EMOTIONALE INTELLIGENZ IN DER KRISE - VOM UMGANG MIT DER ANGST - Carpe Viam ...
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CORONA – FÜHRUNG IN DER KRISE?! VOM UMGANG MIT DER ANGST EMOTIONALE INTELLIGENZ IN DER KRISE Als Ersatz für – durch Corona – ausgefallene Veranstaltungen organisierte die Regionalgruppe Düs- seldorf des DFK – Verband für Fach- und Führungskräfte am 22. April 2020 mit Dr. Anja Henke, Ge- schäftsführerin der Carpe Viam GmbH, ein Webinar zum Thema Angst. Unter dem Titel „Vom Umgang mit der Angst – Emotionale Intelligenz in der Krise“ haben über 120 Teilnehmer*innen die virtuelle Ver- anstaltung der RG verfolgt. Per Podcast und Video (siehe Kasten) lässt sich dieses Webinar nachver- folgen. Dr. Anja Henke fasst in diesem Artikel ihren Vortrag noch einmal zusammen. Emotionen bewegen uns Menschen zutiefst Emotionen sind in der Lage, die höchsten Höhen und die tiefsten Tiefen in uns Menschen auszuloten. Denn Emo- tionen sind das, was uns zutiefst bewegt. Gedanken an Mutter Theresa auf der einen Seite oder an Hass, Neid, Krieg und Terror auf der anderen Seite sind direkt da- mit verbunden. Zu den Emotionen gehört die Angst, die ganz alltäglich präsent ist. Gerade in der Zeit der Krise kann die Angst schädlicher sein als das Virus. Den Emotionen kann man sich auf verschiedenen We- gen nähern, etwa über die Historie, die Anatomie oder mit Hilfe von verschiedenen Modellen, natürlich auch mit Grundlagen für die tägliche Praxis in der Führung. Emotionen haben einen schlechten Ruf Grundsätzlich haben Emotionen im Business einen © Henke schlechten Ruf. Das ist so, obwohl die Angst allgegen- wärtig ist, Energie bindet und das Verhalten prägt. Angst kann bis zur Paralyse führen, wenn der Blick auf Dr. Anja Henke Risiken immer enger wird. In den Unternehmen kann das den Niedergang bedeuten. Auf der anderen Seite eröffnet Angst Chancen für Kreativität, neue Lösungen Wer das kann, der kann auch andere dabei unterstüt- und Businessmodelle. Beide Seiten lassen sich in der zen und Unternehmen zu mehr Wachstum und Innova- Zeit der Coronavirus-Krise beobachten. tion führen. „Die ganze Welt ist voll armer Teufel, denen mehr oder we- Fürchtet euch nicht! niger Angst ist.“ – Johann Wolfgang von Goethe Die Angst ist keine Erfindung der Neuzeit, sondern be- gleitet uns schon sehr lange, mehr als die rund 2.000 bi- Gerade der Umgang mit der Angst ist wichtig, weil diese blischen Jahre. Die Aufforderung „Fürchtet euch nicht!“ Emotion selten dazu angetan ist, das Beste und Größte ist ein Zitat, das in der Bibel häufig vorkommt. Damals aus uns hervorzubringen. Denn man möchte gut daste- gab es Seuchen, Krieg, Krankheit, ein kurzes Leben. hen, sich nicht blamieren, alles richtig ma- Jetzt haben wir wieder eine Seuche, chen, nicht durch Fehler auffallen und sich das Coronavirus. selbst schützen. Wie viele große Visionen und Ideen bleiben schöne Gedanken, nur Dachten wir Menschen bislang, wir hät- aus Sorge davor, was die anderen denken ten die Kontrolle über das Leben und könnten? Das sind allesamt Verhaltens- unser Umfeld, so zeigt uns dieses klei- weisen, die aus der Angst hervorgehen ne Coronavirus, dass das nicht so ist. und alltäglich, gar normal sind. Diese Erkenntnis erzeugt Angst. Damit sind wird dort, wo die Bibel Trost spen- Doch die Angst muss kein Hemmschuh den will, bei Leben und Tod. Der Tod ist sein, denn sie lässt sich produktiv nutzen. ein Tabu in unserer Gesellschaft. Das PERSPEKTIVEN 5-6 / 2020 21
CORONA – FÜHRUNG IN DER KRISE?! ändert sich gerade, wenn auch langsam. So ist diese Die Angst ist ein Überlebensmechanismus Zeit der Coronavirus-Krise eine Einladung, tiefer zu ge- Für den Umgang mit der Angst stehen uns Menschen hen. Denn Leben und Tod betreffen uns alle als Mensch zwei grundsätzlich unterschiedliche Reaktionswege existenziell. zur Verfügung, die direkte Reiz-Reaktion und die be- dachte Reiz-Reflexion-Reaktion. Die Anatomie der Emotionen – und der Angst Zurück zu einem sachlichen Thema, der Anatomie der 1. Direkte Reiz-Reaktion. In grauer Vorzeit hatte die Angst. Denn das Gefühl der Angst wird von unserem Angst eine klare Überlebensfunktion. Wenn ein Sä- Gehirn gesteuert. das Gehirn hat drei grundsätzliche belzahntiger im Angriffsmodus ist, ist es gut weg- Regionen, die ein unterschiedliches evolutionäres Alter zulaufen. Da braucht es keine Reflexion über eine haben: Das Stammhirn, das limbische System und den angemessene Reaktion. Auf den Reiz folgt direkt die Neocortex. Hier ein kurzer Überblick. Reaktion. Daniel Goleman, der die emotionale Intelli- genz im Business salonfähig gemacht hat, bezeich- Stammhirn. Das Stammhirn ist der älteste Teil des Ge- net diesen Weg als „Amygdala Hijack“. Das ist auch hirns und für lebenswichtige Funktionen zuständig, heute noch wichtig, etwa wenn auf der Autobahn der etwa das Atmen und das Aufrechterhalten der Körper- Vordermann ein unerwartetes Manöver hinlegt. Die- temperatur. Es ist gut, dass wir nicht darüber nachden- se direkte Reizreaktion ist also weiter wichtig, doch ken müssen. nicht der einzige Weg, der uns zur Verfügung steht. Limbisches System. Das limbische System ist für das 2. Bedachte Reiz-Reflexion-Reaktion. Gerade das un- Kurzzeitgedächtnis und die Verarbeitung von Emotio- bekannte Coronavirus erfordert eine Reaktion mit nen zuständig. Hier liegt die Amygdala, der Mandelkern. Bedacht. Hier gibt es den auslösenden Reiz natürlich Werden Erfahrungen mit Angst gemacht, so bleiben die- nach wie vor, doch auch einen Schritt vor der Reaktion. se immer mit negativen Emotionen verknüpft. Für viele Für diesen Schritt ist der Neocortex zuständig, der Menschen gilt das für das Lernen. Immer, wenn es um jüngste Teil des Gehirns mit der Fähigkeit zur Refle- das Lernen geht, kommt dann die Emotion der Angst xion. Damit können wir Menschen bedenken, was eine mit an die Oberfläche. Das hat gravierende Auswirkun- angemessene Reaktion auf den auslösenden Reiz ist. gen, auch in den Unternehmen. In der Coronavirus-Krise haben manche Länder lange ge- Neocortex. Der dritte Teil des Gehirns, den wir hier be- wartet und nichts unternommen. Auch in Deutschland trachten, ist der Neocortex, der evolutionär jüngste Teil hat es einige Wochen gedauert, bis der Shutdown kam. des Gehirns. Hier finden das Denken und Reflektieren, Das illustriert den Prozess des Reagierens mit Bedacht. das Kreative und Entwickeln von Ideen statt. Dieser Teil des Gehirns spielt eine wichtige Rolle beim konstrukti- Die Herausforderung des Weges Reiz-Reflexion-Reak- ven Umgang mit der Angst. tion liegt darin, dass der Auslöser länger bestehen kann. Dann erfolgen weitere Reaktionen des Körpers, die Aus- schüttung von Adrenalin und Cortisol. Das dient dazu, Reaktionsbereitschaft zu sichern, etwa flaches Atmen, Herunterfahren des Denkens zugunsten des Tunnel- blicks, generelle Anspannung bis hin zu Schlafstörun- gen. Das sind Phänomene, die nicht auf die Zeit der Co- ronavirus-Krise beschränkt sind, sondern die fast alle Menschen kennen. Denn gerade im Business gibt es viel Unsicherheit und Stress, sei es durch Digitalisierung, Restrukturierung oder die Führungsaufgaben. Daher ist es wichtig, für Entspannung und den Abbau der Stress- hormone zu sorgen. Das können Sport, Yoga, Meditation oder Gespräche sein, je nach persönlicher Präferenz. stock.adobe.com ©quickshooting Auslöser der Angst in der Krise In der aktuellen Coronavirus-Krise gibt es verschiede- ne Auslöser für Angst, mit denen wir schon lange kon- frontiert sind und dies auch weiter sein werden. Diese Auslöser betreffen uns Menschen auf unterschiedliche Weise, denn wir alle haben unsere ganz eigenen „Trig- Das Gefühl der Angst wird von unserem Gehirn gesteuert gerpunkte“. 22 PERSPEKTIVEN 5-6 / 2020
CORONA – FÜHRUNG IN DER KRISE?! 1. Körperliche Gesundheit. Zunächst stehen wir mit- ten in einer Gesundheitskrise mit der Angst um die eigene Gesundheit und die unserer Familie wie auch von Freuden. Weiter stellt sich die Frage, ob unser Ge- sundheitssystem den Anforderungen standhält 2. Mentale Gesundheit. Die Krise der Gesundheit er- greift auch den mentalen Bereich, denn die erzwun- gene Distanz bewirkt Veränderungen. Viele Menschen sind komplett allein. In den Familien gibt es Stress, weil die Konflikte massiv auf den Tisch kommen. Ver- Unsplash © m-t-elgassier mutlich werden uns diese Themen in den Wochen und Monaten nach der Krise sehr beschäftigen, denn wir müssen dann ein neues Miteinander lernen. 3. Finanzen. Natürlich gibt es massive finanzielle Ängs- te durch den Verlust der Umsätze und Arbeitsplätze Die Angst negieren und kompensieren ist jedoch gefährlich, in den Unternehmen, auch durch den Verlust von Ver- denn sie hat einen Zweck mögen und Altersversorgung. Die Frage, wie es nach der Krise weitergeht, ist existenziell. diesen Tagen viele Netflix oder nutzen Computerspiele oder lenken sich auf sonstige Arten ab. 4. Umfeld und Umwelt. Darüber hinaus erleben wir Um- feld- und Systemkrisen, hier beispielhaft aufgezeigt. Negieren und Kompensieren sind jedoch gefährlich, Die Strategien vieler Unternehmen waren so stark auf denn Angst hat einen Zweck. Sie liefert uns ein Signal, Effizienz ausgerichtet, dass die Resilienz in der Krise in der Essenz ein Signal, das unser Überleben sichert. gering ist. So bleibt oft nur die Kosteneinsparung. Der Wenn wir jedoch sagen: „Nein, liebe Angst, ich will dich Staat sorgt für viel Geld, doch wer wird am Ende die nicht!“, dann ist das in etwa so, als würde ein Postbote Rechnungen begleichen? Die Umweltkrise ist weiterhin vor der Tür stehen und sagen: „Ich habe eine Botschaft, vorhanden, nur Stück weit in den Hintergrund gerückt. eine wichtige Botschaft. Wollen Sie sie haben?“ Wir sa- gen aber: „Nein, ich bin nicht zuhause. Ich möchte diese Unter dem Strich dominieren aktuell zum einen die Botschaft nicht.“ So versperren wir mit der Angst auch Angst um die Gesundheit und zum anderen die Angst der Botschaft die Tür und können den Wert darin nicht um die (finanzielle) Zukunft. erkennen. Vom produktiven Umgang mit der Angst EInen Mitschnitt des Webinars Oft braucht es Krisen, wie jetzt Coronavirus-Krise oder als Podcast finden Sie auf der auch eine persönliche Krise, um wirklich „Ja“ zu sa- DFK-Seite unter diesem LINK: gen und hinzuschauen. Was ist das für eine Botschaft, www.die-fuehrungskraefte.de/ services/dfk-podcast/ die mir diese Emotion der Angst übermitteln möchte? Sobald das gelingt, lässt sich die Angst in ganz prakti- Mit dem Mobilgerät diesen sches Handeln übersetzen. QR-Code scannen. So gelangen Sie d irekt auf die Website. Wenn wir genauer auf die Angst schauen, gibt es eine sehr interessante Erkenntnis: Die Angst hat einen Coun- Vom unproduktiven Umgang mit der Angst terpart, eine andere Seite: den Enthusiasmus. Denn Es gibt einen tief eingeschliffenen Mechanismus, mit Emotionen sind wie zwei Seiten einer Medaille. Die eine dem die meisten Menschen auf Angst reagieren. Die Seite ist negativ und die andere Seite positiv bewertet. Kurzform ist: „Nein, ich doch nicht. Ich habe keine Beide Emotionen, Angst und Enthusiasmus, haben mit Angst!“ Wenn man heute fragt, wie es denn so geht, der Zukunft zu tun. Die Angst weist darauf hin, dass et- kommt die Antwort: „Es ist alles okay.“ In den Unter- was Wichtiges im Risiko steht, das in der Zukunft pas- nehmen hört man nur die Erfolgsgeschichten. Das ist sieren könnte. Der Enthusiasmus weist darauf hin, dass natürlich nur ein Teil der Wahrheit und negiert die Kraft in der Zukunft etwas Schönes passieren kann. So ist die der Emotionen. So gibt es als logische Folge eine Menge Angst ein Botschafter, der uns auf ein Risiko hinweist. an Kompensationsmechanismen, um die Angst nicht Der Enthusiasmus weist auf eine Chance hin. Wer die zu spüren. Im Business ist es sehr opportun und an- Angst – und den Enthusiasmus – so betrachtet, kann erkannt, einfach mehr zu arbeiten. Privat schauen in die Emotion direkt in das Handeln übersetzen. PERSPEKTIVEN 5-6 / 2020 23
CORONA – FÜHRUNG IN DER KRISE?! unterschiedlich sozialisiert. Das sind viel bemühte Ste- reotype, doch man weiß heute auch, dass die Gehirn- strukturen von Männern und Frauen unterschiedlich sind. So haben Frauen beispielsweise mehr Nervenver- bindungen für Kommunikation als Männer. Beim Umgang mit der Angst neigen Männer zu einer Unsplash © matt-cannon lösungsorientierten Strategie und wollen direkt etwas tun. Die Gefahr dabei ist, dass das ursprüngliche Prob- lem übersehen wird, so dass das Handeln nicht zielfüh- rend ist. Frauen dagegen neigen beim Umgang mit der Angst zu einer problemorientierten Strategie. Sie reflek- Der Enthusiasmus weist darauf hin, dass in der Zukunft etwas tieren, schauen von allen Seiten und wollen der Sache Schönes passieren kann auf den Grund gehen. Die Gefahr dabei ist, dass es lange dauern kann, bis das Handeln folgt. Die Coronavirus-Krise ist ein Beispiel für große Risi- ken. Die Risiken werden bewertet und Maßnahmen er- Es ist nicht so, dass der eine Ansatz besser oder griffen, um diese zu minimieren. Das gilt genauso auf schlechter als der andere ist. Beide Wege sind erforder- der anderen Seite. Da sind Chancen, Möglichkeiten und lich, um zu guten Lösungen zu gelangen. Grundsätzlich Potenziale. Was ist zu tun, um diese zu sichern? Beide gilt jedoch, dass Männer eher auf einen Zugang zu den Seiten sind von hoher Relevanz und sollten gleicherma- Emotionen achten und etwas mehr Wert auf Reflexion ßen genutzt werden. legen sollten, bevor sie ins Handeln gehen. Das ist gera- de heute wichtig, wo viele Veränderungen immer wieder Zusammengefasst sind folgende Punkte wichtig: Emo- zu Angst und Unsicherheit führen und wo die männli- tionen treten paarweise auf, wie zwei Seiten einer Me- chen Strategien als überlegen wahrgenommen werden. daille. Wer die eine Seite nicht haben möchte, der wird auch von der anderen Seite weniger haben. Der emo- Wie Sie emotionale Intelligenz aufbauen tionale Aktionsradius wird dann immer enger. Wer die Heute sind wir als Individuen kaum darin trainiert, Emo- Angst nicht haben möchte, verpasst darüber hinaus die tionen wahrzunehmen und konstruktiv für das Verhal- wichtige Botschaft, die dadrin verborgen ist: Maßnah- ten zu nutzen. Daher gibt es für die Stärkung von emo- men ergreifen, um Risiken zu minimieren und Chancen tionaler Intelligenz fünf klare Schritte, drei im Innen und zu maximieren. zwei im Außen. 1. Selbstbewusstheit. Der erste Schritt hat nichts mit EIn Video des Webinars finden Selbstbewusstsein zu tun, sondern „sich seiner Sie im Kanal des DFK auf selbst bewusst zu sein“. Dazu gehören Reflexion und Youtube unter diesem LINK: Selbstwahrnehmung. cutt.ly/zybYLjg Mit dem Mobilgerät diesen 2. Selbststeuerung. Der zweite Schritt umfasst die Re- QR-Code scannen. So gelangen flexion, die zwischen Reiz und Reaktion liegt. Das be- Sie d irekt auf die Website. deutet, einen Punkt des Bedenkens einzubauen, um dann eine adäquate Reaktion zu wählen. Für die Unternehmen heißt das in Zeiten der Coronavi- 3. Selbstmotivation. Der dritte Schritt stellt die Fragen: rus-Krise ganz konkret Liquidität sichern, Mitarbeiter „Wofür stehe ich gerne auf? Was treibt mich an? Was halten, Kurzarbeit umsetzen, aber auch auf Chancen erfüllt mich mit Begeisterung?“ Es ist wichtig, das schauen und Strategien für die Zukunft entwickeln. Das zu finden, was uns als Individuum begeistert, um gilt in gleicher Weise auf der individuellen Ebene. Was Träume und Visionen zu leben. Das gilt gerade im Ge- kann ich tun, um mein Risiko der Erkrankung zu redu- schäftsleben, wo wir viel unserer Zeit verbringen. zieren, etwa indem ich mein Immunsystem stärke? Vielleicht bringe ich sogar meine Gesundheit auf ein 4. Empathie. Der vierte und damit erste Schritt im Au- neues Level. ßen ist die Empathie, die Fähigkeit zu fühlen, wie es anderen geht. Dafür ist es wichtig, die eigene emotio- Männer und Frauen und Angst nale Welt zu kennen, um dann nicht nur sich selbst, Der Umgang mit der Angst unterscheidet sich bei Män- sondern auch andere Menschen in ihrer Emotionali- nern und Frauen, denn diese sind in Sachen Emotionen tät wahrzunehmen. 24 PERSPEKTIVEN 5-6 / 2020
CORONA – FÜHRUNG IN DER KRISE?! 5. Soziale Kompetenz. Der fünfte Schritt basiert auf die Fundamente der Strategie anzusehen. Was sind die der Empathie, denn hier geht es darum, andere Men- Beweggründe, Maßnahmen zu ergreifen – oder eben schen beim Umgang mit den Emotionen zu stärken. nicht? Gerade bei der Umsetzung von Veränderungen, Andere Menschen für adäquate Reaktionen auf Emo- dem Change Management, spielen Emotionen eine tionen wie die Angst zu unterstützen ist eine wichti- zentrale Rolle. Daher ist eine tiefe und ehrliche Analyse ge Aufgabe in der Führung. erforderlich, gerade bei den Führungskräften, in deren Händen die Strategien liegen. Hier zeigt sich deutlich, dass ein Verständ- nis der eigenen Emotionen ein tragendes Eine solche Analyse ist gerade jetzt wich- Fundament für gute Führung ist. Gerade tig, weil sich durch die Coronavirus-Krise hier gilt das Grundprinzip, was wir im Flug- auch viele Chancen bieten. Es ist Zeit zum zeug hören: „Setzen Sie sich selbst Ihre Nachdenken und zum Entwickeln neuer Sauerstoffmaske auf, bevor Sie anderen Wachstumsstrategien vorhanden, zum helfen.“ Blick auf die vorhandenen Potenziale und darauf, wie diese sich nutzen lassen. Wie Emotionale Intelligenz in der Führung lässt sich das Geschäft ausbauen, über In- In der Coronavirus-Krise gibt es viele novation in Produkten, Services und Ge- Ängste. Viele davon sind schon lange schäftsmodellen? Wie lassen sich neue vorhanden, da die Welt sich rasant ver- Geschäftsfelder erobern? Mit klaren Ant- ändert. Angst erzeugt Stress. Stress wiederum zeigt worten auf diese Fragen kann das Unternehmen ge- sich in individuellen Mustern, den sogenannten Stress- stärkt aus der Krise hervorgehen. mustern. Diese lassen sich auf die individuellen Präfe- renzen zurückführen, greifbar beispielsweise mit dem Ratio und Emotion für lebenswerte Lösungen verbinden DISG-Modell. Jede Persönlichkeit hat ihre ganz eigenen Heute leben wir in einer Welt, in der die Ratio dominiert. Stressmuster, seien es Angriff, Rückzug, Rationalisie- Die Emotionen, die Emotionalität, die gesamten so- ren oder Ablenken. Diese sind weder gut noch schlecht, genannten „soften Faktoren“ genießen einen weitaus sie sind schlicht unterschiedlich. Wenn Stressmuster geringeren Stellenwert, werden sogar oft zur Seite ge- auftauchen, sind diese kein persönlicher Affront gegen schoben. Dabei liegen genau hier die Quellen für Krea- die Führungskraft; es handelt sich vielmehr um Mecha- tivität und Innovation, für Pioniergeist und mutige Füh- nismen, um mit den eigenen Emotionen, mit der Angst, rung. irgendwie umzugehen. Diese Zeit der Coronavirus-Krise bietet uns allen die Für Führungskräfte ist es äußerst hilfreich, Stressmus- einmalige Chance, Ratio und Emotion nebeneinander ter zu erkennen. Denn dann ist eine adäquate Reaktion zu stellen, zu verbinden. Denn Zahlen, die Ergebnisse in möglich, um den betroffenen Menschen ein Stück weit den Unternehmen, werden von Menschen gemacht, mit aus der Emotion herauszuhelfen. Dieser Themenkom- allen dazugehörigen Emotionen und Denkweisen. Das plex eignet sich für die individuelle Vertiefung und Wei- Nebeneinander von Ratio und Emotion wäre zugleich terentwicklung der Führungskompetenzen. ein Nebeneinander des männlichen und weiblichen Prinzips. Emotionale Intelligenz und Unternehmenswachstum Auch für die Ausrichtung und Strategien von Unterneh- Denn eines ist sicher: Für die Herausforderungen der men sind Emotionen ein treibender Faktor, gerade die Zukunft benötigen wir alle Ressourcen und Strategien, Angst. Zwar hat Deutschland seine Hidden Champions. um gute und lebenswerte Lösungen zu finden und Dennoch finden wir hierzulande viele Unternehmen vor, durch das Wachstum der Unternehmen unseren Wohl- die wachstumsschwach sind, oft sogar innovations- und stand zu sichern. digitalisierungsschwach. Zahlreiche Studien belegen das, gerade wenn man die Automobilbranche ausklammert. Kontakt: a.henke@carpeviam.com Es gibt den Begriff der „German Angst“. Aus anderen Ländern schaut man verwundert darauf, dass ein Über die Autorin starkes Land wie Deutschland mit einem enormen Dr. Anja Henke ist Geschäftsführerin der Carpe Viam Potenzial in der Angst gefangen ist. So sind heute viele GmbH in Düsseldorf. Mit ihrem Team berät die Natur- Strategien auf Mittelmaß ausgerichtet und bestenfalls wissenschaftlerin Konzerne und Mittelstand zu Um- zum Mitschwimmen geeignet. Ursächlich ist die Angst satz- und Ertragswachstum, Innovation und Markt- vor den Unsicherheiten der Zukunft und die Angst vor führerschaft. Risiken. Deshalb ist es in den Unternehmen wichtig, PERSPEKTIVEN 5-6 / 2020 25
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