Entrepreneurship Education als Beitrag zur Weiterung der Horizonte
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PR 2021, 75. Jahrgang, S. 59-70 © 2021 Ilona Ebbers - DOI https://doi.org/10.3726/PR012021.0005 Ilona Ebbers Entrepreneurship Education als Beitrag zur Weiterung der Horizonte Nachdem über lange Zeit Ökonomische der Entrepreneurship Education für die Bildung fast selbstverständlich mit volks- Allgemeinbildung herauszuarbeiten. Eine wirtschaftlichen Kenntnissen gleichgesetzt Entrepreneurship Education, verstanden worden ist, findet eine Entrepreneurship als Teil der Allgemeinbildung, zielt nicht Education auch in der ökonomischen All- auf die konkrete Verfolgung einer unter- gemeinbildung eine stärkere Berücksich- nehmerischen Selbständigkeit ab, in der tigung. Nicht zuletzt wegen der relativen das Lehren und Lernen funktional fremden Neuheit wird nicht immer deutlich, was Zielstellungen unterworfen wird.1 sich hinter dem Begriff verbirgt. Für eine Hier setzt der vorliegende Beitrag an Klärung der Definition soll zwischen einer und verfolgt die Frage, wie eine Entre- Entrepreneurship Education im engeren preneurship Education, verstanden als und einer im weiteren Sinne unterschieden Erziehung zum unternehmerisches Den- werden. ken und Handeln, im Rahmen allgemein- Entrepreneurship Education im en- bildender Beschulung und mit dem Ziel geren Sinne bezeichnet ganz einfach die einer allgemeinbildenden Wirksamkeit so Qualifizierung einer Person für eine unter- angelegt werden kann, dass sie einen Bei- nehmerische Selbständigkeit. Bezüge zu trag zur Horizontweitung der Lernenden einer allgemeinen Bildung eines Individu- leisten kann. Um diese Frage beantworten ums bestehen bei dem engeren Begriff zu können, soll im weiteren Verlauf der Bil- ganz offensichtlich nur mittelbar – wenn dungsbegriff nach Klafki genutzt werden.2 überhaupt. Im weiteren begrifflichen Sinne Er bezieht sich hier im Wesentlichen auf wird Entrepreneurship Education dagegen vier Aufgaben der Bildung, welche im als Vermittlung unternehmerischen Den- Folgenden vor dem Hintergrund der hier kens und Handelns verstanden. Sie zielt gemeinten Entrepreneurship Education auf ein unternehmerisches Denken und genauer betrachtet werden sollen. Handeln gewissermaßen als Querschnitts- kompetenz, welche fachübergreifende Kompetenzen in der Allgemeinbildung ver- 1. Zum bildungstheoretischen mitteln möchte. Hintergrund und Die in diesem Beitrag zugrunde ge- Bildungsbegriff nach Klafki legte Definition bezieht sich mithin auf das Verständnis einer Entrepreneurship Edu- Um zunächst den bildungstheoretischen cation im weiteren Sinne, da es wesentlich Hintergrund des hier genutzten Bildungs- auch darum gehen soll, die Ausrichtung begriffs nach Klafki zu schärfen, wird hier 1 / 2021 Pädagogische Rundschau 59 Die Online-Ausgabe dieser Publikation ist Open Access verfügbar und im Rahmen der Creative Commons Lizenz CC-BY 4.0 wiederverwendbar. http://creativecommons.org/licenses/by/4.0
Bezug auf die formale Bildungstheorie3 ge- der Horizonterweitung durch eine Entre- nommen. Diese sieht das Subjekt im Mit- preneurship Education im weiteren Sinne telpunkt des Bildungsprozesses. Hierbei in der Allgemeinbildung betrachtet. findet eine Aufteilung in eine funktionale und methodische Bildungstheorie statt.4 Die in diesem Beitrag verfolgte Perspektive ist 2. Zur Förderung vernünftiger die funktionale Bildungstheorie, welche be- Selbstbestimmung sagt, dass derjenige gebildet ist, der seine inneren Kräfte entfaltet.5 Diese inneren Die vernünftige Selbstbestimmung zu Kräfte können durch eine Entrepreneurship fördern heißt, eigene Fähigkeiten entfal- Education unterstützend entfaltet werden, ten zu können. Es heißt aber auch, eine wie nun anhand der Beschreibung des Bil- kritische Mündigkeit zu erwerben. Eine dungsbegriffs aufgezeigt wird. Entrepreneurship Education im weiteren Klafkis Bildungstheorie bezieht sich im Sinne möchte das Subjekt dazu befähi- Wesentlichen auf vier Aufgaben der Bil- gen, unternehmerisch zu denken und zu dung.6 Zunächst fordert er, durch Bildung handeln – und dieses auch selbständig vernünftige Selbstbestimmung zu fördern. als eigene Fähigkeiten weiter zur Entfal- Hierbei geht es in erster Linie darum den tung zu bringen. Hierzu braucht es unter- Menschen zu ermöglichen, seine Fähig- richtlicher Ansätze, die durch situiertes keiten zur Entfaltung zu bringen und eine Lernen das Subjekt in die Lage verset- kritische Mündigkeit zu erlernen.7 Klafki zen, für unternehmerisches Denken und geht des Weiteren davon aus, dass Bil- Handeln erschlossen zu werden.11 Dies dung immer in Abhängigkeit von histori- kann beispielsweise geschehen, indem schen, gesellschaftlichen und kulturellen an die unternehmerische Aufgabe ange- Gegebenheiten stehen. Daher kann eine lehnte Lehr-Lerninhalte durch simuliertes Selbstbestimmung nur erfolgen, wenn Handeln vermittelt werden. Die Lernenden das Subjekt befähigt wird, einen Bezug sind dadurch aufgefordert, selbständig zu seiner Lebenswelt aufzubauen und ent- Erfahrungen in diesen Situationen zu ma- sprechende Normen und Werte der Ge- chen. Hierdurch soll das Subjekt Selbst- sellschaft sowie kulturelle und politische wirksamkeit im Rahmen der Handlung Lagen zu reflektieren.8 Die dritte Aufgabe erleben und neuerworbene Fähigkeiten der Bildung besagt, dass der Mensch die entfalten können.12 Solche Fähigkeiten Möglichkeit erhält, sich nur selbständig können sich über das eigenverantwortli- zu bilden und Bildung nur für sich selbst che Handeln erstrecken, Kreativität, über erwerben zu können. Damit ist gemeint, die eigenständige Umsetzung von Projek- dass jeder Mensch einen individuellen Bil- ten auch in Teams, über das Identifizieren dungsprozess verfolgt und somit für sich sozialer Probleme in der Gesellschaft und selber entscheidet, auf welchem Weg eine deren Lösung mit innovativen Ideen.13 vernünftige Selbstbestimmung stattfinden Gleichzeitig ist das Individuum auf- kann.9 Die letzte Aufgabe berücksichtigt, gefordert, diese Fähigkeiten bzw. Lern- dass Bildung immer in einer Gesellschaft möglichkeiten kritisch zu betrachten. Auf erfolgt. Somit ist die Schaffung von Interak- dem Wege der Reflexion soll das Sub- tionen mit weiteren Menschen für den indi- jekt eine kritische Mündigkeit erlangen, viduellen Bildungsprozess unabdingbar.10 welche Klafki als eine Aufgabe von Bil- Im weiteren Verlauf werden nun die Auf- dung sieht. Das Subjekt soll in möglichst gaben von Bildung vor dem Hintergrund jeder Situation, in der es aufgefordert ist, 60 Pädagogische Rundschau 1 / 2021 Die Online-Ausgabe dieser Publikation ist Open Access verfügbar und im Rahmen der Creative Commons Lizenz CC-BY 4.0 wiederverwendbar. http://creativecommons.org/licenses/by/4.0
unternehmerisches Denken und Handeln Deutschland lediglich 6 % aller Erwerbs- anzuwenden, zugleich reflektieren, inwie- tätigen selbständig sind.15 Das bedeutet, fern es eigenverantwortlich und nachhaltig dass eine Sichtbarkeit von Unternehmern sozialverträglich agiert hat. Mit der Eröff- in der Gesellschaft als gering einzustufen nung und Einübung dieser Denkhorizonte ist. Das lernende Individuum ist mit Nor- kann das Individuum zu einer vernünftigen men und Werten konfrontiert, die einem Selbstbestimmung gelangen. Einer Entre- unternehmerischen Denken und Handeln preneurship Education gelingt es damit, wenig entsprechen. Umso bedeutsamer den Rahmen der Selbstbestimmung des In- wird Klafkis Postulat einer vernünftigen dividuums um das unternehmerische Den- Selbstbestimmtheit. Dem Individuum wird ken und Handeln zu erweitern. Die oben hiermit ermöglicht, eine bislang wenig so- erwähnten Fähigkeiten, wie beispielswei- zialisierte Fähigkeit entfalten zu können se das eigenverantwortliche Handeln zur und erweitert damit den Bildungshorizont Lösung von gesellschaftlichen Problemen, des Lernenden. Dies bedeutet jedoch kann darüber hinaus als Querschnitts- auch, dass das Individuum für sich kritisch kompetenz aufgefasst werden: Sind diese abwägen sollte, inwiefern unternehmeri- Fähigkeiten erworben und zur Entfaltung sches Denken und Handeln im Rahmen gekommen, können sie in allen Bereichen einer unternehmerischen Selbständigkeit des allgemeinbildnerischen Lernens quer- zum Einsatz kommen kann. Zum unterneh- schnittlich zugrundegelegt werden. merischen Dasein gehört auch das Risiko des Scheiterns. Der Umgang mit diesem Thema jedoch ist in der deutschen Gesell- 3. Zur Abhängigkeit von schaft überaus kompliziert, ja schambe- historischen, gesellschaftlichen haftet. Durch den Erwerb einer kritischen und kulturellen Gegebenheiten Mündigkeit kann das lernende Individuum für sich reflektieren, wie es selbstbestimmt Diese Aufgabe der Bildung nach Klafki mit dem Thema des Scheiterns umgehen postuliert, dass das Subjekt die Mög- möchte und sich diesem Risiko, trotz aller lichkeit erhält, einen Bezug zu seiner Le- gesellschaftlicher Implikationen stellen. benswelt aufzubauen, um letztlich auch In diesem Zusammenhang sei ver- Selbstbestimmtheit zu erlangen. Die Inter- tiefend auf die Sichtbarkeit von Gründe- aktionen mit der Umwelt des Individuums rinnen in der Gesellschaft eingegangen. sind durch entsprechende Normen und Diese sind unterrepräsentiert, lediglich 33 Werte der Gesellschaft geprägt und durch % aller Selbständigen sind weiblich.16 Um übergeordnete kulturelle und politische gerade jungen Frauen die Befähigung zur Lagen mitbestimmt. In Bezug auf das Er- Selbstbestimmtheit zu ermöglichen, sollte lernen des unternehmerischen Handelns besonders auf diese Zielgruppe eingegan- ist festzustellen, dass das Individuum einer gen werden, um eine Horizontweitung auch Lebenswelt gegenübersteht, welche hin- hinsichtlich des optionalen Karrierefens- sichtlich des unternehmerischen Gedan- ters einer unternehmerischen Selbstän- kens eher zurückhaltend reagiert. Eine digkeit anbieten zu können. Bedeutsam Kultur der unternehmerischen Selbstän- wird vor allem bei der Vermittlung eines digkeit ist nur wenig verbreitet. Eher wäre unternehmerischen Denkens und Han- der deutschen Gesellschaft eine Ange- delns, jungen Frauen die Möglichkeit der stellten- und Versicherungsmentalität zu- Selbstwirksamkeitserfahrung zu bieten.17 zuschreiben.14 So ist festzustellen, dass in In den schon angesprochenen situierten 1 / 2021 Pädagogische Rundschau 61 Die Online-Ausgabe dieser Publikation ist Open Access verfügbar und im Rahmen der Creative Commons Lizenz CC-BY 4.0 wiederverwendbar. http://creativecommons.org/licenses/by/4.0
Vermittlungsprozessen sollen junge Frau- 4. Zur selbständigen Bildung en erleben, wie unternehmerisches Den- ken und Handeln in der sozialen Interaktion Klafki geht in seiner nächsten Aufgabe auf Augenhöhe mit allen Teilnehmenden der Bildung davon aus, dass dem Men- stattfinden kann. Eine geschlechtsspezi- schen die Möglichkeit gegeben wird, fische Arbeitszuteilung könnte damit im sich ausschließlich selbständig zu bilden Rahmen der erfahrenen Selbstwirksamkeit und Bildung nur für sich selber erwerben vermieden und einem männlich geprägten zu können. Jeder Mensch verfolgt dabei Weltbild unternehmerischer Tätigkeit ent- einen individuellen Bildungsprozess und gegengewirkt werden.18 Damit wäre eine entscheidet dabei für sich selber, wie eine gleichberechtigte Teilhabe beider Ge- Selbstbestimmung stattfinden kann. schlechter am Thema der unternehme- Dieser Ansatz entspricht dem An- rischen Selbständigkeit möglich. Klafkis spruch einer Entrepreneurship Education weitere Aufgabe der Bildung erfährt somit im weitesten Sinne im vollen Umfang. Die zusätzlich eine aufklärerische Komponente Vermittlung des unternehmerischen Den- hinsichtlich der gesellschaftlichen Normen kens und Handelns möchte dafür sorgen, und Werte einer unternehmerischen Selb- dass selbständige Bildung durch selbstän- ständigkeit und sensibilisiert für kulturelle diges Lernen erfahren wird. Selbständig- Gegebenheiten. keit wird hier thematisch breiter gedacht. Unabhängig von diesem bedeutsa- So gehört zum unternehmerischen Den- men Erschließungsprozess für das Thema ken und Handeln, Verantwortung für die ermöglicht das in der Entrepreneurship Handlung zu übernehmen und den Um- Education Erlernte auch einen Kompetenz- gang damit zu erlernen. Diese Kompetenz zuwachs für eine abhängige Beschäftigung ist auf viele Lernsituationen übertragbar. und möchte den Rahmen eigenständigen Zudem soll die Neugierde auf neue The- Handelns auch für diese Beschäftigungs- men geweckt und Wissenszuwachs ge- form aufspannen.19 Diesbezüglich ist nicht neriert werden. Hierdurch kann Kreativität die Ausbildung zu einem sogenannten unterstützt werden, und das Individuum ‚Intrapreneur‘ gemeint: Es soll keine Er- entscheidet hierbei, wie weit es seinen ziehung zu ‚angestellten Unternehmern‘ Erfahrungshorizont öffnen möchte. Dies- in einem Unternehmen erfolgen, die eine bezüglich ist es relevant, dass dem Sub- Selbstausbeutung der jeweiligen Be- jekt ein Lernumfeld geboten wird, in dem schäftigten riskiert, ohne dass diese in es diese Erfahrungen erleben kann. Die den Genuss der Vorteile der Selbstän- schon angesprochenen situierten Lehr- digkeit kämen. Das Subjekt soll vielmehr Lernsituationen sollen dem Individuum erkennen, welche Spielräume zum selb- ermöglichen, eine Sicherheit im Umgang ständigen Handeln auch als Arbeitnehmer mit dem unternehmerischen Denken und verfügbar sind. Auch hierfür bedarf es Handeln zu erlangen. Es bedarf hierfür das einer Selbstbestimmtheit. Durch die er- Angebot eines sogenannten Schonraums, lebten Selbstwirksamkeitserfahrungen im in dem diese Erfahrungen ohne negative Erschließungsprozess kann das Subjekt Konsequenzen erlebbar sind.20 Hierdurch diese Spielräume für sich ausloten und werden dem Subjekt Handlungsalter- auf mögliche Arbeitsprozesse in abhän- nativen für die Zukunft angeboten. Das giger Beschäftigung transferieren. Auch Subjekt kann für sich selber entscheiden, in dieser Hinsicht wird eine Horizontwei- welche Handlungsalternative passend tung durch eine hier beschriebenen Entre- ist. Unternehmerisches Denken und Han- preneurship Education ermöglicht. deln kann eine berufliche Alternative sein, 62 Pädagogische Rundschau 1 / 2021 Die Online-Ausgabe dieser Publikation ist Open Access verfügbar und im Rahmen der Creative Commons Lizenz CC-BY 4.0 wiederverwendbar. http://creativecommons.org/licenses/by/4.0
muss jedoch nicht weiter im Sinne einer 5. Zur Interdependenz unternehmerischen Selbständigkeit ver- zur Gesellschaft folgt werden. Vielmehr darf es, wie be- reits erwähnt, auch für eine abhängige Die letzte Aufgabe der Bildung nach Klaf- Erwerbsarbeit genutzt werden. Relevant ki berücksichtigt, dass Bildung immer in ist hierbei, dass das Subjekt im Mittel- einem gesellschaftlichen Umfeld erfolgt. punkt der Betrachtung steht. Im Gegen- Somit ist die Interaktion mit weiteren Men- satz dazu verfolgt eine Entrepreneurship schen für den individuellen Bildungspro- Education, welche das Objekt in den zess unabdingbar.27 Bezogen auf das hier Mittelpunkt stellt, ein bestimmtes inhalt- zu betrachtende unternehmerische Den- liches Ziel. Protagonisten, die aus einem ken und Handeln darf eine Perspektive auf interessierten unternehmerischen Kontext das gesellschaftliche Umfeld zum einen oder mitunter vor dem Hintergrund wirt- hinsichtlich des interaktionalen Lernens28 schaftswissenschaftlicher Erkenntnissu- und zum anderen hinsichtlich der in Ge- che argumentieren, wünschen hier oftmals sellschaft zu identifizierenden Personen, das Erkennen von Möglichkeiten am Markt welche den individuellen Bildungsprozess zur Realisierung einer Idee zu fördern.21 unterstützen, eingenommen werden. Wird Dieses zu erlernen führe gewissermaßen das interaktionale Lernen betrachtet, darf zwangsläufig zum aus Sicht der Ökonomik nochmals Bezug auf die vorherige Aufga- erwünschten Verfolgen einer unternehme- be der Bildung genommen werden. rischen Selbständigkeit und einer entspre- Im Rahmen des situierten Lernens chenden Profitorientierung.22 Der dabei findet eine Interaktion mit weiteren Ler- genutzte Qualifikationsbegriff entspricht nenden und mit dem Lehrenden statt. Die vom Grundsatz her nicht dem hier erhobe- Gesamtheit aller Erfahrungen, die Ent- nen Anspruch von Bildung.23 Der Aspekt wicklung der Teamarbeit sowie das sozia- Selbstbestimmung wird hierdurch zu stark le Handeln im Lernprozess führt zu einer vereinseitigt und dadurch ad absurdum Unterstützung der vernünftigen Selbstbe- geführt. Die hier vertretende bildende En- stimmung des Lernenden. Diese Situation trepreneurship Education steht für eine beeinflusst das Individuum hinsichtlich der ganzheitliche Befähigung des Individuums Entscheidung für einen persönlichen Bil- hinsichtlich des Lerngegenstands.24 Hier- dungsprozess in jegliche Richtungen. Ge- bei geht es auch um den Transfer des meint ist, dass das Erlernen von Inhalten Gelernten auf andere kontextuell nahe Auf- und Kompetenzen immer in Abhängigkei- gaben und Situationen.25 Hierdurch ist wei- ten von der das Lernumfeld umgebenden terhin der Anspruch gewährleistet, dass Gesellschaft stattfindet. die dritte Aufgabe des Bildungsbegriffs In der didaktischen Umsetzung sollen nach Klafki Berücksichtigung findet, eine die geschaffenen Lehr-Lernsituationen Ordnung zwischen dem Erlernten und der genau hierfür einen Raum bieten. In dieser Lebenswelt zu schaffen.26 Auch hier findet Lehr-Lernsituation findet situiertes Lernen ein weiteres Mal eine Horizontweitung des statt. Die Lerngruppe erhält die Möglichkei- Individuums durch die Querschnittskom- ten Erfahrungen in der Gruppe miteinander petenz des unternehmerischen Denkens auszuhandeln und zu einem Kompromiss und Handelns statt. zur Bewältigung des in der Lernaufgabe gestellten Problemfeldes zuführen. Hier- durch bekommt das Subjekt Einsichten in die gesellschaftsrelevanten Konsequenzen 1 / 2021 Pädagogische Rundschau 63 Die Online-Ausgabe dieser Publikation ist Open Access verfügbar und im Rahmen der Creative Commons Lizenz CC-BY 4.0 wiederverwendbar. http://creativecommons.org/licenses/by/4.0
durch sein eigenes selbstbestimmtes Han- werden unternehmerisch tätige Personen deln, und eine Horizontweitung durch das eingeladen. Lernende, welche sich dem Erlernen des unternehmerischen Denkens Thema des unternehmerischen Denkens und Handelns wird ermöglicht. Aber auch und Handelns öffnen möchten, werden in der Lehrende in der Lehr-Lernsituation diesem begleitet. Lernende können sich spielt eine bedeutsame Rolle im Rahmen an die Mentoren als Vertrauensperson des Lernens in Interaktion. So wird sich wenden und mit ihnen das Erlernte im das Subjekt auf die vom Lehrenden als Rahmen des unternehmerischen Denkens relevante Aufgabenstellung in Bezug auf und Handelns für die Praxis reflektieren. die Entrepreneurship Education einstellen Die unternehmerische Erfahrung der Men- und den Lehrenden als Reflexionsfolie des toren wird den Lernenden dabei helfen, selbstbestimmten Lernens nutzen. Diesbe- ihren Horizont hinsichtlich einer konkreten züglich lernt das Subjekt in seiner Selbst- unternehmerischen Selbständigkeit zu er- bestimmtheit, die vom Lehrenden gestellte weitern. Hierdurch haben die Lernenden Aufgabe für sich zu deuten bzw. flexibel die Möglichkeit die erworbene vernünftige im Rahmen des Möglichen umzugestalten Selbstbestimmung umzusetzen und für und auf die für ihn in Gesellschaft rele- sich zu prüfen, ob diese Karriereoption für vanten Aspekte des unternehmerischen sie stimmig erscheint. Denkens und Handelns anzuwenden. Die- Das Mentoringkonzept kann gleich- sen Handlungsspielraum zu nutzen, wird zeitig auch für Fallstudienarbeiten genutzt ebenfalls dafür sorgen, dass eine Entre- werden.32 Eine Idee ist, Fallstudienarbeit preneurship Education den Bildungshori- durch Exkursionen zu Gründern vorzu- zont erweitert. bereiten. Somit wird ein Bezug in die Der individuelle Bildungsprozess kann Lebenswirklichkeit hergestellt, der dem und soll auch durch Vorbilder unterstützt Lernenden neue Einsichten hinsichtlich werden. Das impliziert, dass in der Ge- des Themas ermöglicht. An Hand der An- sellschaft Personen zu identifizieren sind schaulichkeit des Wirklichen ist es für das und als Vorbild eine solche Funktion wahr- Subjekt weit besser möglich, ein unterneh- nehmen können und wollen.29 Soll eine merisches Umfeld in Form einer Fallstudie Entrepreneurship Education den Horizont zu analysieren und hierdurch wiederum des Subjekts erweitern, dann wird es für neue Horizonte hinsichtlich des Themas notwendig erachtet, dass bislang inter- des unternehmerischen Denkens und nalisierte Normen und Werte, wie die Handels zu erblicken. bereits erwähnte Angestellten- und Ver- Nachdem nun eine Klärung des Bil- sicherungsmentalität, um andere Werte dungsbegriffs bezogen auf eine Entre- und Haltungen ergänzt werden. Personen, preneurship Education in weiteren Sinne welche unternehmerisch aktiv sind, haben hinsichtlich der Aufgaben von Bildung diese oder ähnliche Erweiterungen ihres nach Klafki erfolgen konnte, soll im wei- Wertehorizontes bereits erlebt.30 Somit ist teren Bezug auf die didaktischen Impli- es zielführend, die Lernenden mit diesem kationen einer solchen Entrepreneurship Personenkreis zusammen zu bringen. Dies Education genommen werden. Hierfür kann auf unterschiedlichen Wegen statt- werden zur didaktischen Analyse fünf Fra- finden. Als wirksam haben sich Konzepte gen nach Klafki aufgegriffen und an Hand wie Mentoring und Fallstudien erwiesen.31 von Beispielen für die Entrepreneurship Im Rahmen des Mentoringkonzepts Education im weiteren Sinne vorgestellt. 64 Pädagogische Rundschau 1 / 2021 Die Online-Ausgabe dieser Publikation ist Open Access verfügbar und im Rahmen der Creative Commons Lizenz CC-BY 4.0 wiederverwendbar. http://creativecommons.org/licenses/by/4.0
6. Zu den fünf Fragen Zur Exemplarität: Wie bereits im Rah- der didaktischen men der Aufgaben von Bildung nach Klafki erläutert werden konnte, bedarf es einer Analyse nach Klafki Lehr-Lernsituation, welche den Lernenden aktiviert, in einem Schonraum des Auspro- An dieser Stelle soll nun den zuvor vor- bierens an unternehmerische Aufgaben gestellten Bildungsbegriff unterstützend angelehnte Lernprozesse erleben zu wol- verdeutlicht werden, wie die damit beab- len. Diesbezüglich soll unternehmerisches sichtigte Bildung im didaktischen Prozess Denken und Handeln erfahrbar werden. In zur Anwendung kommen kann. Für die diesem Rahmen wird eine exemplarische notwendige didaktische Analyse sollen die Aufgabe bearbeitet, an Hand derer der fünf Fragen nach Klafki aufgegriffen wer- Lernende Selbstwirksamkeitserfahrungen den, welche die im Folgenden vorzustel- erlebt, welche er auch in anderen Hand- lenden Punkte berücksichtigen.33 lungssituationen beispielsweise in sei- Zunächst stellt sich die Frage nach nem zukünftigen Arbeitsleben anwenden der Erschließung des Allgemeinen aus kann.36 Eine solche Aufgabe kann darin be- dem Gegenstand bzw. des Themas und stehen, dass sich ein Gründungsteam bil- meint hier die Exemplarität des Lern- det und Aufgaben innerhalb dieses Teams gegenstands. Weiterhin wird die Gegen- auf Augenhöhe verteilt werden sollen, um wartsbedeutung des Lerngegenstands ein avisiertes Projekt umzusetzen. Hierbei für den Lernenden analysiert. Hieraus wird der Lernende in die Lage versetzt, erschließt sich der Wert des gewählten seinen Bildungsprozess selber zu bestim- Gegenstandes im Leben der Lernenden. men und sich gegebenenfalls neuen Auf- Schließlich wird die Zukunftsbedeutung gaben zu öffnen. Auch wenn der Lernende des Lerngegenstands in die didaktische auf ein vorhandenes Kompetenzprofil zu- Analyse einbezogen.34 Diese kann jedoch rückgreift, wird er, wie auch im ersten Fall, immer nur für den Lernenden angenom- Kompetenzen erlernen, die sich auf die men werden. soziale Interaktion mit anderen in Bezug Um das Thema in einen gesellschaft- auf eine Teambildung beziehen. Auch hier lich übergreifenden Zusammenhang zu erfährt der Lernende die Gelegenheit des bringen, soll ebenfalls die Struktur des selbstbestimmten Lernens und kann die Lerngegenstands betrachtet werden. Aushandlungen, welche im Teamprozess Hierdurch wird auch die Möglichkeit des stattfinden, für sich im Rahmen einer kriti- übergreifenden Einsatzes des Lerngegen- schen Mündigkeit bewerten. In diesem Zu- stands angesprochen. sammenhang wird ebenfalls eine Weitung Im Weiteren geht es um die Analyse des Horizonts erreicht und kann auch auf der Zugänglichkeit des Themas für den an anderen Stellen des in der Allgemein- Lernenden. Wie eine konkrete Motiva- bildung Gelernten übertragen werden. Es tion oder Anschaulichkeit gelingen kann, wird ein weiteres Mal deutlich, dass Entre- wird hier einer genaueren Betrachtung preneurship Education einen Beitrag zum unterzogen.35 Erwerb von Querschnittskompetenzen Diese fünf Fragen werden im weite- leisten kann. ren Verlauf an Hand von übergreifenden Zur Gegenwartsbedeutung: Inwiefern Beispielen beantwortet und sollen einen unternehmerischem Denken und Handeln Überblick in didaktische Überlegungen für ein Individuum in der Gegenwart eine des Themas des unternehmerischen Den- Bedeutung zuzuschreiben ist, wird im kens und Handelns geben. Weiteren betrachtet. Die Analyse einer 1 / 2021 Pädagogische Rundschau 65 Die Online-Ausgabe dieser Publikation ist Open Access verfügbar und im Rahmen der Creative Commons Lizenz CC-BY 4.0 wiederverwendbar. http://creativecommons.org/licenses/by/4.0
Gegenwartsbedeutung für das Subjekt Individuum umgibt und diese gilt es in das ist in der didaktischen Vorbereitung einer Lehrlerngeschehen als Gegenwartsbezug Lehr-Lernsituation von besonderem Inter- zu transferieren. esse. So stellt sich hier die Frage, wie ein Auch veränderte Beschäftigungsfor- Subjekt einen Bezug zu seiner Lebenswelt men sind in der Lebenswelt der Individu- hinsichtlich des Lerngegenstands aufbau- en allgegenwärtig. So werden befristete en kann. Durch einen direkten Lebens- Beschäftigungen oder Arbeit in zeitlich weltbezug lässt sich der Lerngegenstand begrenzten Projektteams vermehrt am im didaktischen Prozess legitimieren.37 Arbeitsmarkt nachgefragt.39 Mit dieser He- Die Legitimation des Lerngegenstands rausforderung sehen sich die Lernenden unternehmerischen Denkens und Han- konfrontiert und sollen hierauf vorbereitet delns lässt sich beispielhaft hinsichtlich werden. Das Individuum wird im Rah- der folgenden Teilthemen vornehmen: Ge- men dessen zum Unternehmer in eigener sellschaftliche Transformationsprozesse, Sache. So ist das Subjekt aufgefordert veränderte Beschäftigungsformen, Impli- sich in ständig veränderten Arbeitsver- kationen der Globalisierung, Anforderun- hältnissen Selbstbestimmtheit neu zu de- gen der Digitalisierung sowie der Umgang finieren und sich quasi auch immer wieder mit sozialen Medien. An Hand dieser Auf- neu zu erfinden. Unternehmerisches Den- zählung soll der Gegenwartsbezug des ken und Handeln kann hier ein mündiges Individuums zum Lerngegenstand aufge- Verhalten unterstützen und wiederholt als zeigt werden. Querschnittskompetenz dienlich sein. Gesellschaftliche Transformations- Bezogen auf Implikationen der Glo- prozesse beziehen sich beispielsweise balisierung ist davon auszugehen, dass auf ökonomische und/oder auch tech- sich das Individuum den Herausforde- nische Veränderungen. So kann eine rungen der Mobilität und Flexibilität auch Industriegesellschaft zu einer Wissens- auf einem globalen Arbeitsmarkt stellen gesellschaft avancieren, womit erhebli- muss. In der Lebenswelt des Lernenden che Neuerungen eines gesellschaftlichen ist eine internationale Öffnung des Mark- und kulturellen Gefüges einhergehen. tes allgegenwärtig. Das Individuum sieht Hochschulabschlüsse werden verstärkter sich hier mit unterschiedlichen Herausfor- nachgefragt, und forschungsbasierte Wis- derungen konfrontiert. So ist das Erlernen sensgenerierungen dienen der Wirtschaft von Fremdsprachen, Interkulturalität und als Motor in Form von Produktinnovatio- Toleranz gegenüber Verschiedenartigkeit nen. Mit diesem Ansatz wird deutlich, wie überaus bedeutsam. Auch hier bedarf relevant hierfür auch unternehmerisches es einer vernünftigen selbstbestimmten Denken und Handeln sein kann. Produkt- Bildung sowie kritischen Mündigkeit im neuerungen zur Unterstützung einer Wis- Umgang mit dieser. Unternehmerisches sensgesellschaft werden bedeutsam und Denken und Handeln kann hier wieder als brauchen Personen, die solche ins Leben Querschnittskompetenz behilflich sein. rufen können.38 Solche Innovationen be- So kann der Lernende in der Allgemein- nötigen nicht unbedingt ein forschungs- bildung in der projektierten Gruppenarbeit basiertes Niveau und können auch aus Teamfähigkeit in diversen Teamzusammen- einem alltäglichem Defiziterleben oder stellungen erfahren. Szenarien, welche aufgrund gesellschaftlichen Problemlagen simulierte internationale Zusammenarbeit in direkten Umfeld entstehen. Auch diese mit ausländischen Projektteams inkludiert, können eine Wissensgesellschaft unter- können die notwendigen Kompetenzen stützen. Dies ist die Lebenswelt, die das im Umgang mit einer globalisierten Welt 66 Pädagogische Rundschau 1 / 2021 Die Online-Ausgabe dieser Publikation ist Open Access verfügbar und im Rahmen der Creative Commons Lizenz CC-BY 4.0 wiederverwendbar. http://creativecommons.org/licenses/by/4.0
vermitteln. So kann in der didaktischen Medien ist in der Lehr-Lernsituation von Vorbereitung dem Lebensweltbezug des Bedeutung. So können die lernenden Lernenden entsprochen werden und Subjekte im Zuge einer erlangten kriti- unternehmerisches Denken und Handeln schen Mündigkeit diesen Umstand für sich wiederholt zur Horizontweitung des Ler- bewerten und einen selbstbestimmten nenden führen. Umgang mit diesem erlernen. Unterneh- Die zunehmende Digitalisierungsent- merisches Denken und Handeln evoziert wicklung in unserer Gesellschaft betrifft quasi diesen selbstbestimmten Umgang, das lernende Individuum im besonderen da es die Nutzung dieser Medien unab- Maße. Es wird in diesem Umfeld sozialisiert dingbar macht. und ist aufgefordert sich dieser Entwick- Nachdem nun der Gegenwartsbe- lung immer wieder aufs Neue zustellen. zug unternehmerischen Denkens und Genau diese Flexibilität möchte das unter- Handelns für das Individuum vorgestellt nehmerische Denken und Handeln in einer werden konnte, soll nun im Weiteren hin- Entrepreneurship Education fördern. Der sichtlich der didaktischen Analyse auf die Gegenwartsbezug einer digitalisierten Ge- Zukunftsbedeutung des Themas einge- sellschaft wird somit eingelöst und kann gangen werden. sogar in die Lehr-Lernsituationen einbe- Zur Zukunftsbedeutung: Hinsichtlich zogen werden. So können die Lernenden des unternehmerischen Denkens und selber an Projekten für digitalisierte Pro- Handelns kann für das lernende Indivi- dukte arbeiten oder entsprechende Pro- duum nur eine Zukunftsbedeutung an- dukte für die Projektentwicklung nutzen. genommen werden.40 Es darf in diesem In diesem Zusammenhang ist auch ein Zusammenhang vermutet werden, dass weiteres Mal der Umgang mit sozialen Me- eine unternehmerische Selbständigkeit dien zu betonen. So werden diese gerne ein optionaler Karriereweg unter vielen zur Verbreitung von Produktangeboten anderen möglichen Wegen darstellt. Die genutzt. Diese gesellschaftliche Entwick- vernünftige Selbstbestimmtheit des Ler- lung trifft genau auf die Lebenswelt des nenden führt in diesem Zusammenhang Individuums. Gegenwärtig bewegen sich zu einer Selbsteinschätzung, inwiefern die lernenden Individuen, welche sich im dieser Karrierepfad betreten werden soll. Bereich der Allgemeinbildung befinden, Der gegenwärtige Einsatz einer Entre- in den Sozialen Medien, um beispielswei- preneurship Education soll diesbezüglich se soziale Kontakte zu pflegen oder auch ausschließlich auf diese Möglichkeit vor- Neuigkeiten hinsichtlich Musik, Serien bereiten und möchte hierdurch eine wei- oder auch Produkte wie Kleidung zu er- tere berufliche Option für das Individuum fahren. Soziale Medien dienen als Werbe- öffnen. portal, können jedoch ebenso im sozialen In diesem Beitrag wurde an verschiede- Bereich für Unfrieden, auch Shitstorm ge- nen Stellen auch Bezug auf das abhängige nannt, sorgen. Lernende lernen im Rah- Beschäftigungsverhältnis genommen. Die men des unternehmerischen Denkens und möglichen erwerbbaren Querschnittskom- Handelns wie sie soziale Medien für ihre petenzen des unternehmerischen Denkens Belange einsetzen können. Hier sei der und Handelns können auch einer zukünf- flexible Kontaktaustausch sowie die Ver- tigen abhängigen Erwerbsarbeit dienlich marktung der Projektidee genannt, welche sein. Vor dem Hintergrund der oben dar- zu einer Vernetzung von möglichen Pro- gestellten Gegenwartsbedeutung wird die jektpartnern sorgen kann. Aber auch die Notwendigkeit der Querschnittskompe- Reflexion des Missbrauchs von sozialen tenz nochmals deutlich. Das Individuum ist 1 / 2021 Pädagogische Rundschau 67 Die Online-Ausgabe dieser Publikation ist Open Access verfügbar und im Rahmen der Creative Commons Lizenz CC-BY 4.0 wiederverwendbar. http://creativecommons.org/licenses/by/4.0
aufgefordert diese Kompetenz selbstbe- In besonderer Weise kann unterneh- stimmt einzusetzen und an geeigneten Stel- merisches Denken und Handeln auch len kritisch zu reflektieren. Damit sorgt eine durch den Einsatz methodischer Großfor- Entrepreneurship Education erneut für eine men veranschaulicht werden.42 So kann Horizontweiterung des lernenden Subjekts. beispielsweise eine Schülerfirma Lernen- Zur Struktur des Lerngegenstands: den unternehmerisches Denken und Han- Bei diesem Punkt wird die Frage gestellt, deln durch die praktische Einbindung des welche Struktur (übergreifender Zusam- Subjekts näher bringen. Durch die eigene menhang) der durch die Gegenwarts- und und in Teilen simulierte Handlung erhält Zukunftsbedeutung in die spezifisch päda- das Individuum die Möglichkeit Selbstwirk- gogische Sicht gerückte Inhalt hat. samkeitserfahrungen zu erleben und ist in Wird auf die Sachstruktur geschaut, der Lage, selbstbestimmt an den Aktivitä- geht es in der didaktischen Analyse genau ten innerhalb der methodischen Großform darum, dass Individuum für das Thema zu partizipieren.43 Kritische Mündigkeit des unternehmerischen Denkens und hinsichtlich der unternehmerischen Ab- Handelns zu sensibilisieren.41 Das lernen- läufe wird hierdurch förderbar. Durch das de Subjekt muss die Möglichkeit erhalten, situierte Lernen in der Gruppe erfahren die Bedeutung des Themas selbständig zu die Individuen zudem, unternehmerische erkennen, um ihm mit kritischer Mündigkeit Prozesse untereinander auszuhandeln. begegnen zu können. Es soll dabei einen Das Thema wird hierdurch zugänglich selbständigen Transfer der gegenwärtigen und könnte in soeben beschriebener relevanten Kompetenzen auf zukünftige Form einer didaktischen Analyse unterzo- Anwendungen vornehmen können und gen werden. Eine Horizontweitung durch entsprechend selbstbestimmt über den eigene praktische Handlung wird für die Umfang der persönlichen Öffnung für das Teilnehmenden in der Allgemeinbildung Thema entscheiden. Relevant ist zudem, ermöglicht. dass keine Überwältigung hinsichtlich des Drängens in Richtung einer unternehmeri- schen Selbständigkeit stattfindet. Es kann 7. Fazit sich nur um ein Bildungsangebot in der All- gemeinbildung handeln, welches auch aus Eine Entrepreneurship Education, welche pädagogischer Perspektive betrachtet und als unternehmerisches Denken und Han- didaktisch analysiert werden soll. deln zu verstehen ist, hat großes Poten- Zur Zugänglichkeit: Wie bereits bei tial, einen Beitrag zur Horizontweitung bei den Aufgaben von Bildung aufgegriffen Subjekten der Allgemeinbildung zu leisten. wurde, ist es relevant, den Lernenden So kann sie dem Individuum ermöglichen, einen Bezug zur Praxis zu offerieren. Dies im Sinne des Bildungsbegriffs nach Klaf- kann im Rahmen des unternehmerischen ki, selbstbestimmtes Lernen bzw. Selbst- Denkens und Handelns auf unterschiedli- bestimmung in der Bildung zu erleben. che Weise geschehen. Durch den Einsatz der Querschnittskom- So kann die Realbegegnung mit petenz erfährt der Lernende Selbstwirk- Gründern mit einer anschließenden Fall- samkeit in der Handlung und kann durch studienbearbeitung einen Einblick in die kritische Mündigkeit entscheiden, wie praktische Tätigkeit der unternehmeri- weit er für den Lerngegenstand geöffnet schen Selbständigkeit bieten. Hierdurch werden möchte. Eigenverantwortung, kann der Lerngegenstand begreiflicher Teamarbeit gestalten, kreative Prozesse werden. anstoßen, soziale Problemlagen durch 68 Pädagogische Rundschau 1 / 2021 Die Online-Ausgabe dieser Publikation ist Open Access verfügbar und im Rahmen der Creative Commons Lizenz CC-BY 4.0 wiederverwendbar. http://creativecommons.org/licenses/by/4.0
entsprechende Projektgestaltung lösen deutsche Schule, Didaktische Analyse, Ber- sowie selbständig getroffene Entschei- lin/Hannover/Darmstadt: Schröder, S. 5-32, hier S. 9. dungen in Gemeinschaft auszuhandeln, 8 Vgl. Klafki, Wolfgang: Neue Studien zur Bil- gehören zu dem Kompetenzprofil es unter- dungstheorie und Didaktik, a.a.O., S. 45-46. nehmerischen Denkens und Handelns, 9 Vgl. ebd., S. 26. welches sich fächerübergreifend und in 10 Vgl. ebd., S. 35-36. verschiedenen Gebieten der Bildung ein- 11 Vgl. Ebbers, Ilona: Entrepreneurship Edu- setzen lassen kann. Eine didaktische Ana- cation als Möglichkeits- und Ermöglichungs- lyse des Lerngegenstands, wie sie hier raums – eine erste theoretische Annäherung aus fachdidaktischer Perspektive. In: Bijedic, vorgestellt wurde, konnte zudem noch- Teita/ Ebbers, Ilona/ Halbfas, Brigitte (Hrsg.): mals deutlich machen, auf welche Weise Entrepreneurship Education, a.a.O., S. 53. eine Entrepreneurship Education zur Ho- 12 Vgl. Bandura, Albert: Self-efficacy – The rizontweitung des Individuums beitragen exercise of control. New York: W.H. Freeman kann. Eine solche Allgemeinbildung ist für 1997, S. 37. alle Lebensbereiche der Lernenden nutz- 13 Diese Fähigkeiten sind als grundlegende Fä- bar und sorgt darüber hinaus für ein mün- higkeiten im Rahmen des unternehmerischen Denkens und Handelns zu begreifen und diges, selbstbestimmtes Handeln in der sind spezifisch für eine fachdidaktische Per- und für die Gesellschaft. spektive auf das unternehmerische Denken und Handeln zu verstehen. Hierbei wird das Subjekt in den Mittelpunkt der Betrachtung gerückt und erstreckt sich auch im Sinne Anmerkungen des Bildungsbegriffs Klafkis auf die Eigenver- antwortung des Lernenden gegenüber dem 1 Vgl. Ebbers, Ilona: Entrepreneurship Edu- Umfeld seiner Handlung. cation als Möglichkeits- und Ermöglichungs- 14 Westerfeld, Kerstin: Förderung persön- raum – eine erste theoretische Annäherung lichkeitsbezogener unternehmerischer aus fachdidaktischer Perspektive. In: Bijedic, Kompetenzen im Rahmen der Existenzgrün- Teita/ Ebbers, Ilona/ Halbfas, Brigitte (Hrsg.): dungsqualifizierung an Hochschulen. Bil- Entrepreneurship Education. Begriff – Theo- dungstheoretische Analyse, Zielkonturierung rie – Verständnis, Wiesbaden: Springer Ver- und didaktische Arrangements, Paderborn: lag 2019, S. 43-61, hier S. 53. EUSL 2004, S. 60. 2 Vgl. Klafki, Wolfgang: Neue Studien zur 15 Vgl. BMAS: Forschungsbericht: Selbst- Bildungstheorie und Didaktik. Beiträge zur ständige Erwerbstätigkeit in Deutschland kritisch-konstruktiven Didaktik, Weinheim (Aktualisierung 2020), https://www.bmas. Basel: Beltz 1985, S. 13. de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Pub- 3 Vgl. Klafki, Wolfgang: Kategoriale Bildung. likationen/Forschungsberichte/fb545-selbst Zur bildungstheoretischen Deutung der mo- staendige-erwerbstaetigkeit-in-deutschland. dernen Didaktik. In: Klafki, Wolfgang: Studien pdf;jsessionid=D29A8B2CBF125925F4 zur Bildungstheorie und Didaktik, Weinheim/ 005021B91E23CC?__blob=publication Basel: Beltz 1963, S. 25-45, hier S. 38. File&v=4, S. 10. 4 Vgl. ebd. 16 Vgl. Global Women’s Entrepreneurship Mo- 5 Vgl. Klafki, Wolfgang: Neue Studien zur Bil- nitor 2019, gem-2018-2019-womens-re- dungstheorie und Didaktik. Beiträge zur kri- port-1574186608.pdf., S. 74. tisch-konstruktiven Didaktik, a.a.O., S. 25. 17 Vgl. Ebbers, Ilona: Social Entrepreneur- 6 Vgl. Klafki, Wolfgang: Die Bedeutung der ship Education im beruflichen Übergang. klassischen Bildungstheorien für ein zeit- In: Schröder, Rudolf (Hrsg.): Berufliche gemäßes Konzept allgemeiner Bildung. Orientierung in der Schule, https://doi.org/ In: Zeitschrift für Pädagogik 32 (1986) 4, 10.1007/978-3-658-24197-1_13, S. 209-220, S. 455-476, hier S. 474-475. hier S. 210. 7 Klafki, Wolfgang: Didaktische Analyse als 18 Vgl. Bourdieu, Pierre: Die männliche Herr- Kern der Unterrichtsvorbereitung. In: Die schaft, Frankfurt: suhrkamp 2013. 1 / 2021 Pädagogische Rundschau 69 Die Online-Ausgabe dieser Publikation ist Open Access verfügbar und im Rahmen der Creative Commons Lizenz CC-BY 4.0 wiederverwendbar. http://creativecommons.org/licenses/by/4.0
19 Vgl. Ebbers, Ilona: Entrepreneurship Edu- Education. Begriff – Theorie – Verständnis, cation als Möglichkeits- und Ermöglichungs- a.a.O., S. 173-192, hier S. 187. raum, a.a.O., hier S. 53. 31 Vgl. ebd., S. 187. 20 Vgl. zur Verantwortung, zu den Erfahrungen 32 Vgl. ebd., S. 187. und zum Schonraum ebd., S. 55, S. 53 und 33 Vgl. Klafki, Wolfgang: Didaktische Analyse noch einmal S. 53. als Kern der Unterrichtsvorbereitung, a.a.O., 21 Vgl. zur Unabhängigkeit von unternehmeri- hier S. 14-19. schem Denken und Handeln, zum Erkennen 34 Vgl. zur Exemplarität, zur Gegenwartbedeu- von Marktmöglichkeiten ebd., S. 53 und tung und zur Zukunftsbedeutung ebd., hier S. 49. S. 18, S. 14 und S. 14 f. 22 Vgl. Brüllhart, Andreas: Opportunity Recog- 35 Vgl. zur Struktur, zur Zugänglichkeit ebd., hier nition und Entrepreneurship Education. Eine S. 15-18 und S. 18-19. empirische Untersuchung an Studierenden 36 Vgl. Pätzold, Günther: Berufliche Handlungs- eines Entrepreneurship- Masterprogramms, kompetenz. In Kaiser, Franz-Josef/Pätzold, Lohmar/Köln: EUL 2013, S. 3. Günther (Hrsg.): Wörterbuch Berufs- und 23 Vgl. Bank, Volker: Qualifikation, Schlüssel- Wirtschaftspädagogik, Bad Heilbrunn: Klink- qualifikation, Kompetenz, Bildung: Begriffliche hardt 1999, S. 57-58, hier S. 57. Rekonstruktion und bildungsökonomische 37 Vgl. Klafki, Wolfgang: Didaktische Analyse Konsequenzen. In: ders. (Hg.) Vom Wert der als Kern der Unterrichtsvorbereitung, a.a.O., Bildung. Bern: Haupt, S. 181-212, hier 197 ff. hier S. 14. 24 Vgl. Ebbers, Ilona: Entrepreneurship Edu- 38 Vgl. Ebbers, Ilona: Wirtschaftsdidaktisch ge- cation als Möglichkeits- und Ermöglichungs- leitete Unternehmenssimulation im Rahmen raums, a.a.O., S. 54. der Förderung von Existenzgründungen aus 25 Vgl. Esser, Friedrich H./ Twardy, Martin: Ent- Hochschulen, Köln 2004, S. 1. repreneurship als didaktisches Problem einer 39 Vgl. Beckmann, Ann-Kathrin/ Ebbers, Ilona/ Universität – aufgezeigt am Organisationsent- Langanka, Alexander: Innerbetriebliche wicklungskonzept „WIS-EX“ der Universität Übergänge und Gender. Eine Diskuranalyse zu Köln. In: Kölner Zeitschrift für Wirtschaft akademischer Publikationen zur Rationalität und Pädagogik, Heft 24/1998, S. 168-198, des Normalarbeitsverhältnisses. In: Karl, Ute hier S. 15. (Hrsg.): Rationalitäten des Übergangs in Er- 26 Vgl. Klafki, Wolfgang: Didaktische Analyse werbsarbeit, Weinheim/Basel: Beltz 2014, als Kern der Unterrichtsvorbereitung, a.a.O., S. 206-221. hier S. 9. 40 Vgl. Klafki, Wolfgang: Didaktische Analyse 27 Vgl. Klafki, Wolfgang: Neue Studien zur Bil- als Kern der Unterrichtsvorbereitung, a.a.O., dungstheorie und Didaktik. Beiträge zur kri- hier S. 14-15. tisch-konstruktiven Didaktik, a.a.O., S. 35-36. 41 Vgl. Ebbers, Ilona: Entrepreneurship Edu- 28 Vgl. Ebbers, Ilona: Entrepreneurship Edu- cation als Möglichkeits- und Ermöglichungs- cation als Möglichkeits- und Ermöglichungs- raums, a.a.O., hier S. 59. raums, a.a.O., hier S. 54. 42 Vgl. Ebbers, Ilona: Wirtschaftsdidaktisch ge- 29 Vgl. ebd., S. 54. leitete Unternehmenssimulation im Rahmen 30 Vgl. Dinh, Anh/ Püplichhuysen, Diana: Viral der Förderung von Existenzgründungen aus Entrepreneurship: Die Wirkung von Vorbildern Hochschulen, a.a.O., S. 233. auf die Gründungsintention und Implikationen 43 Vgl. Ebbers, Ilona: Entrepreneurship Edu- für eine vorbildzentrierte Entrepreneurship cation als Möglichkeits- und Ermöglichungs- Education. In: Bijedic, Teita/Ebbers, Ilona/ raums, a.a.O., hier S. 53. Halbfas, Brigitte (Hrsg.): Entrepreneurship 70 Pädagogische Rundschau 1 / 2021 Die Online-Ausgabe dieser Publikation ist Open Access verfügbar und im Rahmen der Creative Commons Lizenz CC-BY 4.0 wiederverwendbar. http://creativecommons.org/licenses/by/4.0
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