

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