Entwicklungsländer im globalen Handelssystem der WTO - Seniorenuniversität Bern Chancen und Perspektiven
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Entwicklungsländer im globalen Handelssystem der WTO Chancen und Perspektiven Seniorenuniversität Bern 18 Oktober 2010 Prof. Dr. Marion Panizzon Assistenzprofessorin für Wirtschaftsvölkerrecht, Universität Bern
Definitionen • Entwicklungsland: keine rechtsverbindliche Definition; Begriff ist selbstdeklaratorisch • «Am wenigsten entwickelte Länder », auf Englisch: least-developed countries gibt es eine rechtsverbindliche Definition der UNCTAD
Weitere Unterscheidung • « landlocked developing countries » (Binnenländer: wie Malawi, Lesotho, Bhutan, Nepal) • « small island developing states » (auf Inseln angesiedelten Entwicklungsländer (Mauritius, Vanuatu, Cap Verde, Madagaskar)
Herausforderung des Fehlens einer Definition • in der WTO kann gegen den Staat, der sich die vom WTO-Recht für Entwicklungsländer gewährte Flexibilität ungerechtfertigterweise zunutze macht, Klage auf Verletzung von WTO-Recht erhoben werden
Wie kommt die LDC-Definition zustande? Indikatoren; alle 3 Jahre revidiert Bis 1990 Ab 1991 1. Pro-Kopf-Einkommen, 1. Weltbankdefinition Bruttoin- landeinkommen „gross national income 2. Anteil der Industrie am (BIP) (GNI)“ pro Kopf im Dreijahres- und Durchschnitt von weniger als $905.12 als 3. Alphabetierungsrate Aufnahmekriterium und von über $1,086 als Graduierungskriterium 2. The Human Assets Index (HAI): (a) Gesundheit, Ernährung gemessen am Bevölkerungsanteil unterernährter Personen und Kindessterblichkeit unter 5 Jahren (b) Bildung: Durschnitt der Sekundarschulabgänger und Alphabetisierung der Erwachsenen- bevölkerung 3. Economic Vulnerability Index (EVI) Shockresistenz einer Nationalökonomie gegen externe Risiken
Alternativ-Definition für LDCs • UNDP Human Development Index wie Regierungen das Bruttoinlandprodukt ausgeben und zwar in den Bereichen: – Zugang zu Gesundheitsversorgung und Niveau dieser – Bildungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten Vorteile dieser „dynamischeren Definition“ Einkommensumverteilung Verantwortung der Regierung Misst die Fähigkeit eines Landes, ein höheres Entwicklungsniveau zu erreichen
Mitglieder der WTO • 2/3 der 153 WTO Mitglieder sind: – Entwicklungsländer (DC) – LDCs; aus deren 49 sind • 32 WTO Mitglieder • 12 daran, es zu werden
Anteil am Welthandel • LDCs bilden 12% der Weltbevölkerung, sind jedoch für weniger als 1% des Welthandels verantwortlich; • Arme Länder verlieren US$2 Milliarden pro Tag wegen ungerechter Handelsregeln, was einem Betrag entspricht der 14 mal höher als die Entwicklungshilfezahlungen, die an diese Länder gehen • (UNCTAD, Conference on Least Developed Countries 2001)
WTO: Abkommen WTO Marrakesch Abkommen (WTOA) GATS GPA TRIPS Öffentliches GATT Schutz handelsrele- Beschaffung Waren Dienstlei- vanten geistigen swesen stungen Eigentums DSU (Streitbeilegungsverfahren) TPRM (Aufsichtsverfahren) WTO Beitrittsprotokolle Minstererklärungen und -entscheidungen Verpflichtungslisten im Zoll- und Dienstleistungsbereich jedes WTO Mitglieds)
Sind WTO Regeln wirklich « ungerecht »? • WTO Welthandelsregeln reflektieren nur ungenügend die Bedürfnisse der Entwicklungsländer und der LDCs: – Landwirtschaftlicher Protektionismus der Industriestaaten wird in der WTO nur ungenügend « diszipliniert » • Regulatorische Schranken (nicht Zölle) sind Einfuhrhindernisse des 21. Jh. – Technische, Sanitarische und Phytosanitarische Schranken – Export- (und andere) Subventionen und Direktzahlungen Länder mit geringem Steuereinkommen können Produkte nicht subventionieren
Produkte genügen den Verpackungs/ Gesundheitsvorschriften für den Export in Industriestaaten nicht Gemüsestand in Arusha, Tanzania, 2010
Sind WTO Regeln wirklich « ungerecht »? (2) • Entwicklungsländer können ihre « infant industries » im Dienstleistungsbereich nur ungenügend gegen den Wettbewerb durch multinational tätige Unternehmen schützen – Keine Schutzklausel im WTO Dienstleistunsgabkommen wie es für den Warenhandel im GATT gibt – Diversifizierung der Wirtschaft von Landwirtschaft zum tertiären Sektor (wo die Wertschöpfung am höchsten ist, gelingt nur unzureichend) • Forschung und Entwicklung im Bereich der Tropenkrankheiten wird vernachlässigt – Verteuerung von ohnehin teuren Medikamenten
Nicht-WTO-rechtliche Ursachen • Kapazitätsprobleme: Ressourcen, Know-how • Laissez-faire Politik der Regierung (Überbleibsel der ehemaligen Kolonialverwaltungen Englands, Frankreichs) – Ungenügende Ausgaben für Infrastrukturaufbau, Gesundheit, Bildung, Forschung (oft zulasten von Sicherheit, Militär) – Fehlen einer pro-aktiven, offensiven Handelspolitik – Ressourcenverschleiss wegen Festhaltens an (defensiven) Zöllen und anderen Formen der Deviseneinfuhr
Fehlen der Infrastruktur
Fokus auf Landwirtschaft • Primärgewinnung wird nicht an Verarbeitung im Land selbst gekoppelt – Export von Orangen statt Orangensaft Verlust der Wert- schöpfung • Fehlende Diversifizierung Schockresistenz leidet Algengewinnung für Export nach Japan auf Zanzibar, 2009
Reformansätze • Prioritisierung einzelner, Kulturpflanzen mit Exportpotential für (Baumwolle) in der Doha- Verhandlung – von den allgemeinen Verhandlungen im Landwirtschaftsbereich gesondert und prioritär behandelt • Schaffung spezieller Produktekategorien, die von Zollsenkungs-pflicht und der Abbau der Exportsubventionen befreit werden – „tropische Produkte“ (Ananas, etc) – sensible Produkte • Identifizierung zukunftsträchtiger Berufsgattungen und Dienstleistungssektoren für den Export („profiling and branding“) – Philippinische Krankenschwestern/pfleger, Thailändische Köche & Masseure; Chinesische Medizin
Aid-for-Trade „Aid for Trade should aim to help developing countries, particularly LDCs, to build the supply-side capacity and trade-related infrastructure that they need to assist them to implement and benefit from WTO Agreements and more broadly to expand their trade. Aid for Trade cannot be a substitute for the development benefits that will result from a successful conclusion to the DDA, particularly on market access. However, it can be a valuable complement to the DDA. …We also invite the Director-General to consult with Members as well as with the IMF and World Bank, relevant international organisations and the regional development banks […] to secure additional financial resources for Aid for Trade, where appropriate through grants and concessional loans.“ Hong Kong Ministerial Declaration, adopted on 18 December 2005, para. 57
Tourismus & Kultur als zukunftsträchtige Sektoren
Berufsbezeichnungen Voraussetzung für freien Dienstleistungshandel • Keine weltweite Harmo- nisierung (Angleichung) der Berufsbezeichungen im WTO Recht • WTO Recht schreibt keine gegenseitige Anerkennung der Ausbildungsgänge oder Berufsbezeichnungen vor – geschieht regional • bilaterale Abkommen Schweiz-EU • ROAME Projekt Frankreichs mit Francophonem West- Afrika
Geistiges Eigentum • Raubbau an genetischen Ressourcen • Inbesitznahme der traditionellen Medizin • wenig Forschung auf „vernach- lässigte Krankheiten“; teure Medikamente – obwohl diese teilweise Stoffe aus Entwicklungsländer beinhalten • Fehlende Produktionskapazität in ärmsten Entwicklungsländer – auch wenn Lizenz für die Herstellung von Generika vergeben wird
Zugang zu essentiellen Medizin für Entwicklungsländer Ein Fallbeispiel ausgleichender Gerechtigkeit in der WTO
Zwiespältige Rolle von Auslandinvestitionen
Zwiespältige Rolle von Auslandinvestitionen • Führen diese zum Verlust von Arbeitsplätzen für einheimische Arbeiter oder schaffen diese neue Arbeitsplätze? • Wird „nur“ ein Zwischenprodukt hergestellt und das Endprodukt im Herkunftsland des Investors? – Verhindert, dass die Wertschöpfung dem Gasstaat zukommt • Ändern die Investoren ihr Tätigkeitsfeld wenn sie einmal im Gaststaat sind) – Statt Schuhe in Tanzania zu produzieren, wie im bilateralen Investitionsvertrag abgemacht, mutiert das chinesische Investor zu einer reinen Importfirma für chinesische Schuhe für den Tanzanischen Absatzmarkt
Auslandinvestitionen und WTO Ausserhalb der WTO Innerhalb der WTO • Investitionen im Bereich • Alle Investitionen im der Produktion Dienstleistungsbereich • Einzelne Investitions- • Nur der schutzabkommen zwischenstaatliche zwischen einem Staat Marktzugang und die oder einem Investor und Inländerbehandlung fällt Gastland unter das WTO-Recht – Kontrolle, ob Investor auch wirklich der Tätigkeit nachgeht, zu der er sich vertraglich verpflichtet hat entgeht der WTO
…und der Entwicklungshilfezahlungen • Abhängigkeit von Geberländern • verhindert das Einnehmen von Positionen, die gegen Geberländer in WTO Verhandlungen (Baumwoll-Fall)
Das MILE am WTI Kapazitäts- aufbau im Erziehungsbereich
…und die WTI-Kooperationen in Tanzania, S-Afrika, Vietnam und Peru
Willkommen am Tag der offenen Tür des WTI! Samstag, 23. Oktober 2010 10-16 Uhr Hallerstrasse 6, 3012 Bern
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