Entscheiden Sie! Ein Gedankenexperiment am Beispiel Organspende - Wo, wenn nicht hier? - Kunstgeschichte
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2020 — AUSGABE 1 Entscheiden Sie! Ein Gedankenexperiment am Beispiel Organspende SCHREIBWETTBEWERB JURA WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFT Wo, wenn Jung und Arm durch nicht hier? vernetzt Energieverbrauch
PHILOSOPHISCHE FAKULTÄT ABBILDUNGEN WIKIMEDIA COMMONS Johannes Gumpp, Selbstbildnis, 1646, Öl auf Leinwand, 88,5 x 89 cm, Florenz, Galleria degli Uffizi Johannes Gumpp malt sich in seinem außergewöhnlichen Selbstbildnis gleich drei Mal und nutzt dafür die Spiegelmetaphorik, mit der er den Übergang vom Spiegelbild zum Gemälde thematisiert. Sein gemaltes Gesicht blickt über die Schultern des Malers aus dem Bild heraus und fokussiert den Betrachter, als wolle es sagen: „Ich bin hier.“ 18
MAGAZIN 1 — 2020 t p o r t r a i t sv lb s er S e ra t Was en Ein Forschungsprojekt Düsseldorfer Kunsthistoriker*innen untersucht die Autoritratti der Florentiner Uffizien VON VICTORIA MEINSCHÄFER S elbstbildnisse zeigen uns doch im Depot eingelagert. Damit war die bildnissen in einer neuzeitlichen Samm- Künstler*innen, wie sie sich Sammlung nur noch stark eingeschränkt lung“. selbst gesehen haben, geben zugänglich und blieb daher wissenschaft- „Leopoldo de’ Medici hat einen immen- Auskunft über die künstleri- lich weitgehend unbearbeitet. Über den sen Aufwand betrieben, um seine Samm- sche Selbstdarstellung und Aufbau, die Ordnung und die Praktiken lung von Selbstbildnissen zusammenzu- sind bei den alten Meistern oft die einzige der Sichtbarmachung der Bilder ist da- tragen“, erzählt Anna Maria Procajlo. Es Möglichkeit, den Künstler oder die Künst- her nur wenig bekannt. In einem von der handelt sich um die erste neuzeitliche Spe- lerin einmal zu sehen. Der Florentiner Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zialsammlung, die sich ausschließlich auf Kardinal Leopoldo de’ Medici (1617 – 1675) eine einzige Bildgattung konzentriert und begann schon 1650 eine Sammlung von somit mit den bis dahin typischen früh- Selbstbildnissen anzulegen, sein Neffe Co- Erste Spezialsammlung neuzeitlichen Universalsammlungen bricht. simo III. de’ Medici (1642 – 1723) erwei- Der Kardinal hatte rund sechzig Agenten, terte die Sammlung und setzte neue Schwer- meist Händler und Kunstliebhaber, die nicht punkte. Trotz ihrer Einzigartigkeit wurde geförderten Forschungsprojekt untersu- nur in Rom, Bologna und Venedig nach die Sammlung bisher nur in Ansätzen er- chen nun Prof. Dr. Valeska von Rosen und passenden Kunstwerken suchten, sondern forscht. Dies mag institutionelle Gründe ihre Mitarbeiterinnen Anna Maria Pro- auch in Flandern, der Schweiz und Eng- haben, denn die Selbstbildnisse wurden cajlo und Dr. des. Isabell Franconi die „Pro- land Kontakt zu den besten Künstler*in- 1970 zum Teil in den sogenannten Vasari- duktionsbedingungen, Rezeptionsweisen nen der Zeit hatten. Von diesem Aufwand Korridor verbracht, der Großteil wurde je- und Ordnungsmodelle von Künstlerselbst- zeugt ein großes Konvolut an Briefen, die 19
PHILOSOPHISCHE FAKULTÄT Adriaen van der Werff, Selbstbildnis, Gian Lorenzo Bernini, Selbstbildnis, 1697, Öl auf Leinwand, 89 x 73 cm, ca. 1610, Öl auf Leinwand, 62 x 46 cm, Andrea del Sarto, Selbstbildnis, 1528 – 1530, Fresko auf Ziegel, Florenz, Galleria degli Uffizi Florenz, Galleria degli Uffizi 51,5 x 37,5 cm, Florenz, Galleria degli Uffizi Wie dem großen Archivbestand Die Sammlung der Selbstbildnisse der Medici – in dem weit über konzentriert sich vorrangig auf das Möglicherweise wegen des außer- vier Millionen Briefe existieren – Medium der Malerei. Sogar der gewöhnlichen Bildträgers hing zu entnehmen ist, schrieb Cosimo III. Bildhauer Gian Lorenzo Bernini dieses Gemälde ursprünglich nicht den Malern sowohl die Bildmaße malte ein Selbstporträt, das von dem in der Selbstbildnisssammlung, als auch eine bestimmte Kompo- römischen „Agenten“ als einzigartig sondern in der sog. „Tribuna“, die sition vor. Der Fürst wünschte, und mit den Worten „bellissimo, den Besuchern frei zugänglich war. dass sich die Künstler bei der bellissimo“ beschrieben wurde. Arbeit darstellten, möglichst mit einem Bild im Bilde, aus dem ihre Spezialisierung hervorging. Procajlo nun untersucht. Rund 4 Millionen Künstler*innen zu bekommen.“ So ist das Briefe gibt es insgesamt noch, die die Samm- „Leopoldo älteste Selbstportrait der Sammlung das lung in den Uffizien betreffen, 150 hat von Raffael, der rund 100 Jahre vor Leopoldo die Kunsthistorikerin gelesen, teilweise tran- de’ Medici de’ Medici meist in Rom lebte. Rund 80 skribiert und katalogisiert. Bei jedem ein- Werke hat er auf diese Weise zusammenge- zelnen Brief eine Herausforderung. Doch hat immensen tragen. Das Interesse der Künstler*innen, so konnte Procajlo die Sammlungsprinzi- in dieser Sammlung vertreten zu sein, war pien Leopoldos kennenlernen: „Die Künst- Aufwand von Anfang an groß: So hat Gian Lorenzo ler*innen, die während dieser Zeit um einen Bernini, eigentlich Bildhauer und Archi- betrieben, tekt, eigens für die Sammlung ein gemaltes Selbstportrait angefertigt. Sich selbst im Akt des um seine Als Cosimo III. de’ Medici die Samm- lung übernahm, ändert er den Fokus. Zu- Malens malen Sammlung nächst erteilte er einen Auftrag, der allen heutigen Kunstinteressierten das blanke Beitrag zur Sammlung gebeten wurden, wa- zusammen- Entsetzen in die Augen treibt: „Die Bilder ren im Prinzip völlig frei in ihrer Art der Dar- wurden beschnitten bzw. erweitert, um sie stellung“, erzählt Procajlo. „Sie waren ledig- zutragen.“ zu vereinheitlichen“, erzählt von Rosen. Zu- lich gebeten, sich selbst im Akt des Malens dem konnte er die Sammlung um über hun- zu malen.“ Aber bitte nur sich selbst: ein dert Werke auf 214 Portraits erweitern. Mit — Anna Maria Procajlo Bild von Paolo De Matteis (1662–1728) wur- der Zeit nach dem Tod Cosimos und der Kunsthistorikerin de abgelehnt, weil es den Künstler gemein- Schenkung der Sammlung an die Toskana sam mit seiner Tochter und zwei Enkeln zeig- durch Anna Maria Luisa de’ Medici (kinder- te. „Zudem betrieb Leopoldo einen großen lose Witwe Herzog Jan Wellems) im Jahr Aufwand, um nicht nur Werke von zeitge- 1737 beschäftigt sich Isabell Franconi. „Von nössischen, sondern auch von verstorbenen 1737 bis 1861 wurde Florenz – mit einem 20
MAGAZIN 1 — 2020 ABBILDUNG ÖSTERREICHISCHE NATIONALBIBLIOTHEK Stefano Gaetano Neri, La sala dei pittori nella Galleria di Firenze (hier: Scuola romana e fiorentina), Florenz, 2. Hälfte 18. Jh., Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. Min. 51 Stiche, in denen die Sammlung reproduziert wurde, sind eine ergiebige Quelle, um den Bestand und die Disposition der Gemälde in ihrem ursprünglichen Kontext zu rekonstruieren. 21
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