Die Sonnenkönige von Spiez bringen es auf 8,3 Prozent

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Die Sonnenkönige von Spiez bringen es auf 8,3 Prozent
Die Sonnenkönige von Spiez
bringen es auf 8,3 Prozent
Die BKW Energie AG hat für die Gemeinde Spiez mit ihren knapp 12 500 Einwohnerinnen und
­Einwohnern einen Solarstromanteil von 8,3 Prozent berechnet, der nationale Durchschnitt beträgt
 gut drei Prozent. Das Erfolgsrezept: eine aktive Genossenschaft und eine engagierte Gemeinde.

«Ruedi, ich sage dir, eines Tages wird es   und Architekten ins Leben gerufen, «Vi­      funding mit kleinen und grossen Darle­
noch richtig rocken mit der Solarener­      sionäre waren das», sagt der heute           hen aus der Spiezer Bevölkerung finan­
gie!». Über zehn Jahre ist es her, dass     54-jährige Steuri im Rückblick.              ziert, von den Genossenschaftern
sich Ruedi Steuri, Präsident der Genos­                                                  montiert und 2014 in Betrieb genom­
senschaft SpiezSolar, von dieser enthu­     Crowdfunding für das Solardach               men. Das Projekt wurde beim Zücher
siastischen Zukunftsvision eines Schwei­    der Spiezer Bibliothek                       Klimapreis mit einer Anerkennungsur­
zer Physikprofessors und Solarzellen­       Die Visionäre legten 1999 den Grund­         kunde geehrt.
forschers anstecken liess. Das war in       stein mit einer 7,6 kWp-Fotovoltaik-An­      Wichtiger noch als die Anerkennung von
Australien. Steuri, ein Physiotherapeut     lage auf dem Spiezer Schulhaus Längen­       aussen ist laut Steuri aber, was lokal in
mit Forschungstätigkeit auf dem Gebiet      stein. Dann wurde es etwas ruhiger um        der Gemeinde und in der Region ge­
der Sportmedizin, wohnte damals ein         die Genossenschaft, seit 2012 aber sind      wachsen ist: Denn die 188 Genossen­
paar Jahre lang mit seiner Familie in       diverse Projekte dazugekommen, so die        schafter haben nicht nur selbst Anlagen
Canberra. Gerockt hatte es in seiner Hei­   32-kWp-Anlage auf der Garage Schnei­         gebaut; Mitglieder der Genossenschafts­
matstadt Spiez (BE) schon früher, für       ter AG und die 74-kWp-Anlage auf dem         verwaltung haben seit 2012 mit über 100
Schweizer Verhältnisse sogar ziemlich       Dach der Bibliothek in Spiez. Vor allem      unentgeltlichen Erstberatungen Private
früh: 1999 wurde die Genossenschaft         das Bibliotheksprojekt erfüllt die Spiezer   und Gewerbetreibende für die Energie­
SpiezSolar unter anderem von Lehrern        mit Stolz: Die Anlage wurde über Crowd­      wende sensibilisiert.

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Die Sonnenkönige von Spiez bringen es auf 8,3 Prozent
Wenn die Sonne aufgeht über Spiez, liefert
                                                                                                sie Wärme und Strom.    Bild: Martina Rieben

SVP-Gemeinderäte als Türöffner                 Inzwischen wird das Dach des Werkhofs            Aktion 99 mit dem Gewerbe
So richtig in Schwung gerät die Spiezer        mit Fotovoltaik (PV) ausgerüstet, und ein        Dass sich SVP-Vertreter bei SpiezSolar
Energiewende laut dem Präsidenten              weiteres Dach auf dem Schulhaus Län­             engagierten, wirke auch als Türöffner
jetzt aber auch dank dem sichtbaren En­        genstein produziert bald einen Teil des          zum Gewerbe, sagt Steuri. Das kann der
gagement der Gemeinde. Zwar war von            Stromverbrauchs.                                 im letzten Herbst gestarteten Aktion 99,
Beginn weg ein Sitz in der Genossen­
schaftsverwaltung für einen Gemeinde­
vertreter reserviert, und manchmal war
dieser auch besetzt. Jetzt aber nimmt
mit Baudirektor Ruedi Thomann ein Ge­
meinderat die Sache ernst. Zusammen
mit der Gemeindepräsidentin, Jolanda
Brunner, wurden die Türen für eine ge­
meinsame regelmässige Zusammenar­
beit zwischen der Gemeinde Spiez und
der Genossenschaft SpiezSolar geöffnet.
Vor ein paar Wochen war eine Delegation
der Genossenschaftsverwaltung bei den
Gemeindebehörden eingeladen, an der
Generalversammlung im Mai war die
Gemeindeverwaltung in corpore dabei.
«Dieses Engagement, diese explizite
Wertschätzung vonseiten der Gemeinde,
ist absolut zentral», freut sich Steuri. Zu­
mal es bei den Spiezer Gemeindevertre­
tern schwierig werde, sie als «Träumer
von den Linken und den Grünen abzu­
tun»: Sowohl Ruedi Thomann als auch            Der Präsident von SpiezSolar, Ruedi Steuri (links) freut sich über das Engagement: SVP-Ge-
Jolanda Brunner sind Mitglied der SVP.         meinderat Ruedi Thomann sitzt in der Genossenschaftsverwaltung .           Bild: Martina Rieben

   SCHWEIZER GEMEINDE 6 l 2018                                                                                                              21
Die Sonnenkönige von Spiez bringen es auf 8,3 Prozent
ENERGIEWENDE

mit dem Ziel, gemeinsam mit den loka­
len Spezialisten der Elektro- und Hei­            Genossenschaften für die Energiewende
zungsunternehmungen den Bau von 99
Fotovoltaik- oder Warmwasser-Kollekto­            Ein weiteres Spiezer Produkt ist die         maximal 30 000 Franken der ersten An­
ranlagen auszulösen, nur gut tun. 20              Energiewende-Genossenschaft (EWG):           lage. In der Innerschweiz existieren
Firmen aus Spiez und Umgebung haben               Sie wurde 2014 vom ehemaligen Prä­           laut AKS ein Dutzend Energiegenos­
sich bereit erklärt, als Partner bei der Ak­      sidenten von SpiezSolar, dem Elekt­          senschaften; die Dichte sei fast 50 Pro­
tion mitzumachen. Drei Varianten stehen           roingenieur Syril Eberhart, initiiert. Das   zent höher als in der übrigen Schweiz.
bei der Aktion 99 zur Auswahl, die den            Grundkonzept der EWG ist die Selbst­         Landesweit gibt es im Mittel eine Ge­
Kunden zu fixen Preisen angeboten wer­            baugruppe. Ein Experte realisiert mit        nossenschaft auf 80 000 Einwohnerin­
den: eine Fotovoltaik-Aufdachanlage,              Selbstbauern auf Anleitung eine An­          nen und Einwohner.
fertig installiert für unter 10 000 Franken,      lage oder stellt auf Wunsch Installa­        In der Schweiz gibt es zudem zahlrei­
eine Fotovoltaik-Indachanlage, fertig in­         teure zur Verfügung. Die EWG ist als         che Solargenossenschaften. Eine der
stalliert für unter 14 000 Franken, und           Genossenschaft organisiert, nicht ge­        ältesten ist die Solargenossenschaft
eine Warmwasser-Kollektoranlage, fertig           winnorientiert, erfüllt aber alle Anfor­     Frauenfeld (TG), die sich seit 1991 für
installiert für unter 14 000 Franken. Beide       derungen einer Installationsfirma            die Förderung und Verbreitung erneu­
PV-Anlagen mit einem Grundpaket von               punkto Knowhow, Arbeits- und Sicher­         erbarer Energien, insbesondere für die
24 Panels à 270 W = 6,48 kWp ergeben              heitsstandards. Aus der Spiezer EWG          Solarstromerzeugung, einsetzt. Oder
einen Jahresertrag von ca. 6500 kWh,              ist die EWG Schweiz hervorgegangen.          dann wird Sonnenergie im Verein ge­
also Strom für 1,5 Haushalte ohne                Eine Energiegenossenschaft pro Ge­           fördert, wie etwa im Verein Oberried­
Warmwasser und Heizung. Die Warm­                 meinde: Das ist das erklärte Ziel der        sonne in Zweisimmen (BE). Dort liefern
wasser-Kollektoranlage umfasst drei               Luzerner Albert Koechlin Stiftung            die Dächer der Simmentalarena über
Kollektoren à 2,5 m², 15 m Solarleitung,          (AKS). In ihrem Fokus stehen Genos­          dem Feuerwehrlokal und der Markt­
Solarboiler 500 Liter; täglich ergeben            senschaften, die erneuerbare Energie         halle 182 kWp und können mit ihrem
sich fast 200 Liter Warmwasser für vier          aus Wasserkraft, Sonne, Biomasse,            siebenfachen Energieüberschuss auch
Personen, der Deckungsgrad für ein Ein­           Biogas, Wind oder Abfall gewinnen            die angeschlossenen Schulhäuser,
familienhaus erreicht bis zu 70%.                 oder zur Speicherung beitragen. Die          Turnhallen und den Gemeindesaal ver­
                                                  AKS leistet Starthilfe mit Beratungen        sorgen.
Auf dem Weg zur magischen Zehn                    und einem Beitrag an die Gründungs­          dla/sda
In den letzten drei Jahren wurden in              kosten, und sie trägt 20 Prozent oder
Spiez über 90 Anlagen dazu gebaut, was
zu einer Verzehnfachung der Leistung
aller in Spiez installierten Anlagen führte.
Und vor kurzem hat die BKW Energie AG            geschätzt, nun sind es sogar mehr.» Mit       schnitt liegt der Solarstromanteil bei gut
den Solarstromanteil in der Gemeinde             zwei weiteren grossen Anlagen, die pro­       drei Prozent.» Dabei könnte die Schweiz
Spiez auf 8,2 Prozent berechnet. Steuri          jektiert würden, sollte die magische          nach Ansicht des SpiezSolar-Präsidenten
erfüllt die Zahl mit Stolz: «Wir haben sie       Zehn-Prozent-Marke zu schaffen sein in        gut auch Anteile von 20 bis 25 Prozent
selber immer auf rund sieben Prozent             Spiez. Steuri sagt: «Im nationalen Durch­     erreichen. «Es bräuchte in jedem Dorf,

Auf dem Dach des Spiezer Werkhofs disktu-
tieren der Genossenschaftspräsident und
der Gemeinderat mit dem Projektleiter.
                         Bild: Martina Rieben

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Die Sonnenkönige von Spiez bringen es auf 8,3 Prozent
ENERGIEWENDE

jeder Stadt, eine Genossenschaft und
dazu die Gemeindebehörden, die mitzie­
hen.» Auch in Spiez ist noch viel Poten­
zial vorhanden: 300 Solardächer sind
installiert, 7000 Dächer sind noch frei.
Vielleicht erfasst der «gute Groove», den
Steuri jetzt spürt, 2019 am 20-jährigen
Jubiläumsanlass von SpiezSolar unter
dem Patronat der Gemeinde Spiez auch
die Architekten und Gebäudeplaner, wel­
che die Genossenschafter ganz direkt
ansprechen möchten. «Wir selber sehen
unsere Aufgabe künftig vor allem darin,
eine Plattform für Solarenergie zu sein.»

                             Denise Lachat

                                                 Das Dach des Werkhofs wird mit rund 190 m2 Photovoltaikzellen mit einer Leistung von
                                                 33,5 kWp. Der Präsident von SpiezSolar packt mit an.                    Bild: Martina Rieben

                                                  SpiezSolar
                                                  • erstellt und betreibt eigene Fotovoltaikanlagen
                                                  • produziert und verkauft Ökostrom
                                                  • ist nicht gewinnorientiert
                                                  • organisiert Informationsanlässe
                                                  • informiert die Bevölkerung über Möglichkeiten zum Energiesparen und berät
                                                    sie bei der Planung und Bau einer eigenen PV-Anlage (Gratis-Erstberatung vor
                                                    Ort)
                                                  • bringt Dachbesitzer und Investoren zusammen
Finanziert von der Bevölkerung: die Photo-        • ist von Lieferanten und Produzenten unabhängig
voltaikanlage auf der Bibliothek.   Bild: zvg

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   SCHWEIZER GEMEINDE 6 l 2018                                                                                                             23
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