DIE PORSCHE 911 PREMIERE DAS HIGHLIGHT AUF DER IAA IN FRANKFURT 1963
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PORSCHE 84 911 DIE PORSCHE 911 PREMIERE DAS HIGHLIGHT AUF DER IAA IN FRANKFURT 1963 Schon 1963 war die IAA ein Volksfest und Frankfurt eine Messestadt. Und schon vor fünfzig Jahren war auf der Interna- tionalen Automobil-Ausstellung alles besetzt: das letzte Zimmer (vielleicht hätte es noch eines in Mainz gegeben), die letzte Privatunterkunft, der letzte Parkplatz und das letzte Taxi. Diese Unzulänglichkeiten waren von den Vorjahren längst be- kannt. Trotzdem strömten 1963 stattliche 850.000 Besucher in die Ausstellungshallen, hinzu kamen einige Hundertschaften an Stand- und Versorgungspersonal. Ein Messebesuch war damals schon mit den gleichen lästigen Begleitumständen verbunden, wie heute. Im Kolonnenverkehr – ab Bruchsal konnten auch vor drei Jahrzehnten einmal dreiein- halb Stunden einkalkuliert werden – näherte sich der Besucher dem Messegelände. Die Damen und Herren der Presse fühlten sich bis dahin noch bevorzugt. Schließlich prangte an der Wind- schutzscheibe ihres Wagens ein dickes grünes »P« für Presse- parkplatz. Doch bald schon stellte sich diese mit viel Geschick über eine Akkreditierung erworbene »Freikarte« als Nachteil heraus. Denn vor dem Presseparkplatz – zu dem man sich erst einmal vorgekämpft hatte – wurde man lieblos abgewimmelt. »Besetzt«, hieß es ohne Rücksicht auf die gestressten Jour- nalisten. »Weiter, weiter«, wurden sie dann auch noch fortge- scheucht. Doch Presseleute galten schon immer als hartnäckig. Also fanden sie sich mit dieser Schlappe ab und steuerten – im Stau versteht sich – den offiziellen Besucherparkplatz an. Layout_1.1.1.indd 84 05.09.13 10:15
EINLEITUNG 85 Halle 1a, Standnummer 27, 211 Quadratmeter: Porsche-Areal kurz vor dem großen Sturm. Layout_1.1.1.indd 85 05.09.13 10:15
PORSCHE 86 911 Der neue Porsche erregte auf der IAA in Frankfurt 1963 Aufsehen. Obwohl der 901 noch nicht probegefahren werden konnte und stolze 23900 Mark kosten sollte, wurden auf der Messe einige Verträge geschrieben. Layout_1.1.1.indd 86 05.09.13 10:15
DIE PORSCHE 911 PREMIERE DAS HIGHLIGHT AUF DER IAA IN FRANKFURT 1963 87 Auf dem Porsche-Stand gaben sich Politik und Kunden ein Stelldichein. Nach weiteren drei Ewigkeiten erklomm man einen uralten und die Temperatur deutlich zu hoch. Das war vor fünfzig Jah- und völlig überfüllten Omnibus – die Wartezeit überbrückte ren so und ist auch heute nicht anders. man mit der vergeblichen Taxisuche –, berappte 40 Pfennig und Die Herrschaften von der Presse konnten, nachdem sie end- wurde vor den Haupteingang gekarrt. Im Schiebebetrieb (die lich die Ausstellungshallen erreicht hatten, zwischen Dienstag, Zeit konnte genutzt werden, um im Sprechchor auf die IAA zu den 10. September um 19.00 Uhr und Freitag, den 13, Sep- schimpfen) wurde man in die Hallen bugsiert. Fritz B. Busch tember um 20.30 Uhr Pressekonferenzen besuchen. Insgesamt resümierte die für ihn untragbaren Verhältnisse damals in auto waren es 21 Meetings, die hinter Samtvorhängen stattfanden. motor und sport: »Eine Stadt, die so voll ist, und die dann Es soll aber trotzdem noch Journalisten gegeben haben, die sich noch Messen veranstaltet, müsste wegen Körperverletzung, die Ausstellung mit eigenen Augen angesehen haben. Dafür war Freiheitsberaubung, Kuppelei, Wucher, Nötigung, unterlassener der beste Zeitpunkt der Tag vor der offiziellen Eröffnung, der Hilfeleistung und wegen Verstoßes gegen den Paragraphen 1 der 12. September. Die Ausstellungsstände der meisten Automobil- Straßenverkehrsordnung bestraft werden.« hersteller strahlten schon in vollem Glanz. Beim Zubehörhandel Auf den Verkaufsständen gab es dann neben verschwitzten hingegen musste noch über Eisen-Traversen oder Teppichreste Rückenpartien und Kopfschuppen stückchenweise tatsächlich geklettert werden. Im Monteursoverall wurde noch gehämmert auch etwas Blech zu sehen – wenn nicht gerade mindestens und gestrichen. Denn obwohl die Termine über ein Jahr vorher zehn Japaner liegend, kniend oder selten auch stehend jedes feststanden, wurden Autosalons, und werden es auch heute Detail fotografierten. Doch darauf kam es vielleicht nicht noch, erst in allerletzter Sekunde fertig. Doch dies störte weder einmal an. Die ehrwürdigen Automobil-Salons hatten sich zu Organisatoren noch Akteure. So glänzte auch der Porsche- Urlaubszielen und Pilgerorten gewandelt. Tausende von Besu- Stand rechtzeitig vor der offiziellen Eröffnung im Neonlicht. chern wurden regelmäßig von einer undefinierbaren Atmosphä- Zum ersten Mal wurde der Nachfolger des erfolgreichen 356 re angelockt. Kurzum, es war viel zu voll, die Luft war schlecht der Weltöffentlichkeit vorgestellt, der Porsche Typ 901. Sein Layout_1.1.1.indd 87 05.09.13 10:15
PORSCHE 88 911 Komfort, seine Fahrsicherheit und seine enorme Motorleistung Doch zurück auf die IAA 1963. Wegen der beiden Auspuff- sollten den 901 zu einem Fahrzeug der internationalen Luxus- Endrohre hatte auch das Heckblech entsprechende Aussparun- klasse machten. Und tatsächlich zog der gelbe Sportwagen das gen. Auch der mit der 0-Serie eingeführte, schräggestellte und Publikum an wie ein Magnet Eisenfeilspänchen. Die Verkaufsab- vergoldete Elfer-Schriftzug verzierte noch nicht den Heckde- teilung indes traf sich im Privathaus des größten Porsche-Händ- ckel. Die fehlenden Stoßstangenhörner und noch nicht vorgese- lers im Frankfurter Raum, Glöckler, mit allen Großhändlern. Da hene seitliche Zierleisten auf den Türschwellern unterschieden bei Automobilsalons so oder so alle Automobilisten anwesend den IAA-Prototyp optisch sofort von den ersten Serienwagen. waren, wurden die Messetage auch gerne für derartige interne Insgesamt machte Porsche kein Geheimnis daraus, dass bis Veranstaltungen genutzt. Währenddessen – das war wahrschein- zur Serienreife des 901 noch einige Monate vergehen würden. lich Zufall – betrat die ranghöchste Mercedes-Delegation den Kenner befürchteten sogar, dass das Werk Konventionalstrafe Messe-Stand. Kritisch, schließlich hatten die Untertürkheimer an den Ausstellungsveranstalter, den VDA, zahlen müsse: Diese mit dem 230-SL-Sportwagen ebenfalls eine Neuheit und zudem wurde fällig, wenn ein ausgestelltes Automobil nach neun Mo- ein Konkurrenzmodell mit nach Frankfurt gebracht, wurde der naten noch nicht in Fertigung gegangen war. Ob dieser Obolus 901 inspiziert. Nachdenklich zogen sie sich zurück. Ein Heck- tatsächlich entrichtet werden musste, lässt sich nicht mehr motor-Sportwagen mit einem derart geräumigen Kofferraum galt rekonstruieren. Die neun Monate jedenfalls reichten Porsche bisher als technisch nicht realisierbar. nicht aus, den 901 bis zur Serienreife zu bringen. Bei dem Ausstellungswagen handelte es sich um den fünften Und darüber wussten die Verantwortlichen auch, obwohl gebauten Prototyp mit der Fahrgestellnummer 13 325. Der bei sie insgeheim gehofft hatten, die ersten Wagen im Frühsommer der Osnabrücker Karosseriebaufirma Karmann gefertigte Aufbau ausliefern zu können. Doch Inland-Verkaufsleiter Harald Wagner war gelb lackiert. Vorne hatte der Ausstellungswagen bereits das war inzwischen neun Jahre in der Sportwagenschmiede tätig neue 901-Fahrwerk, die Achskonstruktion war in anderen Proto- und hatte schon mehrere Modellanläufe miterlebt. Da es jedes typen bereits erprobt worden. Es handelte sich um Querlenker, Mal Terminverschiebungen gab, instruierte er seine Verkäu- die durch McPherson-Federbeine zusätzlich geführt wurden. fer, den 901 keinesfalls zum Sommer 1964 zu versprechen. Er Diese bestanden allerdings nur aus Stoßdämpfern mit verstärk- befürchtete eine zu große Enttäuschung und Verärgerung, wenn ten Kolbenstangen, die Abfederung erfolgte über längsliegende ein Kunde in dieser Erwartung den Wagen bestellt hätte – wo- Drehstäbe. Auch hinten stand Nummer 5 bereits auf der in möglich sogar, um mit dem wesentlich geräumigeren 356-Nach- Dauertests gefahrenen neuen Konstruktion. Die pendelnden folger in den Urlaub zu fahren. Halbachsen des Porsche 356 wurden durch Schräglenker und Da aber lange Wartezeiten nicht üblich waren und der stolze Doppelgelenk-Antriebswellen ersetzt. Diese Aufhängung ergab Preis von 23.900 Mark (inklusive einer Lederausstattung, die wesentlich geringere Sturz- und Vorspuränderungen und die bei Serienbeginn dann aber nicht einmal als Option erhältlich Möglichkeit, das Fahrwerk komfortabel oder sportlich auszule- war) bereits bekanntgegeben wurde, stand das Standpersonal gen. Die Bremsen stammten von Girling. während der IAA-Tage ständig im Kreuzfeuer der Kritik. Doch Für die IAA 1963 wurde in Nummer 5 eine Attrappe des die Befragten hatten einige Trümpfe in der Hand. Denn der 901 Sechszylinders modelliert. Doch man wusste um die Wichtigkeit konnte im Vergleich zu seinem Vorgänger dank der platzspa- der Salons für die Fachzeitschriften. So wurde Details zur Technik renden Vorderachskonstruktion nicht nur mit einem geräumi- des neuen Boxermotors kurz vor der IAA der Presse bekanntge- geren Kofferraum aufwarten, der von 2100 auf 2200 Millimeter geben. Deshalb konnte Reinhard Seiffert in auto motor und sport verlängerte Radstand trug auch zu einem größeren Innenraum im großen Ausstellungs-Heft 19/1963 vom 14. September schon bei. Und die zweifach nach unten abgeknickte Lenksäule der sehr detailliert über den Heckmotor berichten und ihn mit dem Zahnstangen-Lenkung hatte gleich zwei Vorteile: Sie war platz- Carrera-Triebwerk (2000 GS) vergleichen. Auch ein Foto, halb- sparend und vor allem ein wichtiger Beitrag zum Insassenschutz schräg von oben, wurde bereits veröffentlicht. Es zeigt schon die bei Unfällen. Die abschraubbaren Kotflügel vorne erleichterten zwei Solex-Dreifachvergaser, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht zudem Karosseriereparaturen. einmal erprobt waren. Der abgebildete flache Luftfilter mit unten Dann der Motor: Porsche-Kunden bekamen ein drehzahl- liegendem Ansaugschnorchel wurde bis zur Serienreife noch freudiges Sechszylindertriebwerk mit satten 130 PS. Speziell für vollkommen umgestaltet. Und der Auspuffendtopf hatte noch diese neue Motorengeneration entwickelte Porsche auch gleich zwei Endrohr., Ende 1963 wurde diese Attrappe gegen eine fahr- ein vollsynchronisiertes Fünfganggetriebe. Eine 12-Volt-Bordan- bereite Version ausgetauscht. Der Entwicklungsstand der Motoren lage war das schon fast selbstverständlich. war allerdings selbst bis dahin – angesichts des bevorstehenden Hinter den Fahreigenschaften stand natürlich noch ein Produktionstermins – noch recht unbefriedigend. großes Fragezeichen. Normalerweise war es bei Automobilsalons Layout_1.1.1.indd 88 05.09.13 10:15
DIE PORSCHE 911 PREMIERE DAS HIGHLIGHT AUF DER IAA IN FRANKFURT 1963 89 ren Ausmaß als heute, aber für den Autofahrer damals nicht weniger ärgerlich. Dann zeigte der Automarkt erste Sättigungs- tendenzen und die internationale Konkurrenz legte zu (die übrigen europäischen Autoproduzenten konnten preisgünstiger produzieren). Die deutsche Automobilindustrie dagegen wurde stark kritisiert, noch mehr nach der IAA 1963. Denn Publikum und Fachkreise hatten eine Schau des Fortschritts erwartet. Doch die echten Neuheiten für den normalen Konsumenten blieben aus. Es wurde meist nur, wenn überhaupt, partiell verbessert. Porsche war da sicher die Ausnahme, aber eben auf dem Hochpreissektor. Gewünscht waren eher Novitäten für den kleineren Geldbeutel, wie ein Automatikgetriebe für Fahrzeu- ge mit eineinhalb Liter Hubraum, ein Stoßschutz, der diesen Namen wirklich verdiente, eine Höhenregulierung des Abblend- lichts. Fahrzeuge mit deutlich geringerem Wendekreis oder gar ein neues Modell, das gegenüber dem Vorgänger in den Außen- Abmessungen schrumpfte, ohne an Innenraum einzubüßen. So sprach die Presse der Internationalen Automobil-Ausstellung 1963 nur in zweifacher Hinsicht einen historischen Charakter zu: Erstens stellte die englische Firma Rover, sonst äußerst konservativ, einen Turbinenwagen aus. Und zweitens zeigte NSU in Neckarsulm erstmals ein Auto mit Kreiskolbenmotor. Beide Konzepte waren revolutionär, innovativ – und weitgehend vergessen. Der 901 hingegen avancierte, auch wenn das damals nicht auf Anhieb erkannt wurde, zum Dauerbrenner. Noch Ende der fünfziger Jahre waren zwei Liter Hubraum für deutsche Automobilproduzenten ein stolzer Wert. Diese gerade- zu schon magische Schwelle überschritten nur repräsentative Limousinen vom Schlage eines Mercedes 220, die Fahrzeuge mit drei Litern Hubraum waren fast nur der Regierung vorbehalten, Aus dem Protokoll ist ersichtlich: Neben dem 901 wurden drei 356-C-Typen ausgestellt. Porsche entwickelte gerade einen Zweiliter-Viernockenwellen- Motor, der Ende 1961 auf dem Automobilsalon in Paris im üblich, fahrbereite Exponate zur Verfügung zu stellen. So hatte Carrera 2 debütierte. Er leistete in der für Kunden erhältlichen der Kunde die Möglichkeit, zu testen und nicht die Katze im Version stolze 130 PS, ein Vorserienfahrzeug mobilisierte sogar Sack zu kaufen. Und diese Kombination aus Showroom-Glamour 135 PS. »Eines der schönsten Erlebnisse war für mich die Fahrt und harter Praxis hatte sich in den vergangenen Jahren bestens mit dem allerersten Zweiliter-Prototyp«, erinnerte sich Helmuth bewährt. So wurden trotz der Weltneuheit 901 in den zehn Bott, damals noch im Fahrversuch tätig. Unter Versuchsleiter IAA-Tagen noch über 400 potentielle 356-Interessen erfasst, Claus von Rücker, genannt Nikolaus, wurde der Motor konstru- davon nahmen rund 280 die Möglichkeit einer Probefahrt wahr. iert und Bott hatte das Fahrwerk entwickelt. »Beide Komponen- Aber auch für den 901 wurden Kaufverträge geschrieben: ohne ten harmonierten so großartig, dass wir mit diesem Fahrzeug Probefahrt, ohne Liefertermin und trotz des gegenüber einem erstmalig alle Kurven auf der Autobahn zwischen Stuttgart und 356 um rund 7000 Mark höheren Einstandspreises. Das bestätig- Heilbronn mit über 200 Stundenkilometern durchfahren konn- te die Porsche-Philosophie des Heckmotor-Sportwagens und gab ten«, so Helmuth Bott. Porsche und die ganze Sportwagen-Welt den Verantwortlichen in Zuffenhausen Kraft und Mut, das Pro- hatte einen neuen Maßstab. jekt 901 weiter voranzutreiben. Denn es kam 1963 ein weiteres Nur, der Carrera 2-Motor war ein reinrassiges Renntriebwerk, Handicap hinzu, mit dem alle Automobilhersteller zu kämpfen viel zu aufwendig und teuer für den Einsatz in größeren Serien. hatten: Die Autoszene war im Umbruch. »Gerade acht Mechaniker weltweit konnten das Königswellen- Verkehrsstaus bildeten sich, neue Straßen wurden gebaut Triebwerk einstellen«, erinnerte sich Hans Mezger, Ende der und waren sofort wieder verstopft – natürlich in einem ande- fünfziger Jahre schon in der Rennmotoren-Entwicklung tätig. Layout_1.1.1.indd 89 05.09.13 10:15
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