Die Olympia-Ausstellung - im Deutschen Museum
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Die Olympia- München 1972 Ausstellung im Deutschen Museum 24 Published in: Ulrich Hofstätter – Andrea Schmölder-Veit – Nele Schröder-Griebel (Eds.), Das antike Olympia in München 1972-2022. Ausstellung München 2022 (Heidelberg, Propylaeum 2022) 24–33. DOI: https://doi.org/10.11588/propylaeum.988.c14434
München 1972 Als Teil des Kulturprogramms präsen- chen als auch Würzburg beachtliche tierte das Organisationskomitee für die Antikensammlungen besitzen“. In Spiele der XX. Olympiade in München einer ersten Besprechung im Febru- 1972 die Sonderausstellung „100 Jahre ar 1969 legten Heinrich Bartels, Erich deutsche Ausgrabung in Olympia“ im Burck, Altphilologe an der Universität Deutschen Museum. Es sollte für 40 Kiel, und Liselott Diem, Rektorin der Jahre die letzte große Olympia-Aus- Sporthochschule Köln, gemeinsam stellung in Deutschland bleiben – erst die wichtigsten Eckpunkte fest. Auch im Sommer 2012 wurde im Berliner die Räume im Bibliotheksgebäude des Martin-Gropius-Bau „Mythos Olympia Deutschen Museums besichtigten sie – Kult und Spiele“ gezeigt. und befanden sie für „sehr gut ge- eignet“. Unter dem „Arbeitsthema: 100 Vorbereitungen Jahre deutsche Grabung in Olympia“ Die Sonderausstellung in München konzipierten die Wissenschaftler:in- 1972 zum antiken Olympia ging wohl nen drei Themenschwerpunkte: die auf den Archäologen Heinrich Bartels alte Olympia-Grabung (1875–1881), die zurück, einen Mitarbeiter des Deut- neue Grabung (1936–1966) und antike schen Archäologischen Instituts in Sportgeräte. Vorschläge für mögliche Athen. Der Beschluss dazu wurde Ausstellungsobjekte wurden ebenfalls Anfang 1969 vom Wissenschaftsaus- zusammengetragen, wie ein Olym- schuss des Olympia-Komitees ge- pia-Modell, Originalfundstücke, Nach- fasst. Er wurde damit begründet, „daß bildungen sowie Großfotos. Im Zent- deutsche Archäologen Olympia aus- rum sollten die Abgüsse des West- und gegraben haben und sowohl Mün- des Ostgiebels des Zeustempels in ← Die Ausstellung 1972 mit dem Diskobol und dem West- giebel im Hintergrund → Berthold Fellmann, Leiter der Ausstellung ab 1970 25
München 1972 Originalgröße stehen – eine Idee, die stellen zu können. Dass das Vorhaben Bartels erstmals 1967 äußerte und die dennoch realisiert wurde, ist wohl vor ihn seitdem nicht mehr losgelassen allem zwei Personen zu verdanken: hatte. Am 27. Juni 1969 stimmte der Willi Daume, dem Präsidenten des Na- Vorstand des Olympia-Komitees dem tionalen Olympischen Komitees, der Ausstellungsentwurf zu und gewährte „größten Wert drauf [legte], dass eine eine Finanzierung von 425.000 DM. Olympia-Ausstellung im Deutschen Doch die Vorbereitungen gerieten Museum stattfindet“, und Emil Kunze, plötzlich ins Stocken, als Heinrich dem Leiter des Deutschen Archäo- Bartels am 1. November 1969 völlig un- logischen Instituts in Athen und der erwartet im Alter von 45 Jahren starb. Olympia-Grabung bis 1966, der auch Für einige Wochen herrschte große als Mentor der Ausstellung galt und Unklarheit darüber, ob die Ausstellung sich unter anderem um einen Ersatz für überhaupt fertiggestellt werden könnte Bartels bemühte. So übernahm nach und wer die wissenschaftliche Leitung dreimonatiger Vakanz am 1. Februar übernehmen sollte – zumal das Deut- 1970 der Klassische Archäologe Bert- sche Museum umgehend signalisier- hold Fellmann, damals Assistent am ↑ Originale griechische Vasen und Abgüsse von 26 te, kein zusätzliches Personal bereit- Archäologischen Seminar in Mün- Sprunggewichten
München 1972 chen, die Leitung der Ausstellungs- Vasen und Kleinfunden verschiedener vorbereitung. Nur zwei Monate später deutscher Museen bestand, sollte die stellte er sein erweitertes Konzept vor. andere Hälfte rund 100 Abgüsse von Es beinhaltete außer den von Bartels antiken Objekten ausmachen, deren vorgeschlagenen Themen auch die Originale sich in griechischen Mu- Wiederentdeckung des Heiligtums, seen befanden. Diese große Zahl an die französische Grabungsexpedition Reproduktionen war deswegen not- von 1829 sowie Ausgrabungs- und wendig, weil das griechische Antiken- Restaurierungsmethoden. gesetz von 1834 die Ausfuhr von Ori- ginalen verbot. Allerdings erlaubte Objekte der Ausstellung es, Antiken abzuformen und Abgüsse Um die Ausstellungsthemen an- auszuführen. Bereits zu Beginn der sprechend präsentieren zu können, Planungen wurde vereinbart, dass wählte Fellmann mit den anderen sämtliche Reproduktionen nach dem Mitgliedern des wissenschaftlichen Ende der Ausstellung „anschließend in Arbeitskreises der Olympia-Aus- München bleiben und in das traditions- stellung – darunter Emil Kunze, Erich reiche Museum für Abgüsse klassi- Burck, Liselott Diem sowie Alfred Mall- scher Bildwerke (früher Hofgarten) witz, der damals als Grabungsarchi- kommen“ sollen – zu einem Sonder- tekt in Olympia tätig war – die Objekte preis von 70.000 DM. aus. Während die eine Hälfte der Ex- Nur wenige Leihgaben stammten ponate aus Fotos und Faksimiles (von aus dem Münchner Abgussmuseum Plänen, Gemälden oder Grabungs- selbst. Fellmann sah fünf Objekte vor: tagebüchern) sowie originalen antiken „Herakopf Olympia, Athletenkopf aus → Der Faustkämpfer zwischen den Vitrinen der Ausstellung 27
München 1972 Perinth, antretender Diskobol, Berli- Boxer aus dem Thermenmuseum in ner Athlet, Diadumenos“ (Kat. 2.4, 3.2, Rom (Kat. 3.8) kommen. Mit der Ber- 3.14). Dass das Museum nur so wenige liner Gipsformerei wurde mündlich Abgüsse zur Verfügung stellen konn- vereinbart, dort den gesamten Ost- te, lag daran, dass es zum damaligen giebel, die Figur des Apollon und zwei Zeitpunkt über einen sehr kleinen Be- Kampfgruppen vom Westgiebel sowie stand von etwas über 100 Exponaten drei Platten von Athletenbasen aus verfügte. Die alte reiche Sammlung Athen, vier Metopen des Zeustempels des Museums mit rund 2.400 Objek- und den sogenannten Faustkämpfer- ten – darunter auch 81 Abformungen kopf aus Olympia anfertigen zu lassen von Funden aus Olympia aus dem 19. – so die Liste des Zwischenberichts Jahrhundert (siehe Brunn S. 80) – war von Fellmann im September 1970. im Zweiten Weltkrieg völlig zerstört Interessanterweise stand damals noch worden. die Idee im Raum, den Apollon im Hof Daher mussten die meisten Re- des Deutschen Museums aufzustellen, produktionen neu in Auftrag gegeben weshalb man die Figur aus wetter- werden: Aus Dresden sollte der Dis- festem Material bestellte. kobol des Myron (Kat. 3.3), der Scha- Der andere und zahlenmäßig weit- ber des Lysipp (Kat. 3.12) und der aus größere Teil der Abgüsse soll- ← Während der Abguss- kampagne in Olympia geht ein Foto von Rein durch die Pres- se, das ihn beim Prüfen eines 28 Abgusses zeigt
München 1972 te aus neuen Formen der Funde der nehmigt. Dies ist aus den Abgüssen Olympiagrabung von 1936 bis 1966 zu schließen, die sich heute in Mün- hergestellt werden. Zu diesem Zweck chen befinden. Allerdings entstanden führte Berthold Fellmann im Frühjahr damals noch weitere 22 Abgüsse von 1971 zusammen mit der Archäologin Kleinfunden, für die Fellmann vermut- Helga Scheyhing und dem Erlanger lich spontan vor Ort die Genehmigung Bildhauer Bernhard Rein, der auch als zur Abformung erhielt. Darunter be- Restaurator in Olympia tätig war, eine finden sich ein korinthischer Helm „Abgußcampagne“ durch. Dafür stellte (wohl als Ersatz für das abgelehnte Fellmann vorab bei der Ephorie, dem Exemplar), ein Rammbock, ein Widder- zuständigen Amt in Griechenland, den kopf, zwei Pferdeführer, eine Sphinx, Antrag, insgesamt 47 Kleinbronzen aus ein orientalischer Löwenkopf, mehrere dem Museum in Olympia abformen zu Fragmente von Dreifüßen und andere dürfen. Bis auf drei Objekte – das Frag- Geräteteile sowie fünf Inschriften. ment eines Dreifußbeins mit Chimaira, Alle im Rahmen der Kampagne ein korinthischer Helm und die Statu- entstandenen Abgüsse stammen aus ette des spendenden Zeus – wurde Formen, die Bernhard Rein in Olym- offensichtlich die gesamte Liste ge- pia aus Silikon hergestellt hat. Da die → Nach der Kampagne berichtet die Presse über die Vorbereitungen zur Ausstellung 29
München 1972 Formen laut Vertrag im Museum in die Gips- und Zinnabgüsse patiniert, Olympia verbleiben mussten, wurden um die Oberflächen den bronzenen sie sogleich vor Ort ausgegossen. Als Originalen anzugleichen. Material für die Abgüsse verwendete Doch vieles, insbesondere das ur- Rein nicht nur Gips, sondern auch Zinn. sprüngliche Aussehen des Heiligtums, Mit Zinn Formen auszugießen, war zum ließ sich nicht mit Hilfe von antiken damaligen Zeitpunkt für wissenschaft- Exponaten und auch nicht mit Fotos liche Abgüsse ein neues Verfahren. Zu darstellen. Bis heute erhält man auch diesem Zweck wurde das Silikon bei vor Ort in Olympia keine rechte Vor- der Formherstellung mit Kautschuk stellung vom ursprünglichen Aussehen vermischt, damit das circa 300 Grad des Heiligtums, da von fast allen Bau- heiße Metall einfließen konnte. Die ten nur die Fundamente erhalten sind. Vorteile dieser Abgüsse sah man da- Daher ließ man bereits 1960 für die mals vor allem darin, dass Zinn nicht Ausstellung „Olympia in der Antike“ in so anfällig für Transportschäden war der Grugahalle in Essen, die anlässlich und einen metallischen Glanz aufwies. der Olympischen Spiele in Rom ge- Nach ihrer Ankunft in München wurden zeigt wurde, ein Modell des Heiligtums ↑ Modell des Zeusheiligtums von 1960: links das Leoni- daion, in der Mitte der Zeus- tempel und rechts die Terras- se mit den Schatzhäusern ← Unter dem Westgiebel hingen die vier Metopen, hier rechts im Bild die Stymhali- 30 den- und die Augiasmetope
München 1972 bauen. Alfred Mallwitz lieferte damals die wissenschaftlichen Informationen, während seine Frau Eva Mallwitz den Modellbau ausführte. Dieses Modell kam als Leihgabe in die Münchner Ausstellung 1972. Es zeigt die Altis, also das Zentrum des Heiligtums, mit den Wettkampfstätten im Osten und Südosten, dem Leoni- daion, der Werkstatt des Phidias und den Thermen im Südwesten und Wes- schieden, den jeweils frühesten Zu- ten sowie der Schatzhausterrasse im stand der einzelnen Bauten und Monu- Norden. In der Mitte erhebt sich der mente im Modell zu zeigen und nicht Zeustempel, der wie alle Bauten trotz das Heiligtum zu einem bestimmten des Maßstabes von 1:250 sehr detail- Zeitpunkt. Die Anschaulichkeit dieser liert wiedergegeben ist. In der Aus- Präsentation hat bis heute nichts von stellung in München erstrahlte das ihrer Lebendigkeit verloren. Modell in neuem Glanz, da es nur we- Das Highlight der damaligen Aus- nige Jahre zuvor 1968 von Eva Mallwitz stellung aber war der von Peter Gru- und Hans Drüge gründlich restauriert nauer aufgebaute Westgiebel (siehe worden war. Hans Wiegartz ergänzte Giebel 1972 S. 34). Erstmals wurden in den 1980er Jahren im Südosten das nicht allein die Figuren, sondern mit Hippodrom. Dieses wurde jedoch – im ihnen auch die Architektur des Giebels Gegensatz zu den anderen Bauten – aufwändig rekonstruiert. Zu Beginn der nie ausgegraben und seine Lage wird Ausstellungsplanungen war noch vor- allein anhand der Beschreibung des gesehen, den West- und den Ostgiebel antiken Reiseschriftstellers Pausanias auszustellen. Allerdings stellte sich vermutet (siehe Ausgrabungen S. 62). dies „aus räumlichen und technischen Eva und Alfred Mallwitz hatten sich ent- Gründen als undurchführbar heraus“. ↗ Ein Stahlgerüst trug die Re- konstruktion des Westgiebels mitsamt den Gipsabgüssen → Skizze Grunauers, die den Ostgiebel im Deutschen Mu- seum zeigt 31
München 1972 Als klar war, dass nur ein Giebel re- durch das Museum alle Einzelheiten konstruiert werden könnte, entschied des Giebels auf Augenhöhe von der man sich zunächst für den Ostgiebel, Galerie betrachten konnten. weil dieser mit dem Wagenrennen zwi- schen Pelops und Oinomaos den my- Über die Ausstellung thischen Ursprung der Olympischen Die Ausstellung im Bibliotheksbau des Spiele zeigt (siehe Zeustempel Bau- Deutschen Museums fand große Be- plastik S. 174) und daher als wichtiger achtung – sowohl bei den Besucher:in- Teil der Ausstellung angesehen wurde. nen als auch in der deutschen und Im Laufe der Arbeiten entschied man internationalen Presse. Dies belegen sich dann doch für den Westgiebel – einige Zahlen: Vom 1. Juli bis 1. Oktober was daran lag, dass bei diesem die 1972 kamen etwa 28.000 Besucher:in- Figuren besser erhalten und ihre Auf- nen, darunter 100 Schulklassen und stellung im Giebelfeld gesichert war. unzählige Gruppen. Helga Fellmann, Besonders beeindruckend war für die geborene Scheyhing, die mit Berthold Besucher:innen, dass sie beim Ein- Fellmann den Katalog redigiert hat, gang die Skulpturen von schräg unten erinnert sich, dass viele Führungen ↑ Abguss des Diskobol mit Vitrinen der Ausstellung im 32 erblickten und später beim Durchgang in deutscher, englischer und franzö- Hintergrund
München 1972 der Objekte, und damit ein unmittel- bares Erlebnis zu ermöglichen.“ Durch die Zinnabgüsse gewannen die Besu- cher:innen zudem eine Ahnung vom Gewicht der bronzenen Originale, was insbesondere bei den Sportgeräten, wie den Diskosscheiben, Eindruck ge- macht haben muss. Die Presse war voll des Lobes für die Ausstellung: Ingrid Seiden- sischer Sprache von Fellmann selbst faden von der Bayerischen Staats- sowie zwei Hostessen aus Dänemark zeitung nennt sie eine „gelungene, und den Niederlanden übernommen informationsreiche und doch knap- wurden. Der 136-seitige Ausstellungs- pe Schau“. Doris Schmidt von der katalog wurde mit einer Auflage von Süddeutschen Zeitung betont, dass 5.000 Stück gedruckt und kostete durch den Besuch „kulturhistorische zwölf DM. Direkt nach dem Ende der Information vermittelt“ und „eine Ausstellung gingen insgesamt 83 neu Horizonterweiterung“ gewonnen wird. angefertigte Reproduktionen sowie ein Dabei wird durchaus bewusst wahr- Teil der Fotos zum Preis von insgesamt genommen, dass die Ausstellung kaum 16.000 DM in den Besitz des Museums Originale zu bieten hatte. Doch aus für Abgüsse über. 1976 kamen noch die dieser Not sei gekonnt eine Tugend 21 Giebelfiguren und zwei Löwenkopf- gemacht worden: Denn damit wurden wasserspeier hinzu. die Objekte zu einem „lebendigen und Fellmann legte mit seinem Aus- schönen Anschauungsmaterial“, das stellungskonzept viel Wert auf An- dazu diente, „die Begegnung mit der schaulichkeit – ein Anliegen, das Gru- Antike ausgesprochen spannend“ zu nauer mit der monumentalen Rekon vermitteln. Das Highlight war natürlich struktion des Westgiebels eindrücklich die Rekonstruktion des Westgiebels umsetzte. In gleichem Maße schätzte des Zeustempels. Immer wieder wird Fellmann jedoch auch die kleineren die spektakuläre Rekonstruktion, Objekte und es war ihm wichtig, dass ihre minutiöse Umsetzung sowie ihre mit ihrer Hilfe die Besucher:innen die Lebendigkeit hervorgehoben. Antike sinnlich erfahren konnten. Aus diesen Gründen war es bei Führungen Andrea Schmölder-Veit erlaubt, einige Reproduktionen an- zufassen, um so „die künstliche Dis- tanz zwischen Betrachter und Objekt“ aufzuheben. Beim Ausstellungsbau ↑ Vier Metopen des Zeus- wurde daher „mehrfach (…) auf tren- tempels hängen seit 1973 im Museum für Abgüsse im Haus nende Vitrinen-Glaswände verzichtet der Kulturinstitute und versucht, eine direkte Berührung 33
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