PRESS REVIEW Wednesday, June 9, 2021 - Daniel Barenboim Stiftung Barenboim-Said Akademie & Pierre Boulez Saal
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PRESS REVIEW Daniel Barenboim Stiftung Barenboim-Said Akademie & Pierre Boulez Saal Wednesday, June 9, 2021
PRESS REVIEW Wednesday, June 9, 2021 Frankfurter Allgemeine Zeitung Dröhnendes Schweigen: Die Staatskapelle Dresden und ihr Chef Christian Thielemann Frankfurter Allgemeine Zeitung Nora Schmid soll die Semperoper leiten Berliner Morgenpost Eine düstere Prognose wagt Regisseur Stefan Herheim. Intendant Dietmar Schwarz widerspricht, Dirigent Sir Donald schweigt Die Welt Im Apennin-Dörfchen Marradi wurden der 800. Todestag Dantes, ein 229 Jahre altes Theater und ein verrückter Dichter gefeiert. Und der Dirigent Riccardo Muti Rbb Inforadio Mondtags: “It's going to get worse” im Gorki Berliner Zeitung Freier Eintritt ins Museum Der Tagesspiegel Kultur ist seelenrelevant
9.6.2021 https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/467091/11 F.A.Z. - Feuilleton Mittwoch, 09.06.2021 Dissonanzen in größter Harmonie Dröhnendes Schweigen: Die Staatskapelle Dresden und ihr Chef Christian Thielemann. Von Michael Ernst, Wien Seine Tondichtung „Ein Heldenleben“ hat Richard Strauss zwar schon vor gut hundertzwanzig Jahren vollendet, vor allem wohl als Wunsch-Spiegelkulisse seiner selbst, doch man könnte sie auch bestens als Klangbild für den heutigen Zustand der Sächsischen Staatskapelle deuten. Denn ordentlich Krach gibt es sowohl im Opus 40 des musischen Bajuwaren als auch im Zusammenhang mit der Kapelle aus Dres- den. Die gilt traditionell als exzellentes Strauss-Orchester und war nun just mit dieser Tondichtung zu ihrem ersten Auslandsgastspiel seit dem Ausbruch der Pandemie unterwegs – zu zwei Konzerten im Goldenen Saal des Wiener Musikvereins. Hier wie da, im „Heldenleben“ wie in der Kapelle, scheint neben dem Binnen-Getöse nach außen hin alles zu stimmen, auf dass noch jede Dissonanz in schönste Harmonie erlöst werde. Da wird ausgewo- gen bis hinreißend musiziert, alles heroisch Schroffe herausgemeißelt und in den Raum geworfen, der ohnehin schon so prall gefüllt ist, als könne es nie wieder Platz geben für leise, gar nachdenkliche Töne. Doch aus aller Vielstimmigkeit, die in sich durchaus auch streitbar gellen kann, erhebt sich das wonnige Solo der Violine und entführt in eine Welt des Friedens, die Helden gar nicht nötig hat. Es sind aber nicht nur die geradezu himmlischen Soli, die Konzertmeister Matthias Wollong auf seiner Guarneri-Geige von 1676 anstimmt, sondern wohl auch das Wieder-zu-Hause-Gefühl von Orchester und Chefdirigent im prächtigen Musikvereinssaal. Zu „gesunden“ Zeiten galten die Kapelle und Christi- an Thielemann hier quasi als Stammgäste. Nun zählten sie mit zu den Ersten, die an diesem symbolhaf- ten Ort wieder vor Publikum auftreten konnten. Ohne Negativtests gab es keinen Zutritt, dennoch blie- ben für die nach Musik gierenden Besucher Abstandsgebot und Maskenpflicht im Saal vorgeschrieben. Der Aufwand für die rund hundert Musiker war beträchtlich größer, schließlich saß man dicht bei dicht auf der Bühne und hatte auf der Zugfahrt von Dresden nach Wien zwei Grenzen zu überqueren. Die ursprünglichen Tourneepläne mit Flügen von Amsterdam bis Athen wurden beizeiten annulliert, ledig- lich die beiden Wiener Konzerte blieben übrig. Die aber waren Ereignis. Sachsens Regierung war verärgert über den Streit an der Opernspitze Wäre es nach Thielemann gegangen, hätte das Werk schon zu Jahresbeginn in Dresden erklingen können, was aber aufgrund der Corona-Regeln und dem streng folgsamen Opernintendanten Peter Theiler verhindert wurde. Ein medial ausgetragener Streit, der wohl auch die politischen Verantwor- tungsträger in Sachsen geärgert haben dürfte. Im Mai wurde die Reißleine gezogen und der Öffentlich- keit mitgeteilt, dass Thielemanns 2024 auslaufender Vertrag nicht verlängert und der von Theiler nur um eine Spielzeit bis ebenfalls zum Sommer in drei Jahren ausgeweitet werde. Der Aufschrei des Entsetzens über eine solche Weichenstellung durch die Politik hallt immer noch nach. Im Kontrast dazu steht das Schweigen von Oper und Orchester sowie vor allem von Theiler und Thielemann. Vielleicht sagt es mehr als das banale Statement des Intendanten: „Die Entscheidung des Ministeriums, ab der Spielzeit 2023/24 die Weichen für die Semperoper unter dem Motto Zukunftsperspektive ,Semper2030‘ neu stellen zu wollen, kann ich nachvollziehen.“ Es sagt auch mehr als die sich in alle Richtungen rückversichernde Stellungnahme der Kapelle: „Der Konzert- und Opernbetrieb in zehn Jahren wird ein anderer sein als heute. Auf das Angebot der Staatsministerin, an dieser Entwicklung konstruktiv und aktiv mitzuwirken, gehen wir gerne ein.“ Ein orchestrales Bekenntnis zu Thielemann, seit 2012 Chefdirigent in Dresden, hätte anders klingen müssen. https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/467091/11 1/2
9.6.2021 https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/467091/11 Die Sächsische Staatskapelle ist nun völlig verunsichert Der Riss aber ging und geht quer durch die Reihen dieses ebenso selbstbewussten wie nunmehr verun- sicherten Klangkörpers. Man wolle sich nun erst einmal finden, heißt es verstohlen, müsse sich neu orientieren und werde sich erst zu gegebener Zeit wieder öffentlich äußern. Beim zweitägigen Gastspiel in Wien war von all diesen Querelen nichts zu spüren. Vor allem mit einem reinen Strauss-Konzert hat das Orchester gepunktet, obwohl nach sechs Orchesterliedern zu Texten von Clemens Brentano und Gottfried August Bürger, in denen die Sopranistin Erin Morley enorme Souverä- nität ausstrahlte, noch eine österreichische Erstaufführung anstand. Dieses Werk des 1964 geborenen Komponisten Thomas Hennig mag Teile des Publikums vorab irritiert haben, doch auch die „Nacht“ für Singstimme und Orchester klang ganz nach Strauss. Hennig hatte dessen noch nach den „Vier letzten Liedern“ entworfenes und nicht fertiggestelltes Werk aus des Meisters Skizzenbuch mit dem Versuch größter Stiltreue vollendet. Nach einem in der Semperoper aufgezeichneten Live-stream für Arte Concert und MDR Kultur erklang dieses Lied zu einem Text von Hermann Hesse nun erstmals vor Publikum. Die Binnendramatik dieses Stücks mit märchenhaftem Hornfinale ging ebenso zu Herzen wie die feinfühlige Interpretation der Solistin, die über den sie voller Umsicht begleitenden Dirigenten dem Orchester aufs engste verbunden schien. Einmal mehr kamen so die Qualitäten der Sächsischen Staatskapelle als Opernorchester zur Geltung, das um die Kunst des Begleitens ebenso weiß wie um die sinfonische Selbstbehauptung. In der Zusam- menarbeit mit Christian Thielemann wirkt es seit Jahren geradezu perfekt aufeinander eingestimmt, was natürlich in besonderer Weise bei der Musik von Richard Strauss, einem seiner Herzenskomponis- ten, zum Tragen kommt. Als sollte ein durch nichts zu trübendes Glücksgefühl vermittelt werden, übten sich der Maestro und sämtliche Stimmgruppen in einem ostentativ zur Schau getragenen Wohlbefin- den, das sich zusätzlich zum lebendigen Schönklang auch in mimischer Freundlichkeit äußerte. Thea- tralik gibt es eben auch im Konzert. In den Wiener Feierstunden zeigte sich jedenfalls keine Spur davon, dass es ein – wie auch immer gear- tetes – Zerwürfnis zwischen dem Chefdirigenten und zumindest Teilen seines Orchesters geben könnte. Alle Kritik an persönlichem Umgang, Stil und Arbeitsweise stand unisono hinter dem künstlerischen Ergebnis zurück, um ein wahres Helden-Erleben zu zelebrieren. https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/467091/11 2/2
9.6.2021 https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/467091/9 F.A.Z. - Feuilleton Mittwoch, 09.06.2021 Dresdens Neuanfang Nora Schmid soll die Semperoper leiten Wer sich noch im vergangenen Herbst mit Nora Schmid unterhielt, hätte nicht für möglich gehalten, dass die Intendantin der Oper Graz ernsthaft daran denken würde, ihr Haus zu verlassen. Sie schätzte ihren Wirkungsort als freie Spielwiese, die ihr – ähnlich wie zur Amtszeit von Gerd Brunner in den Achtziger- und Neunzigerjahren – die Möglichkeit bot, inhaltlich zu experimentieren, Raritäten auf den Spielplan zu setzen und jungen Regietalenten ein Podium zu bieten. Nun aber soll, wie Sachsens Kulturministerin Barbara Klepsch gestern in Dresden bekannt gab, Schmid vom Sommer 2024 an die Nachfolge von Peter Theiler in der Intendanz der Semperoper antreten. Damit tut sich die Frage auf, ob Schmid die bisherige Freiheit des Gestaltens in Graz dem Dresdner Bedürfnis nach Repräsentation opfern oder das Prachthaus am Elbufer inhaltlich umkrempeln wird. In Dresden ist Schmid, die 1978 in Bern geboren wurde, keine Unbekannte. Schon 2011 war sie erstmals als Chefdramaturgin an die Semperoper gekommen und ein Jahr später persönliche Referentin der damaligen Intendantin Ulrike Hessler geworden. Nach deren frühem Tod im Juli 2012 übernahm Schmid interimistisch sogar die Intendanz der Sächsischen Staatsoper, bis sie 2015 den Ruf nach Graz erhielt. Für die Posse, die sich Sachsens Regierung mit der Berufung von Serge Dorny als Nachfolger Ulrike Hesslers und dessen Kündigung vor Amtsantritt geleistet hatte, kann Schmid überhaupt nichts. Ebenso wenig kann ihr Schweizer Landsmann Peter Theiler etwas dafür, der im Sommer 2018 die lange Phase der unsicheren Leitung beendete und nur anderthalb Spielzeiten lang Gelegenheit hatte, seine Hand- schrift als Intendant zu zeigen. Ihm hatte die Ministerin Mitte Mai genauso wie dem Chefdirigenten der Staatskapelle, Christian Thielemann, in einer recht befremdlichen Erklärung beschieden, nicht zukunftsfähig zu sein. Beider Verträge wurden über deren Auslaufen im Sommer 2024 hinaus nicht verlängert. „Wir sehen dabei das, was heute gut ist, und denken trotzdem an das Übermorgen der Oper“, hieß es zur Begründung der Entscheidung. „Und eine Oper in zehn Jahren wird eine andere als die Oper von heute sein: Sie wird teilweise neue Wege zwischen tradierten Opern- und Konzertauffüh- rungen und zeitgemäßer Interpretation von Musiktheater und konzertanter Kunst gehen müssen.“ Die Begründung, warum dieser Weg mit dem jetzigen Spitzenpersonal nicht gangbar sei, blieb die Ministe- rin schuldig. Nora Schmid steht ohne Zweifel für innovative Spielpläne. In Graz ging sie seit 2015 behutsam vom Rand-Repertoire des zwanzigsten Jahrhunderts in die Gegenwart (F.A.Z. vom 5. November 2020) und hat für die ihr verbleibenden Jahre sogar Uraufführungen geplant. Dieser Ehrgeiz einer ästhetischen Moderne wird von ihr geschickt gegenfinanziert durch Aufführungen von Musicals und Operetten, die auch die steirische Landbevölkerung ins Opernhaus holen. Bislang hat sie die Grazer Oper relativ geräuschlos, ohne spektakuläre Krisen und sehr effektiv und erfolgreich geleitet – übrigens gut koordiniert mit ihren Ansprechpartnern in der Politik. In der Sache beharrlich, als Taktikerin geschickt, verschaffte sie ihrem Haus damit überregionales Ansehen. Dass die ukrainische Dirigentin Oksana Lyniv während Schmids Amtszeit als Musikdirektorin nach Graz berufen wurde, das Haus freilich 2019 auch wieder verließ, nährt Spekulationen, dass Lyniv für die Dresdner Nachfolge Thielemanns in Betracht gezogen werden könnte. Doch dazu müsste sich die Staatskapelle äußern. (Siehe Seite 11.) Jan Brachmann https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/467091/9 1/1
9.6.2021 Berliner Morgenpost KULTUR SEITE 10 | MITTWOCH 9. JUNI 2021 „Wir feiern den Tod der Oper“ Eine düstere Prognose wagt Regisseur Stefan Herheim. Intendant Dietmar Schwarz widerspricht, Dirigent Sir Donald schweigt Intendant Dietmar Schwarz (l.), Regisseur Stefan Herheim (Mitte) und Dirigent Sir Donald Runnicles in der Deutschen Oper. Maurizio Gambarini FUNKE Foto Services Von Volker Blech Auch mit dieser Premiere ist man reichlich verspätet dran, in der Berliner Kultur- szene spricht man nicht umsonst vom Premierenstau. Ursprünglich sollte an der Deutschen Oper mit dem „Rheingold“ im vergangenen Juni der neue Zyklus „Der Ring des Nibelungen“ eröffnet werden. In einer Lockdown-Pause schob sich dann die „Walküre“ davor. Jetzt soll der Auftakt des vierteiligen Zyklus’ am Sonnabend seine Premiere feiern. Eigens dafür luden Generalmusikdirektor Sir Donald Runni- cles, Regisseur Stefan Herheim und Intendant Dietmar Schwarz am Dienstag ins Foyer der Charlottenburger Oper. https://emag.morgenpost.de/titles/bmberlinermorgenpost/10120/publications/951/articles/1366529/10/2 1/3
9.6.2021 Berliner Morgenpost Dass die Drei nicht wirklich viel Neues mitzuteilen hatten, hing zuerst damit zu- sammen, dass der Dirigent und der Re- gisseur ihre Köpfe tief in den Proben hatten. Richard Wagners Weltenzyklus, der mit dem „Rheingold“ beginnt und in der zerstörerischen „Götterdämmerung“ endet, kann schon schwer auf der Seele lasten. Irgendwann nach einer guten halben Stunde begann der norwegische Regisseur mit düsteren Reflexionen über die Demokratie und die Oper. Er sage es auch dem Ensemble, so Her- heim: „Leute, wir sind hier zusammen- gekommen, um den Tod dieser Kunst- form, den Tod der Oper gemeinsam zu feiern. Ich sehe weniger und weniger die Voraussetzungen der Gesellschaft, um auf dieser Ebene Inhalte kommuni- zieren zu wollen.“ Es geht den Künst- lern um Gesellschaftsdiskussionen, die in einer sinnlichen Weise stattfinden müssen. „Ich finde es zum Teil wahn- Szene aus „Rheingold“ an der Deut- sinnig schwer, diese Art Übersetzungs- schen Oper Bernd Uhlig arbeit zu versuchen“, so Stefan Her- heim. „Aber wie ich immer sage: Sterben ist irgendwo wie Liebe machen, und nir- gendwo kommen Tod und Eros dichter zusammen als bei Wagner. Man kann vor al- lem eines: Versuchen, mit Würde zu sterben.“ Intendant Dietmar Schwarz wollte sich auf das Thema nicht weiter einlassen. „Es geht uns wirtschaftlich durch die Kurzarbeit ganz gut“, sagte er. „Der Sterbeprozess, den Stefan Herheim im Künstlerischen benannte, hat sich so noch nicht eingeleitet.“ Aber dann fügte er mit Blick auf seinen Regisseur hinzu: „Wir lachen noch darüber, aber in ein paar Jahren wissen wir nicht, ob wir noch darüber lachen.“ Dirigent Sir Donald schwieg. https://emag.morgenpost.de/titles/bmberlinermorgenpost/10120/publications/951/articles/1366529/10/2 2/3
9.6.2021 Berliner Morgenpost „Das Rheingold“ wird im Juni sechs Mal gezeigt. Noch gelten strenge Hygienevor- schriften und eine verringerte Platzkapazität. In der Deutschen Oper hat man sich entschieden, weiterhin auf Sicht zu fahren. Das ist ein anderer Weg als in der Staats- oper, wo man bereits seine Saisonvorschau ausgebreitet hat und glaubt, ab Novem- ber wird ein ganz normaler Spielbetrieb herrschen. Dietmar Schwarz will seine Pläne Ende des Monats vorstellen, der Vorverkauf beginnt am 12. August. Der Plan wird zunächst bis in den Oktober reichen. Überhaupt setzt man auf den neuen „Ring“-Zyklus als Zugpferd. In großen Opernhäusern der Welt sind die Wagner-Zy- klen traditionell die Höhepunkte der Saison. Der „Ring“ von Stefan Herheim, der die Longseller-Inszenierung von Götz Friedrich ablöst, startet in der Pandemie mit einiger Verwirrung. „Die Walküre“ hatte bereits Premiere, „Das Rheingold“ folgt am Sonnabend. Das Finale mit der „Götterdämme- rung“ soll am 17. Oktober Premiere haben, „Siegfried“ zieht erst am 12. November nach. Er findet dann im Rahmen der ersten „Ring“-Aufführung statt. Drei komplette „Ringe“ sind an der Deutschen Oper geplant. Der erste findet vom 9. bis 14. Novem- ber, der zweite vom 16. bis 21. November und der dritte vom 4. bis 9. Januar statt. „Eines ist mir noch nie so klar gewesen wie nach all dem Streaming, den Videos, den digitalen Experimenten: Die Emotionalität, die wir mit Musik und Gesang aus- lösen, braucht Resonanz“, resümierte Dietmar Schwarz im hauseigenen Opernmaga- zin. „Wenn eine Sängerin vor 2000 Menschen steht, schießt ihr ein Hormoncocktail durch den Körper. Dieses Lampenfieber lässt sich nicht künstlich herstellen.“ Dafür brauche es das Publikum. „Das Rheingold“ am 12 Juni (Premiere), 15., 19., 22., 25. und 27. Juni. Drei „Ring“- Zyklen ab 9. November. Berliner Morgenpost: © Berliner Morgenpost 2021 - Alle Rechte vorbehalten. https://emag.morgenpost.de/titles/bmberlinermorgenpost/10120/publications/951/articles/1366529/10/2 3/3
22 FEUILLETON DIE WELT MITTWOCH, 9. JUNI 2021 E „Ich war strikt gegen das Sternchen“ in „Experiment“ ist nicht Amanda Gorman ist die Dichterin, die bei der sich schließlich nicht für „Sklav*innen“, Inauguration von Joe Biden für Furore sorgte. nur das Übersetzen eines was zunächst im Raum stand, entschie- Gedichts innerhalb von den, sondern für das generische Femi- Dann entbrannte eine hitzige Debatte: zwei Wochen durch drei ninum „Sklavinnen“, womit Strätling Darf die schwarze Lyrikerin von einer weißen Personen, von denen nur dann am Ende auch einverstanden ge- eine professionelle Übersetzerin ist. wesen sei. So habe man mit einer weib- Person übersetzt werden? Jetzt melden sich Auch der Freitagabend im Literarischen lichen Linie, mit feministischen Per- Colloquium Berlin, an dem man über spektiven gespielt. Schließlich überset- die deutschen Übersetzerinnen zu Wort diese ungewohnte Herausforderung ze man die intersektionale Feministin spricht, hat experimentellen Charakter, Gorman für eine bestimmte Leser- vollzieht sich hier doch so etwas wie der schaft, nämlich für eine plurale Migra- Übergang von einer digitalen Lock- tionsgesellschaft. down-Eventkultur in eine des Liveauf- Gegen das Gendern, so Strätling, ha- tritts unter freiem Sommerhimmel. be sie hauptsächlich etwas gehabt, „weil es den Rhythmus stört.“ Ihr sei „das VON MARIE-LUISE GOLDMANN Klangliche“ am wichtigsten gewesen und das käme sich mit dem Politischen Ein allmählicher Prozess, denn nur eben oft in die Quere. Gerade bei einem zwei der drei Übersetzerinnen sind per- Gedicht, stimmt Haruna-Oelker zu, sei sönlich vor Ort – Hadija Haruna-Oelker man in dieser Hinsicht mit einem dop- und Uda Strätling. Kübra Gümüşay be- pelten Problem konfrontiert, weil Lyrik findet sich in der altbewährten Zoom- eben auch klingen müsse. Gümüşay da- Schalte, man kann sie also am Wannsee gegen erhebt Einspruch gegen den Ur- nicht sehen, nur hören, was aber nichts ban Myth, die gerechte Sprache verhun- ausmacht, weil auch die Gesichter der ze das Deutsche. Vielmehr erkennt sie Anwesenden vom Gegenlicht der herab- im gerechten Sprechen ein Experiment: sinkenden Abendsonne verdunkelt wer- „Wie kann man mit Sprache tanzen?“ LITERARISCHES COLLOQUIUM/ BERLIN, LCB.DE MEDIATHEK (3) den. Wie aus den vergangenen Monaten Wie das Tänzeln um die richtigen gewohnt, bittet der Veranstalter das Pu- Worte im Detail ausgesehen hat, führt blikum zu Beginn um Geduld, das Inter- das Übersetzerteam anhand eines Bei- net sei noch nicht so weit. So kann man Tänzeln um die richtigen spiels vor: Gormans „norms and noti- die Wartezeit aber wenigstens nutzen, Worte: Uda Strätling ons“ sei dunkel, das habe Gewicht, er- um sich einen Wein an der Bar zu holen (oben links), Hadija klärt Strätling. Bei der Übertragung ins und auf den See zu blicken anstatt zu Haruna-Oelker (oben Deutsche müsse man nun darauf ach- Hause allein auf den eigenen Bildschirm. rechts) und Kübra Gümüşay ten, dass die Alliteration erhalten blei- Der Name „Amanda Gorman“ fällt (links) haben Amanda be, dass beide Nomen denselben Artikel nur selten. Kein Wunder, wo sich die Gorman (großes Bild) besäßen, darüber hinaus Abstrakta sei- Debatte seit ihrem Inaugurationsge- ins Deutsche übersetzt en, damit man keinen Plural brauche, es dicht für Joe Biden am 20. Januar längst komme also auf Genus, Kongruenz, von ihrer Person losgelöst hat und eige- aber auch auf die richtigen Vokale an. So ne Wege gegangen ist. Bei der Veran- habe das Deutsche zu viele „i“ und „e“, staltung, die jetzt auch online nachzu- also helle Vokale, und Zischlaute. Ent- hören ist, sprechen die drei Übersetze- schieden habe man sich schließlich für rinnen der deutschen Fassung von „The rungswelle sein kann, das gehört zu den habe nicht wirkungsmächtiger hätte ein- die Kombination „Anschauung und Aus- Hill We Climb“ mit der Moderatorin viel diskutierten Grundsatzfragen der fordern können, wenn es um die Über- legung“, die von vielen Rezensenten als Insa Wilke zum ersten Mal öffentlich Auseinandersetzung mit Cancel Cultu- setzung eines weißen Mannes gegangen misslungen beurteilt wurde. Nach über die heiß diskutierte Übersetzung re. Statt hermeneutisch wohlwollend wäre. Doch hier sitzt ein eingespieltes Strätlings Deklination durch die ver- des Gedichts, das eine der größten Lite- das Anliegen derjenigen zu verstehen, Team auf der Bühne, kein Panel mit un- schiedenen Möglichkeiten und ihre Fal- raturdebatten der jüngsten Vergangen- die den Rücktritt Rijnevelds mit Bedau- terschiedlichen Positionen, sodass Rei- len, weiß man nun, warum man sich heit befeuerte. In ihrem Zentrum die ern oder sogar Ärger kommentierten, bungen gar nicht möglich sind. eines Verrisses lieber enthält. Frage: Wer darf das Gedicht einer jun- und statt nachzuvollziehen, welche vali- Wer heute nichts falsch machen will, Schon allein, weil es auch dem Trio gen, schwarzen Amerikanerin überset- den Argumente womöglich in dieser der achtet darauf, aus eins grundsätz- selbst keineswegs um Perfektion ging. zen? Konkreter: Wie jung und schwarz Kritik stecken könnten, erklärt Gü- lich drei zu machen. Nicht nur die ge- Beim Übertragen von Worten in eine muss man für den Job sein? müşay schlichtweg, dass sie sich ange- plante „Sex and the City“-Fortsetzung andere Sprache komme sowieso immer Weil Gorman sich selbst nie zu die- sichts der Reaktionen vieler respekta- ersetzt die Figur der Samantha durch ein ganz neuer Text heraus, der nicht ser Frage geäußert hat, europäische In- bler Personen und Feuilletontexte drei People of Color. Auch zum Über- mehr viel mit dem zu tun habe, was vor- terviewanfragen lange unbeantwortet fremdgeschämt habe. Wie habe man die setzen eines Gedichts braucht es offen- her da war. Es folgen Metaphern der ließ, um dann allen lediglich Antworten Sache nur so falsch verstehen können? bar mehr als eine Person, die das Hand- Hoffnungslosigkeit: Übersetzen sei wie auf eine kleine Auswahl von Fragen zu- Dann gibt sie einen Tipp: Wenn ihr je- werk professionell gelernt hat. Eine „durch ein Nadelöhr eine ganze Welt kommen zu lassen, müssen hier also ih- mand die „Darf man noch?“-Frage stel- Rahmung an beiden Rändern muss her, hindurchzudrängen“, so Gümüşay, eine re Stellvertreterinnen in Person der le, frage sie immer gleich zurück: „Ist die sicherstellt, dass Kontexte, Her- Unmöglichkeit also. Übersetzt, so ist Übersetzerinnen einspringen. Deren das der Mensch, der du sein willst?“ kunft und Framings von Wörtern nicht man sich einig, werden hier nämlich Antwort: Die Frage war von Anfang an Der Verdacht drängt sich auf, dass unter den Tisch fallen. nicht Wörter, sondern ein Land, ein falsch gestellt. Mehr noch, die „Dürfen- Haruna-Oelker, Strätling und Gümüşay Dabei lernen sich Haruna-Oelker ganzes Beziehungsgeflecht. Ein Text sei Frage“ sei sogar „die falscheste Frage, selbst Strohmänner der Kritiker ge- und Strätling heute zum ersten Mal „The Hill We Climb“ laut Strätling ei- die man stellen kann“, so Haruna-Oel- brauchen, denen sie Strohmannargu- persönlich kennen. Die zweiwöchige gentlich sowieso nicht, vielmehr „ein ker, die erklärt: „Jeder darf alles und im mente vorwerfen, also die Konstruktion Übersetzungsarbeit, die glücklicher- Ereignis“ an einem sehr heiklen Punkt besten Fall lebt er oder sie mit den Kon- eines nicht existenten Feindbildes, ge- weise schon vor der identitätspoliti- in der Geschichte. sequenzen.“ gen das sich leicht argumentieren lasse. schen Debatte beendet gewesen sei, ha- Am Ende bedanken sich die Überset- Was wurde dann moniert, als Marie- Denn natürlich hat die andere Seite zu be sich rein virtuell abgespielt. Strät- zerinnen für den wohltuenden Liveap- ke Lucas Rijneveld – jung, weiß und keinem Zeitpunkt behauptet, mit „nicht ling habe da ihr Smartphone gerade mal plaus, auf den man so lange verzichten nonbinär – für die Übersetzung des Ge- dürfen“ sei „gesetzlich verboten“ ge- ein halbes Jahr besessen, das simultane musste. Als Zuschauer wünscht man dichts ins Niederländische beauftragt meint. Dass sich auf der Bühne eine süf- Arbeiten in einem Google Doc sei für sich, auch andere Möglichkeiten des wurde? Laut dem Übersetzertrio: ledig- fisante Drohung an die andere reiht, sie schwierig gewesen: „Und plötzlich Liveauftritts wären genutzt worden: lich eine „verpasste Chance“. Es sei um macht die Sache nicht besser. ist die Zeile weg.“ Für Gümüşay be- das Zulassen von Publikumsfragen et- Fragen des Zugangs und der Verteilung Wenn die identitätspolitische Forde- stand in dieser Form des „egobefrei- wa, nachdem auf der Bühne nicht ein- LAIF/ REDUX/ NYT/ TONY LUONG gegangen. Fast klingt es auf einmal so, rung tatsächlich nicht in der befremdli- ten“ Arbeitens auch ein gewisser Reiz: mal die Hälfte der sich aufdrängenden als sei Rijneveld freiwillig zurückgetre- chen Identität von Dichter und Überset- „Der Text stand im Fokus“. Themen gestreift wurden. Oder das ten, verboten habe man ihr die Überset- zer besteht, sondern, viel ehrenwerter, Nur bei einem Thema habe es größe- Vortragen des Gedichts, das wie die zung schließlich nicht, den Auftrag ent- in der Teilhabe an einem System, das ei- re Diskussionen gegeben: beim Gen- Person Amanda Gormans über den zogen auch nicht. nige wenige begünstigt und andere aus- dern. „Ich war strikt gegen das Stern- Abend hinweg eine stets spürbare Leer- Aber wie freiwillig eine Entscheidung schließt, dann muss die Frage zumindest chen“, bekennt Strätling. Bei der Über- stelle blieb. Man könnte sagen: Eine nach einer nationalen digitalen Empö- aufgeworfen werden, ob man diese Teil- setzung des Wortes „slaves“ hätten sie verpasste Chance. Eine Kulturlandschaft erwacht E Im Apennin-Dörfchen Marradi wurden der 800. Todestag Dantes, ein 229 Jahre altes Theater und ein verrückter Dichter gefeiert. Und der Dirigent Riccardo Muti in Mini-Dante in Rot mit Käpp- die. Und Riccardo Muti hat recht, wenn reich gegen die hegemonialen Ansprü- der 3. Orchestersuite folgte Verdis Des- kommen war und den neu erschlossenen nalbahnlinie „Faentina“, die insgesamt chen. Ein Mini-Vergil mit Tunika er neuerlich betont: „Kultur beginnt neu che seines Geburtsortes Florenz vertei- demona-Gebet mit der großartigen So- Dante-Weg einweihte, lauschte andächtig drei Stunden für die 150 Kilometer und goldenem Lorbeerkranz. Ein in kleinen Dörfern, in kleinen Theatern, digt. Obwohl die vergessenen Knochen pranistin Rosa Feola und zart verklin- in der Mittelloge. Corona-bedingt waren braucht und erstmals 1893 die Apennin- paar verkleidete Kinder mit Maske hal- bei jungen Leuten.“ Und er weiß natür- erst im 19. Jahrhundert wiedergefunden genden Geigen. Dem schloss sich – Ju- die wenigen Plätze im Theater nur schüt- Überquerung möglich machte von Flo- ten ein Trikoloreband. Der weltberühm- lich: Die Wiedereröffnung eines traditi- und pompös bestattet worden waren. gend voran – das erste Divertimento KV ter besetzt, aber das Ereignis, von dem renz nach Ravenna. Hier endete der kul- te Dirigent Riccardo Muti, ebenfalls mit onsreichen Theaters mit drei Rängen in Mit seiner im vulgären Italienisch und 136 des kindlichen Mozart an. Dicht ge- die Dorfchronik noch lange zehren wird, turelle Familienausflug unter Regenwol- ,, Mundschutz, schneidet es durch. Damit einem 3500-Einwohner-Kaff wie Marradi nicht im gebildeten Latein geschriebenen packt sind die knapp 30 Streicher auf war auch auf einer Leinwand auf der ken, nicht Sternen. ist das 229 Jahre alte, frisch renovierte ist eine schöne Schlagzeile, aber ihr müs- „Commedia“ – das „göttliche“ ist erst ein die enge Bühne gepfercht. Dahinter Piazza Le Scalelle zu sehen, wo lockere „A riveder le stelle“ – „die Sterne wie- Theater des Apennin-Dorfes Marradi, ir- sen Taten folgen. Renaissance als Chan- späterer Zusatz – schenkte der Schrift- geht es gleich zum Mercato centrale, wo Volksfeststimmung herrschte. dersehen“, der in diesen Monaten in Ita- gendwo an der Grenze zwischen Tosca- ce. Wieder mal. steller und rebellische Politiker dem zer- sie sich umgezogen haben. Und zwischen den Noten regierte die lien als Motto viel zitierte letzte Vers des na und Emilia, wiedereröffnet. 1792 wurde dieses Theater von einigen rissenen Land ein erstes, einendes litera- Kulturminister Dario Franceschini, der Sprache, denn die Schauspielerin Elena „Inferno“ aus der „Göttlichen Komödie“ Adelsfamilien für die Accademia degli risches Meisterwerk. Und jetzt möchte mit dem historischen „Dante-Zug“ ge- Bucci huldigte mit pathetisch ausge- scheint natürlich auch beim Ravenna Fe- VON MANUEL BRUG Animosi mit ihrem Fesselballon als Logo das sonst höchstens für seine Kastanien streckten Händen nicht nur Dante, son- stival auf. „Dedicato a Dante“, so steht der entfesselten Fantasie gegründet. Die touristisch berühmte Marradi auch etwas dern auch dem hier nachhaltigeren Lite- es auf der Festspielbroschüre unter Applaus rauscht auf, der italienische Familien hatten sich im grünen Lamone- Sahne vom Jubiläumskuchen haben. raturlokalgenius: Dino Campana, auch einem Schwarz-Weiß-Foto, das Licht am Kulturminister und der schärpenbe- Tal angesiedelt, das am verkehrsgünstig Riccardo Muti, der bei einem Freund bekannt als Italiens verrückter Dichter. Ausgang eines Tunnels verheißt. hängte Bürgermeister nicken beifällig. direkten Weg von Florenz nach Faenza, in der Nähe weilte, hatte von dem ver- Campana, 1885 in Marradi geboren, war Dantes Meisterwerk soll vor allem im KULTUR BEGINNT Die rot bewestete Banda popolare spielt Ravenna und zur Adriaküste liegt. Ihre gessenen Theaterchen gehört, das ver- eine Art Stiefel-Rimbaud, bipolar, aber September und Oktober für die traditio- mit viel Blechblaskraft die schmetternd- Paläste in den beiden Parallelstraßen des nachlässigt, zerbombt, wiederaufge- genial, der 1932 im Irrenhaus starb. Sei- nelle Trilogia d’Autunno variiert und NEU IN KLEINEN tänzerische Nationalhymne. Alles wie- historischen Zentrums künden noch da- baut, als Kino zweckentfremdet worden nen 1914 im Selbstverlag in 500er Auflage neu interpretiert werden – im Tanz, in der gut im uralten Kulturland, das sich von. Hier könnte auf seinem Weg ins war. Jetzt war er im Eröffnungskonzert mit nur 44 lokal eingeworbenen Subskri- der Musik, im Wort. Dafür stehen Na- DÖRFERN, IN eben nach dem zweiten langen Lock- Exil nach 1301 auch Dante Alighieri Stati- mit seinem Jugendorchester Luigi Che- benten veröffentlichten Zyklus der men wie Sergei Polunin, Johann Wolf- KLEINEN THEATERN, down wieder streckt? on gemacht haben, dessen 800. Todestag rubini zu Gast. Das hatte vorher noch in „Canti Orfici“, der „orphischen Gesän- gang von Goethe und Robert Schumann, Natürlich nicht. In Italien ist der igno- man landesweit in diesem Jahr begeht Bari zu spielen, kam aber, als Pro- ge“, widmete er als „Tragödie des letzten Elio Germano. Und Riccardo Muti will BEI JUNGEN LEUTEN rante Umgang mit der Kunst, vor allem und auf dessen zeitweilige Anwesenheit grammpunkt des von Mutis Frau be- Deutschen in Italien“ Kaiser Wilhelm II. weiter kämpfen, dass die vielen italieni- der darstellenden, seit Jahrzehnten eine fast jeder Ort in der Gegend Anspruch gründeten Ravenna Festival extra in den Nach dem Konzert tuckerten Minister schen Theater wieder öffnen. Dass eine nicht enden wollende Inszenierung – ir- erhebt. Nicht nur Ravenna, wo er begra- Appenin; mit Bach, Verdi und Mozart im und Musiker in dem betagten Dante-Zug Kulturlandschaft wiedergeboren wird. gendwo zwischen Tragödie und Komö- ben liegt und man die Gebeine erfolg- Gepäck. Auf das instrumentale Air aus RICCARDO MUTI weiter auf der hochsymbolischen Regio- Wann, wenn nicht nach Corona? © WELTN24 GmbH. Alle Rechte vorbehalten - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exclusiv über https://www.axelspringer-syndication.de/angebot/lizenzierung
9.6.2021 Mondtags "It's going to get worse" im Gorki | Inforadio Startseite > Programm > Kultur Mi 09.06.2021 | 06:55 | Kultur Mondtags "It's going to get worse" im Gorki Die Berliner Theater feiern gerade so etwas wie Ersan Mondtag-Festspiele: Innerhalb von zwei Wochen werden gleich drei Stücke des Regisseurs uraufgeführt, das zweite davon heißt "It's going to get worse" und war am Dienstag im Gorki Theater zu sehen. Von Ute Büsing Stand vom 09.06.2021 Beitrag hören https://www.inforadio.de/programm/schema/sendungen/kultur/202106/09/572972.html 1/1
9.6.2021 https://epaper.berliner-zeitung.de/webreader-v3/index.html#/937884/12-13 Mittwoch, 09. Juni 2021, Berliner Zeitung / Freier Eintritt ins Museum Wer war noch nicht in der James-Simon-Galerie auf der Museumsin‐ sel? dpa/Sören Stache INGEBORG RUTHE B erlins Stadtväter und -mütter haben sich Zeit gelassen mit dieser guten Nachricht. Es gab ein jahrelanges Für und Wider im Abgeordnetenhaus. Meist ging es ums Monetäre, um die Eintrittsgelder, die den Museen entgehen, wenn man freie Sonntage gewährt. So wie es andere Museen in europäischen Städten, London etwa, schon länger tun, zumindest für Dauerausstellungen. https://epaper.berliner-zeitung.de/webreader-v3/index.html#/937884/12-13 1/2
9.6.2021 https://epaper.berliner-zeitung.de/webreader-v3/index.html#/937884/12-13 Ein Jahr lang leistete das Württembergische Landesmuseum Stuttgart Pionierarbeit mit dem Testlauf. Nun folgt Berlin: Ab Sommer ist der Eintritt in den Museen der Stadt an jedem ersten Sonntag im Monat frei. Gratis sind der 4. Juli, 1. August, 5. September. 3. Oktober, 7. November und 5. Dezember. Der vielzitierte Bildungs- und Ästhetik-Auftrag der Museen wird konsequenter eingelöst für alle. Immerhin ist das ein Angebot für eine Menge Leute in Berlin, für die Museen nicht mehr elitär sein sollen, weil sie nicht einfach mal so locker das Eintrittsgeld über den Kassent‐ resen reichen können. Statistisch sind das 18 Prozent der Berliner Bevölkerung. „Die Berliner Museen sind für alle da“, heißt es in der eben bekannt gegebenen In‐ itiative des Landes Berlin, eine Kooperation mit den Beauftragten der Bundesregie‐ rung für Kultur und Medien und dem Landesverband der Museen. Land und Bund werden die Eintrittsgeld-Ausfälle kompensieren. Dafür wolle man mehr Menschen für das vielfältige kulturelle Angebot der Stadt begeistern, Familien und Freundes‐ kreise zu Entdeckungstouren in den 170 Museen Berlins einladen. Die Museumspädagogen der landeseigenen Kulturprojekte GmbH betonen, dass es aber nicht reicht, die Häuser an den eintrittsfreien Sonntagen nur aufzuschließen. Wichtig sind Vermittlungsprogramme etwa für Menschen, die auch wegen der Sprachbarriere sonst nie ins Museum gehen. Für Kinder und Jugendliche war der Eintritt schon immer gratis. Für viele allerdings erschöpfte sich das Museumserlebnis durch seltene, von Schule und Kindergarten organisierte Besuche. Aber nun können auch einmal im Monat die Erwachsenen gratis mitkommen – ein Gemeinschaftserlebnis. Als etwas, das bleibt, woraus Neugier und Lust wachsen auf das, was die Kulturen aus der Vergan‐ genheit bewahren. Damit wir wissen, woher wir kommen. Wer wir sind. Und wohin wir wollen. https://epaper.berliner-zeitung.de/webreader-v3/index.html#/937884/12-13 2/2
9.6.2021 https://epaper.tagesspiegel.de//webreader-v3/index.html#/476559/1 Mittwoch, 09.06.2021, Tagesspiegel / Titel Berlinale-Eröffnung Kultur ist seelenrelevant Von Christiane Peitz Kunst kommt von Feiern. Lange haben wir darauf verzichtet, mit dem Infekti- onsschutzgesetz schien auch diese Frühjahrssaison gelaufen zu sein. Die Kultur war auf null gesetzt, die Sehnsucht wurde umso größer. Wie groß, beweisen die im Nu ausverkauften Berlinale-Filme und der Run auf die Theater- und Konzerttickets, jetzt, wo die Künste wieder mitspielen dürfen. An diesem Mittwoch wird die Sommer- Berlinale eröffnet, in zahlreichen Open- Air-Kinos der Stadt. Die Nächte sind lau, bestimmt wird es ein Fest. Und alle gro- ßen Bühnen der Stadt laden zu neuen Stücken, alleine vier Musiktheater-Pre- mieren stehen am Wochenende ins Haus. In all den Lockdown-Monaten hat die Politik der Kultur durchaus unter die Arme gegriffen. Zwei Milliarden Euro für das „Neustart Kultur“-Programm des Bundes verdoppeln das Jahresbudget von Kulturstaatsministerin Monika Grüt- ters. Viele Hilfen lassen auf sich warten, aber gut, die Programme laufen bis Ende 2022. Anders als in Ländern ohne staatliche Subventionen, in den USA oder Großbritannien, sind die meisten Player deshalb noch da. Gleichzeitig gilt: Die Solisten, die Selbstständigen haben es verdammt schwer. Und in den hitzi- gen Bund- Länder-Runden spielte die Kultur kaum eine Rolle. Die erhebliche Einschränkung der im Grundgesetz verankerten Kunstfreiheit wurde im Parla- ment nicht mal erwähnt – anders als die Ausgangssperre. Das ist ärgerlich, weil Kunst eben nicht nur von Feiern kommt. Sondern auch von Nachdenken, vom Erkunden unserer selbst. Wenn die Kultur jetzt vielfach ins Freie geht, die Kunst aufs Feld, der Berlinale-Film unter den Sternenhimmel, ist das nur eine Übergangslösung. Denn die Kultur braucht Innenräume, intime Orte. Warum gehen wir ins Theater, hören Musik, gucken Filme? Weil wir dort wie im Brennglas erleben, was uns und die Welt im Innersten ausmacht. Weil wir Auf- regendes erfahren über die Liebe und die Gewalt, die Höhenflüge und die niede- ren Instinkte, die Schwächen, die Schmerzen, die Macht, die Einsamkeit. Das, https://epaper.tagesspiegel.de//webreader-v3/index.html#/476559/1 1/2
9.6.2021 https://epaper.tagesspiegel.de//webreader-v3/index.html#/476559/1 was nicht zu fassen ist, was sich nicht auf Slogans und Schlagzeilen verkürzen lässt. Die Politik hat all das wohl im Hinterkopf, kann es aber nicht auf ihrer Agenda verhandeln. Deshalb ist Kultur kein Sahnehäubchen, sie beschränkt sich nicht auf Freizeitgestaltung. Kunst mag nicht systemrelevant sein, sie ist aber seelen- relevant. Und was wären die „Systeme“ ohne ihre Beseelung durch die Visionen, Bedürfnisse und Taten der Menschen. Das Nachdenken über die eigene Relevanz hat der Kultur dabei nicht geschadet. Wer sind wir ohne die Zuschauer, beim Drehen ohne Filmstart, beim Proben ohne Premiere?, fragten sich viele. Kunst ist kein Selbstzweck: Mehr Publi- kumsnähe wagen, niedrigschwelliger werden, nachhaltiger, sich öffnen auch für die Digital Natives – das dürfen keine frommen Vorsätze bleiben. Vor allem nicht bei den staatlichen Institutionen. Wobei die größte Herausforderung noch bevorsteht, wenn sich die darbenden Kommunen nach der Krise zu Kulturkürzungen gezwungen sehen – es deutet sich schon an. Die Rückkehr zum Regelbetrieb, überhaupt zum „Betrieb“, kann nur ein Anfang sein. Mehr Marktgängigkeit, mehr Mainstream ist erst recht keine Lösung, denn die Verengung auf das Gefällige geht auf Kosten der Vielfalt und des Nachwuchses. Sie wäre ein Verrat an der Sehnsucht, am Glücksverspre- chen dieser Sommer-Berlinale. https://epaper.tagesspiegel.de//webreader-v3/index.html#/476559/1 2/2
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