Entwicklung der Fahrgastzahlen in Zeiten der Pandemie: Status Quo und mögliche Maßnahmen zur Stärkung des - ÖPNV
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Entwicklung der Fahrgastzahlen in Zeiten der Pandemie: Status Quo und mögliche Maßnahmen zur Stärkung des ÖPNV Stephan Bobinger Leiter Mobilitätsforschung Vortrag am 16.11.2020 in der Reihe Mobilität Post-Corona Neue Chancen für unser Mobilitätssystem Veranstaltet von Bayern-Innovativ 1
Agenda o Corona: Entwicklung der Mobilität in München und der Fahrgastzahlen der MVG o Zufriedenheit der MVG-Fahrgäste in Corona-Zeiten o Erste Maßnahmen zur Kunden(rück)gewinnung bei der MVG o Weiterführende Thesen zur Diskussion 2
ÖPNV in München o Die Münchner Verkehrsgesellschaft mbH (MVG) betreibt U-Bahn, Bus und Tram sowie MVG-Rad und kooperiert mit anderen Mobilitätsanbietern (z.B. zu Car-Sharing) o Im MVV kommen noch die S-Bahn, Regionalzüge und Regionalbusse hinzu o Die MVG beförderte an einem durchschnittlichen Werktag vor Corona ca. 2,0 Mio Fahrgäste o Derzeit befördern wir ca. 1,3 Mio Fahrgäste täglich. o Das Fahrgastverhalten unterliegt derzeit deutlich stärkeren Schwankungen als Vor-Corona, es wird auf äußere Faktoren, insbesondere Corona-Maßnahmen sofort reagiert. Beim Lockdown wurde daher schon in den allerersten Tagen der Tiefpunkt der Fahrgastnachfrage erreicht. 3
Daten, Daten, Daten,… Um die Wirkungen der Corona-Krise auf die Nachfrage bei der MVG und die Mobilität in München zu erfassen, ist die Kombination verschiedenster Datenquellen notwendig. Dabei wurden Datenthemen durch bzw. in der Corona-Krise stark gepusht und Digitalisierung und Innovationen zunächst deutlich beschleunigt. Es besteht jedoch die Gefahr, dass dies durch die aktuelle und zukünftige schwierige wirtschaftliche Lage der MVG, der SWM und der LH München wieder gebremst wird. Folgende Datenquellen sind bei der MVG von Interesse (Auswahl): o Ein- und Aussteigerzahlen aus technischen Zählgeräten und aus manuellen Zählungen o Anonymisierte Videodaten von Bahnsteigen oder in SWM-Bauwerken o Abfragen aus der elektronischen Fahrplanauskunft der MVG (EFA) o Anonymisierte Buchungsdaten von MVG-Rad oder vom Handy-Parken o Öffentliche Daten der LHM, vor allem zu den Radzählstellen o Öffentliche Daten, z.B. zu Mobilfunk oder Routing-Anfragen o Zahlreiche öffentlich verfügbare Studien von Marktforschungsinstituten o Ergebnisse von Marktforschungsstudien im Auftrag der MVG, z.B. MiD 2017, MVG- Mobilitätspanel, Kundenzufriedenheitsstudien, separate Studien zu Corona-Wirkungen 4
Modal Split der Münchner Bevölkerung in % (auf 100 prozentuiert) Zeitraum Corona I: 16.3.-26.4.2020 Corona II: Mai-Juli 2020 24 23 28 38 18 20 Zu Fuß 30 Fahrrad MIV als Fahrer(in) 24 23 29 MIV als Mitfahrer(in) ÖPNV 19 10 9 20 8 24 25 3 15 10 MiD 2017 2019 Corona I Corona II Quellen: MiD 2017, MVG-Mobilitätspanel 2017-2020, eigene Berechnungen zur Angleichung des MVG- Mobilitätspanels an die MiD. 5
Modal Split der Münchner Bevölkerung in % (auf tatsächl. Wegeanzahl prozentuiert) Zeitraum Corona I: 16.3.-26.4.2020 100 100 Corona II: Mai-Juli 2020 24 23 78 18 20 22 Zu Fuß Fahrrad 52 MIV als Fahrer(in) 24 23 23 MIV als Mitfahrer(in) 20 ÖPNV 10 9 15 15 6 24 25 10 2 12 5 MiD 2017 2019 Corona I Corona II Quellen: MiD 2017, MVG-Mobilitätspanel 2017-2020, eigene Berechnungen. 6
Wegezwecke der Münchner Bevölkerung in % Zeitraum Corona I: 16.3.-26.4.2020 Corona II: Mai-Juli 2020 13 12 19 18 Arbeit 7 7 9 1 4 9 Dienstlich/Geschäftlich 6 6 19 Ausbildung 31 16 15 Einkauf 14 13 14 10 Private Erledigungen 5 6 2 7 Begleitung/Bringen/Holen v. Personen 39 Freizeit 32 36 30 MiD 2017 2019 Corona I Corona II Quellen: MiD 2017, MVG-Mobilitätspanel 2017-2020, eigene Berechnungen. 7
Wegezwecke der Münchner Bevölkerung in % Zeitraum Corona I: 16.3.-26.4.2020 100 100 Corona II: Mai-Juli 2020 19 18 Arbeit 78 9 9 Dienstlich/Geschäftlich 10 6 6 5 Ausbildung 15 3 16 52 Einkauf 15 7 13 14 4 Private Erledigungen 11 7 6 16 4 Begleitung/Bringen/Holen v. Personen 5 Freizeit 1 30 32 30 19 MiD 2017 2019 Corona I Corona II Quellen: MiD 2017, MVG-Mobilitätspanel 2017-2020, eigene Berechnungen. 8
Nachfrage-Entwicklung bei der MVG 2020 (indiziert) 120 100 100 100 80 70 68 70 64 59 Index 60 57 41 40 27 20 0 Durchschnitt Jan./Feb = Index 100 9
Aktuelle Kernergebnisse Kundenzufriedenheit bei der MVG o Auch im 1. Halbjahr 2020 war die Gesamtzufriedenheit der Kunden mit der MVG hoch - kein negativer Einfluss des Corona-Lockdown erkennbar. Insbesondere im 2.Quartal stieg die Kundenzufriedenheit sogar an. o Auffallend sind - vorrangig im 2. Quartal 2020 - (sehr) gute Bewertungen Zuverlässigkeit / Pünktlichkeit von U-Bahn, Bus, Tram; Reisezeit; Ein- / Ausstieg in / aus Verkehrsmittel > Rückführbar auf geringeres Fahrgastaufkommen in der Coronazeit + weniger MIV. o Die Tram schneidet im Vergleich der 3 MVG-Verkehrsmittel bei der Gesamtzufriedenheit am Besten ab. o MVG wurde von Fahrgästen für ihr Angebot und die Reaktion / Maßnahmen in der Corona-Situation alles in allem gelobt, sie hat professionell und anpassungsfähig reagiert. Die MVG wurde als verlässlicher Partner erlebt. 10
Welche Fahrten mit der MVG finden derzeit nicht oder weniger statt? o Münchner Stammkunden und Pendler aus dem Umland (ggf. mit Abo) fahren seltener, da mehr Homeoffice, keine/ weniger Events, Kulturmöglichkeiten, weniger gemeinsame Wege und erfolgreiche Erprobung von Alternativen im Lockdown -> könnten teilweise zu Gelegenheitskunden werden o (Münchner) Gelegenheitskunden fahren seltener oder gar nicht mehr ÖPNV Risiko: längerfristige oder dauerhafte Abwanderung zu anderen Verkehrsmitteln o Studenten: fahren viel weniger mit dem ÖPNV, reisen teilweise gar nicht nach München an o Geschäftsreisende: auch in Zukunft werden Online-Meetings die Geschäftsreisen reduzieren o Touristen aus Deutschland: auch im Sommer deutliche Rückgänge gegenüber 2019 o Touristen aus dem Ausland: fehlen derzeit zu mehr als 95% o Gäste bei Großevents (Oktoberfest, Open Air Konzerte, Fußball, usw.) 11
Was unternimmt die MVG um die Fahrgäste sicher zu ihrem Ziel zu bringen? ✓ Weiterhin volles Fahrplan- und Platzangebot (100%) in Absprache mit der Politik, um München möglichst uneingeschränkt am Laufen zu halten und für die Fahrgäste einen stabilen und sicheren Betrieb zu gewährleisten. Trotz Einbruch der Fahrgeldeinnahmen! ✓ In den Hauptverkehrszeiten sind bereits alle verfügbaren Fahrzeuge und Fahrer im Einsatz, an vielen Stellen wird bereits so dicht gefahren, wie es die Systemgrenzen hergeben. Alle U- Bahn-Züge sind mit sechs Wagen unterwegs, länger geht es nicht. ✓ Bereits seit März machen wir unsere Fahrgäste und die Öffentlichkeit sehr intensiv und auf allen Kanälen auf die Verhaltensregeln aufmerksam und informieren über unsere Maßnahmen. ✓ Die Maskenpflicht steht dabei im Mittelpunkt. ✓ Wo möglich öffnen wir an den Haltestellen und an den Endstationen alle Fahrzeugtüren, um durchzulüften und den Luftaustausch zu beschleunigen. ✓ Wir reinigen unsere Fahrzeuge und Anlagen intensiv. Bei der U-Bahn werden die Berührflächen untertags zusätzlich gesäubert. An stärker frequentierten Knotenbahnhöfen 12 gibt es Desinfektionsmittelspender.
Welche weiteren Maßnahmen wären sinnvoll? ✓ Derzeit baut die MVG in allen Bussen Trennschreiben am Fahrerarbeitsplatz ein, damit wir den Vordereinstieg wieder freigeben können und die Fahrgäste hier mehr Platz haben ➢ Ein gestaffelter Unterrichtsbeginn an den Schulen und dementsprechend versetzte Schlusszeiten würden dazu beitragen, dass sich das Fahrgastaufkommen zu diesen Zeiten besser verteilt -> enormer verkehrliche Effekt möglich, Steigerung der Platzkapazität um bis zu einem Fünftel wäre sofort möglich. Das hätte insgesamt für den morgendlichen Verkehr eine erhebliche entlastende Wirkung. ➢ Gleichmäßige Verteilung von Präsenz- und Homeoffice-Tage in der Arbeitswelt über alle Werktage hinweg für eine gleichmäßigere Auslastung im ÖPNV ➢ Großveranstaltungen: Keine zeitlich parallel stattfindenden große Events (z.B. je 70.000 Besucher im Olympiastadion und in der Allianz-Arena, und das während dem Oktoberfest?!) ➢ Längerfristig, aber sofort zu starten und mit Corona erst recht zu forcieren: Schaffung von mehr Kapazitäten im ÖPNV durch massivem Netzausbau 13
Diskussion ❖ Die Maskenpflicht ist derzeit unverzichtbar im ÖPNV. Sie „spaltet“ aber auch die Fahrgäste. Wie kann sie positiver belegt werden (solange sie notwendig ist)? ❖ Die Stimmung unter den Fahrgästen ist ein Spiegelbild der Gesellschaft, sie wird zunehmend angespannt-nervös wahrgenommen. Wie können wir wieder mehr Leichtigkeit und Spaß an der ÖPNV-Nutzung erzielen? ❖ Wie können wir angesichts der Einnahmerückgänge trotzdem das Informationsangebot im ÖPNV optimieren und uns auf den Kernbedarf unserer Kunden (an Information) konzentrieren? ❖ Wir werden manche Fahrgäste auch in den ersten Jahren nach Corona nicht zurückgewinnen können (weil Ängste bleiben oder alternative Verkehrsmittel gekauft wurden). Das eröffnet aber auch die Chance andere Personen neu oder verstärkt für den ÖPNV zu gewinnen, wenn damit die Fahrzeuge nicht überfüllt sind. Dies umso mehr wenn es gelingt Schul- und Arbeitszeiten zu entzerren. Hierfür werden wir aber auch verstärkt „alte und neue“ Wege des Marketings gehen müssen (z.B. von der direkten Kundenansprache bis hin zur Influencer-Nutzung) ❖ Vor allem aber: Der massive ÖPNV-Ausbau in München darf nicht länger (bis zur nächsten Pandemie?) hinausgeschoben werden, sondern muss sogar beschleunigt werden. Ohne 14 den ÖPNV-Ausbau wird keine Verkehrswende in München gelingen.
Danke für die Aufmerksamkeit! 15
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