Siemens Interviewfragen Dr. Josef Kinast
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Siemens Interviewfragen Dr. Josef Kinast Der studierte Rechtswissenschafter Dr. Josef Kinast leitet seit zwei Jahren die Siemens-Niederlassung Oberösterreich. Über seine Erfahrungen in 30 Jahren bei Siemens sowie über Zukunftsthemen und Ziele sprach Dr. Kinast mit dem Manager des Automobil-Clusters, Wolfgang Komatz. 1. Sie haben im Siemens Konzern schon einige Stationen durchlaufen. Welche Aufgaben sehen Sie am Standort Linz auf sich zukommen? Ich bin seit 30 Jahren im Siemens-Konzern tätig. In dieser Zeit habe ich viele Stationen durchlaufen und vieles gelernt. Wichtig waren für mich dabei auch die vielen persönlichen Erfahrungen im Ausland, wo ich viel über gegenseitiges Verständnis, fremde Kulturen, Achtung und Respekt gelernt habe. Heute, als Leiter der Siemens-Niederlassung in Linz kann ich sagen: Der Vergleich macht mich sicher. Oberösterreich muss sich in keiner Weise verstecken. Oberösterreichs Wirtschaft geht den richtigen Weg, indem es sich auf dem internationalen Markt positioniert. Meine Aufgabe in Oberösterreich sehe ich darin, Siemens als wichtigen local player in der Region weiter mit dem gesamten Spektrum an Produkten und Leistungen zu festigen. In Oberösterreich arbeiten ca. 3000 der 12.700 österreichischen Siemens-Beschäftigten, etwa die Hälfte bei der Siemens VAI in Linz, dem weltweiten Headquarter für das Metallgeschäft. Die Festigung des Standortes ist eine meiner Kernaufgaben. Siemens hat als Leitbetrieb in Oberösterreich eine wichtige Funktion, denn ca. 2000 oberösterreichische Unternehmen liefern jährlich im Wert von ca. 400 Mio. Euro an Siemens in der ganzen Welt. Ich bin sehr stolz auf die oberösterreichischen Lieferanten, denn sie sind im Vergleich sehr innovativ und entwickeln sich durch gemeinsame Projekte und Kooperationen immer weiter. Das qualifiziert die Unternehmen für die hohen Anforderungen, die Siemens an seine Lieferanten stellt. 2. Mit 45 Patentanmeldungen im Jahr 2011 nahm Siemens österreichweit den ersten Platz ein. 2012 war Siemens wieder ganz vorne mit dabei. Wie wichtig ist für Siemens der Einsatz von F&E-Geldern? Unterstützen Sie auch Ihre Zulieferer finanziell bei ihren Forschungen? Der Pioniergeist und innovatives Schaffen sind seit Gründung des Konzerns vor 165 Jahren ein fixer Kernpunkt der Firmenphilosophie. Für einen Wirtschaftsstandort sind industrielle Innovationen ganz entscheidend. Es wird daher für Österreich immer wichtiger, in F&E zu investieren, Nischen zu besetzen und die Innovationskraft und Technologieführerschaft unseres Landes, wie etwa in der Energie- und Umwelttechnologie, weiter auszubauen. Am Ende des Tages geht es
darum, aus Innovationen marktfähige Produkte zu entwickeln. Siemens ist ein Top- Player im heimischen Forschungssektor mit Ausgaben von über 250 Millionen Euro und mehr als 1.200 Mitarbeitern in diesem Bereich. Das Ergebnis sind vielfältige Produkte und Lösungen im Energie-, Industrie- und Verkehrsbereich, die sich besonders durch Energieeffizienz und Ressourcenschonung auszeichnen. Damit setzen wir nicht nur wichtige wirtschaftliche Impulse, sondern tragen auch wesentlich zum Umwelt- und Klimaschutz bei. 3. Wie hoch ist der automotive Anteil bei Siemens Österreich? Siemens hat im gesamten Sektor der Mobilität exzellente Lösungen und Produkte zu bieten, wie z.B. im Bereich Schiene (mit den Zentren in Wien und Graz), bei integrierten Systemen, intelligenter Straßenverkehrstechnik, Elektromobilität oder Infrastruktur. Das Headquarter für hochkomplexe Automatisierungslösungen für die Fertigung in der Automobilindustrie hat seinen Sitz in Linz. 4. Wie sucht Siemens seine Lieferanten aus? Bei der Auswahl unserer Lieferanten legen wir großen Wert darauf, dass das Gesamtpaket von Produkt, Qualität und Liefertreue stimmt. Bei hoch komplexen Themen ist es wichtig, dass wir uns auf langjährige Partner verlassen können. Unsere Partner wachsen mit, indem sie auf unseren Entwicklungen aufbauen. 5. Wo liegt in Österreich das Zentrum der Siemens-Forschungen? Was wird hier im Besonderen erforscht? Welche automotiven Innovationen kommen aus Oberösterreich? Ein ganz wichtiger Schwerpunkt ist das Thema Smart Cities. Hier arbeitet unsere Forschungsabteilung mit den Sektoren an Technologien, die Städte dabei unterstützen, Ressourcen bei gleichzeitig hoher Lebensqualität einzusparen. Ein Beispiel dafür ist die Entwicklung einer Stadtdatenzentrale, die in der Lage ist, Daten von verschiedenen Bereichen der urbanen Infrastruktur zu aggregieren. Diese Daten dienen dann der Analyse und Optimierung der Leistungsfähigkeit der städtischen Infrastruktur in Hinblick auf den Mehrwert für den Bürger. Ein erster konkreter Anwendungsfall dafür könnte die Seestadt Aspern in Wien sein. In diesem Stadtentwicklungsgebiet – eines der größten Europas – will sich Siemens generell mit seinen energieeffizienten und ressourcenschonenden smarten Stadttechnologien aktiv einbringen. Andere Forschungsfelder sind: Komplexe Konfigurationen, also etwa komplexe Abläufe umplanen, Industrieanlagen, z.B. Stahlwerke, optimal modernisieren oder die Integration unterschiedlicher Bereiche in eine Gesamtkonfiguration, z.B. für die Stadtplanung. Oder sichere und energieeffiziente Elektronik, wie bei Automatisierungssystemen und elektrischen Antriebslösungen im industriellen Umfeld oder bei Komponenten für die
Automatisierung der Energienetze - Stichwort Smart Grid. Zu den Forschungsschwerpunkten zählen auch drahtlose Steuerung und Sensorik, darunter fällt zum Beispiel das Thema „E-Ticket“, also eine Karte für verschiedene Verkehrsverbunde sowie industrielle Netze, das ist der Bereich, der Kommunikationstechnik mit der Energietechnik verbindet, mit den Anwendungsfeldern Smart Grids, Smart Buildings und Smart Mobility. 6. Nehmen Sie die Dienste oberösterreichischer Forschungseinrichtungen in Anspruch? Welche sind das im Speziellen? In Oberösterreich gibt es eine jahrelange Zusammenarbeit der Siemens VAI und der Johannes Kepler Universität in Themen der Metallurgie. 7. Entstehen Siemens-Patente auch in Gemeinschaftsarbeit mit Lieferanten? Ja, das gibt es bei uns häufig. Die partnerschaftliche Entwicklung wird auch bei Siemens mit ausgewählten Lieferanten gelebt. „Innovation durch Kooperation“ – das ist ja auch das Motto der Cluster in Oberösterreich – macht uns stärker. Ein Großunternehmen wie Siemens braucht die Kooperation – auch mit Klein- und Mittelbetrieben. 8. Was bedeutet für Siemens – angesichts der Konzernpolitik des nachhaltigen Handelns – die Elektromobilität? Gibt es Forschungen in diese Richtung? Was kann Siemens dazu beisteuern? Mit dem Thema Elektromobilität beschäftigen wir uns sehr umfassend – von der regenerativen Stromerzeugung über die Entwicklung der elektrischen Infrastruktur samt ihrer Einbindung in intelligente Stromnetze und der Kommunikation zwischen Auto und Netz bis hin zur Fahrzeugseite, wo Siemens sich bei elektrischen Antrieben engagiert. Siemens hat eine sehr lange Tradition auf diesem Gebiet – 1892 präsentierte Werner von Siemens den ersten Oberleitungsbus der Welt. Eine Premiere für Europa aus der heutigen Zeit sind die Elektrobusse für den Betrieb der Wiener Linien. In Österreich sind wir an vorderster Stelle bei der Entwicklung der Elektromobilitätdabei – etwa mit der ersten Industrie-Plattform, die wir mitbegründet haben, einem großen Forschungsprojekt für ein zukunftsfähiges Elektromobilitätgesamtsystem und dem E-Mobility Serviceprovider. Bereits seit einigen Jahren integrieren wir auch Elektrofahrzeuge in unseren Fuhrpark und der Neubau der Unternehmenszentrale in Wien – die Siemens City – wurde mit Ladesäulen vor dem Gebäude geplant. Das zeigt, dass wir diese Philosophie auch im Konzernleben integrieren. 9. Sie waren zuletzt Leiter „Supply Chain Management“ für den Cluster CEE Siemens und kennen die Herausforderungen für Unternehmen, die sich im Ausland
orientieren müssen. Sind die Hürden für kleine Unternehmen mittlerweile leichter zu nehmen? Was unternehmen große Konzerne wie Siemens, damit ihnen kleinere Zulieferer leichter ins Ausland folgen können? Großunternehmen richten Ihre Einkaufsstrategie immer mehr auf die internationalen Märkte aus, dadurch sind kleine Betriebe gefordert, auch ins Ausland mitzugehen. Leichter fällt das mit Sicherheit im „Windschatten“ von Großunternehmen. Die Flexibilität, im Ausland auch Nischen abzudecken, ist bei kleineren Unternehmen sicher größer. Wichtig ist für kleinere Betriebe aber nicht nur die Unterstützung durch Großkonzerne sondern auch eine eigene Kundenstruktur, die nicht um jeden Preis vom Großkunden abhängig macht. Eine gesunde Struktur, die auf mehreren Standbeinen steht, ist sehr wichtig. Darauf achten wir auch bei kleineren Unternehmen die mit uns ins Ausland gehen. 10. Sind die neuen Märkte (BRIC) noch immer „neu“ oder sollte man sich als Zulieferer bereits anders orientieren? Wohin könnte die Reise als nächstes gehen? Die BRIC oder neuerdings BRICS Staaten sind für uns als Automatisierungs Company die wesentlichen Zukunftsmärkte im Bereich der Automobilindustrie. Wir bedienen hauptsächlich die deutschen Premium Hersteller, die absolut auf die BRICS Staaten abzielen. Dazu kommen schwerpunktmäßig die USA und Mexiko. Der gesamte Siemens Konzern ist in über 190 Ländern der Welt ansässig. 11. Sie sind Mitglied der Strategiegruppe Bildung der Sparte Industrie in der Wirtschaftskammer OÖ. Wie wichtig ist das Ausbildungsthema? Was muss sich ändern? Unter dem Titel „Beitrag zur Beseitigung des Fachkräftemangels“ geht es in dieser Strategie um den quantitativen Mangel an Technikern und Lehrlingen sowie um die qualitativen Mängel bei Schulabgängern. Die bildungspolitische Agenda der Sparte Industrie sieht dazu zwei Lösungsstrategien: Zum Einen müssen Kontakte zwischen Industrie und Jugendlichen hergestellt werden, um bereits ab dem Kindergartenalter Interesse für entsprechende Berufe und Ausbildungen zu wecken. Und es müssen alle Jugendlichen mit Grundkompetenzen ausgestattet werden und darauf aufbauend sollen die individuellen Fähigkeiten durch eine optimale Berufs- bzw. Weiterbildungswahl gefördert werden. Wir müssen besonders betrachten, was das Wirtschaftsland Oberösterreich in Zukunft braucht. Nur Ingenieure auszubilden ist nicht sinnvoll, wenn die Ausbildung auf den anderen Industrie-Ebenen fehlt. Lehrlinge müssen außerdem einen besseren Zugang zu weiterführenden Ausbildungen erhalten, was den Stellenwert einer Lehre bedeutend heben würde. Noch ungenutztes Potential besteht bei Mädchen sowie bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Ca. 30 % der Unternehmen beschäftigen noch keine Lehrlinge aus diesen Zielgruppen.
12. Sie sind Beiratssprecher der Clusterland OÖ GmbH. Wie schätzen Sie persönlich den Zusammenschluss in Netzwerken wie dem Automobil-Cluster ein? Welche Vorteile kann ein Unternehmen daraus ziehen? Ich habe die Cluster schon gut kennen gelernt und sehe darin ein hohes Niveau. Innerhalb der Cluster können Leitbetriebe ein Mitwirken für die Weiterentwicklung der Region besser umsetzen, weil durch das Netzwerk der Zugang von KMU zu Großbetrieben erleichtert wird. Die Cluster schaffen eine Plattform für Unternehmen, um erfolgreich bestehen zu können und verwirklichen damit eine innovative und wirtschaftsfreundliche Politik des Landes Oberösterreich. Gerade jetzt ist eine gute Zeit für Clusterinitiativen, weil die EU die Zusammenarbeit in den Regionen unterstützt.
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