Jordanien als Partner - Konrad ...
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März 2021 Auslandsbüro Jordanien Video-Telefonat zwischen dem jordanischen König Abdullah II. und Bundeskanzlerin Angela Merkel am 9. Februar 2021. © Royal Hashemite Court of Jordan Jordanien als Partner deutscher Nahostpolitik Die neue diplomatische Dynamik im Nahen Osten sollte Deutschland gemein- sam mit Jordanien nutzen. Für eine Verstetigung der Partnerschaft bedarf es jedoch demokratischer Fortschritte im Haschemitischen Königreich. Edmund Ratka Jordanien kommt als traditionellem Verbündeten des Westens und einem der stabilsten Länder der Re- gion eine Schlüsselrolle im Nahen Osten zu. Deutschland sollte außenpolitisch eng mit Jordanien zu- sammenarbeiten und damit die Bemühungen um regionalen Dialog unterstützen, die mit der neuen US-Administration wieder an Fahrt gewinnen. Gleichzeitig sollte die jordanische Führung hinsichtli ch ihrer demokratischen Reformbemühungen ermutigt und beim Wort genommen werden. Nur wenn diese auch ernsthaft umgesetzt werden, kann sich Jordanien zu einem langfristigen Wertepartner der deutschen Außenpolitik entwickeln. Letztlich braucht auch die deutsche Entwicklungszusammenarbeit, deren Mittel für Jordanien in den letzten Jahren stark erhöht wurden, rechtsstaatliche und partizipative Strukturen vor Ort, um nachhaltig wirken zu können. Neue Dynamik in Nahost: Abraham und Bahrain, wurde in Washington parteiüber- Accords, Biden und Corona greifend und auch von den europäischen Verbün- deten der USA begrüßt. Dieser Schritt bekräftigt Zum Leidwesen Jordaniens hatte US-Präsident die sich seit Jahren abzeichnende Entkopplung Trump mit seiner einseitig an Israel orientierten der israelisch-arabischen Beziehungen von der Haltung jegliche Fortschritte im israelisch-palästi- Palästinenserfrage (jedenfalls auf Regierungs- nensischen Konflikt unmöglich gemacht. Doch im ebene). Sommer 2020 gelang ihm mit den „Abraham Ac- cords“ doch noch ein nahostpolitischer Verhand- Jordanien tat sich zunächst schwer mit dieser Ent- lungserfolg. Die Normalisierung diplomatischer wicklung, die alte Ängste weckt: Dass nämlich der Beziehungen Israels mit arabischen Staaten, zu- Nahostkonflikt ohne die Einbeziehung Jordaniens nächst mit den Vereinigten Arabischen Emiraten und damit letztlich auf seine Kosten bearbeitet
Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. Länderbericht März 2021 2 2 wird. In Amman fürchtet man vor allem, dass Pa- Kampf von Jordanien aus. Im Luftwaffenstütz- lästinenser aus dem Westjordanland – angesichts punkt Al-Azraq sind derzeit noch über 200 deut- der Perspektivlosigkeit in ihrer Heimat – nach Jor- sche Soldaten stationiert. danien übersiedeln bzw. von Israel dorthin ver- drängt werden. Das fragile demographische und Hinzu kommt, dass Jordanien ein wichtiges Auf- machtpolitische Gleichgewicht im Haschemiti- nahmeland für Flüchtlinge ist. Hatten dort zuvor schen Königreich würde damit gefährdet. Mittler- vor allem Palästinenser und Iraker Zuflucht ge- weile hat sich Jordanien indes auf die neue Situa- sucht, so hat das Haschemitische Königreich seit tion eingestellt und versucht, sich als Mittler zwi- 2011 über eine Million Syrer aufgenommen. Das schen den Golf-Staaten und den Palästinensern von den Vereinten Nationen betriebene Flücht- zu etablieren. Vor allem will es die neue diploma- lingscamp Zaatari ist mit 80.000 Bewohnern eines tische Dynamik in der Region für einen neuen An- der größten weltweit. Knapp 80 Prozent der syri- lauf nutzen, die Zwei-Staaten-Lösung doch noch schen Flüchtlinge leben jedoch außerhalb der La- voranzubringen. Das jordanische Königshaus ger, vor allem in den größeren Städten des Lan- setzt dabei große Hoffnungen auf den neuen US- des, wo die Infrastruktur entsprechend zusätz- Präsidenten Biden, zu dessen Administration es lich belastet wird. gute Beziehungen unterhält. So war etwa der neue CIA-Direktor, William Burns, Ende der Schließlich muss Deutschland Interesse an einer 1990er Jahre US-Botschafter in Amman. demokratischen Entwicklung des Landes haben. Die arabische Welt wird erst zur Ruhe kommen, Zugleich erhöht die Corona-Krise mit ihrem wirt- wenn es ihr gelingt, der trügerischen Dichotomie schaftlichen Flurschaden den Druck auf das res- von Autoritarismus oder Chaos zu entkommen. sourcenarme und von internationaler Hilfe ab- Dafür bedarf es positiver Beispiele, die zeigen, hängige Jordanien. Eine regionale Entspannung dass Reformen in Richtung eines inklusiven politi- und Stabilisierung der Nachbarländer würde dem schen Prozesses und der Respekt vor Menschen- Land lang erhoffte neue ökonomische Chancen rechten eben nicht unbedingt zu gesellschaftli- bringen. chen Verwerfungen oder der Schwächung staatli- cher Strukturen führen. Deutsche Interessen in Jordanien Jordanien außenpolitisch eng einbin- Die Bedeutung Jordaniens für die deutsche Au- den ßenpolitik ist in den letzten Jahren gestiegen. Das Haschemitische Königreich, ein traditioneller Ver- Die Verlegung der Bundeswehr von der Türkei bündeter des Westens, präsentiert sich als Stabi- nach Jordanien und, wenige Monate später, der litätsanker in der unruhigen Nahostregion. Zu Besuch von Angela Merkel im Juni 2018 markier- Recht ist die Stabilität des Landes oberste Priori- ten die wachsende Rolle Jordaniens für die deut- tät deutscher Jordanien-Politik. Ein weiterer sche Nahostpolitik. Bereits seit 2016 ist Jordanien Staatszerfall im Herzen der arabischen Welt eines der Schwerpunktländer der deutschen „Er- würde erneute Migrationsbewegungen auslösen tüchtigungsinitiative“ und hat in diesem Rahmen und ein Machtvakuum schaffen, das die Ausbrei- militärisches Gerät und Ausbildung erhalten. tung terroristischer Gruppen begünstigen könnte. Jordanien ist zudem ein wichtiger Partner Stand damals die Bewältigung der Flüchtlings- im Kampf gegen islamistischen Terror: sowohl krise sowie die sicherheitspolitische Kooperation ideologisch, da das Königshaus mit seiner histo- im Mittelpunkt, so zeichnet sich seit Sommer risch-religiösen Legitimation für einen moderaten 2020 auch eine stärkere diplomatische deutsch- Islam und konfessionelle Toleranz eintritt, als jordanische Zusammenarbeit ab. Sowohl Berlin auch sicherheitspolitisch. Jordaniens Armee si- als auch Amman lehnten die israelischen Annexi- chert die Grenzen zu den konfliktgeplagten Nach- onspläne im Westjordanland ab und veröffent- barstaaten Syrien und Irak sowie zu Israel, mit lichten, gemeinsam mit Paris und Kairo, dazu dem seit 1994 ein Friedensvertrag besteht. Seit mehrere Erklärungen. Die Jordanier setzen große 2017 operiert die Bundeswehr im Anti-Terror- Hoffnungen in dieses informelle Viererformat
Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. Länderbericht März 2021 3 3 (manchmal auch Kleeblatt- oder Munich-Format USA ist die Bundesrepublik damit der zweitwich- genannt) als ein weiteres Element, um den israeli- tigste Geber Jordaniens. schen-palästinensischen Konflikt multilateral zu bearbeiten. Die vier Länder haben in dieser Kons- Gerade auch angesichts der Leistungen Jordani- tellation bisher (einigermaßen erfolgreich) gegen ens bei der der Flüchtlingsaufnahme und der eine weitere Verschlechterung des Status Quo ge- ökonomischen Verwerfungen durch die Covid-19- kämpft. Sie müssten nun gemeinsam konstruk- Pandemie ist diese Unterstützung besonders tive Ideen entwickeln und vorantreiben – gegebe- wichtig. Sie sollte aber mit einer klaren Botschaft nenfalls im Einklang mit anderen Foren wie dem verbunden werden: Eine Verstetigung der Nahost-Quartett (USA, Russland, Vereinte Natio- deutsch-jordanischen Partnerschaft kann es nur nen und EU) – wie die regionale Dynamik und die geben, wenn das Land weitere ernsthafte Schritte neue Kooperationsbereitschaft in Washington für in Richtung Rechtsstaat und Demokratie unter- Fortschritte bei der Lösung des Nahost-Konfliktes nimmt. fruchtbar gemacht werden können. Einige Reformerfolge, die Jordanien im Zuge des „Arabischen Frühlings“ erzielt hatte, wurden in Deutschland sollte dabei darauf achten, dass Jor- den letzten Jahren zurückgedreht. So lösten die daniens Interessen in der Palästinenserfrage be- Behörden Ende 2020 den Lehrerverband auf und rücksichtigt werden. Das Haschemitische König- die Parlamentswahlen im vergangenen Novem- reich ist als Nachbarland mit einer Mehrheit an ber wurden unter anderem vom staatsnahen Na- palästinensisch-stämmiger Bevölkerung unmittel- tionalen Zentrum für Menschrechte als unfair kri- bar betroffen und hat eine im Friedensvertrag tisiert. Im Vorfeld der Wahlen war es aus dem von 1994 festgeschriebene Rolle bei der Verwal- Umfeld des Sicherheitsapparates zur Einschüch- tung der muslimischen und christlichen Stätten in terung von Kandidaten gekommen. Jerusalem, die es zu respektieren gilt. Jordanien kann eine Brücke zu den Palästinensern sein, die Anlässlich des dieses Jahr zelebrierten hundert- sich von den arabischen Golf-Staaten und ande- jährigen Staatsjubiläums hat jüngst König Abdal- ren internationalen Akteuren übergangen fühlen. lah II. selbst die Notwendigkeit demokratischer Jeglicher Lösungsansatz wird zudem eine regio- Fortschritte angemahnt. Er lancierte eine Über- nale Verankerung und Legimitation brauchen, die prüfung des Wahlgesetzes und forderte in einem eine aktive Beteiligung Jordaniens voraussetzt. offenen Brief die Sicherheitsorgane auf, sich auf ihre Kernaufgaben zu konzentrieren. Deutsch- Jordaniens Entwicklung konditioniert land sollte diese Bemühungen anerkennen – und unterstützen das Staatsoberhaupt beim Wort nehmen. Jorda- nien hat das Potenzial, sich zu einem Wertepart- In der deutschen Entwicklungspolitik weist Jorda- ner der deutschen Außenpolitik zu entwickeln. nien eine erstaunliche Karriere auf. In der vergan- Bei allem Verständnis für sein schwieriges regio- genen Dekade haben sich die Mittel für das (in- nales Umfeld und seine mannigfachen innenpoli- klusive Flüchtlinge) zehn Millionen Einwohner tischen Herausforderungen müsste es dafür aber zählende Land vervielfacht. Heute gehört Jorda- demonstrieren, dass Demokratie mehr ist als ein nien zu den Top-Empfängern deutscher Entwick- Lippenbekenntnis. lungshilfe und erhält zwischen 500 und 700 Milli- onen Euro an jährlicher Unterstützung (ein- schließlich Kredite) aus Deutschland. Nach den
Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. Dr. Edmund Ratka Leiter Auslandsbüro Jordanien Europäische und Internationale Zusammenarbeit www.kas.de/jordanien edmund.ratka@kas.de Der Text dieses Werkes ist lizenziert unter den Bedingungen von „Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international”, CC BY-SA 4.0 (abrufbar unter: https://creativecom mons.org/licenses/ by-sa/4.0/legalcode.de) www.kas.de
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