Empfehlungen zur Berücksichtigung tierökologischer Belange bei Windenergieplanungen in Schleswig-Holstein

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Empfehlungen zur Berücksichtigung tierökologischer Belange bei Windenergieplanungen in Schleswig-Holstein
Landesamt für
                  Natur und Umwelt
                         des Landes
                  Schleswig-Holstein

Empfehlungen zur Berücksichtigung
      tierökologischer Belange bei
            Windenergieplanungen
             in Schleswig-Holstein
Empfehlungen zur Berücksichtigung tierökologischer Belange bei Windenergieplanungen in Schleswig-Holstein
Herausgeber:
Landesamt für Natur und Umwelt
des Landes Schleswig-Holstein (LANU)
Hamburger Chaussee 25
24220 Flintbek
Tel.: 0 43 47 / 704-0
www.lanu.schleswig-holstein.de

Ansprechpartnerin:
Ismene Mertens, Tel.: 0 43 47 / 704-351

Bei Bedarf sind die Karten 1 bis 3
als PDF- oder Shape-Datei beim
LANU erhältlich.

in Zusammenarbeit mit dem:
NABU Schleswig-Holstein
Arbeitsgruppe Fledermausschutz
und –forschung (AGF)
Färberstraße 51
24534 Neumünster

Bearbeitung:
Rüdiger Albrecht (LANU)
Dr. Wilfried Knief (LANU/Staatliche
Vogelschutzwarte Schleswig-Holstein)
Ismene Mertens (LANU)
Michael Göttsche (AGF)
Matthias Göttsche (AGF)

Titelfotos (Fotoautor):
groß: Nonnengänse vor WEA im Speicherkoog
(R. Stecher)
links: Der Rotmilan Milvus milvus ist ein
Hauptkollisionsopfer an WEA (D. Nill)
Mitte: Mit Windenergieanlage kollidierte
Rauhautfledermaus Pipistrellus nathusii
(A.-K. Mehlhorn)
rechts: Großer Abendsegler Nyctalus noctula
(H. Matthes)

Herstellung:
Pirwitz Druck & Design, Kronshagen

Dezember 2008

ISBN: 978-3-937937-36-6

Schriftenreihe LANU SH - Natur; 13

Diese Broschüre wurde auf
Recyclingpapier hergestellt.

Diese Druckschrift wird im Rahmen der
Öffentlichkeitsarbeit der Schleswig-
holsteinischen Landesregierung heraus-
gegeben. Sie darf weder von Parteien
noch von Personen, die Wahlwerbung
oder Wahlhilfe betreiben, im Wahl-
kampf zum Zwecke der Wahlwerbung
verwendet werden. Auch ohne zeit-
lichen Bezug zu einer bevorstehenden
Wahl darf die Druckschrift nicht in einer
Weise verwendet werden, die als Partei-
nahme der Landesregierung zu Gunsten
einzelner Gruppen verstanden werden
könnte. Den Parteien ist es gestattet,
die Druckschrift zur Unterrichtung ihrer
eigenen Mitglieder zu verwenden.

Die Landesregierung im Internet:
www.landesregierung.schleswig-holstein.de
Empfehlungen zur Berücksichtigung tierökologischer Belange bei Windenergieplanungen in Schleswig-Holstein
Inhalt

         Vorwort .............................................................................................................................................5
         Einleitung ..........................................................................................................................................6

         Teil I: Bestehende Regelungen und rechtliche
                 Aspekte
         1.                       Bestehende Regelungen zur Planung von Windenergieanlagen
                                  in Schleswig-Holstein ............................................................................................9
              1.1.                Regelungen durch Erlasse.....................................................................................9
              1.2.                Regelungen in der Regionalplanung....................................................................10
         2.                       Artenschutzrecht .................................................................................................13
              2.1.                Geschützte Arten.................................................................................................13
              2.2.                Verbotstatbestände des § 42 BNatSchG.............................................................13
              2.2.1.              Tötungs- und Verletzungsrisiko ...........................................................................13
              2.2.2.              Störungsverbot streng geschützter Arten und europäischer Vogelarten ............15
              2.2.3.              Schutz der Lebensstätten besonders geschützter Arten....................................15
              2.3.                Privilegierung, Ausnahmen und Befreiungen ......................................................16
              2.3.1.              Privilegierung für Eingriffe und Bauvorhaben......................................................16
              2.3.2.              Die Zulassung von Ausnahmen...........................................................................17
              2.3.3.              Befreiungen .........................................................................................................17
         3.                       Rechtsprechung...................................................................................................17
         4.                       Literatur ...............................................................................................................20

         Teil II: Vogelschutz
         1.                       Auswirkung von Windenergieanlagen auf die Vögel ..........................................21
         2.                       Grundsätze zur Vermeidung von Konflikten ........................................................23
         3.                       Gebiete mit besonderer Bedeutung für den Vogelschutz
                                  in Schleswig-Holstein ..........................................................................................23
         4.                       Untersuchungen als Voraussetzung für die Vorhabensentscheidungen .............26
              4.1.                Erfassung der Avifauna außerhalb von Gebieten mit besonderer Bedeutung
                                  für den Vogelschutz .............................................................................................26
              4.2.                Erfassung der Avifauna innerhalb von Gebieten mit besonderer Bedeutung
                                  für den Vogelschutz .............................................................................................28
              4.2.1.              Rastvogelerfassung und Bewertung ...................................................................28
              4.2.2.              Vogelzug und Wechselbeziehungen zwischen Rastgebieten .............................29
              4.3.                Regelmäßig zu berücksichtigende Vogelarten ....................................................30
              4.3.1.              Brutvögel .............................................................................................................31
              4.3.2.              Brutkolonien von Möwen und Seeschwalben ....................................................37
              4.3.3.              Gastvögel.............................................................................................................39
         5.                       Vermeidungs- und Ausgleichsmaßnahmen.........................................................41
              5.1.                Vermeidungsmaßnahmen ...................................................................................41
              5.2.                Ausgleichsmaßnahmen .......................................................................................41
         6.                       Anmerkungen zur Kabelanbindung......................................................................42
         7.                       Literatur ...............................................................................................................42
                                  Anhang.................................................................................................................44

                                                                                                                                                             3
Empfehlungen zur Berücksichtigung tierökologischer Belange bei Windenergieplanungen in Schleswig-Holstein
Teil III: Fledermausschutz
    1.             Einleitung .............................................................................................................46
    2.             Grundlagen: Zur Lebensweise einheimischer Fledermäuse und zu
                   möglichen Konflikten mit der Windenergienutzung ............................................49
         2.1.      Kurzer Abriss zur Lebensweise heimischer Fledermausarten ............................49
         2.2.      Beschreibung der gegenüber Windenergieanlagen empfindlichen
                   Fledermausarten..................................................................................................51
         2.2.1.    Wasserfledermaus (Myotis daubentonii) ............................................................51
         2.2.2.    Teichfledermaus (Myotis dasycneme).................................................................52
         2.2.3.    Große Bartfledermaus (Myotis brandtii)..............................................................54
         2.2.4.    Großer Abendsegler (Nyctalus noctula) ..............................................................54
         2.2.5.    Kleiner Abendsegler (Nyctalus leisleri) ................................................................56
         2.2.6.    Breitflügelfledermaus (Eptesicus serotinus) .......................................................57
         2.2.7.    Zweifarbfledermaus (Vespertilio murinus)...........................................................58
         2.2.8.    Zwergfledermaus (Pipistrellus pipistrellus) .........................................................58
         2.2.9.    Mückenfledermaus (Pipistrellus pygmaeus) .......................................................59
         2.2.10.   Rauhautfledermaus (Pipistrellus nathusii) ...........................................................60
         2.2.11.   Braunes Langohr (Plecotus auritus) ....................................................................61
         2.3.      Fledermausmigration ...........................................................................................62
    3.             Auswirkungen von Windenergieanlagen auf Fledermäuse.................................64
         3.1.      Kollisionen mit Windenergieanlagen ...................................................................64
         3.2.      Verlust von Jagdgebieten durch den Betrieb von Windenergieanlagen .............67
         3.3.      Gondeln von Windenergieanlagen als Falle für Fledermäuse .............................68
         3.4.      Verlust von Lebensräumen durch bauliche Maßnahmen....................................68
    4.             Gebiete mit besonderer Bedeutung für den Fledermausschutz in
                   Schleswig-Holstein ..............................................................................................69
         4.1.      Gebiete mit besonderer Bedeutung für den Fledermausschutz.........................69
         4.2.      Kriterien für zu erfassende Gebiete mit besonderer Bedeutung für
                   den Fledermausschutz ........................................................................................70
    5.             Empfehlung einheitlicher Untersuchungsstandards in der
                   Windenergieplanung............................................................................................71
         5.1.      Untersuchungsstandards.....................................................................................71
         5.1.1.    Untersuchungsraum ............................................................................................71
         5.1.2.    Lokalpopulation und Migration ............................................................................71
         5.1.3.    Untersuchungsdesign..........................................................................................71
         5.1.4.    Untersuchungsmethodik .....................................................................................72
         5.1.5.    Begriffsdefinitionen .............................................................................................76
         5.2.      Bewertung ...........................................................................................................77
    6.             Literatur ...............................................................................................................78
                   Anhang.................................................................................................................81

    Teil IV: Karten
    Karte 1:       Gebiete mit besonderer Bedeutung für den Vogelschutz...................................91
    Karte 2:       Brutplätze von Greif- und Großvögeln sowie Brutkolonien
                   empfindlicher Arten außerhalb von Schutzgebieten ...........................................93
    Karte 3:       Gebiete mit besonderer Bedeutung für den Fledermausschutz.........................95

4
Empfehlungen zur Berücksichtigung tierökologischer Belange bei Windenergieplanungen in Schleswig-Holstein
Vorwort
Sehr geehrte Leserinnen und Leser,               AG Fledermausschutz- und forschung des
nach der Ausweisung von “Eignungsgebieten        NABU Schleswig-Holstein einbezogen. Sie hat
für Windenergienutzung” in den Regionalplä-      ihr Wissen zu Fledermausvorkommen in
nen des Landes Schleswig-Holstein schienen       Schleswig-Holstein eingebracht und die Emp-
die zentralen planerischen und fachlichen Pro-   fehlungen für Untersuchungsstandards bei
blemstellungen geklärt. Modernisierungs- (Re-    Fledermäusen formuliert.
powering) und Erweiterungsmaßnahmen be-
stehender Windparks haben jedoch neue            Wegen der Neuregelung des Artenschutzrech-
fachliche Fragestellungen aufgeworfen. Um        tes zu Beginn des Jahres 2008 wurden alle
diesen naturschutz- wie artenschutzfachlichen    Untersuchungsstandards in den maßgeblichen
Herausforderungen qualifiziert begegnen zu       artenschutzrechtlichen Kontext gestellt.
können, hat das Landesamt für Natur und Um-
welt in Zusammenarbeit mit dem Landesbe-         Die “Empfehlungen zur Berücksichtigung tier-
trieb für Küstenschutz, Nationalpark und Mee-    ökologischer Belange bei Windenergieplanun-
resschutz einen Untersuchungsrahmen für          gen in Schleswig-Holstein” sollen die Arbeit
Vögel an der (West-)Küste entwickelt.            der Gutachter, Planer und Planerinnen, der zu-
                                                 ständigen Behörden und Fachgremien unter-
Nachfolgend wurde der Entwurf eines landes-      stützen und verstehen sich als naturschutz-
weiten naturschutz- und artenschutzfachlichen    und artenschutzfachliche Ergänzung zu den
Untersuchungsstandards bei der Planung von       Vorgaben der Landesplanung in den Regional-
Windenergieanlagen erarbeitet. Dieser berück-    plänen und den Windkrafterlassen.
sichtigt auch die Anforderungen an Untersu-
chungen der Vögel im Binnenland und von          Allen Mitwirkenden sei an dieser Stelle aus-
Groß- und Greifvögeln insgesamt. Weiterge-       drücklich für ihre Mitarbeit, auch für das Be-
hende und vertiefende Diskussionen und           reitstellen von Fotos und ihre kritische Beglei-
Abstimmungen fanden auf Arbeitsebene mit         tung gedankt!
verschiedenen Naturschutzbehörden der Nord-
deutschen Bundesländer und den Vogeschutz-       Herzlichst Ihr
warten der Bundesländer statt. Wertvolle Dis-
kussionspartner waren zudem Dr. Hermann
Hötker vom Michael-Otto-Institut im NABU
und Bernd Hälterlein vom Landesbetrieb für
Küstenschutz, Nationalpark und Meeres-           Wolfgang Vogel
schutz.                                          Direktor des Landesamtes für Natur und
                                                 Umwelt des Landes Schleswig-Holstein
In Schleswig-Holstein ist auch eine Betroffen-
heit von Fledermäusen durch Bau und Betrieb
von Windenergieanlagen zu erwarten. In die
weitere Bearbeitung wurde daher ebenso die

Vorwort                                                                                             5
Empfehlungen zur Berücksichtigung tierökologischer Belange bei Windenergieplanungen in Schleswig-Holstein
Einleitung
                        Die Nutzung regenerativer Energien zum            gienutzung. Die Anlagenzahl und die Technik
                        Schutz unserer Umwelt ist ein wichtiges politi-   entwickeln sich rasant. Die ältesten Anlagen
                        sches Ziel. Die Windenergienutzung hat sich       stammen aus dem Zeitraum 1988 – 1991. Sie
                        unter den erneuerbaren Energieträgern in          wurden dort errichtet, wo die Windausnutzung
                        Deutschland am schnellsten entwickelt. Sie        am effektivsten war, vor allem in den Kögen
                        zählt zu den wichtigsten Quellen der Stromer-     an der Nordsee und auf Fehmarn. Diese Anla-
                        zeugung unter den Trägern regenerativer Ener-     gen haben bzw. hatten eine Gesamthöhe von
                        gien. Auch wenn die positive Bedeutung der        bis zu 50 m und eine Leistung von weniger als
                        Windenergienutzung für den Klimaschutz au-        300 kW. Mit der Weiterentwicklung der Tech-
                        ßer Frage steht, müssen beim Ausbau der           nik nahmen die Höhen und die Rotordurch-
                        Windenergienutzung ökologische Belange, ins-      messer der Anlagen zu. Lagen die Rotordurch-
                        besondere der Vogel- und Fledermausschutz,        messer 1995 bei 32 bis 48 m, liegen sie heute
                        besondere Beachtung finden.                       bei 60 bis 90 m, die größten bei 126 m. Die
                                                                          neuen Windkraftanlagen sind häufig über
                        Wegen der windhöffigen Lage ist Schleswig-        100 m hoch, die größten Anlagen zurzeit über
                        Holstein besonders geeignet für die Windener-     180 m.

Bei aller noch fol-
genden kritischen
Sicht in Bezug auf
die Tierwelt: sie
können auch eine
ganz eigene Ästhe-
tik entwickeln ...
(Foto: B. Hälterlein)

6                       Empfehlungen zur Berücksichtigung tierökologischer Belange bei Windenergieplanungen in S-H
Empfehlungen zur Berücksichtigung tierökologischer Belange bei Windenergieplanungen in Schleswig-Holstein
Mitte der 90er Jahre wurde auf der Basis von                                                                  wig-Holstein 2.740 Windkraftanlagen mit einer
Kreiskonzepten die Windenergienutzung in                                                                      Gesamtleistung von 2.274 MW und Ende
Schleswig-Holstein erstmalig landesplanerisch                                                                 2006 2.717 Windkraftanlagen mit einer Ge-
geregelt. Bis dahin waren bereits ca. 1.000                                                                   samtleistung von 2.391 MW installiert (DEWI
Anlagen mit einer Leistung von insgesamt 315                                                                  2005 und 2006).
MW installiert (1995). Zu dieser Zeit hatte die
Landesregierung laut Energiekonzept das Ziel                                                                  Die Landesplanung lenkt durch ihre Regional-
angestrebt, 25% des Strombedarfs bis 2010                                                                     planung die Windkraftplanung. Bei der Aus-
aus Windenergie zu decken. Danach hätten                                                                      wahl der „Eignungsgebiete für Windenergie-
bis 2010 ca. 2.000 Windenergieanlagen mit ei-                                                                 nutzung“ spielte Mitte der 90er Jahre auch
ner Nennleistung von insgesamt 1.200 MW                                                                       die Frage nach den ökologischen Auswirkun-
gebaut werden müssen. Dieses Ziel wurde                                                                       gen, insbesondere im Hinblick auf den Vogel-
bereits Ende 2001 überschritten; 2.305 Anla-                                                                  schutz, eine Rolle. In Abhängigkeit von der
gen produzierten damals bereits ca. 1.343                                                                     Windhöffigkeit wurde insgesamt knapp 1%
MW. Das neue Ziel ist nun, 50 % des schles-                                                                   der Landesfläche als solche Eignungsgebiete
wig-holsteinischen Strombedarfs - sowohl                                                                      ausgewiesen. Die Ausweisung erfolgte unter
onshore als auch offshore - aus Windenergie                                                                   der Annahme damaliger Anlagengrößen.
zu decken. Bis Ende 2005 waren in Schles-

                     Anzahl der Windenergieanlagen in Schleswig-Holstein                                                                            Installierte Windenergieleistung in Schleswig-Holstein

          3000                                                                                                                             3000

          2500                                                                                                                             2500

          2000                                                                                                                             2000
                                                                                                                                Megawatt
 Anzahl

          1500                                                                                                                             1500

          1000                                                                                                                             1000

           500                                                                                                                              500

             0                                                                                                                                0
                    1996       1997   1998    1999    2000   2001   2002   2003   2004   2005   2006   2007     2008                              1996   1997   1998   1999   2000   2001   2002   2003   2004   2005    2006   2007     2008
                                                                                                              (Juni '08)                                                                                                               (Juni '08)
                                                             Zeitachse (Jahr)                                                                                                        Zeitachse (Jahr)

                                         Entwicklung der Anlagenleistung in Schleswig-Holstein
                    1200

                    1000

                     800
           Anzahl

                     600

                     400

                     200

                           0
                                             1 - 80                 >80 - 200                   >200 - 400                 >400 - 750                      >750 - 1499                1500 - 3100                       >3100
                                                                                                          Leistungsklassen (kW)
                           1996         2002          2007

Abbildung 1-3: Entwicklung von Zahl und Gesamtleistung der Windenergieanlagen in Schleswig-Holstein seit 1996 (Quelle: Deutsches
               Windenergie-Institut DEWI GmbH)

Einleitung                                                                                                                                                                                                                                          7
Empfehlungen zur Berücksichtigung tierökologischer Belange bei Windenergieplanungen in Schleswig-Holstein
Windenergieanla-
gen, wie sie die
meisten von uns
sicher noch nicht
gesehen haben ...
(Foto: B. Hälterlein)

                        Die vorhandenen Anlagen außerhalb der aus-       empfindlichkeit bzw. ihre Gefährdung vorliegen
                        gewiesenen Eignungsräume haben baurechtli-       und populationsökologische Untersuchungen
                        chen Bestandsschutz. Dieser beinhaltet auch      zur Beurteilung der Eingriffswirkung nach wie
                        eine Instandhaltung der Anlagen. Nicht ge-       vor fehlen, haben einige Empfehlungen vorsor-
                        deckt durch den Bestandsschutz ist der Aus-      georientierten Charakter.
                        tausch konstruktiver Teile oder ein Ersatzbau.
                        So stellt sich bei einem beabsichtigten Repo-    Umfangreiche Ausschlussgebiete und -kriterien
                        wering regelmäßig die Frage, wie lange die       werden bereits verbal-argumentativ in den ak-
                        Altanlagen im Rahmen des Bestandsschutzes        tuellen Regionalplänen beschrieben (Regional-
                        noch (wirtschaftlich) weiterbetrieben werden     planung, Kapitel 1.2.). Dabei bleiben einige Vo-
                        könnten.                                         gelschutzbelange in den Raumordnungsplänen
                                                                         recht unbestimmt, wie beispielsweise „größe-
                        Die größte Anzahl der Windenergieanlagen         re, regelmäßig aufgesuchte Nahrungs- und
                        (WEA) befindet sich heute in den Westküsten-     Rastflächen sowie zugeordnete Flugfelder“
                        kreisen und im Kreis Schleswig-Flensburg. Da-    und „Flugkorridore“. Sie werden in den nach-
                        runter befinden sich noch viele kleine alte      folgenden Empfehlungen konkretisiert. Die
                        WEA. Die Betreiber streben zunehmend an,         Auswirkungen der Windenergienutzung auf die
                        diese durch große leistungsstärkere Anlagen      Fledermäuse waren zum Zeitpunkt der Festle-
                        zu ersetzen. Ein Repowering wird nicht nur für   gung der Eignungsgebiete nicht bekannt, so
                        Anlagen in Eignungsgebieten für Windenergie-     dass sie dort nicht speziell berücksichtigt wur-
                        nutzung angestrebt, sondern auch außerhalb       den. Indirekt wurde diese Artengruppe aller-
                        dieser. Unter bestimmten landesplanerischen      dings durch den Ausschluss bestimmter Bioto-
                        Voraussetzungen ist ein Repowering an diesen     pe für die Windenergienutzung (z.B. Wald)
                        Standorten zulässig. In den Kreisen Dithmar-     zumindest teilweise berücksichtigt. Wegen der
                        schen, Nordfriesland und Schleswig-Flensburg     besonderen Empfindlichkeit und der besonde-
                        liegen etwa ein Drittel aller Windenergieanla-   ren Schutzbedürftigkeit der streng geschützten
                        gen außerhalb der ausgewiesenen Eignungs-        Fledermäuse wird in Teil III der Empfehlungen
                        flächen für Windenergie.                         auf ihren Schutz besonders eingegangen.

                        Damit bei der Ausweisung neuer Standorte für     Zusammenfassend sind die Ziele der
                        die Windenergienutzung und bei zukünftigen       Empfehlungen:
                        Repoweringvorhaben die Belange des Vogel-        • das derzeitige Wissen darzustellen,
                        und Fledermausschutzes, auch im Hinblick auf     • bedeutende Vogel- und Fledermauslebens-
                        das besondere europäische Artenschutzrecht,         räume, in denen Konflikte zwischen Win-
                        berücksichtigt werden können, werden in den         denenergienutzung und Artenschutz mög-
                        hier vorgelegten Empfehlungen die bedeuten-         lich sind, zu beschreiben und - soweit
                        den Lebensräume für Vögel und Fledermäuse           möglich - kartografisch darzustellen sowie
                        beschrieben und dargestellt. Da nicht für alle   • Handlungsempfehlungen zum planerischen
                        Arten gesicherte Erkenntnisse über ihre Stör-       Umgang aufzuzeigen.

8                       Empfehlungen zur Berücksichtigung tierökologischer Belange bei Windenergieplanungen in S-H
Empfehlungen zur Berücksichtigung tierökologischer Belange bei Windenergieplanungen in Schleswig-Holstein
Teil I: Bestehende Regelungen und rechtliche Aspekte

1. Bestehende Regelungen zur Planung von                                  • Bei Windenergieanlagen mit mehr als
   Windenergieanlagen in Schleswig-Holstein                                 100 m Gesamthöhe sind Mindestabstände
                                                                            von der vierfachen Anlagenhöhe minus
                                                                            200 m einzuhalten von:
1.1. Regelungen durch Erlasse                                               – Nationalparks, Naturschutzgebieten
In den „Grundsätzen zur Planung von                                            (auch geplante, soweit die Gebiete
Windenergieanlagen“ (Gemeinsamer Rund-                                         einstweilig sichergestellt sind, in Land-
erlass des Innenministers, des Ministers für                                   schaftsrahmenplänen ausgewiesen sind
Finanzen und Energie, der Ministerin für Na-                                   und/oder ein Verfahren nach § 53
tur und Umwelt und der Ministerpräsidentin                                     LNatSchG alt eingeleitet ist) oder
vom 4. Juli 1995) ist festgelegt:                                           – sonstigen Schutzgebieten (u.a. nach
• dass die Errichtung von Windenergieanla-                                     Ramsar-Konvention, NATURA 2000-Ge-
    gen ausgeschlossen ist in:                                                 biete) und
    – Nationalparks, bestehenden und                                        – besonders schutzwürdigen Wasserflä-
       geplanten Naturschutzgebieten, ge-                                      chen und Strandwällen/Küstendünen.
       setzlich geschützten Biotopen, ge-
       schützten flächenhaften Landschafts-                               • An Gewässern 1. Ordnung und Gewässern
       bestandteilen oder vergleichbaren                                    mit Erholungsschutzstreifen ist ein Ab-
       Schutzgebieten (Artenschutzgebiete1,                                 stand von einfacher Anlagenhöhe minus
       EU-Vogelschutzgebiete u.a.) sowie in                                 50 m einzuhalten.
       sonstigen vorrangigen Flächen, soweit
       diese in bestehenden Landschafts-                                  • Im Kapitel „Höhenbeschränkung auf Grund
       oder Landschaftsrahmenplänen darge-                                  des regionalen und überregionalen Vogel-
       stellt sind. Ein Abstand von mindes-                                 zugs“ des Erlasses von 2003 wird ausge-
       tens 200 m ist einzuhalten.                                          führt:
                                                                            – „Viele Zugvögel und heimische Vogelar-
• dass folgende Bereiche von Windenergie-                                      ten bevorzugen Flughöhen zwischen
  anlagen freigehalten werden sollen:                                          100 und 150 m. In den Bereichen von
  – die Halligen und die Geestteile der In-                                    Meer-Land-Übergängen sind darüber hi-
     seln Amrum, Föhr und Sylt sowie Vor-                                      naus Vertikalbewegungen beim Vogel-
     deichflächen aller Art,                                                   zug durch Steig- und/oder Sinkflüge zu
  – Landschaftsschutzgebiete (in der Re-                                       beobachten.“
     gel) sowie                                                             – Nach einem im Auftrag des Landesam-
  – größere, regelmäßig aufgesuchte be-                                        tes für Natur und Umwelt erstellten
     vorzugte Nahrungs- und Rastflächen                                        Gutachten (KOOP 2002) ziehen über
     sowie zugeordnete Vogelflugfelder.                                        Schleswig-Holstein sowohl auf dem
                                                                               Herbstzug als auch auf dem Frühjahrs-
In dem Gemeinsamen Runderlass des In-                                          zug etwa 500 Millionen Land- und Was-
nenministeriums, des Ministeriums für Um-                                      servögel hinweg: „Hauptzugwege ver-
welt, Naturschutz und Landwirtschaft und                                       laufen über Fehmarn/Wagrien und über
des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und                                    die Eckernförder Bucht/Schlei zum
Verkehr vom 25. November 2003 über                                             nordfriesischen Wattenmeer sowie ein
„Grundsätze zur Planung von Windenergiean-                                     deutlich kleinerer Teil über die Lübecker
lagen“ (Ergänzung des Gemeinsamen Rund-                                        Bucht Richtung Unterelbe/Dithmarscher
erlasses vom 4. Juli 1995) wurden die folgen-                                  Bucht. Im Einzelnen wird auf die Ergeb-
den einschlägigen Ergänzungen                                                  nisse des Gutachtens verwiesen.“
aufgenommen:                                                                – In einer Liste sind die Eignungsgebiete
• Mit dem Ziel der Minimierung von Beein-                                      aufgeführt, die im Bereich der Haupt-
    trächtigungen des Naturhaushaltes und                                      zugwege liegen. In diesen Gebieten soll
    des Landschaftsbildes sind gegenüber be-                                   bei der Errichtung von Windenergieanla-
    sonders schutzwürdigen Gebieten grund-                                     gen mit einer Gesamthöhe über 100 m
    sätzlich Mindestabstände einzuhalten.                                      eine vertiefende Beschreibung und Be-
                                                                               wertung des Vogelzuges erfolgen.

1 Artenschutzgebiete sind mit Artikel 6 zum Landesnaturschutzgesetz vom 6.3.2007 aufgehoben worden.

Teil I: Bestehende Regelungen und rechtliche Aspekte                                                                       9
Empfehlungen zur Berücksichtigung tierökologischer Belange bei Windenergieplanungen in Schleswig-Holstein
Der Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer mit den angrenzenden Küstengebieten ist eines der herausragenden Schutzgebie-
te in Schleswig-Holstein (Foto: B. Hälterlein)

                      1.2. Regelungen in der Regionalplanung                                    • die Ost- und Nordsee (aber: Option auf Off-
                      Windparks sollen in Räumen mit geringem                                     shore),
                      Konfliktpotential konzentriert werden. Dazu                               • Europäische Vogelschutzgebiete und FFH-
                      wurden in den Regionalplänen „Eignungsge-                                   Gebiete, bestehende Naturschutz-, Land-
                      biete für Windenergienutzung“ ausgewiesen.                                  schaftsschutz- und Artenschutzgebiete2,
                      Grundsätzlich stimmt die Errichtung von Wind-                               geschützte Landschaftsbestandteile,
                      energieanlagen in den Eignungsgebieten mit                                • geplante Naturschutzgebiete, soweit sie in
                      den Zielen der Raumordnung und Landespla-                                   Landschaftsplänen und Landschaftsrah-
                      nung überein. Die Windenergienutzung ist                                    menplänen dargestellt sind, einstweilig si-
                      kleinräumig in den Eignungsgebieten über die                                chergestellt und/oder ein Ausweisungsver-
                      Bauleitplanung zu steuern.                                                  fahren eingeleitet worden ist,
                                                                                                • gesetzlich geschützte Biotope,
                      Außerhalb der Eignungsgebiete dürfen keine                                • Vordeichflächen aller Art,
                      Windkraftanlagen errichtet werden. Aus-                                   • vorrangige Flächen für den Naturschutz,
                      nahmsweise sind dort unter bestimmten Vo-                                   soweit sie in Landschaftsplänen und Land-
                      raussetzungen Repoweringmaßnahmen zuläs-                                    schaftsrahmenplänen dargestellt sind,
                      sig. Allerdings nicht in Gebieten, die in der                             • alle nordfriesischen Inseln, Halligen und
                      Regionalplanung als besonders zu schützende                                 Vorlandflächen bzw. Vordeichflächen,
                      Gebiete und als „charakteristische Land-                                  • die Elbe, Pufferzone von ca. 1.000 m ab
                      schaftsräume“ ausdrücklich frei von Wind-                                   Elbdeich-Binnenfuß gemessen, Pufferzone
                      energienutzung bleiben sollen.                                              entlang des Elbe-Lübeck-Kanals (Kreise
                                                                                                  Hzgt. Lauenburg, Stormarn, Pinneberg und
                      Als Ausschlussgebiete zum Schutz der Natur-                                 Steinburg),
                      schutz- und Erholungsbelange werden insbe-                                • die gesamte Deichlinie entlang der Elbe
                      sondere genannt:                                                            und Nordseeküste einschließlich eines
                      • der Nationalpark Schleswig-Holsteinisches                                 500 m breiten Streifens binnendeichs so-
                         Wattenmeer,                                                              wie der historische Mündungstrichter der

                      2 Artenschutzgebiete sind mit Artikel 6 zum Landesnaturschutzgesetz vom 6.3.2007 aufgehoben worden.

10                    Empfehlungen zur Berücksichtigung tierökologischer Belange bei Windenergieplanungen in S-H
Eider als wesentliche Leitstrukturen für          nen, wie ehemalige Nehrungshaken, Über-
  den großräumigen internationalen Vogelzug         gangsbereiche Marsch/Geest bzw. Niede-
  (Kreis Dithmarschen). Zugehörig sind ent-         rung/Geest, das Schalkholzer Zungenbe-
  sprechende Rast- und Ausweichgebiete zu           cken, der Riesewohld und das Gieselautal
  bewerten, gerade auch bei Schlechtwetter-         auch aufgrund reichhaltiger faunistischer
  lagen sowie Vogelflugkorridore zwischen           Ausstattung (Kreis Dithmarschen),
  Rast- und Nahrungsgebieten, wie z.B.:         •   die naturräumlich reich strukturierte Dith-
  – Friedrichkoogspitze (bis ca. 300 m öst-         marscher Geest, da sie über einen verhält-
      lich der K 17),                               nismäßig hohen Bestand und eine relativ
  – Flugkorridor zwischen Neufelder Watt            große Vielfalt an vom Aussterben bedroh-
      und Kudensee-Niederung westlich und           ten Vogelarten verfügt (Ausnahme: ein klei-
      nördlich um den Brunsbütteler Raum,           ner Eignungsraum bei Hennstedt und Sü-
  – Bereich innerhalb und östlich des Spei-         derhastedt),
      cherkoogs Dithmarschen in Verbindung      •   im Raum Wesselburen und Marne die ver-
      mit den benachbarten Niederungsgebie-         bleibenden großräumigen Durchzugsmög-
      ten (Miele und Windbergener Niede-            lichkeiten zwischen den bestehenden Eig-
      rung),                                        nungsgebieten für Windenergienutzung
  – Flugkorridor entlang des Mündungs-              (Kreis Dithmarschen),
      trichters der Eider bis in die Niede-     •   die Kollmarer Marsch und das LSG „Kö-
      rungsbereiche der Eider-Treene-Sorge-         nigsmoor“ im Kreis Steinburg,
      Niederung,                                •   die größeren, regelmäßig aufgesuchten,
• die Niederungsgebiete und Flussauen, vor          bevorzugten Nahrungs- und Rastflächen
  allem aus Gründen des Wiesenvogelschut-           sowie die zugeordneten Flugfelder und
  zes von der Eider-Treene-Sorge-Niederung      •   die Schwerpunkträume für Erholung (Pla-
  bis zur Burger-/Kudener Niederung,                nungsraum I) und die regionalplanerisch
• die Bereiche mit besonderen landschafts-          festgelegten Räume für Tourismus und Er-
  prägenden geomorphologischen Formatio-            holung.

                                                                                                  In EU-Vogelschutz-
                                                                                                  gebieten ist die
                                                                                                  Nutzung von Wind-
                                                                                                  energie nicht zuläs-
                                                                                                  sig. Im Umge-
                                                                                                  bungsbereich ist zu
                                                                                                  prüfen, ob eine
                                                                                                  Windenergienut-
                                                                                                  zung mit den Be-
                                                                                                  langen empfindli-
                                                                                                  cher Vögel
                                                                                                  vereinbar ist
                                                                                                  (Foto: R. Stecher)

Teil I: Bestehende Regelungen und rechtliche Aspekte                                                               11
Folgende charakteristische Landschaftsräu-                                          Landschaftsraum zwischen Linau, Rodau
     me sind neben den Naturparks von Wind-                                              und dem Goldebeker Mühlenstrom (südlich
     energieanlagen freizuhalten:                                                        Hörup), entlang der eiszeitlichen Abflusstä-
     • Im Planungsraum I: Die Krückau-Niede-                                             ler von Meynau, Wallsbek und Schafflun-
        rung mit Pufferzonen, die Talauen von Tra-                                       der Mühlenstrom, Hattstedter Marsch mit
        ve, Bille und Oberalster, Moore und ihre                                         Arlau-Niederung, Treene zwischen Treia
        Umgebungsbereiche, großräumige Wie-                                              und Großsolt, Bollingstedter Au zwischen
        sen- und Weidelandschaften im Bereich                                            Sollerup und Havetoftloit; Arenholzer See-
        von Mooren, Seen, Fluss- und Bachland-                                           Langsee-Rabenkirchen (entlang der Well-
        schaften und Räume mit hohem Vielfältig-                                         spanger Au); Halbinsel Eiderstedt, Süder-
        keitswert.                                                                       marsch, Eider-Treene-Sorge-Niederung.
     • Im Planungsraum II: Der Landschaftsraum
        Oldenburger Graben, die nördliche Seenie-                                   Folgende Ausnahmen werden außerhalb von
        derung auf Fehmarn und das Tal der                                          Eignungsgebieten für die Errichtung neuer
        Schwartau (bis zur Lübecker Stadtgrenze).                                   oder die Erweiterung bestehender Windparks
     • Im Planungsraum III: Die Halbinsel                                           genannt:
        Schwansen, der Küstenraum von Eckern-                                       • Im Planungsraum I einzelne Anlagen auf
        förde bis Hohwacht mit einer Pufferzone                                        Helgoland und in der Stadt Oldesloe und
        von ca. 3 – 4 km, die Eider-Treene-Sorge-                                      der Gemeinde Brande-Hörnerkirchen,
        Niederung, der Nord-Ostsee-Kanal mit ei-                                    • im Planungsraum II auf Fehmarn und in
        ner beidseitigen Pufferzone von ca. 1.000                                      Lübeck-Herrenwyk,
        m einschließlich des Eiderraums zwischen                                    • im Planungsraum III in der Gemeinde
        Rendsburg und Nordfriesland.                                                   Schwedeneck,
     • Im Planungsraum IV: Die Landschaftsräu-                                      • im Planungsraum IV im Bereich der be-
        me Holstenau, Vaaler Moor mit Großem                                           stehenden Windparks in der Gemeinde
        Moor und Buchholzer Moor (von Ecklack                                          Wesselburener Koog und in der Gemeinde
        bis Äbtissinnenwisch) und Breitenburger                                        Neuendorf-Sachsenbande bei Wilster so-
        Moor sowie der durch Waldparzellen und                                         wie auf dem Gelände des Kernkraftwerkes
        dichtes Knicknetz geprägte Raum zwi-                                           Brunsbüttel und
        schen der Gemeinde Wacken und A 23 so-                                      • im Planungsraum V auf Pellworm, Nord-
        wie Störniederung und Krückauniederung                                         strand, Eiderstedt und in Ahrenshöft.
        mit Marschpufferzonen.
     • Im Planungsraum V: Gebiete der Wieding-                                      Darüber hinaus ist in allen Planungsräumen
        harde mit Gotteskoogsee und Wiedau-Nie-                                     das Repowering in vorhandenen Windparks
        derung / Schmale, Küstenraum nördlich der                                   unter den nachfolgend genannten Vorrausset-
        B 199 bis zur Staatsgrenze in der Flensbur-                                 zungen möglich; regional kann es noch ge-
        ger Innen- und Außenförde, Küstenraum                                       sonderte Kriterien geben, die hier nicht aufge-
        zwischen der Luftlinie Steinbergkirche-Kap-                                 führt sind:
        peln und der Ostsee, nördlicher und südli-                                  • Die Windparks müssen insbesondere au-
        cher Förderaum der Schlei (nördlich: von                                       ßerhalb der Ausschlussgebiete und der
        Schleswig bis Schaalby entlang der B 201,                                      charakteristischen Eignungsräume liegen,
        bis zur Trasse der ehemaligen Kreisbahn                                     • sie dürfen das Orts- und Landschaftsbild
        zwischen Schaalby und Süderbrarup, süd-                                        nicht mehr als bisher beeinträchtigen und
        lich: entlang der Kreisgrenze bei Kappeln                                   • die Anschlussleistung von Windparks darf
        und südlich Schleswigs bis zur A 7); Hau-                                      nicht wesentlich, d.h. um maximal 50 %
        ke-Haien-Koog, Langenhorner und Störte-                                        erhöht werden.3
        werker Koog, Niederung der Soholmer Au,

     3 „Im Entwurf des Landesentwicklungsplanes, der sich zurzeit im Anhörverfahren befindet, ist vorgesehen, dieses Kriterium zukünftig fortfallen zu lassen.“

12   Empfehlungen zur Berücksichtigung tierökologischer Belange bei Windenergieplanungen in S-H
Durch Windener-
                                                                                                     gieanlagen zersie-
                                                                                                     delte Landschaft
                                                                                                     (Foto: B. Hälterlein)

2. Artenschutzrecht                               2.2. Verbotstatbestände des § 42 BNatSchG
Bei der Planung von Windenergieanlagen
muss bedacht werden, dass die Tierarten, die
durch den Bau und den Betrieb von Windkraft-      2.2.1. Tötungs- und Verletzungsrisiko
anlagen grundsätzlich betroffen sein können,      Gemäß § 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG ist es
nicht nur der naturschutzrechtlichen Eingriffs-   (u.a.) untersagt, wild lebenden Tieren der be-
regelung unterliegen, sondern auch den arten-     sonders geschützten Arten nachzustellen, sie
schutzrechtlichen Regelungen. Letztere sind       zu fangen, zu verletzen, zu töten oder ihre Ent-
sehr komplex, nationale und europarechtliche      wicklungsformen der Natur zu entnehmen.
Regelungen sind zu beachten. In den neueren       Bei der Prüfung des Verbotstatbestandes
Entscheidungen des europäischen Gerichtsho-       bleibt die Bewahrung des Erhaltungszustan-
fes vom 10.1.2006 (Rs. C-98/03) und des Bun-      des der betroffenen bzw. der lokalen Populati-
desverwaltungsgerichts vom 16.3.2006 (4 A         on außer Betracht, allein der Individuenan-
1075.04) und vom 21.6.2006 (9 A 28.05) wur-       satz ist von Belang. Die Prüfung des
den Konflikte zwischen dem nationalen und         Erhaltungszustands ist erst im Rahmen einer
europäischen Artenschutz aufgezeigt. Um die       Ausnahme (§ 43 Abs. 8 BNatSchG) relevant.
sich daraus ergebenden Vollzugsprobleme           Das Tötungs- und Verletzungsverbot ist so-
rechtssicher zu beheben, ist im Dezember          wohl in der Bauphase als auch in der Betriebs-
2007 das Bundesnaturschutzgesetz novelliert       phase von Windenergieanlagen zu berücksich-
worden.                                           tigen. Während der Bauphase bietet es sich
                                                  an, durch die zeitliche Steuerung der Bau-
                                                  maßnahme die Verletzung und Tötung von
2.1. Geschützte Arten                             Tieren auszuschließen (außerhalb der Brutzeit
Sowohl die Artengruppe der Fledermäuse wie        relevanter Vogelarten, z.B. bodenbrütender Ar-
auch die der Vögel, die grundsätzlich durch die   ten). Während der Betriebsphase ist das Tö-
Nutzung der Windenergie betroffen sein kön-       tungs- und Verletzungsverbot vor allem zu prü-
nen, fallen unter das besondere nationale und     fen, wenn Windenergieanlagen in wertvollen
europäische Artenschutzrecht. Nach § 10 Abs.      Vogel- und/oder Fledermauslebensräumen er-
2 Nr. 10 b) aa) BNatSchG sind alle 15 in          richtet werden sollen, in denen ein erhöhtes
Schleswig-Holstein vorkommenden Fleder-           Schlagrisiko besteht. Überschreitet das Tö-
mausarten besonders geschützte und gleich-        tungsrisiko geschützter Individuen das „all-
zeitig gem. § 10 Abs. 2 Nr. 11 b) BNatSchG        gemeine Lebensrisiko“, liegt ein Konflikt
streng geschützte Arten. Alle heimischen eu-      mit der Verbotsnorm vor. Anzunehmen ist
ropäischen Vogelarten sind gem. § 10 Abs. 2       dies beispielsweise dort, wo sich das Tötungs-
Nr. 10 b) bb) BNatSchG besonders geschützte       risiko aufgrund bedeutender Wanderwege, tra-
Arten. Einige Vogelarten sind darüber hinaus      ditioneller Flugwege oder bedeutender Vor-
auch gem. § 10 Abs. 2 Nr. 11 BNatSchG             kommen empfindlicher Arten (signifikant)
streng geschützte Arten.                          erhöhen kann.

Teil I: Bestehende Regelungen und rechtliche Aspekte                                                                   13
Besonders geschützte Arten nach dem europäischen Artenschutzrecht sind der Seeadler (Haliaeëtus albicilla) und die Teichfledermaus
(Myotis dasycneme, Fotos: D. Nill)

14                     Empfehlungen zur Berücksichtigung tierökologischer Belange bei Windenergieplanungen in S-H
Das betriebsbedingte Tötungs- oder Verletzungs-      •   Ruhestätten sind alle jene Orte, an denen
risiko kann durch die Wahl eines weniger risi-           sich Tiere ohne größere Fortbewegung auf-
koreichen Standortes vermieden werden. Eine              halten, die als Ruhe- und / oder Schlafplatz
Verminderung oder Vermeidung des Tötungs-                regelmäßig und örtlich begrenzt genutzt wer-
und Verletzungsrisikos kann gegebenenfalls               den. Hierzu gehören beispielsweise traditio-
durch technische Maßnahmen am Bauwerk, z.B.              nelle Kranichschlafplätze, Schlafbaum des
durch Festlegen von Abstellzeiten bei bestimm-           Rotmilans, Feldgehölze oder Schilfbereiche,
ten Windgeschwindigkeiten, in denen ein ver-             in denen sich Vögel allabendlich sammeln
mehrtes Vorkommen von Fledermäusen erwar-                oder Winterquartiere von Fledermäusen.
tet werden kann, erreicht werden. Maßnahmen,             Nahrungsgebiete beispielsweise von rasten-
die noch nicht sicher die Gewähr bieten, dass sie        den Kiebitzen und Goldregenpfeifern fallen
tatsächlich zur Vermeidung führen, sind durch            nicht unter den Schutz (s.o.). Gebiete, die
ein entsprechendes Monitoring zu begleiten. In           diese Arten regelmäßig zur Ruhe und Gebor-
der Genehmigung ist durch Beifügung eines Wi-            genheit (z.B. zum Putzen) aufsuchen, können
derrufsvorbehalts zu gewährleisten, dass die             allerdings als Ruhestätten erachtet werden.
Genehmigung entschädigungslos aufgehoben                 Ebenfalls Ruhestätten sind Orte, an die sich
werden kann, wenn sich im Rahmen des Moni-               Tiere bei Gefahr oder bei Bedrohung zurück-
torings herausstellen sollte, dass die Vermei-           ziehen. Hierzu dürften Hochwasserrastplätze
dungsmaßnahmen nicht erfolgreich sind und                der Limikolen zählen.
weder eine Privilegierung nach § 42 Abs. 5
BNatSchG noch eine Ausnahme nach § 43 Abs.           Der Schutz der Lebensstätten gilt auch für die
8 BNatSchG möglich ist (Kapitel 2.3).                Zeit, in der die Teilhabitate gerade nicht genutzt
                                                     werden. Voraussetzung ist, dass sie regelmäßig
                                                     genutzt werden, wie z.B. Nistbäume der Rotmi-
2.2.2. Störungsverbot streng geschützter             lane. Der Schutz endet dann, wenn sie ihre
         Arten und europäischer Vogelarten           Funktionalität endgültig verlieren. Nester von
§ 42 Abs.1 Nr. 2 BNatSchG verbietet, streng ge-      Arten, die nur eine Brutperiode genutzt werden,
schützte Arten und europäische Vogelarten wäh-       sind nach Aufgabe artenschutzrechtlich nicht
rend der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-,        mehr relevant. Nur wenn alle Bruthabitate eines
Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheb-          Brutreviers außerhalb der Brutzeit beseitigt wer-
lich zu stören. Eine erhebliche Störung liegt vor,   den, so dass ein Ausweichen in die Umgebung
wenn sich durch die Störung der Erhaltungszu-        unmöglich ist (z.B. Vernichtung aller Hecken und
stand der „lokalen Population“ einer Art ver-        Gebüsche), ist dies mit dem Verbot nach § 42
schlechtert. Die Schwelle, ab der es zu einer re-    Abs.1 Nr. 3 BNatSchG unvereinbar.
levanten Störung kommt, ist schwierig zu
benennen und kann nur artspezifisch und im Ein-      Verboten ist die Zerstörung von Lebensstätten,
zelfall beurteilt werden. Für Rastvögel wird eine    d.h. die vollständige Vernichtung. Beim Bau
Störung außerhalb der Gebiete mit besonderer         von Windenergieanlagen würde dies zum Tragen
Bedeutung für den Vogelschutz einschließlich         kommen, wenn Nester/Gelege während der
der Prüfbereiche im Umfeld der Gebiete in der        Brut- und Aufzuchtzeit vernichtet werden. Verbo-
Regel nicht auftreten. Nur bei Kranichen sowie       ten ist auch die Beschädigung, d.h. eine minder
Zwerg- und Singschwänen kann derzeit eine Stö-       schwere Einwirkung, die eine Beeinträchtigung
rung im Einzelfall nicht ausgeschlossen werden.      der ökologischen Funktionalität herbeiführt. Eine
                                                     Verlärmung kann eine Lebensstätte so verän-
                                                     dern, dass sie nicht mehr in dem früheren Um-
2.2.3. Schutz der Lebensstätten besonders            fang als Brutplatz genutzt wird (z.B. Vertreibung
        geschützter Arten                            des Wachtelkönigs). Ebenso kann ein Windpark
Nach § 42 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG ist es verbo-        so auf eine bedeutende Lebensstätte einwirken,
ten, Fortpflanzungs- und Ruhestätten (Lebens-        dass sie nicht mehr oder nicht mehr im vorheri-
stätten) zu beschädigen oder zu zerstören. Le-       gen Umfang als Brut-, Wohn- oder Zufluchtstätte
bensstätten im artenschutzrechtlichen Kontext        genutzt werden kann. In Folge könnte es bei-
sind bestimmte räumlich begrenzte Teilhabitate       spielsweise zur Aufgabe von Horst- oder Brut-
einer Tierart (GELLERMANN et al. 2007). Nahrungs-    plätzen, Schlaf- oder Hochwasserrastplätzen
räume zählen nicht dazu, es sei denn, dass die       kommen. Eine Veränderung, die zu keiner Ver-
Beeinträchtigung der Nahrungsstätte negative         schlechterung führt, ist keine Beschädigung.
Auswirkungen auf die o.a. Nutzung der Teilhabi-
tate hätte.                                          Als einzige Vermeidungsstrategie zum Schutz
                                                     der Lebensstätten ist die Verlegung des Standor-
Zu betrachten sind folgende Lebensstätten:           tes der Anlage möglich. Hier empfiehlt das
• Fortpflanzungsstätten dienen der Fortpflan-        LANU, die in Teil II und III vorgeschlagenen Ab-
   zung, wie beispielsweise Nester, Baumhöh-         stände zu Lebensstätten empfindlicher Arten
   len und Nistkästen einschließlich eines be-       einzuhalten.
   grenzten räumlichen Umgebungsbereiches.

Teil I: Bestehende Regelungen und rechtliche Aspekte                                                      15
Bei neuen Vorhaben ist zu prüfen, in welchem Maße der Anlagenbetrieb zu Konflikten führen kann (Foto: R. Stecher)

                       2.3.   Privilegierung, Ausnahmen und                     Da Windenergieanlagen häufig die unter a) ge-
                              Befreiungen                                       nannten Voraussetzungen erfüllen dürften,
                                                                                wird es oft entscheidend darauf ankommen,
                                                                                ob die ökologische Funktion der betroffenen
                       2.3.1. Privilegierung für Eingriffe und                  Fortpflanzungs- oder Ruhestätte weiterhin er-
                              Bauvorhaben                                       füllt wird. § 42 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG lässt
                       Der im Zuge der Novellierung des BNatSchG                die Festsetzung vorgezogener Ausgleichs-
                       im Dezember 2007 neu eingeführte § 42 Abs.               maßnahmen zu, wenn diese zur Wahrung
                       5 BNatSchG erklärt für Beeinträchtigungen                der ökologischen Funktion geeignet und er-
                       europäischer Vogelarten sowie im Anhang IV a             forderlich sind. Dabei kann es sich z.B. um die
                       der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführter Tierar-            Errichtung von Ersatzquartieren für betroffene
                       ten (u.a. Fledermäuse) die Verbote des § 42              Tierarten handeln. Da hierzu keine allgemein-
                       Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 BNatSchG für nicht                gültigen Aussagen getroffen werden können,
                       einschlägig, sofern                                      muss dies im Einzelfall entschieden werden.
                       a) diese als Folge eines nach § 19 zulässigen
                          Eingriffs in Natur und Landschaft oder ei-            Ein Freistellen vom Störungs- und Tötungsver-
                          nes nach den Vorschriften des Baugesetz-              bot nach § 42 Abs. 5 BNatSchG ist nicht anzu-
                          buchs zulässigen Vorhabens im Sinne des               wenden für Tiere, deren Fortpflanzungs- und
                          § 21 Abs. 2 Satz 1 auftreten und                      Ruhestätten nicht im Wirkbereich des Vorha-
                       b) die ökologische Funktion der von dem Ein-             bens liegen. Es gibt also keine Privilegie-
                          griff oder Vorhaben betroffenen Fortpflan-            rung für Tiere auf dem Zug oder während
                          zungs- oder Ruhestätten im räumlichen Zu-             der Rastzeit. Soweit das Tötungsrisiko das
                          sammenhang weiterhin erfüllt wird.                    „allgemeine Lebensrisiko“ überschreitet (Kapi-
                                                                                tel 2.2.1), ist die Zulassung des Vorhabens nur
                                                                                aufgrund einer Ausnahme gem. § 43 Abs. 8
                                                                                BNatSchG möglich.

16                     Empfehlungen zur Berücksichtigung tierökologischer Belange bei Windenergieplanungen in S-H
2.3.2. Die Zulassung von Ausnahmen               Urteil des VG Stuttgart vom 3.5.2005
Liegen die Voraussetzungen einer Privilegie-     Aktenzeichen 13 K 5609/03
rung nicht vor, kommt grundsätzlich die Zulas-   Nach einem Urteil des VG Stuttgart kann der
sung einer Ausnahme in Betracht. Gemäß           Vogelschutz als öffentlicher Belang einer
§ 43 Abs. 8 BNatSchG kann die zuständige         Windkraftanlage sogar dann entgegenstehen,
Naturschutzbehörde (das LANU) Ausnahmen          wenn das Gebiet nicht als EG-Vogelschutzge-
von den Verboten des § 42 BNatSchG zulas-        biet gemeldet wurde oder ein so genanntes
sen                                              faktisches Vogelschutzgebiet darstellt. Im Ein-
a) u.a. aus zwingenden Gründen des überwie-      zelnen:
   genden öffentlichen Interesses einschließ-
   lich solcher sozialer oder wirtschaftlicher   Das VG entschied, es bestehe kein Anspruch
   Art,                                          auf Erteilung eines Bauvorbescheides für die
b) wenn zumutbare Alternativen nicht gege-       Errichtung von zwei Windenergieanlagen (Ge-
   ben sind und sich der Erhaltungszustand       samthöhe 120 m), weil dem Vorhaben ein öf-
   der Populationen einer Art nicht ver-         fentlicher Belang gemäß § 35 Abs 3 Satz 1 Nr.
   schlechtert, soweit nicht europäisches        5 BauGB entgegenstehen würde – in diesem
   Recht entgegensteht.                          Fall die Beeinträchtigung von Schwarz- und
                                                 Rotmilanen und ihrer Rast- und Nahrungsplät-
Ob diese Voraussetzungen vorliegen, muss im      ze. Der öffentliche Belang des Vogelschutzes
Einzelfall entschieden werden. Zwingende         als Unterfall des Naturschutzes stehe hier ent-
Gründe des überwiegenden öffentlichen Inte-      gegen. Dabei geht das Gericht nicht davon
resses liegen nur vor, wenn die Errichtung der   aus, dass der Belang des Vogelschutzes erst
Anlage am vorgesehenen Standort im öffentli-     dann einem privilegierten Vorhaben entgegen-
chen Interesse liegt und dieses Interesse        stehe, wenn der betroffene Lebensraum als
ebenso gewichtig ist wie z.B. das Interesse an   faktisches Vogelschutzgebiet i.S.d. Vogel-
der Gesundheit der Menschen oder die öffent-     schutzrichtlinie zu qualifizieren ist. So eine
liche Sicherheit.                                enge Interpretation des § 35 Abs 3 Satz 1 Nr.
                                                 5 BauGB würde im Widerspruch zu den Zielen
                                                 und Zwecken der Vogelschutzrichtlinie stehen
2.3.3. Befreiungen                               (vgl. insb. Art. 3 VGRL). Andererseits kann ei-
Eine Befreiung gem. § 62 BNatSchG von den        nem privilegierten Vorhaben aber auch nicht
artenschutzrechtlichen Verboten kann nur in      jegliches Vorkommen geschützter Vogelarten
besonderen Härtefällen gewährt werden. Für       erfolgreich entgegengehalten werden. Die Fra-
den Bau und den Betrieb von Windenergiean-       ge des Entgegenstehens ist einer generalisier-
lagen wird die andere Voraussetzung - eine       ten Betrachtung nicht zugänglich. Sie muss in
unzumutbare Belastung im Einzelfall - nicht      jedem Einzelfall unter Berücksichtigung der
begründbar sein.                                 konkreten Umstände beantwortet werden. Es
                                                 ist zu prüfen, ob das geplante Vorhaben an
                                                 dem vorgesehenen Standort mit dem Belang
3. Rechtsprechung                                des Vogelschutzes kollidiert. In die Abwägung
Dieses Kapitel gibt einen Überblick über die     ist sowohl die Privilegierung mit dem gebote-
gerichtlichen Entscheidungen zum Themen-         nen Gewicht einzustellen, als auch der berühr-
komplex „Berücksichtigung der faunistischen      te öffentliche Belang entsprechend seiner
Belange bei der Windenergieplanung“. Eine        allgemeinen Bedeutung und konkreten Beein-
jeweils kurze Zusammenfassung weist auf die      trächtigung zu gewichten. Bei der Gewichtung
wesentlichen Aspekte der Urteile im Hinblick     des Vogelschutzbelanges sind im Rahmen der
auf die Berücksichtigung der relevanten Fauna    Abwägung in erster Linie die Schutzwürdigkeit
hin.                                             der betroffenen Vogelart und des betroffenen
                                                 Raumes sowie die Intensität und die Auswir-
                                                 kung des Eingriffs zu berücksichtigen. Je
Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom               schutzwürdiger die betroffene Art und deren
16.3.2006 Aktenzeichen 1 A 10884/05.OVG          durch das Vorhaben beeinträchtigter Lebens-
Das Oberverwaltungsgericht bestätigt das Ur-     raum sind, umso geringere Anforderungen
teil des VG Stuttgart vom 3.5.2005. Danach       sind an die Schwere des Eingriffs und an die
kommt den streng geschützten Vögeln (§ 10        Wahrscheinlichkeit einer Schädigung des ge-
Abs. 2 Nr. 11 BNatSchG) auch außerhalb von       schützten Artenbestandes und dessen
Schutzgebieten ein besonderer Schutz zu, der     Lebensraum zu stellen.
die Errichtung von Windenergieanlagen im Be-
reich der Horste und Nahrungsgebiete nicht
zulässt.

Teil I: Bestehende Regelungen und rechtliche Aspekte                                               17
Die in Frage stehende Mülldeponie ist als ein     Urteil des VG Ansbach vom 7.6.2005
     attraktiver Rast- und Nahrungsplatz für           Aktenzeichen AN 18 K 03.02016
     Schwarz- und Rotmilane einzustufen. Es ist        Das VG hat entschieden, dass das Störverbot
     nicht ein vereinzeltes Vorkommen. Bis zu 8        des Art. 4 Abs. 4 der EG-VSCHRL auch für Vo-
     Tiere wurden gleichzeitig gesehen. Das Unter-     gelschutzgebiete anwendbar ist, die noch
     suchungsgebiet wird nicht als Brutgebiet, son-    nicht gemeldet oder förmlich unter Schutz ge-
     dern als Nahrungsgebiet und als Zugkorridor       stellt wurden. Eine Windkraftanlage, die eine
     auf dem Weg ins Winterquartier genutzt. Der       streng geschützte Vogelart möglicherweise
     Rote Milan ist stärker als andere Vogelarten      aus einem solchen Gebiet vertreiben kann, ist
     gefährdet, Schlagopfer einer WKA zu werden.       deshalb nicht genehmigungsfähig. Hier han-
     Dies wird durch die Bundesdrucksache              delt es sich um einen Windpark, der knapp
     15/5188 vom 30.3.2005 bestätigt. Der Verlust      1.000 m außerhalb der Schutzzone für Wie-
     eines Nahrungs-, Rast- oder Brutplatzes hat       senweihen errichtet werden sollte.
     aber gerade bei seltenen und daher streng ge-
     schützten Tierarten regelmäßig auch negative
     Auswirkungen auf deren ohnehin erheblich re-      Urteil des VG Gera vom 28.04.2005
     duzierte Gesamtpopulation. Doch auch wenn         Aktenzeichen 4 K 1071/02 GE
     man eine solche Aufgabe des betroffenen Le-       Nach einem Urteil des VG Gera ist ein Bauvor-
     bensraumes, aufgrund des attraktiven Nah-         haben unzulässig, wenn die Ermessensabwä-
     rungsangebotes auf der nahe liegenden Müll-       gung ergibt, dass den Belangen des Natur-
     deponie, für eher unwahrscheinlich erachten       bzw. Artenschutzes ein größeres Gewicht bei-
     würde, müsste jedenfalls mit gelegentlichen       zumessen ist. Dies ist dann der Fall, wenn in
     Tötungen dieser Greifvögel durch Kollision mit    dem vorgesehenen Gebiet eine große Anzahl
     den WKA gerechnet werden. Das Kollisionsri-       von Fledermäusen heimisch ist und diese Fle-
     siko ist nicht durch entsprechende Schutz-        dermauspopulation mit ziemlich hoher Sicher-
     und Sicherheitsvorkehrungen an WKA auszu-         heit durch die Windenergieanlagen Schaden
     schließen.                                        nehmen würde.

     Urteil des OVG Koblenz vom 2.2.2006               Urteil des Bayerischen Gerichtshofs vom
     Aktenzeichen 1 A 11312/04.OVG                     30.6.2005 Aktenzeichen 26 B 01.2833
     Dem Begehren, zwei Windenergieanlagen in          (sehr ausführliches Urteil mit vielen Teilaspek-
     einem bedeutenden Vogelflugkorridor im Na-        ten)
     heraum zu errichten, wurde nicht stattgege-
     ben. Die Errichtung der WKA stehe dem öf-         Die Errichtung von zwei Windenergieanlagen
     fentlichen Belang gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1        im Donautal ist unzulässig, weil öffentliche Be-
     Nr. 5 BauGB entgegen. Es handelt sich um ei-      lange - hier Belange des Vogelschutzes (Zug-
     nen bedeutsamen Vogelzugkorridor. Die be-         korridor) und eines in Aufstellung befindlichen
     sondere Bedeutung ergibt sich aufgrund der        Raumordnungsziels - entgegenstehen.
     regionalen Vogelzugverdichtungen. Die Bedeu-
     tung ist seit vielen Jahren bekannt. Die genau-   Das Donautal stellt eine Leitlinie des Vogelzu-
     en Zuglinien können sich kleinräumig verän-       ges in Richtung Südwesten dar. Den Höhenzü-
     dern, sie sind abhängig von den Witterungs-       gen kommt für Thermik segelnde Greifvögel
     faktoren. Auch wenn ein Gutachter an 8 Tagen      und Störche besondere Bedeutung zu. Wie-
     keine besonders hohen Flugfrequenzen fest-        sen und Auen bieten Brut-, Rast- und Über-
     stellen konnte, andererseits aber an einem        winterungsmöglichkeiten. Das Gebiet zeigt für
     weiteren Tag außergewöhnlich hohe Flugfre-        Schwarzmilan und Rotmilan Schwerpunkte ih-
     quenzen festgestellt wurden, kann die Wertig-     res Vorkommens in Bayern. In dem Bereich
     keit des Zugkorridors nicht bestritten werden.    sind außerdem viele EG-Vogelschutzgebiete.
     Kurze Zählungen sind immer Momentaufnah-
     men, aus denen letztlich keine abschließend       Nur mit gewissen Schwierigkeiten lässt sich
     gegenteiligen Erkenntnisse hergeleitet werden     beurteilen, ob die geplanten WEA im betref-
     können. Dass mit zwei WKA keine erhebliche        fenden Abschnitt die Leitlinienwirkung des
     Barrierewirkung für den Vogelzug herbeige-        Donautals für den Vogelzug beeinträchtigen.
     führt würde und beim Zug der Kraniche die         Eine ungünstige Beeinflussung der Thermik-
     Anlagen abgestellt werden könnten, wurde          segler ist aber nicht auszuschließen. Absolut
     vom Gericht nicht akzeptiert. Es wurde sei-       gesicherte Erkenntnisse über Beeinträchtigun-
     tens des Landesamtes in neuesten Untersu-         gen durch Bau und Betrieb liegen nicht vor
     chungen Ausweich- und Irritationsverhalten        und lassen sich erst nach jahrelangen Untersu-
     festgestellt. Auswirkungen auf Zug- und Rast-     chungen ermitteln.
     verhalten größerer Trupps von Kiebitzen und
     Kranichen seien möglich.

18   Empfehlungen zur Berücksichtigung tierökologischer Belange bei Windenergieplanungen in S-H
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