DYNAMIK UND FOLGEN SEXUELLER GEWALTERFAHRUNGEN - MICHAELA HUBER WWW.MICHAELA-HUBER.COM
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THEMEN Copyright: Michaela Huber 13.09.2021 2 • Oft war es nicht nur „einmal“… Mädchen und Frauen und sex. Gewalt • Frühe Traumata sind oft transgenerationale Traumata: Der gewalttätige Vater, die „tote“ Mutter • Bindungs-Prinzipien in Gewalt-affinen Familien • Wieso wird ein Opfer sexualisierter Gewalt (in der Kindheit) immer wieder zum Opfer? • Bindungstrauma und sexualisierte Gewaltwiederholungen in Partnerschaften • … und gegenüber eigenen Kindern • „Wer, wenn ich schriee, hörte mich denn…“ Einsamkeit und Bindungsangst auch in d.Therapie • Gehalten, geleitet und gestärkt: Was es braucht, nach sex. Gewalterfahrung zu wachsen
Copyright: Michaela Huber 13.09.2021 3 OFT WAR ES NICHT NUR EINMAL…. • Wer Ihrer Klientinnen hat mehr als eine sexualisierte Gewalterfahrung gemacht? • Gegenprobe? • Wann wurden Ihnen diese Gewalterfahrungen mitgeteilt? Sicher nicht im Ernstkontakt – oder doch? • Was, glauben Sie, wäre aus dem Mädchen/der Frau geworden, an die Sie jetzt denken, wenn sie nicht durch sex. Gewalt beeinträchtigt worden wäre? • Wie lange wird dieses Mädchen/diese Frau voraussichtlich brauchen, sich von der sex. Gewalterfahrung zu erholen? • Wenn Sie gut miteinander arbeiten: Was, glauben Sie, könnte dabei herauskommen?
• Auslöser meistens längerdauernde und/oder wiederholte extrem bedrohliche Ereignisse, bei denen Flucht schwierig oder unmöglich war, wie bei existenziell bedrohlicher Gewalterfahrung in der Familie, sexualisierter Gewalt, Folter, Sklaverei, (politischer) Verfolgung, Genozidbedrohung etc. Alle drei Bedingungen der PTBS – Wiedererleben, Vermeidung und Komplextrauma Übererregung – waren im Verlauf der Störung einmal erfüllt. Zusätzlich kommen drei wesentliche Problembereiche hinzu: nach dem ICD- • Schwere und tiefgreifende Probleme der Regulation von 11 (Screening: Gefühls- und Körperzuständen; SkPTBS, • Intensive Scham-, Schuld-, Wertlosigkeits- und Versagensgefühle in Verbindung mit den traumatisierenden Interview: I- Ereignissen; und • Andauernde Bindungsstörung KPTBS) • Diese Symptome müssen mindestens über mehrere Wochen auftreten und in verschiedenen Lebensbereichen Beeinträchtigungen auslösen, wie Familie, Arbeit oder sozialen Beziehungen. 13.09.2021 Copyright: Michaela Huber 5
• Wenn Kinder sich vor derselben Bindungsperson fürchten, an die sie sich binden müssen, entwickeln sie eine „desorganisierte“ Bindung. • Sie dissoziieren, so gut sie können (trait) erzwungenermaßen und Desorganisierte • Sie spalten dabei u.a. den Anteil von sich ab, Bindung? der das Bösartige im Elternteil entdecken könnte („Betrayal Trauma“, Jennifer Freyd). • Ein Teil identifiziert sich mit dem Aggressor und wird ebenfalls nicht integriert, sondern dissoziativ abgespalten. 13.09.2021 Copyright: Michaela Huber 6
„Meine Mutter war immer geistig abwesend“ „Ich hatte immer Angst vor meinem Vater…“ 13.09.2021 Copyright: Michaela Huber 8
Wiederholung von traumatischer Selbstverteidigung in Beziehungen • In kritischen Situationen werden archaische Selbstschutz-Maßnahmen wie Flüchten, Kämpfen, Erstarren, Bindungsschrei, totaler Zusammenbruch, Erschlaffen und inneres Leermachen als Abwehr eingesetzt. • Zurückhaltung wird als Zurückweisung erlebt; Absage eines Termins als Kontaktabbruch; Annäherung als Überwältigung, Kritik als Vernichtung; ein kritischer Blick als Hass; etc. – mit den entsprechenden basalen Reaktionen. 13.09.2021 Copyright: Michaela Huber 9
Innerfamiliäre Gewalt • Nimmt leider von Generation zu Generation zu – wenn nicht bewusst an Veränderung von Trauma-Mustern gearbeitet wird. • Wenn sexualisierte Gewalt in der Familie ist, sind auch seelische Qualen (Entwertungen, Beschimpfungen, Verfluchen, Herabsetzungen…) • und emotionale Ausbeutung (Parentifizierung, gegenseitig Ausspielen, Verlangen von „Gefälligkeiten“…) die Regel; • sehr oft auch körperliche Gewalt (Schlagen, Herumstoßen, Treten, mit einer Waffe bedrohen…) • Oft spielen auch die Wirkung von Alkohol, Medikamenten und evtl. Drogen eine Rolle. 13.09.2021 Copyright: Michaela Huber 10
Normalität von Gewalt • Mehrere Dunkelfeldstudien zum Ausmaß von elterlicher körperlicher Züchtigung in Deutschland kamen zu dem Ergebnis, dass etwa drei Viertel der (heute erwachsenen) Kinder und Jugendlichen von ihren Eltern körperlich gezüchtigt wurden und etwa 10 Prozent massive Misshandlungen erlebt haben (BMI/BMJ 2001: 494 ff.) • Bei Partnerschaftsgewalt geraten für die Mütter „die Bedürfnisse der Kinder völlig aus dem Blick. Im Fokus stehen Angst, Bedrohung, Eigenschutz und Schutz der Kinder. Ressourcen und Feinfühligkeit, um Kindern Trost, Stabilität, Orientierung und Grenzen zu vermitteln, sind nur eingeschränkt vorhanden oder abrufbar… • Bei häuslicher Gewalt stellt die Trennungs- und Scheidungssituation mit die höchste Gefährdung für Frauen dar, Opfer von körperlicher und/oder sexueller Gewalt durch Partner zu werden.“ • Es ist unerheblich, ob die Kinder während der Gewaltsituation nicht anwesend waren oder vermeintlich schliefen. Sie sind dieser Atmosphäre jahrelang ausgesetzt…, das zerstört ihre Bindungssicherheit.“ (Funk in Büttner 2020, S. 400) 13.09.2021 Copyright: Michaela Huber 11
Destruktive Bindungen aller Art untersuchen • Soziales Atom: Mit welcher Person in welcher Nähe verbunden? Wer davon ist/war eine „schmerzvolle Bindung“? Ambivalenzen? Innere Landkarten – talking through. • Destruktive Bindungsmuster überprüfen: Opferung, Verrat, Geiselnahme/Stockholm-Syndrom, Entwertung, körperliche/sexuelle Gewaltanwendung, Hinter-dem-Rücken- Sprechen, Schwarz-Weiß-Denken, „Umfallen“, Parentifizierung, existenzielle Krisen, Verantwortungs-Umkehr, Schuld(gefühle), „heiße Liebe – kalter Hass“ etc. • Welche Bindungsmuster herrschen gegenwärtig vor? • Täterloyalität, Täteridentifikation in der Kl-Persönlichkeit • Welche Innenpersonen/-anteile wollen aussteigen, welche nicht? Welche verweigern (noch) die Zusammenarbeit? • Ausstiegs-Szenario: Unzuverlässig werden - keine aktive Kontaktaufnahme mehr – Zugangswege für die T. versperren (Wohnung, Tel., Handy, Konto, email, Internet…) – auftauchende T. abweisen – anzeigen. • Wo ist die Kl. gerade, woran realistischerweise arbeiten?? 13.09.2021 Copyright: Michaela Huber 12
Getröstet, gehalten, gestärkt: Was hilft? • Aufrichtigkeit und Angenommensein im professionellen Kontakt – beidseits • Erkennen – Anerkennen – Verändern, erst im prof. Kontakt, dann innen • Arbeit auf der inneren Bühne mit allen Zuständen und Anteilen • TherapeutIn als „MediatorIn“ des Innenlebens • Screen zum Anschauen und ggf. Prozessieren schwieriger Situationen • „Hand aufs Herz“ zum Anerkennen von Schwierigem, das sonst abgewehrt oder dissoziiert würde. 13.09.2021 Copyright: Michaela Huber 13
Erstaunlich: Viele machen es besser als das, was sie selbst erlebt haben! 14 • Die Hälfte der ehemals misshandelten Kinder verstrickt sich NICHT wieder in destruktive Beziehungen. (Resilienz) • Ein Viertel bis die Hälfte liefern ihre Kinder NICHT wieder neuen Partnern zur Misshandlung aus. • Wer „aussteigen“ kann, trägt zwar erst einmal die Last der Generationen. • Doch begründet auch einen neuen Weg und ist ein gutes Beispiel für die nächsten Generationen und für alle, die sie (mit-)erleben dürfen. • Viele PartnerInnen kämpfen um eine gute Beziehung jenseits ihrer eigenen Gewalterfahrung. • Das verdient jede Unterstützung und lässt doch hoffen! Copyright: Michaela Huber 13.09.2021
Wenn Du Dir eine Gestalt in Deiner Nähe wünschen könntest, die Dich mit Deiner ganzen Art, all Deinem Kummer, Deiner Kraft, Deinem Zorn und Deiner Trauer Wie sieht der Ort der Begegnung mit dieser annehmen könnte – so wie Du bist -, welche Gestalt aus, die Dir tiefes Gestalt könnte das sein? Eine, die Du schon Angenommensein/Geborgenheit schenkt? kennst, oder eine ganz andere? Mensch oder Tier oder spirituell, konkret oder phantasiert. 15 Kannst Du in „Gegenwart“ dieser Gestalt noch etwas von Deinem Kummer loslassen Und was nimmst Du stattdessen auf? und dieser (spirituellen oder imaginierten) Gestalt anvertrauen? Übung: liebevolles Angenommensein Copyright: Michaela Huber 13.09.2021
Literaturempfehlungen • Melanie Büttner (Hg.) Handbuch häusliche Gewalt. Schattauer 2020 • Ulrike Borst und Andrea Lanfranchi (Hg.): Liebe und Gewalt in nahen Beziehungen. Heidelberg: Carl Auer • Karl-Heinz Brisch (Hg): Bindung und frühe Störungen der Entwicklung. Stuttgart: Klett-Cotta • Diane England: The Posttraumatic Stress Disorder Relationship. How to Support Your Partner and Keep Your Relationship Healthy. Avon, Mass: Adams Media • Marie-France Hirigoyen: Die Masken der Niedertracht. Seelische Gewalt im Alltag und wie man sich dagegen wehren kann, München: dtv • Michaela Huber: Trauma und die Folgen, Neubearb. Junfermann 2020 • Eva Illouz: Warum Liebe weh tut. Frankfurt: Suhrkamp • Katharina Klees: Traumasensible Paarberatung. Junfermann • Peichl, Jochen: Destruktive Paarbeziehungen. Das Trauma intimer Gewalt, Stuttgart: Klett-Cotta 13.09.2021 Copyright: Michaela Huber 16
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