Ein Quantensprung für empfindliche Haut: 3D-Bioprint-Gewebemodell könnte Entwicklung maßgeschneiderter kosmetischer Inhaltsstoffe vorantreiben
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content 4 4/22 | 148. Jahrgang | Thannhausen, 13. April 2022 Ein Quantensprung für empfindliche Haut: 3D-Bioprint-Gewebemodell könnte Entwicklung maßgeschneiderter 04 2022 Haarpflege Tensegrity: ein neues Konzept für Haar und Kopfhaut kosmetischer Inhaltsstoffe vorantreiben deutsch Die unsichtbare Gefahr für Kopfhaut und Haar Eine gesunde Kopfhaut für gesundes Haar: neue Routinen & Ansprüche Interview mit Colin McGuckin, Geschäftsführer & Chief Scientific Officer bei CTIBIOTECH Glasreiniger Naturkosmetik Empfehlungen zur Qualitätsbewertung von Glasreinigungsmitteln / Glasreinigern Tone: neue multifunktionelle Naturkosmetika CTone: und und nachhaltige Wirkstoffe Lackkonservierer Sébastien Cadau, Empfehlungen zur Qualitätsbewertung für Lackpflegemittel für Fahrzeuge Teil 2: Lackkonservierer Spezialist für Zellkultur und Tissue Engineering bei BASF U1_2204_EN_DE_Selected.indd 1 05.04.2022 04:23 SOFW Journal 04/22 | 148 Jahrgang | Thannhausen, 13. April 2022
Interview Ein Quantensprung für empfindliche Haut: 3D-Bioprint-Gewebemodell könnte Entwicklung maßgeschneiderter kosmetischer Inhaltsstoffe vorantreiben Interview mit Colin McGuckin, Geschäftsführer & Chief Scientific Officer bei CTIBIOTECH und Sébastien Cadau, Spezialist für Zellkultur und Tissue Engineering bei BASF 3D-Gewebemodelle sind ein hoch effektives Hilfsmittel, die Immunfunktion im Modell möglichst gleichmäßig zu verteilen um Kosmetikprodukte für die Anwendung in der Hautpfle- und zweitens, um das Modell für die industrielle Nutzung vielfach ge schnell und zuverlässig zu testen. CTIBIOTECH und BASF reproduzierbar zu machen. Wir können mehr als 100 Modelle pro haben in den vergangenen Jahren gemeinsam bedeutende Stunde drucken. Das bietet Chemieunternehmen viele Möglichkei- Fortschritte in diesem Bereich gemacht. Kürzlich haben die ten, ihre Produkte zu testen. Die Kombination aus fortschrittlicher beiden Unternehmen ihr Know-how gebündelt, um ein Im- Technik und Biomedizin ist die Zukunft! mun-Hautmodell mit menschlichen Makrophagen zu entwi- ckeln. Dieses eignet sich für die Untersuchung von Medika- Wie hilft Ihnen dieses Hautmodell, innovative Wirkstoffe menten und kosmetischen Inhaltsstoffen für normale und zu entwickeln, die in Hautpflegeprodukten genutzt werden entzündete Haut. Colin McGuckin, Geschäftsführer und Chief können? Scientific Officer bei CTIBIOTECH, und Sébastien Cadau, Spe- Cadau: Das 3D-Modell bietet uns ein leistungsstarkes Instrument, zialist für Zellkultur und Tissue Engineering bei BASF, gewäh- mit dem wir die Funktion von Makrophagen in einer vollständig re- ren Einblicke in ihre Forschungsergebnisse. konstruierten Haut untersuchen können. Im Vergleich zu aktuellen in-vitro-Methoden ermöglicht es eine Analyse, die die menschliche Sie haben das weltweit erste im 3D-Bioprint-Verfahren her- Physiologie besser widerspiegelt. Makrophagen wird eine Schlüssel- gestellte Immun-Hautmodell in Originalgröße entwickelt, rolle bei der Immunfunktion der Haut zuteil. Das im Biodruck herge- das menschliche Makrophagen enthält. Wie kam es dazu? stellte Gewebe kann uns deshalb dabei helfen, effiziente Produkte McGuckin: Die Haut ist unsere erste Verteidigungslinie gegen Bak- zu entwickeln, die dazu beitragen, die Hautgesundheit zu fördern terien und Viren, mit denen wir täglich in Berührung kommen. Ohne oder wiederherzustellen, indem sie den chronischen Entzündungs- die Immunfunktion der Haut würden wir nicht sehr lange überleben. kreislauf unterbrechen. Das empfindliche Gleichgewicht der Haut kann jedoch leicht gestört werden und zu Hautreizungen wie atopischer Dermatitis und Akne Unter Verbraucherinnen und Verbrauchern steigt die Nachfrage führen. Wir glauben, dass hochentwickelte Modelle für das Testen nach Inhaltsstoffen, die die Haut beruhigen. Sie suchen insbe- und Screening neuartiger Chemikalien und Kosmetika erforderlich sondere nach Kosmetika, die Umweltfaktoren entgegenwirken sind. Wir haben unser Modell entwickelt, – etwa stressigen urbanen Lebensbe- um einen genaueren Einblick in die Art dingungen, Exposition gegenüber und Weise zu erhalten, wie Produkte auf schädigenden Lichtarten oder extremen der Haut reagieren. So können später Pro- Temperaturen. Und sie wünschen sich bleme bei der Anwendung an Menschen dermokosmetische Produkte, die dabei vermieden und neue Wege gefunden helfen, reaktive und empfindliche Haut werden, zu einer Minderung von Reaktio- zu stärken. nen empfindlicher Haut beizutragen. „Im Vergleich zu aktuellen in-vi- Wie funktioniert das Modell? tro-Methoden ist die mit CTIBIO- McGuckin: Wir haben ein Vollhautmo- TECH entwickelte immunologische dell entwickelt, dem wir eine Vielzahl Bioprint-Haut ein echter Fortschritt menschlicher Makrophagen hinzugefügt bei der Analyse der Immunfunk- haben – eine der wichtigsten infektions- tion der Haut.” abwehrenden Fresszellen in der Haut. Das Modell wurde aus zwei Gründen mithilfe Fig. 1 3D bioprinted skin models maturing Sébastien Cadau in 12-well plates. © CTIBIOTECH von 3D-Biodruck hergestellt: erstens, um 2 sofwjournal | 148 | 04/22
Interview Sébastien Cadau Welche Ergebnisse haben Sie bisher erzielt? Spezialist für Zellkultur Cadau: Die Makrophagen in unseren Modellen erreichen einen ge- und Tissue Engineering eigneten Reifegrad, was durch ihre spezifische Zytokin-Freisetzung BASF Beauty Care während der Belastungsphasen in unseren Experimenten mit gu- Solutions tem Ansprechen auf Lipopolysaccharid und Dexamethason gezeigt Sébastien Cadau hat ei- wurde. nen Master-Abschluss in Darüber hinaus brachte die Zusammenführung von Biodruck-Tech- Biologie und einen Dok- nologie und moderner Partikel-Durchflusszytometrie besondere tortitel in Entwicklung und Vorteile bei Reproduzierbarkeit und Schnelligkeit der Tests. Onkologie von der Univer- Dank der Kombination dieser beiden Technologien ist es möglich, sität Joseph Fournier (Gre- viele dieser Modelle in wenigen Stunden zu drucken, um sie in drei noble, Frankreich). Wochen reifen zu lassen und anschließend analysieren zu können. Nach einem Postdoc im Bereich Tissue Engineering zur Ent- Das lässt auf automatisierte Untersuchungen mit immunisierten wicklung eines innervierten und endothelialisierten Haut- Hautäquivalenten hoffen. modells am LOEX der Universität Laval (Quebec, Kanada) Das Modell ist auf großes Interesse in der Kosmetikindustrie ge- trat er in das Forschungsteam von BASF Beauty Care So- lutions ein, um die Tissue-Engineering-Plattform zu leiten, stoßen, als wir es 2020 in einem Vortrag auf dem IFSCC-Kongress das Hautmodell-Portfolio aufzubauen und die Wirksamkeit präsentiert haben. Zudem haben wir den „Henry Maso Award“ für neuer kosmetischer Inhaltsstoffe zu bewerten. diese Veröffentlichung erhalten. Wie geht es jetzt weiter? McGuckin: Makrophagen weisen ein hohes Maß an Plastizität Colin McGuckin auf, wodurch Entzündungen gefördert oder unterdrückt werden, Geschäftsführer und um die Homöostase der Haut aufrechtzuerhalten. Das im aktuellen Chief Scientific Officer Modell verwendete Protokoll ermöglicht dank der beobachteten CTIBIOTECH funktionellen Makrophagen-Subpopulation „M1“ eine perfekte Colin McGuckin war der ers- Beurteilung der ersten proinflammatorischen Phase. Außerdem te ordentliche Professor für wurde dieses Modell bereits weiterentwickelt, um die Phagozytose regenerative Medizin im Ver- nach bakterieller Exposition zu messen, was zu vielversprechenden einigten Königreich, bevor er CTIBIOTECH gründete, mit Ergebnissen geführt hat. dem Ziel, nicht nur organ- Das sind große Erfolge, aber wir wollen noch einen Schritt weiter basierte Modelle für das gehen. Um die Regenerationsphase nach der Entzündung besser Screening von Arzneimitteln untersuchen zu können, arbeiten wir derzeit an Optimierungen und Wirksamkeitstests zu entwickeln, sondern auch Zell- und des Protokolls, um die entzündungshemmende Immunreaktion der Organtherapien der Zukunft zu schaffen. fragileren Makrophagen-Subpopulation „M2“ zu verbessern. Von einem hämatologischen/onkologischen Hintergrund kom- mend, erweiterte sich seine Arbeit in den 1990er Jahren auf „Wir bei CTIBIOTECH sind stolz darauf, mit BASF zusam- Stammzellen, und seine akademische Gruppe war weltweit die menzuarbeiten, und mit Sicherheit werden weitere In- erste, die Nerven- und Lebergewebe aus adulten Stammzellen novationen in der Hautbiologie folgen: Mikrobiota und herstellte. Heute ist CTIBIOTECH führend auf dem Gebiet der Schädigungen der Haut durch Verschmutzung stehen 3D-Bioprinting-Modelle des menschlichen Körpers, mit großem Erfolg bei komplexen Haut-, Tumor- und Lebersystemen. ganz oben auf unserer Liste.“ Colin McGuckin BASF und CTIBIOTECH haben ihre Zusammenarbeit 2011 be- die Talgproduktion, indem er die Proliferation von Sebozyten in den gonnen. An welchen anderen Projekten haben Sie gemein- Talgdrüsen hemmt. Ergebnisse wie diese zeigen das große Potenzial sam gearbeitet? des 3D-Biodrucks für die Forschung und Entwicklung von Inhalts- Cadau: Wir haben erfolgreich ein von CTIBIOTECH entwickeltes 3D- stoffen für Kosmetika. Modell der menschlichen Talgdrüse verwendet, um physiologischen Talg ex vivo in einer Langzeitkultur herzustellen. So konnten wir die Funktion von Talgdrüsen im Zusammenhang mit einer Reihe von al- www.basf.com tersbedingten, mikrobiellen und entzündlichen Hauterkrankungen www.carecreations.basf.com untersuchen. Diese Technologie hat maßgeblich zur Entwicklung www.ctibiotech.com unseres innovativen Wirkstoffs Bix’Activ® beigetragen. Er reduziert 04/22 | 148 | sofwjournal 3
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