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Ein Klimaclub unter deutscher G7- Präsidentschaft? Unterschiedliche Optionen für einen Klimaclub unter der deutschen G7- Präsidentschaft Policy Brief Leon Martini 28.02.2022 Benjamin Görlach Empfehlungen 1 Angesichts des Überfalls Russlands auf die Ukraine werden die EU und die G7 ihre energiepolitischen Prioritäten neu ordnen. Ein Klimaclub kann dazu beitragen, dass bei diesen Bemühungen der Übergang zu Kli- maneutralität im Mittelpunkt steht. Die Unabhängigkeit von importierten fossilen Brennstoffen ist nicht nur mit der Klimaneutralität vereinbar, son- dern einer ihrer zentralen Bausteine. 2 Ein Klimaclub, der auf einem Mindest- oder Einheitspreis für CO2 basiert, ist politisch unrealistisch, technisch eine Herausforderung und von unge- wissen Nutzen. Die deutsche G7-Präsidentschaft sollte kein wertvolles po- litisches Kapital für derartig risikoreiche und bedingt zielführende Initiati- ven verschwenden. 3 Sektorbezogene Dekarbonisierungsallianzen, die sich darauf konzentrie- ren, die Transformation der Industrie voranzubringen, haben großes Po- tenzial und Aussicht auf politischen Erfolg. 4 Eine Allianz für grünen Wasserstoff, die auf einem gemeinsamen Markt mit einheitlichen Standards für grünen und nachhaltigen Wasserstoff ba- siert, kann Fragmentierungen verhindern und Marktversagen beheben, die den Markthochlauf von grünem Wasserstoff behindern. 5 Ein Klimaclub sollte mit einer größeren Unterstützung von Entwicklungs- ländern durch verstärkte technische und technologische Zusammenarbeit und durch zusätzliche Klimafinanzierung einhergehen. 6 Ecologic Institut www.ecologic.eu
Ein Klimaclub unter deutscher G7-Präsidentschaft? – Policy Brief insbesondere das Pariser Abkommen mit Einleitung seiner Bottom-up-Logik auf zwischenstaat- lichen Klimaschutzmaßnahmen, die das Die Bundesrepublik hat die Bildung eines multilaterale Klimaregime stärken und nicht „kooperativen und offenen“ Klimaclubs zu zwangsläufig dem formalen Rahmen unter- einer Priorität ihrer G7-Präsidentschaft er- geordnet sind.7 klärt.1 Dieser Vorstoß für ein Forum klima- politisch ambitionierter Staaten, die verein- Seit die Bundesregierung ihre Agenda für baren, den Klimaschutz mit unterschiedli- die diesjährige G7-Präsidentschaft ausge- chen Maßnahmen zu beschleunigen, da- arbeitet hat, hat sich die Welt grundlegend runter mit einer „gemeinsamen Erfassung verändert. Der russische Angriff auf die Uk- und Bepreisung von CO2-Emissionen“ folgt raine hat zu grundlegenden geopolitischen Vorschlägen vom Sommer 2021 des dama- Verschiebungen mit weitreichenden Folgen ligen Finanzministers Olaf Scholz.2 Der insbesondere auch für die Energie- und Vorschlag ist ferner Teil des Koalitionsver- Klimapolitik geführt. Die politischen Prioritä- trags, demzufolge die „Initiative zur Grün- ten und Agenden der G7 und anderer Län- dung eines für alle Staaten offenen interna- der haben sich legitimerweise geändert, um tionalen Klimaclubs mit einem einheitlichen auf die internationale Sicherheitsbedro- CO2-Mindestpreis und einem gemeinsa- hung und die humanitäre Krise in der Ukra- men CO2-Grenzausgleich“ zu den Themen ine zu reagieren. Ferner ist Energiesicher- mit höchster Priorität für internationale Kli- heit ein wichtiges Thema, und eine schnel- maschutzmaßnahmen gehört.3 lere Unabhängigkeit von der Einfuhr fossiler Brennstoffe ein zentrales Ziel der Energie- Klimaclubs wurden von Wissenschaftlern, politik. Schließlich ist die Aggression auch Think-Tanks und politischen Entschei- ein Angriff auf die regelbasierte internatio- dungsträgern wiederholt als Mechanismus nale Ordnung und die Strukturen der multi- zur Beschleunigung internationaler Klima- lateralen Zusammenarbeit. Die G7 kon- schutzanstrengungen ins Gespräch ge- zentriert sich mit gutem Grund auf die un- bracht.4 Es existieren unterschiedliche De- mittelbaren Folgen des Kriegs. Gleichzeitig finitionen und Konzepte für „Klimaclub“, je- müssen ihre Reaktionen auf das längerfris- doch kann ein Klimaclub generell als ein tige Ziel ausgerichtet sein, die G7-Volks- Forum bezeichnet werden, das eine be- wirtschaften auf Klimaneutralität umzustel- grenzte Anzahl gleichgesinnter Länder zu- len. sammenbringt, die an einigen wenigen (mit- einander verbundenen) Themen arbeiten. Es existieren zahlreiche Gründe dafür, dass Klimaclubs sind daher nicht so umfassend Europa seine Abhängigkeit von russischen und universell wie multilaterale Rahmen- fossilen Brennstoffen, insbesondere von werke, etwa die Klimarahmenkonvention Gas, verringern muss. Die Beschleunigung der Vereinten Nationen (UNFCC). Mitunter der Klimaschutzmaßnahmen, insbeson- werden Klimaclubs als Alternativen zu um- dere die rasche Nutzung erneuerbarer fassenden multilateralen Rahmenwerken Energiequellen, Energieeffizienz im Hei- bezeichnet.5 Allerdings sind sie vielmehr zungs- und Industriebereich und die Elekt- als wichtige Ergänzungen zu betrachten, rifizierung von Heizungsanlagen werden die die bestehenden multilateralen Klimare- die Abhängigkeit Europas von russischen gime verbessern, jedoch nicht ersetzen.6 Energieträgern verringern, die Energiesi- Tatsächlich basiert die UNFCCC und cherheit verbessern und zur Eindämmung des Klimawandels beitragen. Zu den 1 Deutsche G7-Präsidentschaft, 2022 5 Z. B. Nordhaus, 2020 2 BMF, 2021 6 Brandi und Jakob, 2022 3 SPD et al., 2021, S. 26 7 Hale, 2020 4 Z. B. Bierbrauer et al., 2021; Nordhaus, 2018, 2020; Tagliapietra & Wolff, 2021 2
Ein Klimaclub unter deutscher G7-Präsidentschaft? – Policy Brief Reaktionen auf die derzeitige Lage muss Klimaclub nach Nordhaus zeichnet sich daher eine Verdoppelung der Klimaschutz- durch drei Merkmale aus: Erstens existie- anstrengungen gehören. Sie wird mittel- bis ren formalisierte Regeln für die Mitglied- langfristig die Sicherheit Europas nicht nur schaft. Nordhaus' Vorschlag gemäß hän- im Energiebereich verbessern. Maßnah- gen diese stets mit einem „internationalen men hingegen, die mit dem Risiko eines Zielpreis für CO2“ zusammen. In allen Mit- weiteren Lock-ins in fossile Wertschöp- gliedstaaten müssen demzufolge vergleich- fungsketten verbunden sind, sollte Europa bare Mechanismen für die CO2-Bepreisung vermeiden. gelten, um einen vereinbarten Mindestpreis für CO2 durchzusetzen. Zweitens können In Anbetracht der vorgenannten Punkte Nicht-Mitglieder bestraft werden, im ur- wäre es kontraproduktiv, wenn die Bundes- sprünglichen Vorschlag mit einem gemein- republik ihre Bemühungen um einen samen Außenzoll für Nicht-Mitglieder. Drit- Klimaclub aufgeben würde, da diese dazu tens ergibt sich aus Zielpreis und Zoll ein beitragen können, internationale Klima- greifbarer Nutzen, ein so genanntes „Club- schutzmaßnahmen mit all ihren strategi- gut“ – in diesem Fall der Wegfall des Grenz- schen Vorteilen zu beschleunigen. zolls zwischen den Clubmitgliedern – und In diesem Policy Brief werden verschiedene damit ein Anreiz für die Mitgliedschaft. Optionen für einen Klimaclub oder ähnliche Einigen Definitionen zufolge ist das „Club- zwischenstaatliche Initiativen erörtert. Im Gut“, von dem Nicht-Mitglieder ausge- ersten Abschnitt werden einige zentrale schlossen werden können, das entschei- Merkmale von „Klimaclubs“ beschrieben, dende Merkmal eines Klimaclubs. Jedoch anhand derer zwischenstaatliche Initiativen existieren auch weiter gefasste Definitio- voneinander abgegrenzt werden können. nen. Hovi et al. zufolge etwa ist jede Ak- Im zweiten Abschnitt werden mögliche Ko- teursgruppe, die weniger Mitglieder als die operationsformen vorgeschlagen, die über UNFCCC hat und eine Zusammenarbeit im die Bepreisung von CO2 hinausgehen und Klimabereich anstrebt, ein „Club“.10 Es sei globale Klimaschutzmaßnahmen voran- darauf hingewiesen, dass diese weit ge- bringen können. Im letzten Teil wird unter- fasste Definition auf nahezu jede zwischen- sucht, wie ein Klimaclub „offen“ und „koope- staatliche Klimainitiative mit Ausnahme der rativ“ gestaltet werden kann, und allge- UNFCCC zutreffen würde. Initiativen als meine Empfehlungen angesichts der aktu- „Allianzen“ oder „Koalitionen“ zu bezeich- ellen politischen Lage vorgelegt. nen, mag in manchen Fällen konzeptionell Was ist ein Klimaclub? klarer und politisch angemessener sein, da diese nicht damit belastet sind, als „exklu- siv“ wahrgenommen zu werden.11 Diesem Das Klimaclubkonzept wird in der Wissen- Policy Brief jedoch liegt ein pragmatischer schaft meist mit dem US-Ökonomen Wil- Ansatz zugrunde, dem zufolge die Begriffe liam Nordhaus8 in Verbindung gebracht, „Club“, „Koalition“ oder „Allianz“ synonym geht jedoch mindestens bis in die 1990er verwendet wird, um jede zwischenstaatli- Jahre zurück.9 Das Ziel eines Klimaclubs che Initiative mit einem klar erkennbaren besteht darin, Lösungen für ein Problem zu Zweck und klar definierten Regeln für die finden, das nicht von einzelnen Ländern al- Mitgliedschaft zu bezeichnen. Dies mag lein gelöst werden kann, sondern kollekti- konzeptionell weit gefasst sein, scheint je- ves Handeln erfordert. Nordhaus schlug doch angesichts der breiten Definition von Clubs als Alternative zum UNFCCC-Pro- „Klimaclub“ durch die Bundesregierung zess und als einen Mechanismus vor, um sinnvoll. kollektive Klimamaßnahmen zu fördern. Ein 8 Nordhaus, 2015 10 Hovi et al., 2016 9 Aldy et al., 2003 11 Vangenechten und Lehne, 2022 3
Ein Klimaclub unter deutscher G7-Präsidentschaft? – Policy Brief Zwischenstaatliche Initiativen lassen sich meisten Initiativen bieten eine Mi- anhand der beiden folgenden grundlegen- schung aus beiden Gütern. den Merkmale voneinander abgrenzen: Von der Mischung aus Vorteilen und Mit- 1 Das erste Merkmal ist der Umfang for- gliedschaftsanforderungen hängt der An- malisierter, verbindlicher Regeln für reiz für Länder ab, sich einer Initiative anzu- die Mitgliedschaft: Welche Kriterien schließen. Umfangreiche Vorteile durch müssen potenzielle Mitglieder für ei- Clubgüter können mit hohen Kosten einher- nen Beitritt erfüllen? Diese können von gehen, die sich aus den Mitgliedschaftsan- ausdrücklichen, rechtlich verbindlichen forderungen ergeben. Für einige Länder ist Anforderungen, z. B. einem Mindest- es leichter, die Anforderungen der Mitglied- preis für CO2, bis hin zu freiwilligen schaft zu erfüllen als für andere (z. B. Län- Verpflichtungen z. B. in Form von Fest- der, die bereits einen CO2-Preis eingeführt legungen auf bestimmte Ziele reichen. haben). Ein preisbasierter Klimaclub bietet Allgemein lässt sich sagen: Je formali- zwar greifbare Vorteile, jedoch können die sierter und verbindlicher die Regeln Mitgliedschaftsanforderungen mit einem sind, desto schwieriger wird es, politi- Verlust an Souveränität einhergehen oder sche Einigungen zu erzielen, desto die Investition von beträchtlichem politi- größer ist die Notwendigkeit einer In- schem Kapital im Inland oder nationale Re- tegration in die nationale Gesetzge- formen usw. erfordern. Je formalisierter und bung und desto höher sind die Barrie- verbindlicher die Regeln sind, desto ren für einen Beitritt.12 Für einen schwieriger werden zudem Einigungen zwi- Klimaclub beispielsweise, der auf ei- schen Akteuren mit heterogenen Interes- nem Mindestpreis für CO2 basiert, sen. Steigende Kosten verringern die po- wäre höchstwahrscheinlich ein Vertrag tenzielle Mitgliedschaft im Club oder kön- zwischen den Mitgliedern und Verfah- nen von vornherein eine Gründung verhin- ren für den Fall der Nichteinhaltung dern. Initiativen, die weniger strenge und notwendig. Andere Initiativen stellen formale Anforderungen an eine Mitglied- weniger anspruchsvolle Anforderun- schaft stellen, bieten möglicherweise weni- gen und entsprechend niedriger sind ger greifbare Vorteile, jedoch sind auch die die Barrieren für einen Beitritt. Beitrittsbarrieren niedriger. 2 Das zweite Merkmal ist das Ausmaß, Es existieren bereits zwischenstaatliche Ini- in dem der Club den Mitgliedern greif- tiativen mit vielen verschiedenen Formen baren Nutzen bietet und damit einen und Ausprägungen.14 So wurde beispiels- Anreiz für den Beitritt. Vorteile, von de- weise im vergangenen Jahr auf der COP26 nen Nicht-Mitglieder ausgeschlossen in Glasgow mit der Initiative zur Verringe- werden können, werden als „Clubgü- rung des Methanausstoßes15 eine norma- ter“ bezeichnet. Beispiele für solche tive Allianz ins Leben gerufen, deren Mit- Clubgüter sind etwa der bevorzugte glieder freiwillige Maßnahmen ergreifen, Marktzugang für Clubmitglieder oder um die Methanemissionen bis 2030 welt- die Nicht-Verhängung von Sanktionen. weit um mindestens 30 % zu reduzieren. Im Gegensatz dazu werden Vorteile, Ein weiteres Beispiel ist die Carbon Neutra- von denen Nicht-Mitglieder nicht aus- lity Coalition. Ihre Mitglieder verpflichten geschlossen werden können, als „öf- sich, klimaneutrale Entwicklungsstrategien fentliche Güter“ bezeichnet.13 Die zu entwickeln.16 Ein weiteres Beispiel sind 12 Falkner et al., 2021 Strom, neuen Arbeitsplätzen in sauberen Indust- 13 Darüber hinaus ist die Erfüllung der internatio- rien etc. nalen Verpflichtungen mit zahlreichen lokalen 14 Für eine Typologie, siehe Falkner et al., 2021 Vorteilen verbunden. Ein Kohleausstieg etwa 15 https://www.globalmethanepledge.org/ führt zu sauberer Luft, potenziell günstigerem 16 https://carbon-neutrality.global/ 4
Ein Klimaclub unter deutscher G7-Präsidentschaft? – Policy Brief etwa Verhandlungskoalition von Ländern, einem von den Mitgliedern festgelegten die sich auf gemeinsame Verhandlungspo- Mindestpreis für CO2 und auf Grenzzöllen, sitionen im Rahmen des UNFCCC-Prozes- die von Nicht-Mitgliedern erhoben wer- ses einigen. den.17 Ein solcher Klimaclub könnte ein wichtiger Schritt hin zu einem einheitlichen Damit Allianzen oder Clubs Erfolg haben CO2-Preis für alle großen Emittenten und sollten sie sich auf eine kleine Anzahl von schließlich zu einem gemeinsamen Kohlen- (miteinander verbundenen) Themen be- stoffmarkt sein. Dieser wird bereits seit lan- schränken. Dadurch können sich die Ver- gem als ideale Lösung für einen effizienten handlungen auf bestimmte Bereiche kon- und effektiven Klimaschutz von Ökonomen zentrieren, in denen es möglich ist, dass befürwortet. Akteure mit heterogenen Interessen eine gemeinsame Grundlage finden. Außerdem In einem preisbasierten Klimaclub gelten wird ein Beitritt zu einem Club oder zur Alli- formalisierte, verbindliche Regeln und eine anz für potenzielle Mitglieder leichter, da Art Vertrag zwischen seinen Mitgliedern, die Anforderungen für eine Mitgliedschaft darunter auch Sanktionen bei Nichteinhal- weniger Themen umfassen. Im deutschen tung. Ein solcher Klimaclub hat einen ex- Vorschlag spielt die CO2-Bepreisung eine klusiven Charakter und die Sanktionie- zentrale Rolle, jedoch werden auch zahlrei- rung von Nicht-Mitgliedern ist eine seiner che weitere Themen aufgeführt, die der Hauptfunktionen. Nordhaus schlug dieses Klimaclub angehen soll, darunter grüner Konzept ausdrücklich als Alternative zur Wasserstoff, öffentliche Beschaffung und UNFCCC und als Lösung gegen Trittbrett- Standards. Damit setzt die Bundesregie- fahrerei vor. Es ist jedoch unklar, ob ein rung eine Einigung auf sehr unterschiedli- Klimaclub in diesem engen Sinne zu che Themen voraus, was die Erfolgsaus- mehr Klimaschutzmaßnahmen führt und sichten für die Bildung eines Klimaclubs das internationale Klimaregime stärken verringert. Die deutsche G7-Präsident- kann. Dagegen sprechen mehrere Gründe: schaft sollte daher Prioritäten festlegen Erstens könnte ein Klimaclub, der auf der und anstreben, Allianzen zu jedem die- Bepreisung von CO2 basiert, im Hinblick auf ser vorrangigen Bereiche relativ unab- seine Größe und folglich auch auf seine hängig voneinander voranzubringen. Wirkung begrenzt bleiben. Für eine Mit- Im folgenden Abschnitt gehen wir auf ver- gliedschaft müsste ein Land bereits einen schiedene Allianzen oder Clubs ein und nationalen CO2-Preis eingeführt haben. vergleichen sie mit dem klassischen Von den G7-Staaten haben die EU-Mit- Klimaclub-Konzept gemäß dem Vorschlag gliedstaaten und das Vereinigte Königreich von Nordhaus. Ihre Vor- und Nachteile wer- nationale CO2-Preise. Kanada und die USA den vor dem Hintergrund des aktuellen po- haben teilweise CO2-Preissysteme, Japan litischen Kontextes abgewogen und einige nur auf der Ebene von zwei Gemeinden. Mit Vorschläge für mögliche Initiativen auf dem Blick über die G7 hinaus die Zahl der Län- diesjährigen G7-Gipfel formuliert. der mit CO2-Preissystemen auch begrenzt (China, Südkorea, Mexiko, Chile, Neusee- Club-Optionen land).18 Einige Länder – vor allem die USA und Australien – tun sich schwer, eine poli- Ein Klimaclub auf Grundlage eines tische Einigung über die CO2-Bepreisung gemeinsamen (Mindest-) CO2-Preises auf nationaler Ebene zu erzielen. Ein Ein Klimaclub gemäß der ursprünglichen Klimaclub auf Grundlage eines gemeinsa- Definition von William Nordhaus basiert auf men CO2-Preises könnte einige Bedenken 17 Nordhaus, 2015 die Verlagerung von CO2-Emissionen („Carbon 18 Was die Lage noch komplizierter macht: Wenn Leakage“) bieten soll, dann ist es wichtig, auf ein Klimaclub einen wirksamen Schutz gegen welche Wirtschaftssektoren der CO2-Preis 5
Ein Klimaclub unter deutscher G7-Präsidentschaft? – Policy Brief zerstreuen, z. B. hinsichtlich des Verlusts das CO2-Preissystem der jeweiligen Club- an Wettbewerbsfähigkeit. Ein großes Hin- mitglieder ausgerichtet werden, um WTO- dernis für die Einführung oder Reform von Konform zu sein. Dadurch würde die Eini- CO2-Preisen bleiben jedoch nationale Ver- gung auf ein gemeinsames System, dem teilungskonflikte, die ein Klimaclub wahr- alle Clubmitglieder zustimmen, technisch- scheinlich nicht überwinden kann.19 organisatorisch und politisch sehr er- schwert. Letztendlich wären unilaterale Zweitens: Selbst wenn Länder CO2-Preis Grenzausgleichmaßnahmen deutlich einfa- einführen, stellt die Einigung auf vergleich- cher. bare Standards, einschließlich eines ge- meinsamen Mindestpreises, eine weitere Von anderen Seiten werden Klimaclubs Herausforderung dar. Innerhalb der G7 und nicht in erster Linie als Instrument für mehr über sie hinaus existieren große Unter- Klimaschutz, sondern als Alternative zum schiede bei der CO2-Preisgestaltung (siehe CO2-Grenzausgleichsmechanismus Tabelle 1 im Anhang für einen Überblick). (CBAM) der EU vorgeschlagen.20 Wie in Ob die CO2-Preise in zwei Ländern im Hin- Kasten 1 dargestellt, ist ein Klimaclub je- blick auf die Emissionsbegrenzung ver- doch kein glaubwürdiger Ersatz für den gleichbar sind, hängt außer von der Höhe CBAM der EU. des Preises von weiteren Faktoren ab. Dazu gehören der Anwendungsbereich des Systems (welche Industrien und Emittenten werden erfasst?), im Falle eines Emissions- handelssystems die Regeln für kostenlose Zuteilung (oder andere Ausnahmen und Unterstützungsmaßnahmen), Transparenz und Compliance-Anforderungen usw. Eini- gungen bei diesen Themen zu finden, erfor- dert Zeit und einen starken politischen Wil- len. Außerdem könnte ein solcher Konsens auch mit innerstaatlichen Reformen der CO2-Bepreisungssysteme verbunden sein, die in der Regel auf sensiblen politischen Kompromissen basieren und daher ein sehr vorsichtiges Herangehen für Änderungen erfordern. Drittens verstößt ein pauschaler von Nicht- Mitgliedern zu zahlender Zollsatz wahr- scheinlich gegen die WTO-Grundsätze. Wenn Nicht-Mitglieder Vergeltungsmaß- nahmen ergreifen, gäbe es kein gemeinsa- mes Clubgut mehr, und der Ansatz würde scheitern. Folglich müsste die WTO dem Club zustimmen und jegliche Vergeltungs- maßnahmen untersagen – ein derzeit unre- alistisches Szenario. Die Alternative, ein gezielterer Grenzausgleich, müsste eng auf angewandt wird, und insbesondere, ob er ener- 19 Aklin und Mildenberger, 2020 gieintensive und handelsorientierte Sektoren er- 20 Z. B. Bierbrauer et al., 2021, Okonjo-Iweala, fasst. Wenn dieses Kriterium zugrunde gelegt 2021 wird, dann sinkt die Anzahl der Länder noch weiter. 6
Ein Klimaclub unter deutscher G7-Präsidentschaft? – Policy Brief Kasten 1: Klimaclubs und der EU-CBAM Zuweilen werden Klimaclubs und Kohlenstoffgrenzausgleich in einem Atemzug genannt – in welchem Verhältnis stehen sie zueinander? Und was bedeutet der Vorstoß der deutschen G7-Präsidentschaft für einen Klimaclub für das vorgeschlagene CO2-Grenzausgleichsystem der EU? Wie oben dargestellt, gehört zu einem Klimaclub im ursprünglichen Sinne gemäß Nordhaus ein Sanktionsme- chanismus gegen Nicht-Mitglieder. Ein CO2-Grenzausgleich (CBA) könnte die Funktion eines solchen Mecha- nismus erfüllen, indem die Clubmitglieder übereinkommen, sich gegenseitig von der Anwendung eines CBA auszunehmen und einen CBA auf den Handel mit Nicht-Mitgliedern anzuwenden. Nordhaus schlug einen mo- deraten Pauschalzoll vor. Zielgerichtetere Grenzausgleichsmaßnahmen ließen sich zwar realisieren, sind je- doch aufwendig, da sie auf das jeweilige CO2-Preissystem eines Mitgliedstaats zugeschnitten sein müssten. In jedem Fall ist ein Grenzausgleich ein integraler Bestandteil von Klimaclubs, die auf der Bepreisung von CO2 basieren, da durch sie das Clubgut entsteht. Kritikern zufolge entsteht aus unilateralen Grenzausgleichsmechanismen ein Risiko für das globale, regelba- sierte Handelssystem (z. B. Bierbrauer et al., 2021, Okonjo-Iweala, 2021, Parry et al., 2021), da Handelspartner möglicherweise Vergeltungsmaßnahmen gegen die Einführung dieser Maßnahmen ergreifen und Beschwerde bei der WTO einreichen könnten. Klimaclubs hingegen, in denen sich die teilnehmenden Länder auf Mindest- preise für Kohlendioxid verständigen und Grenzausgleichsmechanismen in koordinierter Weise einführen, bür- gen dieses Risiko angeblich nicht, und werden daher von Kritikern unilateraler Grenzausgleichsmechanismen befürwortet. Es gibt Hinweise darauf, dass es zum Teil diese Überlegungen sind, die die Bundesregierung zu ihrem Vorschlag für einen Klimaclub veranlassen. Könnte ein Klimaclub also eine Alternative zum von der EU- Kommission vorgeschlagenen CO2-Grenzausgleichsystem sein? Langfristig wäre das evtl. möglich, kurzfristig eher nicht. Wie oben erläutert, existieren hohe politische Hinder- nisse, die einem ambitionierten Klimaclub entgegenstehen. Derzeit erheben nur die EU, das Vereinigte König- reich, Südkorea, Neuseeland, einige US-Bundesstaaten und einige kanadische Provinzen einen CO2-Preis für Industrieemissionen. Es wird Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern, bis ausreichend viele Länder, die zu den großen Emittenten gehören, bereit sind, einen nationalen CO2-Preis für die Industrie einzuführen und die Ein- haltung der Vorschriften durchzusetzen. Selbst wenn das erreicht ist, werden die CO2-Preise, so wie in der Vergangenheit auch, wahrscheinlich sehr unterschiedlich hoch sein – und das ist mit Herausforderungen ver- bunden (Sartor et al., 2022). Daher wäre ein Klimaclub mit einem einheitlichen (Mindest-) CO2-Preis kurz- und mittelfristig keine mögliche Alternative zum vorgeschlagenen CBAM, sondern eher ein langfristiges Ziel. Kann ein Klimaclub den CO2-Grenzausgleichsmechanismus der EU ergänzen? Dies hängt davon ab, wie „Klimaclub" verstanden wird. Ein Forum, das informell bei der Bepreisung von CO2 und der Anpassung von Grenzwerten zusammenarbeitet, kann sicherlich eine Ergänzung des EU-CBAM darstellen. Auch Allianzen für industrielle Dekarbonisierung können den CBAM ergänzen. Möglicherweise erfordern sie allerdings eine stär- kere Koordinierung, um unterschiedliche Grenzmaßnahmen aufeinander abzustimmen. Für einen Klimaclub im engeren Sinne jedoch – also einen auf einheitlichen Mindestpreisen für CO2 basierenden Klimaclub – müsste der EU-CBAM wahrscheinlich geändert und an die spezifischen Anforderungen des Klimaclubs angepasst wer- den, damit durch den Club für alle Mitglieder ein Clubgut entsteht. Aus der Verknüpfung der Bemühungen der deutschen G7-Präsidentschaft, einen Klimaclub zu gründen, und der Bemühungen der EU, einen CBAM zu schaffen, ergibt sich jedoch ein Risiko: Wenn an die Partner in der G7 Zugeständnisse in Bezug auf den CBAM gemacht werden, um Kompromisse für den Klimaclub zu finden, dann besteht das Risiko, dass die Bemühungen der Kommission politisiert werden. Wird der Mechanismus beispielsweise nicht auf die USA angewandt oder werden nicht-preisliche Maßnahmen einiger, jedoch nicht aller Länder berücksichtigt, dann würden Importe aus anderen Gründen als ihrer Kohlenstoffintensität diskriminiert – dies würde wahrscheinlich einen Verstoß gegen die WTO-Grundsätze darstellen. Daher sollte die G7-Präsi- dentschaft ihr Bemühen, einen Klimaclub zu gründen, nicht mit dem CBAM-Vorschlag der EU verknüp- fen. 7
Ein Klimaclub unter deutscher G7-Präsidentschaft? – Policy Brief Informelle Zusammenarbeit bei CO2- grenzüberschreitenden Verschiebens von Preisen und Grenzausgleich Gewinnen) gestaltet ist, der im vergange- Es gibt großen Spielraum für verstärkte Zu- nen Jahr zum Zustandekommen eines glo- sammenarbeit bei den Themen CO2-Be- balen Steuerabkommens beigetragen preisung und Energiebesteuerung zwi- hat.25 schen den G7- und G20-Staaten, auch Darüber hinaus verdienen zwei wichtige ohne einen formellen Klimaclub mit einem Aspekte die besondere Aufmerksamkeit inländischen CO2-Preis als Vorbedingung der G7: Erstens haben unilaterale Kohlen- für eine Mitgliedschaft. Letztes Jahr unter- stoffgrenzausgleichsmaßnahmen (CBA) zu strichen die Staats- und Regierungschefs diplomatischen Spannungen geführt und der G7 in der Erklärung von Carbis Bay die tun dies weiterhin. Das Risiko, dass als Re- Bedeutung, die eine faire und effiziente aktion auf den von der EU vorgeschlagenen CO2-Preisentwicklung für eine beschleu- CBAM Vergeltungsmaßnahmen ergriffen nigte Dekarbonisierung ihrer Volkswirt- oder WTO-Beschwerden eingereicht wer- schaften hat. den, ist sehr real. Dies würde auch für Ein globaler CO2-Preis ist derzeit unwahr- Klimaclubs gelten. Gleichzeitig besteht die scheinlich, jedoch steigt in zahlreichen Län- Gefahr einer Fragmentierung, da verschie- dern das Interesse an einer nationalen dene Länder eigene Grenzausgleichsme- CO2-Bepreisung. Die freiwillige Zusam- chanismen entwickeln.26 Die Biden-Admi- menarbeit bei der CO2-Bepreisung wird seit nistration hat beispielsweise die Einführung langem durch Initiativen wie die Internatio- von Grenzausgleichsmechanismen in Er- nal Carbon Action Partnership (ICAP),21 die wägung gezogen, und ein Gesetzesentwurf Partnership for Market Implementation zur Einführung von Grenzzöllen wurde in (PMI)22 der Weltbank und die Carbon Pri- den Kongress eingebracht. Auch Kanada cing Leadership Coalition (CPLC) unter- erwägt die Einführung eines Grenzaus- stützt.23 Es bleibt jedoch Raum für mehr Zu- gleichs. Um Handelsspannungen einzu- sammenarbeit, Kohärenz und Ehrgeiz. dämmen, müssen die G7-Staaten Koopera- tionsmöglichkeiten bei Grenzausgleichs- Zu den möglichen Bereichen für Koordinie- maßnahmen finden. Dazu gehören Ge- rung gehören die kontinuierliche Überwa- spräche über die Aufgaben von Grenz- chung der CO2-Bepreisung, der Energiebe- ausgleichsmechanismen, ihre Vor- und steuerung und der Subventionen für fossile Nachteile, Grundsätze für die Gestaltung Brennstoffe, gemeinsame Standards für zulässiger Grenzausgleichsmechanis- Messgrößen und Indikatoren für die Mes- men und die Verpflichtung zur Nicht-Er- sung des CO2-Fußabdrucks, der Dialog greifung von Vergeltungsmaßnahmen. über die erforderliche Höhe der CO2-Be- preisung und die Verteilungseffekte der Zweitens – und dieser Punkt hängt mit der CO2-Bepreisung sowie die Risiken, die notwendigen Zusammenarbeit bei Grenz- durch fortbestehende Unterschiede bei der ausgleichsmechanismen zusammen – soll- Höhe der CO2-Preise entstehen.24 Diese ten die G7 thematisieren, wie verschieden Zusammenarbeit könnte als eine OECD- hohe Klimaambitionen vergleichbar ge- Initiative formalisiert werden, die gemäß macht werden können. Alle Klimaschutz- dem inklusiven OECD-Rahmen für Base maßnahmen verursachen Kosten, die mit Erosion and Profit Shifting (Bekämpfung der Einhaltung von Vorschriften verbunden der planvollen Verminderung steuerlicher sind, ob durch explizite CO2-Preise oder Bemessungsgrundlagen und des andere Instrumente. Der Vergleich 21 https://icapcarbonaction.com/en/part- 24 IMF & OECD, 2021 nership/about 25 https://www.oecd.org/tax/beps/?mod=article_in- 22 https://pmiclimate.org/ line 23 https://www.carbonpricingleadership.org/ 26 Parry et al., 2021 8
Ein Klimaclub unter deutscher G7-Präsidentschaft? – Policy Brief verschieden hoher Ambitionen über einen Produktanforderungen und „CO2-Schattenpreis“ bleibt methodisch sehr Kennzeichnung schwierig. Für die künftige Zusammenar- Die G7-Staaten könnten im Rahmen von beit ist es jedoch wichtig, mehr Klarheit und Allianzen für die industrielle Dekarbonisie- Transparenz in Bezug auf die Ambitionen rung an der Festlegung gemeinsamer der Länder zu schaffen, und zwar nicht nur Standards in der Industrie arbeiten. Eine für die Koordinierung von Grenzmaßnah- Alternative zu einem preisbasierten men. Klimaclub wäre die Festlegung gemeinsa- Gespräche über CO2-Preise und Grenz- mer Grenzwerte – so genannter „Product ausgleich unter den G7-Staaten würden Carbon Requirements“ (PCR) – für die nicht auf „Allianzen“ oder „Koalitionen“ hin- Lebenszyklusemissionen von wichtigen In- auslaufen, ganz zu schweigen von „Clubs“. dustrieerzeugnissen wie Stahl und Ze- Anstatt die Bildung eines formalisierten ment.27 Product Carbon Requirements ein- Klimaclubs anzustreben, der auf einem ge- zuführen ist eigentlich eine innenpolitische meinsamen (Mindest-)CO2-Preis basiert, Entscheidung. Um jedoch mögliche Span- sollten sich die Bemühungen auf freiwillige nungen mit Handelspartnern einzudämmen Zusagen der Regierungen konzentrieren, und eine Fragmentierung durch unter- Mindestpreise für CO2 zu erreichen. Dies schiedliche Methoden und Kennzeich- wäre sehr viel einfacher zu realisieren und nungssysteme zu vermeiden, ist Zusam- könnte über einen offenen Prozess erfol- menarbeit erforderlich.28 Die Zusammenar- gen, um eine gemeinsame Grundlage zu beit bei den PCRs bringt große Vorteile mit finden, das Verständnis zu erhöhen und sich, da sie die Weichen für gemeinsame Dynamik und Gruppendruck zu erzeugen. Leitmärkte der G7-Länder stellen kann.29 Dazu könnten auch „Peer-Reviews“ gehö- In diesem Bereich ist keine tiefgreifende In- ren, wie sie bereits beim Thema Subventio- tegration der Rechtsvorschriften erforder- nen für fossile Brennstoffe im Rahmen der lich. Die Länder müssen sich für die An- G20 stattfinden. Solche Gespräche können gabe der Lebenszyklusemissionen von In- darüber hinaus zu einem gemeinsamen dustrieprodukten lediglich auf gemeinsame Verständnis und zu Annäherungen in Be- Methoden und Kennzeichnungssysteme ei- zug auf die Höhe der CO2-Preise, den An- nigen. Zu einem späteren Zeitpunkt können wendungsbereich, die Durchsetzung der sie entweder unilateral oder abgestimmt entsprechenden Vorschriften und die zuläs- Grenzwerte für den CO2-Fußabdruck von sigen Grenzausgleichsmaßnahmen führen. Produkten festlegen. Für die Berechnung und Deklaration des CO2-Fußabdruck von Allianzen für die industrielle Produkten existieren bereits ISO-Normen, Dekarbonisierung eine wichtige technische (und politische) Es gibt viele Möglichkeiten für die G7-Län- Hürde ist also bereits genommen. Durch der, bei der industriellen Dekarbonisierung gemeinsame Produktanforderungen ent- zusammenzuarbeiten, und die deutsche steht auch kein exklusiver Club, da Drittlän- Präsidentschaft sollte diese Möglichkeiten der weiterhin in Länder der Allianz exportie- nutzen. Das Eckpunktepapier des deut- ren können, sofern sie den Standards ent- schen Klimaclubs führt bereits viele dieser sprechen. Darüber hinaus steht es allen Optionen auf. Das öffentliche Beschaf- Ländern frei, die gleichen Kennzeichnungs- fungswesen, gemeinsame Leitmärkte oder systeme (und Grenzwerte) einzuführen. Standards für grünen Wasserstoff können Ähnliche Standards existieren bereits für dabei Schwerpunkte von Sektorallianzen Betriebs- und Energieeffizienzanforderun- sein. gen gemäß Ökodesign-Rahmenrichtlinie 27 Siehe Gerres et al., 2021 29 CISL und Agora Energiewende, 2021 28 Kamin et al., 2021 9
Ein Klimaclub unter deutscher G7-Präsidentschaft? – Policy Brief der EU, zum Beispiel für Glühbirnen. Diese wahrscheinlich gegen die WTO-Grunds- Standards auch auf Produktionsprozesse ätze der Nichtdiskriminierung. Dies mag ge- anzuwenden, wäre eine logische Erweite- mäß den Ausnahmeregelungen von Artikel rung des derzeitigen Rechtsrahmens. XX oder XXI des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT) zulässig Zudem wären exklusivere sektorale Verein- sein,32 jedoch bleibt das Risiko eines Ver- barungen für die industrielle Dekarbonisie- stoßes gegen den Meistbegünstigungs- rung, wie sie die Einigung über den Handel grundsatz bestehen. Statt auf einer Grenz- mit Stahl und Aluminium zwischen der EU zollregelung könnte die Vereinbarung also und den USA vorsieht, möglich.30 Die Eini- auf gemeinsamen Product Carbon Require- gung, die in den kommenden zwei Jahren ments für Stahl- und Aluminiumerzeugnisse detailliert und formell ausgehandelt werden beruhen. Diese würden eine ähnliche Funk- soll, sieht externe Hindernisse für den Zu- tion für die Beschränkung des Zugangs gang kohlenstoffintensiver Stahl- und Alu- kohlenstoffintensiver Produkte zu den miniumerzeugnisse zu den Märkten der Märkten der EU und der USA erfüllen, wä- USA und der EU sowie eine nach innen ge- ren jedoch deutlich transparenter und wür- richtete Strategie für den Aufbau grüner In- den auf Umweltkriterien beruhen. Ergän- dustrien vor. Ein weiterer Punkt ist der Ab- zende politische Maßnahmen, die Techno- bau von Überkapazitäten in der Stahlpro- logien fördern und Nachfrage erzeugen, duktion. Im Rahmen der Einigung haben können unabhängig von bestehenden Zöl- die USA die von Trump eingeführten Zölle len oder PCRs entwickelt werden. auf Stahl und Aluminium aus der EU umge- hend aufgehoben, im Gegenzug hat die EU Öffentliches Beschaffungswesen und die Vergeltungszölle auf US-Waren wie grüne Industriepolitik Bourbon-Whiskey oder Motorräder abge- Alternativ oder zusätzlich könnten die G7- schafft, und beide Parteien haben ihre Länder in den Bereichen umweltfreundli- WTO-Streitigkeiten beigelegt. Mit der Ab- ches öffentliches (‚grünes‘) Beschaffungs- sicht, „den Marktzugang für Nicht-Teilneh- wesen und gemeinsame Leitmärkte zusam- mer zu beschränken, die die Standards für menarbeiten. Bei Koalitionen für grünes Be- eine geringe Kohlenstoffintensität nicht er- schaffungswesen handelt es sich um frei- füllen“, entspricht diese Vereinbarung ei- willige Initiativen mit gemeinsamen Zielen nem exklusiven „Club“ sehr viel mehr als und Grundsätzen. Das öffentliche Beschaf- andere Vereinbarungen. fungswesen ist zentral für die Nachfrage Derartige Vereinbarungen bieten ein gro- nach emissionsarmen Industrieprodukten ßes Potenzial, sind jedoch auch mit einigen und damit für die Verbreitung von klima- Fallstricken verbunden: Erstens betten die freundlichen Technologien.33 USA das Abkommen in einen eindeutig ge- Mehrere multilaterale Initiativen streben be- opolitischen Kontext ein, um zu verhindern, reits ein umweltfreundliches öffentliches dass chinesischer Stahl und Aluminium auf Beschaffungswesen und die Dekarbonisie- den US-Markt gelangen.31 Der Vereinba- rung der Industrie an. Auf ihnen kann die rung sollen sich zwar andere Länder an- deutsche G7-Präsidentschaft aufbauen. Zu schließen können, die die Bedingungen er- nennen sind hier etwa die Leadership füllen, jedoch besteht die Gefahr, dass sie Group for Industry Transition (LeadIT), die zu einer weiteren Eskalation der Handels- von Schweden und Indien ins Leben geru- streitigkeiten mit China führt. fen wurde und Regierungen und private Ak- Zweitens verstößt die Anwendung von Zöl- teure für fachlichen Austausch und zur För- len auf „schmutzigen“ Stahl, von denen be- derung der öffentlich-privaten stimmte Partnerländer befreit werden, 30 US-Handelsministerium, 2021 32 Meyer und Tucker, 2022 31 Weißes Haus, 2021 33 Martini et al., 2022 10
Ein Klimaclub unter deutscher G7-Präsidentschaft? – Policy Brief Zusammenarbeit zusammenbringt,34 und Unterstützung grüner Industrien wird mitun- die Industrial Deep Decarbonisation Initia- ter als „grüner Protektionismus“ wahrge- tive (IDDI) der „Clean Energy Ministerial“, nommen. Die EU verhandelt derzeit über eine Koalition, die sich insbesondere auf das CO2-Grenzausgleichssystem, wäh- die Förderung der Nachfrage nach klima- rend die USA eine „kohlenstoffbasierte freundlichen Produkten konzentriert. Sie Handelspolitik zur Belohnung amerikani- entwickelt gemeinsame Standards für Um- scher Hersteller“ in Erwägung ziehen.36 weltberichterstattung und formuliert be- Eine beschleunigte industrielle Dekarboni- währte Praktiken für umweltfreundliches öf- sierung erfordert enge Zusammenarbeit fentliches Beschaffungswesen, auch in Zu- zwischen den wichtigsten Handelspartnern, sammenarbeit mit LeadIt und Mission Inno- um Konflikten vorzubeugen und Spannun- vation. Auf der COP26 in Glasgow gaben gen abzubauen. Dies könnte über Initiati- IDDI-Mitglieder die globale Verpflichtung ven wie der IDDI geschehen, die die Fest- zur Beschaffung von umweltfreundlichem legung von Leitlinien und bewährten Prakti- Stahl und Zement bekannt (Green Public ken für das öffentliche Beschaffungswesen Procurement Pledge).35 Bis Mitte 2022 sol- zwischen den Regierungen anstreben. len umweltfreundliche Beschaffungsgrund- Ein weiterer Bereich, der Aufmerksamkeit sätze und öffentliche Beschaffungsziele für erfordert, sind „grüne“ Subventionen. Wel- 2030 verabschiedet werden. che Formen, welcher Umfang ist bzw. sind Die deutsche G7-Präsidentschaft sollte zulässig? Wie können unfaire Wettbe- auf den vielversprechenden existieren- werbsbedingungen vermieden werden? Ei- den Initiativen aufbauen und ihre G7- nigungen der G7 zu diesen Themen sind Partner ermutigen, sich ihnen anzu- wichtig, um das WTO-Recht im Rahmen schließen. Der IDDI Green Public Procure- der strukturierten Gespräche über Handel ment Pledge beispielsweise strebt eine Be- und ökologische Nachhaltigkeit (TESSD) in teiligung von mindestens zehn Ländern bis Richtung Umweltfreundlichkeit weiterzuent- 2023 an. Deutschland, Kanada und das wickeln. Ebenso ist die Vermeidung grö- Vereinigte Königreich haben sich bereits ßerer Handelsstreitigkeiten zwischen angeschlossen. Angesichts der jüngsten den G7-Ländern über handelsbezogene Ankündigung der USA, eine „Buy Clean Klimamaßnahmen wichtig, damit die Task Force“ (Arbeitsgruppe für umwelt- Klimaagenda im Allgemeinen nicht be- freundliche Beschaffung) einzurichten und hindert wird. Japans Bestrebungen, das öffentliche Be- Eine Allianz für industrielle Dekarbonisie- schaffungswesen mit Klimaneutralität und rung kann auch verstärkten Technologie- bestehenden umweltfreundlichen Beschaf- transfer oder technische Zusammenar- fungsprogrammen in Einklang zu bringen, beit beinhalten. Unter den G7-Staaten ist könnte dies der richtige Zeitpunkt sein. diese Möglichkeit angesichts des vergleich- Neben der Förderung der Nachfrage nach baren technologischen Stands möglicher- klimafreundlichen Produkten sollten die weise nicht so bedeutsam, kann jedoch für G7-Initiativen sich auch dafür einsetzen, Länder mit mittlerem Einkommen ein Anreiz die Spannungen zwischen den Handels- sein, der Allianz beizutreten – der Zugang partnern in Bezug auf eine umwelt- zu einer verstärkten technischen Zusam- freundliche Industriepolitik abzubauen. menarbeit kann in diesem Fall ein Clubgut Die Industriepolitik ist häufig Ursache für sein, das an Standards für ein grünes Handelsstreitigkeiten, und die staatliche 34 Von den G7-Staaten sind Deutschland, Frank- drives-global-green-procurement-global-pledge- reich, das Vereinigte Königreich und die USA procure-green Mitglieder. 36 Weißes Haus, 2022 35 https://www.cleanenergyministerial.org/in- dex.php/news-clean-energy-ministerial/iddi- 11
Ein Klimaclub unter deutscher G7-Präsidentschaft? – Policy Brief Beschaffungswesen, PCRs oder ähnliches In dieser Situation bietet ein multilaterales, gebunden ist. koordiniertes Vorgehen klare Vorteile. Der Markt für grünen Wasserstoff und seine De- Eine grüne Wasserstoff-Allianz rivate entwickelt sich rasch. Derzeit basiert Im Bereich grüner Wasserstoff bietet sich er auf bilateralen Vereinbarungen und Ab- internationale Koordinierung und Zusam- sichtserklärungen und birgt damit zahlrei- menarbeit über eine künftige Allianz oder che Risiken: Die unübersichtliche Anzahl einen Club an. Grüner Wasserstoff und an Standards könnten zu einer Fragmentie- seine Derivate sind unbestritten bedeutsam rung des Weltmarkts führen. Zudem kön- für den Übergang zur Klimaneutralität, ins- nen die resultierende Unsicherheit für die besondere für die Transformation der In- Anbieter, welche Mengen sie an wen zu dustrie (z. B. der Stahlerzeugung), aber welchem Preis verkaufen können, und Un- auch für bestimmte Teile des Flug- und sicherheit für die Verbraucher, ob ihre Schiffverkehrs (Fernverkehr), in Bereichen Nachfrage gedeckt werden kann, notwen- also, in denen eine direkte Elektrifizierung dige Investitionen hemmen. keine praktikable Alternative darstellt. Ein Club oder eine Allianz könnte im Hin- Auf grünem Wasserstoff basierende Lösun- blick auf diese Risiken auf verschiedene gen konkurrieren in der Regel mit etablier- Weisen helfen: ten Technologien auf fossiler Basis. Daher Ein Club oder eine Allianz bündelt aus- funktionieren sie nur dann, wenn die Ver- reichend Marktmacht, um einen globa- sorgung mit grünem Wasserstoff zuverläs- len Standard (und entsprechende Zerti- sig und kostengünstig ist – oder ihre relative fizierungs- und Nachverfolgungssys- Position trotz der Kosten durch Regulierung teme) für grünen und nachhaltigen Was- gestärkt wird. Gleichzeitig sind solche Lö- serstoff einzuführen und auf diese sungen im Rahmen einer Klimaneutralitäts- Weise zu verhindern, dass der globale strategie nur dann sinnvoll, wenn der Was- Markt für grünen Wasserstoff an mitei- serstoff grün (mit erneuerbarem Strom er- nander konkurrierenden Standards lei- zeugt) und umweltverträglich ist. Daraus det. Gemeinsame Standards für grünen ergibt sich umfangreicher Koordinierungs- Wasserstoff könnten als Grundlage für bedarf: einen gemeinsamen Markt für grünen Standardisierung und Zertifizierung für Wasserstoff dienen. Dadurch würden Wasserstoff und seine Derivate: Da sich die Transaktionskosten erheblich sinken der Produktionsweg von Wasserstoff und das Risiko konkurrierender Stan- nicht anhand der Atome feststellen lässt, dards würde ausgeräumt werden: In die- da sich also nicht feststellen lässt, ob es sem Szenario würden die Clubmitglieder sich um grünen, blauen, grauen oder tür- sich verpflichten, den von einem ande- kisen Wasserstoff handelt, ist eine um- ren Clubmitglied als grün anerkannten fassende Standardisierung und Zertifi- Wasserstoff und seine Derivate eben- zierung erforderlich, um die Umwelt- falls anzuerkennen. freundlichkeit des gehandelten Wasser- Die Zusammenführung von Anbietern stoffs und seiner Derivate zu gewährleis- und Verbrauchern könnte dazu beitra- ten. gen, die Unsicherheit bei Investitionen Entwicklung von Märkten und Infrastruk- in grüne Wasserstoffinfrastruktur zu turen: Anbieter investieren nur bei aus- verringern. Dazu könnten langfristige reichender Nachfrage in Produktionsan- Kauf- und Kooperationsvereinbarun- lagen und Logistikinfrastrukturen. Die gen, aber auch Vereinbarungen über Nachfrage entsteht jedoch nur bei einem die gemeinsame Infrastrukturentwick- ausreichenden Angebot zu angemesse- lung für grünen Wasserstoff gehören. In nen Preisen. einem Markt, der sich schnell 12
Ein Klimaclub unter deutscher G7-Präsidentschaft? – Policy Brief entwickelt, könnten solche Vereinba- administrativen Gründen Schwierigkeiten rungen zu höherer Sicherheit für Inves- haben, die Anforderungen für eine Mitglied- toren beitragen, aber auch für Verbrau- schaft zu erfüllen. Die Einführung von Sys- cher beitragen. temen für die Bepreisung von CO2 oder für die Produktkennzeichnung setzt zum Bei- Klimaclubs offen und ko- spiel umfangreiche Verwaltungskapazitä- ten voraus. Jede G7-Initiative sollte daher operativ gestalten mit Mechanismen einhergehen, die die Ent- wicklungsländer dabei unterstützen, die An- Die deutsche G7-Präsidentschaft hat be- forderungen zu erfüllen. In Frage dafür tont, dass sie jeden Klimaclub „offen“ und kommen etwa verstärkte technische Zu- „kooperativ“ gestalten möchte. Dies gibt sammenarbeit oder Technologietransfer im Anlass zu einigen Überlegungen. Erstens Rahmen von Beitrittsverfahren oder eine schließen Offenheit und Kooperation nicht umfangreichere Klimafinanzierung, die Ent- aus, dass Mitglieder Privilegien genießen, wicklungsländer bei der Reduzierung von die Nicht-Mitgliedern verwehrt sind. Offen- Emissionen ihrer Wirtschaft unterstützt.37 heit und Kooperation bedeuten vielmehr, Eine weitere Möglichkeit besteht darin, eine dass die Allianz oder der Club grundsätzlich Allianz oder einen Club mit der Unterstüt- allen Ländern offensteht, die die Vorausset- zung von „Klimapartnerschaften“ zu verbin- zungen für eine Mitgliedschaft erfüllen. Die den, wobei der Beitritt zu dem Club oder der Anforderungen müssen daher transparent Allianz zur Vereinbarung zwischen der G7 und die Beitrittsverfahren klar festgelegt und den Partnerländern gehört. sein. Zweitens ist die G7 per Definition ein exklu- Empfehlungen siver Club. Daher besteht die Gefahr, dass der Anstoß einer zwischenstaatlichen Initi- Mit dem Einmarsch in die Ukraine hat sich ative auf der G7 als eine „G7-Angelegen- die geopolitische Landschaft mit nicht ab- heit“ wahrgenommen wird. Für die oben an- sehbaren Folgen verändert. Dies ändert je- geführten Initiativen, insbesondere für in- doch nichts an der Dringlichkeit der Klima- dustrielle Dekarbonisierung und für Was- krise und an der Notwendigkeit, multilate- serstoff, ist die G7 ein gutes Testfeld und rale Klimaschutzmaßnahmen voranzubrin- ein geeignetes Forum, um eine erste Eini- gen. Der Vorstoß der bundesdeutschen gung zu erzielen. Es kann jedoch mit Vor- G7-Präsidentschaft, eine Art Klimaclub teilen verbunden sein, eine Initiative im oder -allianz zu gründen, kann zu den wirk- Rahmen der G20, des Ministertreffens für samen Reaktionen auf die Folgen des rus- saubere Energie oder des Major Econo- sischen Krieges gehören und ein Signal da- mies Forum on Energy and Climate (MEF) für sein, dass die multilaterale Zusammen- zu starten und nicht auf der G7. Das Risiko, arbeit funktioniert. Daher stellt sich die als „Club der reichen Länder“ wahrgenom- Frage, welche Themen im Mittelpunkt die- men zu werden, ist dann möglicherweise ser Initiative stehen sollten und wie sie geringer. Hinzu kommt, dass eine größere funktionieren sollte. Mitgliederbasis entstehen könnte. 1 Initiativen werden dort benötigt, wo Und schließlich erfordern Offenheit und Ko- sich die Auswirkungen des Kriegs und operation möglicherweise stärkere Unter- der Übergang zur Klimaneutralität stützung für Länder mit geringem und mitt- überschneiden: Eine drastische Erhö- lerem Einkommen bei Klimamaßnahmen. hung der Energieeffizienz, der Elektri- Einige Länder mit niedrigem und mittlerem fizierung des Verkehrs und der Wär- Einkommen könnten aus technischen oder meversorgung sowie ein massiv 37 Vangenechten und Lehne, 2022 13
Ein Klimaclub unter deutscher G7-Präsidentschaft? – Policy Brief beschleunigter Einsatz erneuerbarer 5 Sektorbezogene Dekarbonisierungsal- Energien tragen dazu bei, die Abhän- lianzen, die sich darauf konzentrieren, gigkeit von Importen fossiler Brenn- die Transformation der Industrie voran- stoffe zu verringern und sind gleichzei- zubringen, haben großes Potenzial tig für die Dekarbonisierung unum- und Aussicht auf politischen Erfolg. Sie gänglich. stehen auch im Einklang mit der Stra- tegie zur Verringerung der Abhängig- 2 Initiativen sollten sich klar auf einige keit Europas von russischem Gas: Ne- wenige Themen konzentrieren, bei de- ben Wohngebäuden ist die Industrie nen zusätzlicher Handlungsbedarf be- einer der größten Verbraucher von steht und die eindeutig von einem zwi- Gas, das als Ausgangsstoff und für schenstaatlichen Vorgehen profitieren. Prozesswärme genutzt wird. Die Erset- Ein klar abgegrenzter Schwerpunkt er- zung fossiler Wertschöpfungsketten ist leichtert die Einigung zwischen den daher nicht nur für eine wettbewerbs- Partnern und erhöht die Erfolgschan- fähige, klimaneutrale Industrie erfor- cen der einzelnen Initiativen. derlich, sondern auch für eine größere Widerstandskraft der Industrie gegen 3 Die Initiativen sollten auf den UN- Versorgungsunterbrechungen. Allian- FCCC-Prozess abgestimmt sein, den zen in diesem Bereich könnten sich auf Weg für COP27 ebnen und das multi- gemeinsame Standards, Kennzeich- laterale Klimaregime stärken. Damit nungen und Anforderungen für kohlen- Allianzen kooperativ und offen sind, stoffintensive Produkte konzentrieren. müssen ärmere Länder, die die Vo- Ebenso sind koordinierte Maßnahmen raussetzungen für eine Mitgliedschaft für ein umweltfreundliches öffentliches erfüllen, unterstützt werden, und es Beschaffungswesen und für Leit- müssen ihnen zusätzliche Vorteile ge- märkte eine Form der Zusammenar- boten werden, wie z. B. Klimafinanzie- beit mit großem Transformationspo- rung oder technologische Zusammen- tenzial und wenigen politischen Hin- arbeit. dernissen. Ein gemeinsamer Leitmarkt für klimafreundliche Produkte oder Zu- 4 Das ursprüngliche Konzept eines gang zu den umweltfreundlichen Be- preisbasierten Klimaclubs bleibt poli- schaffungsprogrammen durch alle tisch schwer umsetzbar oder läuft Ge- Clubmitglieder wären starke Anreize fahr, auf sehr wenige Länder be- für den Beitritt zu einem Club. schränkt zu bleiben. Die deutsche G7- Präsidentschaft sollte gerade in der jet- 6 Schließlich bietet sich beim Thema zigen Situation kein wertvolles politi- grüner Wasserstoff eine stärker forma- sches Kapital für solche risikoreichen lisierte Zusammenarbeit in Form einer und wenig lohnenden Initiativen ver- Allianz an. Grüner Wasserstoff trägt schwenden. Verstärkte technische Zu- zur Diversifizierung der Energieversor- sammenarbeit bei der CO2-Bepreisung gungsoptionen bei – allerdings in ei- im Rahmen der G20 und der OECD ist nem Zeitrahmen, der in der derzeitigen weniger transformativ, kann jedoch geopolitischen Lage keine wirksame langfristig den Weg für eine formellere Abhilfe schaffen kann. Eine Allianz Zusammenarbeit ebnen und sollte da- könnte durch die Schaffung eines ge- her von der G7 unterstützt werden. meinsamen Markts auf Grundlage ge- Dies hat jedoch möglicherweise nicht meinsamer Standards für grünen und unmittelbar Priorität für die deutsche nachhaltigen Wasserstoff zwei großen G7-Präsidentschaft. Risiken entgegenwirken: erstens der Verbreitung unterschiedlicher 14
Ein Klimaclub unter deutscher G7-Präsidentschaft? – Policy Brief konkurrierender Standards für grünen Investitionen und das Entstehen eines Wasserstoff einschließlich der mit globalen Marktes für grünen Wasser- ihnen verbundenen Transaktionskos- stoff hemmen. ten und zweitens dem Risiko, dass Un- sicherheiten auf der Angebots- und Nachfrageseite die erforderlichen Anhang Tabelle 1: CO2-Bepreisung und Position zu CO2-Grenzausgleich in den G7- und ausgewählten G20- Staaten Land CO2-Bepreisung Position zu CO2-Grenzausgleich Deutsch- • EU-ETS für Energiewirtschaft und Industrie • EU CBAM Vorschlag: allgemeine Un- land • Deutscher BEH für Wärme und Verkehr terstützung • EU CBAM Vorschlag: allgemeine Un- Italien • EU-ETS für Energiewirtschaft und Industrie terstützung Frank- • EU-ETS für Energiewirtschaft und Industrie • EU CBAM Vorschlag: sehr unterstüt- • CO2-Steuer auf Wärme, Verkehr und nicht reich von EU-ETS abgedeckte Industriesektoren zend • Grenzausgleich wird nicht erwogen • CO2-Steuer, jedoch auf sehr niedrigem Ni- • Nicht sehr von EU CBAM betroffen, je- veau (US$3/tCO2e) Japan doch Widerstand der Stahlindustrie • Neues CO2-Bepreisungssystem wird erwogen • Möchte, dass EU CBAM implizite CO2- • Zusätzliche regionale und freiwillige Systeme Preise berücksichtigt • Erwägung von UK CBAM, jedoch kein Vorschlag oder politischer Kon- Großbri- • UK ETS für Energiewirtschaft und Industrie sens in der Regierung, Bevorzugung G7 (entspricht EU ETS in Phase IV) einer multilateralen Lösung tannien • Aufgrund des UK ETS würde EU CBAM nur begrenzt folgen für UK ha- ben • Erwägung von US CBA, jedoch recht- liche Herausforderungen (national, WTO) • Kein CO2-Bepreisungssystem auf Bundes- • CBA würde auf „impliziten CO2-Preis“ USA ebene basieren und Kosten für regulatorische • Sub-nationale Systeme in 12 Staaten Compliance berücksichtigen • Verlangt, dass EU CBAM „implizite CO2-Preise“ berücksichtigt • Bundesweit geltender CO2-Bepreisungsstan- dard verpflichtet alle Provinzen zu einem CO2-Bepreisungssystem • Kanadischer CBA wird erwogen Kanada • 14 unterschiedliche subnationale CO2-Beprei- • Wenig betroffen von EU CBAM sungssysteme (ETS, CO2-Steuer, Baseline- and-Credit-System) • Vorsichtig gegenüber EU CBAM, for- dert WTO-Compliance • China ETS für Stromsektor (38 % der Emissi- • Könnte CBAM bei Zugeständnissen an China onen), Erweiterung auf weitere Sektoren in die USA als geopolitisches Instrument Erwägung, Preissignal noch schwach wahrnehmen • Größerer Exporteur von Eisen, Stahl G und Aluminium in die EU 20 • Kritisch gegenüber EU CBAM Russland • • Russland wäre im größeren Maßstab Keine CO2-Bepreisung von EU CBAM betroffen (Eisen und Stahl, Aluminium, Dünger) • Kritisch ggü. CBAM, insbesondere bei Indien • Keine CO2-Bepreisung diskriminierender Gestaltung 15
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