Die Wildkatze - Wildtier des Jahres 2018 - Waldwissen.net
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FVA-einblick 1/2018 7 Die Wildkatze - Wildtier des Jahres 2018 von Sabrina Streif Das Wildtier des Jahres 2018 be- In den vergangenen Jahren brei- Rheinebene bei Breisach in den siedelt heute wieder Gebiete, tete sich die Wildkatze leise und Jahren 2006 und 2007 fand man in denen es lange verschwun- zunächst unbemerkt in Waldgebie- Hinweise auf ihre Rückkehr. Es den war. Was unterscheidet die ten aus, aus denen sie Ende des folgte ein Forschungsprojekt über Europäische Wildkatze von der 19. Jahrhundert verschwunden war. das Raum-Zeit-Verhalten der Wild- gewöhnlichen Hauskatze? Kommt Über Jahrzehnte hinweg gab es kei- katzen in der zersiedelten Land- es zu Kreuzungen zwischen den ne sicheren Nachweise, nur lediglich schaft der Rheinauen und des Kai- beiden Unterarten? Kommt die vereinzelte Sichtbeobachtungen und serstuhls, welches das Vorkommen Wildkatze in unserer Kulturland- wildkatzenverdächtige Totfunde, die einer sich ausbreitenden Wildkat- schaft zurecht und warum gilt sie sich im Nachhinein aber als Haus- zenpopulation bestätigte. Weitere mit ihren Lebensraumansprüchen katze entpuppten. Heute sind einige Nachweise in Baden-Württemberg als Waldzielart und als Zielart für dieser Wälder wieder von Wildkatzen wurden im Rahmen des Wildtier- den Biotopverbund? Im Arbeitsbe- bewohnt. monitoring der FVA, der Wildfor- reich Wildtierökologie wird diesen In Baden-Württemberg galt die schungsstelle Aulendorf sowie des Fragen seit der Rückkehr der Wild- Wildkatze seit 1912 als ausgestor- BUND - Projektes „Wildkatzen- katze nach Baden-Württemberg ben. Erst mit zwei Totfunden in der sprung“ erbracht. nachgegangen. Abb. 1: Aktuelle Verbreitung der Wildkatze in Baden-Württemberg (rote Rasterzellen) mit angrenzenden bekannten Wildkatzenvorkommen (schraffierte Fläche). Stand 2016.
8 FVA-einblick 1/2018 tes „Wildkatzensprungs“ blieb erfolg- los. Auch ein sicherer Nachweis der Wildkatze innerhalb des National- parks Schwarzwald steht noch aus. Im Naturraum Stromberg, wo es be- reits schon in den 80er Jahren ers- te Hinweise auf die Rückkehr der Wildkatze gab (Heller 1981), konnten Totfunde und Lockstockuntersuchun- gen die Präsenz der Wildkatze seit 2010 sicher belegen. Weitere Ein- zelnachweise befinden sich verstreut im Land, die jedoch bei erneuten Untersuchungen bisher nicht bestä- tigt werden konnten. Es ist davon auszugehen, dass es sich hierbei um einzelne, sich ausbreitende Tiere handelt. An Baden-Württemberg angrenzend Abb. 2: Vergleich der phänotypischen Merkmalen zwischen Hauskatze (a), befindet sich ein großes Wildkatzen- adulter Wildkatze (b) und juveniler Wildkatze (c) [Müller 2011]. vorkommen in den Vogesen, ein klei- nes Vorkommen im Basler Land, so- wie daran angrenzend im Schweizer Die wichtigsten Erkennungsmerkmale der Wildkatze Jura. Die Wildkatzenpopulation im Pfälzer Wald ist über den Bienwald Aufgrund der Verwechslungsmöglichkeit mit Hauskatzen gelten Wildkatzen mit Baden-Württemberg verbunden. nur als sicher nachgewiesen, wenn sie entweder morphometrisch (z. B. Für den Populationsverbund der die Länge des Darmes gilt als signifikantes Unterscheidungsmerkmal) oder Wildkatze und ihrer europäischen genetisch überprüft wurden. In freier Wildbahn lassen sich Wildkatzen und Verbreitung nimmt Baden-Württem- wildfarbene Hauskatzen nur schwer voneinander unterscheiden. Zahlreiche berg aufgrund seiner zentralen Lage phänotypische Merkmale gelten zwar als Hinweis für die Wildkatze, viele davon sind jedoch auch bei wildfarbenen Hauskatzen vorhanden. daher eine besonders wichtige Stel- lung ein. Die zuverlässigsten Unterscheidungsmerkmale sind die verwaschene Fell- zeichnung der Flanken, die dunkle Rückenlinie, die vor der Schwanzwurzel endet (Aalstrich) und der dicke, stumpfendige, schwarz-geringelte Schwanz. Das Fell der Wildkatzen besitzt immer einen ockerfarbenen Grundton, der Gefährdung durch sich bei Hauskatzen eher blaugräulich abzeichnet. Die Färbung des Na- Hybridisierung senspiegels, die Teilfärbung der Ferse (Nehring’scher Fersenfleck) sowie die Körperstatur sind unzuverlässige Merkmale, da sie in beiden Unterarten Unsere Hauskatzen sind zwar Ver- sehr variieren. Junge Wild- und Hauskatzen sind äußerlich kaum zu unter- wandte der Europäischen Wildkatze scheiden, die typischen Wildkatzenmerkmale sind bei Jungtieren noch nicht (Felis silvestris silvestris), sie stam- oder nur schwach ausgeprägt. men jedoch von der Afrikanischen Falbkatze (Felis silvestris lybica) ab. Trotzdem können sich Haus- und Wildkatzen paaren und bringen re- Die Wildkatze konnte inzwischen fast neuen Ergebnissen ist davon auszu- produktionsfähige Nachkommen zur in der gesamten Rheinebene nach- gehen, dass sich einzelne kleinere Welt, die als Hybride oder Blendlinge gewiesen werden. Nur dort, wo grö- Vorkommen östlich der Bundesauto- bezeichnet werden. Hybride können ßere Städte wie Breisach oder Kehl bahn A5 etabliert haben. veränderte genetische Merkmale direkt an den Rhein grenzen, ist das Im nördlichen Schwarzwald konnte aufweisen, die von den ursprüngli- Vorkommen in seiner Nord-Süd-Ver- die Wildkatze bisher trotz intensiver chen Merkmalen der Wildkatze mehr breitung unterbrochen. Erst in den Bemühungen des BUND Baden- und mehr abweichen. So gehen ur- letzten Jahren konnten erfolgreich Württembergs nur vereinzelt nachge- sprüngliche Anpassungen der Katzen Nachweise im mittleren und südli- wiesen werden. Die Beprobung auf an die Umwelt verloren, die essentiell chen Vorbergzone des Schwarzwal- größeren Flächen im Nordschwarz- für ein Überleben und eine erfolgrei- des gesammelt werden. Nach diesen wald im Rahmen des BUND-Projek- che Vermehrung in der Wildnis sein
FVA-einblick 1/2018 9 können. Häufen sich die Paarungen zwischen den zwei Arten, kann der Bestand der Europäischen Wildkat- ze immer mehr zurückgehen. Dies kann bis zum völligen Verschwinden der Art führen. Deshalb ist es wich- tig, die Ursachen der Hybridisierung von Haus- und Wildkatzen zu unter- suchen und deren Entwicklung zu überwachen. Im Datensatz des Wildkatzenmonito- ring der FVA findet sich ein Anteil von ca. 10% Wildkatzen mit Hinweisen auf eine Hybridisierung oder Rück- kreuzung (Streif et al. 2016). Mit dieser Introgression (Gene einer Un- terart etablieren sich in den Genen einer anderen Unterart) ist die Wild- katzenpopulation in den Rheinauen nicht direkt durch eine Vermischung Abb. 3: Die typischen Wildkatzenmerkmale wie der Aalstrich und der dicke buschige mit Hauskatzen gefährdet, sie liegt Schwanz sind auf diesem Wildkamerafoto eindeutig zu erkennen. (Foto: FVA) jedoch über dem Wert von 3,9%, der in einer deutschlandweiten Studie für die gesamte Wildkatzenpopulati- Totholz, Reisig und Unterwuchs (z.B. schichten, Naturverjüngungsflächen, on in Deutschland inklusive der zent- Brombeere), vielen Vegetations- Lichtungen, Waldwiesen und intakten ralen deutschen Populationen ermit- telt wurde (Steyer et al. 2016). Ein erhöhter Anteil an Hybriden in einer Population wird häufig an Verbrei- tungsrändern und in dünn besiedel- ten Gebieten gefunden. Hier kommt es vermutlich aufgrund fehlender Sexualpartner zu Verpaarungen mit Hauskatzen. Lebensraumansprüche der „Waldkatze“ Auch als “Waldkatze“ bezeichnet, benötigt sie als wichtigsten Habitat- typ den Wald. Strukturreiche Laub- und Mischwälder sind die bevorzug- ten Lebensräume von Wildkatzen, dennoch werden auch Nadelwälder besiedelt. Nach den Erkenntnissen neuerer Studien sowie den Ergeb- nisse des Forschungsprojektes zur Wildkatze am Kaiserstuhl nutzen Wildkatzen auch strukturiertes Of- fenland als dauerhaften Lebens- raum, wobei aber die weiblichen Wildkatzen stark waldgebunden blei- ben (Jerosch & Goetz 2014, Streif et al. 2016). Strukturreiche Wälder, mit Abb. 4: Wildkatze im Unterwuchs: ideale Versteckmöglichkeit (Foto: Klaus Echle)
10 FVA-einblick 1/2018 Waldrändern werden bevorzugt. der Verlust und die Verschlechterung im Rahmen des Sonderprogramms Dieses Mosaik aus dichten und lich- von geeigneten Lebensräumen. Zur zur Stärkung der Biologischen Viel- ten strukturreichen Waldbeständen Lebensraumverschlechterung zäh- falt mit der Wildkatze als Zielart für fördern sowohl das Beuteangebot len unter anderem eine auf Struk- den Biotopverbund langfristig unter- als auch die Vielzahl an Versteck- turarmut ausgerichtete Waldbewirt- stützen wird. möglichkeiten. Bevorzugt werden schaftung, das Fehlen von Alt- und auch waldrand- und gewässernahe Totholz, ein dichtes Wegenetz, struk- Wiesen, die eine gute Mäusejagd turarme Waldränder sowie die zu- ermöglichen. Als Ruheplätze und nehmende Störungsbelastung durch für die Jungenaufzucht werden vor Freizeitaktivitäten in den Wäldern. allem Strukturen wie liegendes Tot- Daher kommt der Waldwirtschaft in holz (Reisighaufen und Wurzelteller) allen Waldbesitzarten eine wichtige aber auch Fuchs- und Dachsbaue, Rolle für den Erhalt und Entwicklung Felsspalten, ausgediente Hochsit- einer stabilen Wildkatzenpopulation ze, Schuppen, Bunkeranlagen sowie zu. Im Rahmen der Waldnaturschutz- Baumhöhlen in stehendem Totholz konzeption von ForstBW wurde die benötigt. Wildkatze als eine Waldzielart defi- Die Wildkatze ist eine wärme- und niert. Dies bedeutet einerseits, dass trockenheitsliebende Art und besie- bei der Waldbewirtschaftung die delt somit vorzugsweise Mittelge- Lebensraumanforderungen entspre- birgslagen und meidet höhere La- chend berücksichtigt und integriert gen. Dort ist mit hohen Schneelagen werden. Andererseits wird durch die der Nahrungserwerb erschwert. Ob notwendige Anreicherung mit viel- die Wildkatze tatsächlich den gesam- fältigen und lichten Waldstrukturen ten Schwarzwald besiedeln kann, auch der Lebensraum vieler anderer lässt sich derzeit nicht abschätzen. Pflanzen und Tieren erhalten oder Jedoch wird sie vermutlich zukünftig neu geschaffen. von den sich verändernden klimati- Die Wildkatze gilt auch als Indika- schen Verhältnissen sowie Sturm- torart für den Grad der Lebensraum- ereignissen profitieren. vernetzung waldgebundener Tier- arten. Sie ist auch außerhalb des Waldes auf Strukturen angewiesen, Waldzielart und Zielart die ihr ausreichend Deckung bieten, für den Biotopverbund wenn sie sich auf Streifzügen befin- det und vor allem wenn sie auf der Sabrina Streif Als Hauptgefährdungsursachen der Suche nach neuen Lebensräumen FVA, Abt. Wald und Gesellschaft Wildkatze gelten heute die hohe Mor- ist. Hier liegt ein Schwerpunkt zu- Tel.: (07 61) 40 18 – 2 32 talität durch den Straßenverkehr und künftiger Bemühungen, die das Land sabrina.streif@forst.bwl.de Literatur muster von Wildkatzen im Verbund- (2016): Largescale genetic cen- lebensraum Südharz, Kyffhäuser, sus of an elusive carnivore, the Müller, F. (2011): Körpermerkmale als Hainleite, Hohe Schrecke/Finne European Wildcat (Felis s. silvest- Unterscheidungskriterien zwischen und Ziegelrodaer Forst. Abschluss- ris). Conservation Genetics 17 (5): wildfarbenen Hauskatzen (Felis bericht 1183–1199 silvestris catus) und Wildkatzen Steyer, K.; Kraus, R. H. S.; Mölich, Streif, S.; Kohnen, A.; Kraft, S.; (F. silvestris silvestris, Felidae). – T.; Anders, O.; Cocchiararo, B.; Veith, S.; Wilhelm, C.; Sandrini, M.; Beiträge zur Jagd und Wildtierfor- Frosch, C.; Geib, A.; Götz, M.; Suchant, R. (2016): Die Wildkatze schung, Band 36: 359–368 Herrmann, M.; Hupe, K.; Kohnen, (Felis s. silvestris) in den Rheinau- Heller, M. (1981): Wiederentdeckung A.; Krüger, M.; Müller, F.; Pir, J. B.; en und am Kaiserstuhl - Raum-Zeit- und Verhalten der Wildkatze in Reiners, T. E.; Roch, S.; Schade, Verhalten der Wildkatze in einer in- Württemberg. Naturschutz und U.; Schiefenhövel, P.; Siemund, tensiv genutzten Kulturlandschaft. Landschaftspflege 53/54:24 M.; Simon, O.; Steeb, S.; Streif, S.; Projektbericht, Forstliche Versuchs- Jerosch, S. ; Goetz, M. (2014): Po- Streit, B.; Thein, J.; Tiesmeyer, A.; und Forschungsanstalt Baden- pulationsdynamik und Migrations- Trinzen, M.; Vogel, B.; Nowak, C. Württemberg, Freiburg
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