27 2020 Notaufnahme-Situationsreport (SitRep), Notaufnahmevorstellungen in Wolfsburg und Stuttgart - RKI

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                 ZU INFEKTIONSKRANKHEITEN UND PUBLIC HEALTH

  27 Epidemiologisches
2020 Bulletin
 Online vorab:
 25. Juni 2020

                 Notaufnahme-Situationsreport (SitRep),
                 Notaufnahmevorstellungen in Wolfsburg
                 und Stuttgart
Epidemiologisches Bulletin          27 | 2020       Online vorab: 25. Juni 2020                                           2

  Inhalt

  Inanspruchnahme deutscher Notaufnahmen während der COVID-19-Pandemie –
  der Notaufnahme-Situationsreport (SitRep)                                                                                   3
  Das AKTIN-Notaufnahmeregister stellt dem RKI in täglichen Datenlieferungen seit dem 20.3.2020 anony-
  misierte und standardisierte Routinedatendaten aus Notaufnahmen zur Verfügung. Während der COVID-19-­
  Pandemie können diese Daten genutzt werden, um die Inanspruchnahme von Notaufnahmen zu beobach-
  ten. Am RKI wurde dafür ein wöchentlicher Notaufnahme-Situationsreport etabliert. Die Methoden und Ver-
  fügbarkeit der Routinedaten aus Notaufnahmen werden beschrieben.

  Nutzung von Routinedaten aus Notaufnahmen: Beschreibung zweier Häufungen von
  Notaufnahmevorstellungen in ­Wolfsburg und Stuttgart während der COVID-19-Pandemie                                          6
  Während des ab Mitte März 2020 zu beobachtenden Rückgangs der täglichen Notaufnahmevorstellungen
  von bis zu 40 %, waren in den Notaufnahmen Wolfsburg und Stuttgart zwei deutliche kurzzeitige Anstiege
  der absoluten Notaufnahmevorstellungen zu beobachten. Es stellte sich heraus, dass in beiden Fällen der An-
  stieg der Fallzahlen auf strukturelle Änderungen in den Notaufnahmen im Rahmen der COVID-19-Pandemie
  zurückzuführen war.

  Impressum
  Herausgeber                                                      Allgmeine Hinweise/Nachdruck
  Robert Koch-Institut                                             Die Ausgaben ab 1996 stehen im Internet zur Verfügung:
  Nordufer 20, 13353 Berlin                                        www.rki.de/epidbull
  Telefon 030 18754 – 0
                                                                   Inhalte externer Beiträge spiegeln nicht notwendigerweise
  Redaktion                                                        die Meinung des Robert Koch-Instituts wider.
  Dr. med. Jamela Seedat
  Telefon: 030 18754 – 23 24                                       Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons
  E-Mail: SeedatJ@rki.de                                           Namensnennung 4.0 International Lizenz.

  Claudia Paape, Judith Petschelt
  E-Mail: EpiBull@rki.de

                                                                   ISSN 2569-5266

         Das Robert Koch-Institut ist ein Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit.
Epidemiologisches Bulletin       27 | 2020       Online vorab: 25. Juni 2020                                   3

  Inanspruchnahme deutscher Notaufnahmen während der
  COVID-19-Pandemie – der Notaufnahme-Situationsreport
  (SitRep)

  1 Surveillance mit Notaufnahmedaten                          2 Wöchentlicher Bericht zur Inanspruch-
  Durch die COVID-19-Pandemie sind verschiedene                  nahme von Notaufnahmen                                Das
  Be­reiche des Gesundheitswesens in Deutschland               Um die Inanspruchnahme von Notaufnahmen vor             dem
  betroffen. Die Beobachtung der Gesundheitsversor-            und während der COVID-19-Pandemie zu erfassen           seit
  gung während der Pandemie sollte neben COVID-19-­            und zu veröffentlichen, wird von Seiten des RKI wö-     stan
                                                                                                                       Not
  spezifischen Informationen wie Fallzahlen oder In-           chentlich ein Situationsreport erstellt. Der Situati-
                                                                                                                       ren
  tensivmedizin-Kapazitäten auch die Inanspruch-               onsreport wird den beteiligten Notaufnahmen, der        dies
  nahme bei und die Versorgung von anderen Erkran-             Fachöffentlichkeit und dem Öffentlichen Gesund-         ans
  kungen berücksichtigen. Surveillance mit                     heitsdienst zur Verfügung gestellt: www.rki.de/sumo.    beo
  Notaufnahmedaten kann einen wichtigen Beitrag                                                                        wöc
  zum besseren Verständnis des Inanspruchnahme-                Der Situationsreport berichtet nur Daten von Not-       repo
                                                                                                                       fügb
  verhaltens in Deutschland leisten, in Ergänzung zu           aufnahmen, die im kompletten Berichtszeitraum
                                                                                                                       nah
  den bereits etablierten Surveillancesystemen. In Ko-         kontinuierlich Daten übermitteln (definiert als
  operation mit dem AKTIN-Notaufnahmeregister1                 ­mindestens ein Fall pro Tag). Wenn Notaufnahmen
  und dem Forschungsprojekt ESEG („Erkennung                    im ­Berichtszeitraum keine kontinuierlichen Daten
  und Sicherung epidemischer Gefahrenlagen“2) wird              liefern können, werden die kompletten Daten dieser
  am RKI ein System zur Nutzung von Routinedaten                Notaufnahme für den Situationsreport herausge-
  aus Notaufnahmen entwickelt, um u. a. Daten über              nommen. Damit können die Angaben für eine be-
  die Inanspruchnahme von Notaufnahmen zu erhe-                 stimmte Kalenderwoche zwischen den Berichten
  ben und langfristig Trends zu beobachten bzw. be-             abweichen. Wenn neue Notaufnahmen hinzukom-
  sondere ­Ereignisse im Sinne einer syndromischen              men, werden im nächsten Bericht die historischen
  Surveillance frühzeitig zu erkennen.                          Daten dieser Notaufnahme mit eingebunden.

  Am Robert Koch-Institut (RKI) wurde dafür ein                Neben den Gesamtvorstellungen werden Altersgrup­
  ­System für die Datenverarbeitung und -auswertung            pen, die Dringlichkeitseinschätzung nach Emergency
   entwickelt (SUMO), das die digitale Verarbeitung            Severity Index (ESI3) und Manchester-­Triage-System
   und Bereitstellung von Routinedaten in Echtzeit             (MTS4), und der Vorstellungsgrund kodiert nach
   ­er­mög­licht. Im Zuge dessen wurde auch ein nor­           CEDIS-PCL (Canadian Emergency D   ­ epartment Infor-
    matives Datenmodell entwickelt (Notaufnahme                mation System – Presenting Complaint List5) differen-
    KernDatensatz, NoKeDa), das über ein automati-             ziert ausgewertet. Für die Darstellung der Vorstel-
    siertes Mapping-Verfahren die Zusammenführung              lungsgründe wurden kardiovaskuläre, neurologi-
    unterschiedlicher primärer Dokumentationsweisen            sche und respiratorische CEDIS-­PCL-Gruppen aus-
    erlaubt. Außerdem werden als Teil des automatisier-        gewählt. Alle Zeitreihen zeigen einen gleitenden
    ten Prozesses Qualitätsprüfungen zur Vollständig-          Sieben-­Tage-Durchschnitt über alle Werte am jewei-
    keit der Daten ausgeführt. Die Notaufnahmedaten            ligen Tag und den sechs vorangegangenen Tagen.
    werden auf Einzelfallebene übermittelt, ein Fall ent-
    spricht dabei einer Notaufnahmevorstellung. Die
    Auswahl der Notaufnahmen ­orientiert sich an deren
    individueller Bereitschaft zur Teilnahme.
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                    Mittelwert über alle Notaufnahmen                                        minimaler und maximaler Wert

      +20%

       0%

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      −40%

      −60%

      −80%

   −100%
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                                                                                                                2

                                                                                                                            3

                                                                                                                                        3

                                                                                                                                                    4

                                                                                                                                                                4

                                                                                                                                                                            5

                                                                                                                                                                                        5

                                                                                                                                                                                                    5

                                                                                                                                                                                                                6
                  .1

                              .1

                                          .1

                                                      .1

                                                                  .1

                                                                              .2

                                                                                          .2

                                                                                                      .2

                                                                                                                  .2

                                                                                                                              .2

                                                                                                                                          .2

                                                                                                                                                      .2

                                                                                                                                                                  .2

                                                                                                                                                                              .2

                                                                                                                                                                                          .2

                                                                                                                                                                                                      .2

                                                                                                                                                                                                                  .2
                     9

                                 9

                                             9

                                                         9

                                                                     9

                                                                                 0

                                                                                             0

                                                                                                         0

                                                                                                                     0

                                                                                                                                 0

                                                                                                                                             0

                                                                                                                                                         0

                                                                                                                                                                     0

                                                                                                                                                                                 0

                                                                                                                                                                                             0

                                                                                                                                                                                                         0

                                                                                                                                                                                                                     0
  Abb. 1 | Relative Abweichung von Notaufnahmevorstellungen der zehn Notaufnahmen zum Vergleichszeitraum 1.11.2019 – 1.3.2020,
  in Deutschland

  3 Rückläufige Anzahl an Notaufnahme-                                                                            obachteten Wochen geringer, als im Zeitraum No­
    vorstellungen während der COVID-19-­                                                                          vem­ber 2019 bis Anfang März 2020. Ähnliche Trends
    Pandemie                                                                                                      zeigten sich auch in vergleichbaren Surveillancesys-
  Die ersten Ergebnisse wurden am 18.6.2020 im                                                                    temen in den USA, England und Wales.8, 9, 10
  ­COVID-19-Lagebericht des RKI veröffentlicht.6 Der
   erste Notaufnahme-Situationsreport wurde am                                                                    Veränderungen im Inanspruchnahmeverhalten im
   24.6.2020 veröffentlicht.7 Daten aus zehn Notauf-                                                              Zeitverlauf können neben realen Änderungen auch
   nahmen in Baden-Württemberg, Bayern, Nieder-                                                                   verschiedene andere Ursachen, wie z. B. strukturelle
   sachsen, Sachsen und Schleswig-Holstein wurden                                                                 Änderungen (Corona-Ambulanz in oder außerhalb
   ausgewertet.                                                                                                   der Notaufnahme) in Notaufnahmen haben, die bei
                                                                                                                  der Bewertung der Daten berücksichtigt werden soll-
  Bei der Anzahl der täglichen Vorstellungen in allen                                                             ten. Im Artikel „Nutzung von Routinedaten aus Not­
  Notaufnahmen war ab Mitte März ein Rückgang von                                                                 aufnahmen: Beobachtung zweier Häufungen von
  bis zu 40 % zu erkennen (s. Abb. 1). Parallel dazu                                                              Notaufnahmevorstellungen in Wolfsburg und Stutt-
  begannen in Deutschland umfassende Maßnahmen                                                                    gart während der COVID-19-Pandemie“ berichten wir
  zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie. An-                                                                       in dieser Ausgabe über zwei Beispiele von Häufun-
  schließend war ein langsamerer Anstieg der Vorstel-                                                             gen, die sich in den täglichen Vorstellungen zweier
  lungen zu beobachten. Dennoch war die Anzahl der                                                                Notaufnahmen innerhalb des rückläufigen Trends
  Notaufnahmevorstellungen auch in den zuletzt be-                                                                bzw. Wiederanstiegs der Vorstellungen finden.11

  Literatur
  1    AKTIN BMBF: Forschungsprojekt AKTIN (Ver­                                                                  2 Robert Koch-Institut: Erkennung und Sicherung
       besserung der Versorgungsforschung in der Akut-                                                               Epidemischer Gefahrenlagen (ESEG). 2019.
       medizin in Deutsch-land durch den Aufbau eines                                                                www.rki.de/eseg
       nationalen Notaufnahmeregisters). www.aktin.org
Epidemiologisches Bulletin          27 | 2020        Online vorab: 25. Juni 2020                                            5

  3 Agency for Healthcare Research Quality: Emergen-               ­Grabenhenrich | a) Madlen Schranz für die AKTIN-­
       cy Severity Index (ESI): A Triage Tool for Emergency         Forschungsgruppe und das SUMO-Team
       Departments. 2012. www.ahrq.gov/professionals/              a)
                                                                         Robert Koch-Institut, Abteilung für Infektions­
       systems/hospital/esi/index.html
                                                                         epidemiologie
  4 Mackway-Jones K, Marsden J, Windle J, Krey J:                  b)
                                                                         European Programme for Intervention Epidemiology
       ­ rsteinschätzung in der Notaufnahme: das
       E
                                                                         Training (EPIET), European Centre for Disease
       ­Manchester-Triage-System. Bern; hogrefe. 2018
                                                                         ­Prevention and Control, (ECDC)
  5 Brammen D, Greiner F, Dormann H et al.: Lessons                c)
                                                                         Postgraduiertenausbildung für angewandte
       learned in applying the International Society for
                                                                         ­Epidemiologie (PAE), Robert Koch Institut
       Pharmacoeconomics and Outcomes Research
       ­methodology to translating Canadian Emergency              d)
                                                                         Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Medizini-
        Department Information System Presenting Com­                    sche Fakultät, Universitätsklinik für Unfallchirurgie
        plaints List into German. Eur. J. Emerg. Med. 2018;        e)
                                                                         Institut für Medizinische Informatik, Uniklinikum
        25:295-299
                                                                         RWTH Aachen
  6 Robert Koch-Institut: Situationsbericht des Robert             f)
                                                                     Robert Koch-Institut, Abteilung für Methoden­
       Koch-Instituts vom 18.6.2020 zu COVID-19.
                                                                     entwicklung und Forschungsinfrastruktur
       www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_
       Coronavirus/Situationsberichte/2020-06-18-de.pdf            Korrespondenz: SUMO@rki.de
  7 Robert Koch-Institut: Routinedaten aus dem
       ­ esundheitswesen in Echtzeit (SUMO). Notauf-
       G                                                           Vorgeschlagene Zitierweise
       nahme-Situationsreport (SitRep) 24.06.2020. DOI             Boender TS, Greiner F, Kocher T, Schirrmeister W,
       10.25646/6958. www.rki.de/sumo                              ­Majeed RW, Bienzeisler J, Grabenhenrich L, Schranz M:
  8 Hartnett KP, Kite-Powell A, DeVies J et al.: Impact             Inanspruchnahme deutscher Notaufnahmen während
       of the COVID-19 Pandemic on Emergency Depart-                der COVID-19-Pandemie – der Notaufnahme-Situations­
       ment Visits – United States, January 1, 2019 – May 30,       report (SitRep)
       2020. MMWR Morb Mortal Wkly Rep. 2020;                       Epid Bull 2020;27:3-5 | DOI 10.25646/6959
       69:699–704

  9 PHE Real-time Syndromic Surveillance Team:                     Interessenkonflikte
       ­ mergency Department Syndromic Surveillance
       E                                                           Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt
       System Bulletin Year 2020 Week 24. 16.6.2020. Date          ­besteht.
       accessed 19.6.2020: www.gov.uk/government/­
       collections/syndromic-surveillance-systems-and-­
       analyses
                                                                   Förderung
                                                                   Das Projekt „Verbesserung der Versorgungsforschung
  10 Public Health Wales and office for National Statistics:       in der Akutmedizin durch den Aufbau eines nationalen
       NHS activity and capacity during the coronavirus            Notaufnahmeregisters“ (AKTIN) wurde seitens des
       (COVID-19) pandemic: 18 June 2020. gov.wales/               Bundesministeriums für Bildung und Forschung
       nhs-activity-and-capacity-during-coronavirus-covid-­        (BMBF) gefördert (Förderkennung 01KX1319A-F).
       19-pandemic-18-june-2020
                                                                   Das Projekt „Erkennung und Sicherung epidemischer
  11 Schranz M, Greiner F, Kocher T et al.: Nutzung von            Gefahrenlagen“ (ESEG) wurde seitens des G-BA Inno-
       Routinedaten aus Notaufnahmen: Untersuchung                 vationsfond gefördert (Förderkennzeichen: 01VSF17034)
       von Häufungen der Notaufnahmevorstellungen in
       Wolfsburg und Stuttgart während der COVID-19-­
       Pandemie. Epid Bull 2020;27:6–11 DOI 10.25646/6960          Danksagung
                                                                   Der Notaufnahme-Situationsreport ist in enger Zu-
                                                                   sammenarbeit mit dem AKTIN-Notaufnahmeregister
  Autorinnen und Autoren                                           und mit den ESEG-Projektpartnern entstanden. Wir
  a)b) c)
      Dr. T. Sonia Boender | d) Felix Greiner | a) Theresa         wollen uns besonders bei den Notaufnahmen bedan-
  Kocher | d) Dr. Wiebke Schirrmeister | e) Raphael W.             ken, die ihre Daten hierfür bereitstellen.
  ­Majeed | e) Jonas Bienzeisler | f ) PD Dr. Linus
Epidemiologisches Bulletin                                              27 | 2020             Online vorab: 25. Juni 2020                                                  6

    Nutzung von Routinedaten aus Notaufnahmen: Beschreibung
    zweier Häufungen von Notaufnahmevorstellungen in
    ­Wolfsburg und Stuttgart während der COVID-19-Pandemie

    1 Nutzung von tagesaktuellen                                                                                bereits in der Beschreibung der täglichen Vorstel-
      Routinedaten aus Notaufnahmen                                                                             lungen zunächst nicht erklärbare zeitliche Verände-
    Das AKTIN-Notaufnahmeregister1 stellt dem Robert                                                            rungen der Häufigkeit. In direktem Kontakt mit den
    Koch-Institut (RKI) in täglichen Datenlieferungen                                                           Notaufnahmen wurde die Validität der Fallzahlen
    seit dem 20.3.2020 anonymisierte und standardi-                                                             überprüft und nach den Gründen für diese Häufun-
    sierte Routinedatendaten aus Notaufnahmen zur                                                               gen gesucht.
    Verfügung. Während der COVID-19-Pandemie kön-
    nen diese Daten genutzt werden, um die Inanspruch­
    nahme von Notaufnahmen zu beobachten. Am RKI                                                                2 Häufungen in den täglichen
    wurde dafür ein wöchentlicher Notaufnahme-Situa-                                                              Vorstellungen zweier Notaufnahmen
    tionsreport2 etabliert. Die Methoden und Verfügbar-                                                         Während des ab Mitte März 2020 zu beobachtenden
    keit der Routinedaten aus Notaufnahmen sind im                                                              Rückgangs der täglichen Notaufnahmevorstellungen
    Artikel „Inanspruchnahme deutscher Notaufnahmen                                                             von bis zu 40 %,3 waren in den Notaufnahmen
    während der COVID-19-Pandemie – der Notauf­                                                                 Wolfsburg und Stuttgart zwei deutliche kurzzeitige
    nahme-Situationsreport (SitRep)“ in dieser Ausgabe                                                          Anstiege der absoluten Notaufnahmevorstellungen
    des Epidemiologischen Bulletins beschrieben.3                                                               zu beobachten (s. Abb. 1 und 2). In beiden Fällen
                                                                                                                stellte sich heraus, dass der Anstieg der Fallzahlen
    Während der Etablierung des Notaufnahme-Situa­                                                              auf strukturelle Änderungen in den Notaufnahmen
    tionsreports, wurden differenzierte Analysen der                                                            im Rahmen der COVID-19-Pandemie zurückzu­
    Daten und des Kontexts von zwei Notaufnahmen                                                                führen war.
    notwendig. Bei diesen Notaufnahmen zeigten sich

                                                   tägliche Notaufnahmevorstellungen
                                    300            Notaufnahmevorstellungen mit dem Vorstellungsgrund „direkte Überweisung/Weiterleitung“

                                    250
  Anzahl Notaufnahmevorstellungen

                                    200

                                    150

                                    100

                                     50

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                                                                                                                                                   17-

                                                                                                                                                             18-

                                                                                                                                                                       19-
                                          KW

                                                      KW

                                                               KW

                                                                        KW

                                                                                    KW

                                                                                               KW

                                                                                                          KW

                                                                                                                    KW

                                                                                                                              KW

                                                                                                                                        KW

                                                                                                                                                  KW

                                                                                                                                                            KW

                                                                                                                                                                      KW

                                                                                                         Kalenderwoche

    Abb. 1 | Tägliche Notaufnahmevorstellungen der Notaufnahme Wolfsburg, 10.2.2020 – 3.5.2020
Epidemiologisches Bulletin                                           27 | 2020            Online vorab: 25. Juni 2020                                                   7

                                    400                                                                        tägliche Notaufnahmevorstellungen
                                                                                                               tägliche Notaufnahmevorstellungen ohne „Corona-Ambulanz“
                                                                                                               SARS-CoV-2-Tests in der „Corona-Ambulanz“
  Anzahl Notaufnahmevorstellungen

                                    300

                                    200

                                    100                                                                                                                                     Währen
                                                                                                                                                                            obachte
                                                                                                                                                                            Notaufn
                                                                                                                                                                            40 %, w
                                     0
                                                                                                                                                                            Wolfsbu
                                               0

                                                        0

                                                                 0

                                                                          20

                                                                                     20

                                                                                               20

                                                                                                          20

                                                                                                                     20

                                                                                                                               20

                                                                                                                                        20

                                                                                                                                                  20

                                                                                                                                                              20

                                                                                                                                                                       20
                                                                                                                                                                            kurzzeit
                                           7-2

                                                    8-2

                                                             9-2

                                                                       10-

                                                                                  11-

                                                                                            12-

                                                                                                       13-

                                                                                                                  14-

                                                                                                                            15-

                                                                                                                                     16-

                                                                                                                                               17-

                                                                                                                                                           18-

                                                                                                                                                                    19-
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                                                                                                                                                       KW

                                                                                                                                                                   KW
                                                                                                                                                                            Es stellt
                                                                                                    Kalenderwoche
                                                                                                                                                                            len der A
    Abb. 2 | Tägliche Notaufnahmevorstellungen der interdisziplinären Notaufnahme (INA) in Stuttgart, 10.2.2020 – 3.5.2020                                                  turelle Ä
    (Zahlen der „Corona-Ambulanz“ und SARS-CoV-2-Testungen stammen aus der hauseigenen Dokumentation der INA Stuttgart)                                                     men im
                                                                                                                                                                            mie zur

    2.1 Anstieg der Notaufnahmevorstellungen in                                                           stelle in Form eines Containers als separate Struktur,
        der Notaufnahme des Klinikums Wolfsburg                                                           in der alle Patienten vor Betreten der Notaufnahme
        durch Testung des Klinikpersonals                                                                 entsprechend den aktuell geltenden RKI-Kriterien5
    Das Klinikum Wolfsburg ist ein Schwerpunktversor­                                                     nach Symptomen einer COVID-19-Erkrankung und
    ger mit rund 550 Betten und regionaler Alleinstellung                                                 Kontakten zu positiv getesteten Personen befragt
    in der Stadt und Region um Wolfsburg; die nächs-                                                      wurden. Neben der regulären Notaufnahme wurde
    ten Klinikstandorte befinden sich in mindestens 20                                                    eine „Infektionsnotaufnahme“ mit einem separaten
    Kilometer Entfernung. Die zentrale Notfallaufnah-                                                     Zugang in unmittelbarer Nähe (50 Metern) der bis-
    me (ZNA) ist laut Gemeinsamen Bundesausschuss4                                                        herigen ZNA etabliert, in welcher Patienten mit Ver-
    als „Umfassende Notfallversorgung“ eingestuft und                                                     dacht auf COVID-19 versorgt wurden. Die Infektions­
    zählt rund 38.000 Patientenkontakte pro Jahr.                                                         notaufnahme wurde durch Mitarbeiter aus dem ge-
                                                                                                          samten Klinikum sowohl ärztlich als auch pflegerisch
    In der ZNA am Klinikum Wolfsburg wurden zwi-                                                          unterstützt. Bei stationärer Aufnahme im Anschluss
    schen dem 1.11.2019 und 15.3.2020 im Mittel 74 Pa-                                                    an die Notaufnahmebehandlung wurden Patienten
    tienten pro Tag versorgt (Standardabweichung von                                                      bei Verdacht auf COVID-19 auf einer Abklärungs­
    34). Ähnlich wie in anderen Notaufnahmen sank die                                                     station (8 Betten in den Strukturen der Notaufnah-
    Zahl der täglichen Patientenkontakte seit Kalender-                                                   me) betreut, bis ein Testergebnis vorlag. Seit dem
    woche (KW) 12/2020 in Wolfsburg zunächst; in KW                                                       14.4.2020 wurde zusätzlich ein Aufnahme-­Screening
    14/2020 kam es allerdings zu einem sprunghaften                                                       für alle stationär aufzunehmenden Patienten etab-
    Anstieg der Fallzahlen. Am 30.3.2020 wurde mit                                                        liert. Für Patienten mit nachgewiesener COVID-19-­
    277 Vorstellungen der höchste Tageswert beobachtet.                                                   Infektion wurde eine eigene Station eingerichtet;
    Ab KW 15/2020 fielen die täglichen Patientenkon-                                                      Patienten im Screening wurden so lange in Einzelzim­
    takte wieder auf ein Mittel von 68 pro Tag (Standard­                                                 mern auf drei weiteren Abklärungsstationen isoliert,
    abweichung von 13).                                                                                   bis das Testergebnis vorlag. Zusätzlich erfolgte bei
                                                                                                          Patienten, die sich mind. 72 Stunden stationär im
    Die ZNA des Klinikums Wolfsburg hat bereits früh                                                      Klinikum aufgehalten hatten, ein Entlass-­Screening.
    im Rahmen der Pandemie Maßnahmen zum Schutz                                                           Neben den Testungen wurde ein umfangreicher
    der Patienten und Beschäftigten implementiert. Seit                                                   Hygie­neplan implementiert.
    dem 3.3.2020 gab es eine zusätzliche Screening­
Epidemiologisches Bulletin              27 | 2020            Online vorab: 25. Juni 2020                                                            8

  Nach dem positiven SARS-CoV-2-Testergebnis zweier                             ten unter den Patienten keine Fälle von COVID-19
  Mitarbeiter des Klinikums Wolfsburg am 28.3.2020                              festgestellt werden. Da die getesteten Personen zum
  wurden deren Kontaktpersonen (darunter auch wei-                              größten Teil symptomfrei waren, wurde der CEDIS-­
  tere Mitarbeiter des Klinikums) getestet, einige davon                        PCL Vorstellungsgrund „855 direkte Weiterleitung/
  positiv. Aufgrund dieser Testergebnisse und um die                            Überweisung“ gewählt (s. Abb. 1). Eine Ersteinschät-
  epidemiologische Lage der Klinik weiterhin über­                              zung dieser Personen nach dem Manchester-Triage-­
  blicken zu können, wurde für den 30.3.2020 und                                System (MTS) erfolgte nicht.
  31.3.2020 ein genereller Aufnahmestopp für das ge-
  samte Klinikum beschlossen. Ausgenommen davon                                 Bis KW 14/2020 wurden in Wolfsburg ca. 78 % der
  waren lebensbedrohliche Notfälle und bestimmte                                Notaufnahmevorstellungen nach MTS eingestuft.
  Funktionsbereiche wie die Kindernotaufnahme und                               Sofern ein Arztkontakt innerhalb von 10 Minuten
  der Kreißsaal. In dieser Zeit wurden sowohl die in                            nach Eintreffen möglich ist, erfolgt dort regelhaft
  zweiter Runde identifizierten Kontaktpersonen unter                           keine Ersteinschätzung. In KW 14/2020 sank die
  den Mitarbeitern als auch alle zu diesem Zeitpunkt                            Zahl der Patientenkontakte mit Ersteinschätzung auf
  im Klinikum befindlichen stationären Patienten (je-                           28 % und stieg anschließend wieder auf bis zu 73 %
  weils ca. 250) getestet. Die Mitarbeiter wurden über                          in den KW 15/2020 – 18/2020. Während die Gruppe
  das Notaufnahmeinformationssystem erfasst. Die                                der 20 – 64-Jährigen sonst etwa die Hälfte aller Patien-
  Patienten wurden im Krankenhausinformations­                                  tenkontakte ausmachen, stieg der Anteil dieser
  system des Klinikums dokumentiert. Während unter                              Gruppe auf knapp 80 % in KW 14/2020 ­(s. Tab. 1).
  den Mitarbeitern einige positiv getestet wurden, konn-

                           KW 7       KW 8       KW 9      KW 10      KW 11      KW 12      KW 13      KW 14      KW 15      KW 16      KW 17      KW 18
                        (n = 712) (n = 685) (n = 714) (n = 719) (n = 706) (n = 480) (n = 417) (n = 770) (n = 478) (n = 416) (n = 469) (n = 534)
   Altersgruppen
                               82        81        88        85            64         46         33         54         41        44          42         35
   0 – 19               (11,5  %) (11,8  %) (12,3  %) (11,8  %)      (9,1  %)   (9,6  %)   (7,9  %)   (7,0  %)   (8,6  %) (10,6  %)    (9,0  %)   (6,6  %)
                             375       336       376       370       388       255       238       610       260       200       240       288
   20 – 64              (52,7  %) (49,1  %) (52,7  %) (51,5  %) (55,0  %) (53,1  %) (57,1  %) (79,2  %) (54,4  %) (48,1  %) (51,2  %) (53,9  %)
                             118       140       117       121       111         89        61               54        74        69        88        99
   65 – 79              (16,6  %) (20,4  %) (16,4  %) (16,8  %) (15,7  %) (18,5  %) (14,6  %)         (7,0  %) (15,5  %) (16,6  %) (18,8  %) (18,5  %)
                             137       128       133       143       143         90        85               52      103       103         99      112
   80  +                (19,2  %) (18,7  %) (18,6  %) (19,9  %) (20,3  %) (18,8  %) (20,4  %)         (6,8  %) (21,5  %) (24,8  %) (21,1  %) (21,0  %)
   Ersteinschätzung
                                4          1          1         0          0           2          1         0          0           4          2         0
   1 – sofort            (0,6  %)   (0,1  %)   (0,1  %)    (0  %)     (0  %)    (0,4  %)   (0,2  %)    (0  %)     (0  %)    (1,0  %)   (0,4  %)    (0  %)
                               20         26         14         16         16          8          3          3          9          6          9         10
   2 – sehr dringend     (2,8  %)   (3,8  %)   (2,0  %)   (2,2  %)   (2,3  %)   (1,7  %)   (0,7  %)   (0,4  %)   (1,9  %)   (1,4  %)   (1,9  %)   (1,9  %)
                             180       155       187       156       143         68        69               49        80        64        83      109
   3 – dringend         (25,3  %) (22,6  %) (26,2  %) (21,7  %) (20,3  %) (14,2  %) (16,5  %)         (6,4  %) (16,7  %) (15,4  %) (17,7  %) (20,4  %)
                             355       374       363       383       325       201       145       142       207       204       208       239
   4 – normal           (49,9  %) (54,6  %) (50,8  %) (53,3  %) (46,0  %) (41,9  %) (34,8  %) (18,4  %) (43,3  %) (49,0  %) (44,3  %) (44,8  %)
                               39         18         23         29         25         19         16         21         26         14         42         18
   5 – nicht dringend    (5,5  %)   (2,6  %)   (3,2  %)   (4,0  %)   (3,5  %)   (4,0  %)   (3,8  %)   (2,7  %)   (5,4  %)   (3,4  %)   (9,0  %)   (3,4  %)
   Ohne                      114       111       126       135       197       182       183       555       156       124       125       158
   Ersteinschätzung     (16,0  %) (16,2  %) (17,6  %) (18,8  %) (27,9  %) (37,9  %) (43,9  %) (72,1  %) (32,6  %) (29,8  %) (26,7  %) (29,6  %)
   Tageszeit
   Tagsüber                  357       315       344       377       386       227       192       379       226       217       234       261
   (9 – 17 Uhr)         (50,1  %) (46,0  %) (48,2  %) (52,4  %) (54,7  %) (47,3  %) (46,0  %) (49,2  %) (47,3  %) (52,2  %) (49,9  %) (48,9  %)
   Abends/Nachts             355       370       370       342       320       253       225       391       252       199       235       273
   (18 – 8 Uhr)         (49,9  %) (54,0  %) (51,8  %) (47,6  %) (45,3  %) (52,7  %) (54,0  %) (50,8  %) (52,7  %) (47,8  %) (50,1  %) (51,1  %)

  Tab. 1 | Wöchentliche Notaufnahmevorstellungen in Wolfsburg nach Alter, Dringlichkeit und Tageszeit, 10.2.2020 – 3.5.2020
Epidemiologisches Bulletin       27 | 2020       Online vorab: 25. Juni 2020                                    9

  2.2 Anstieg der Notaufnahmebesuche im                        anmeldung vorstellen, bei gegebener Indikation
      ­Klinikum Stuttgart durch Öffnung einer                  wurde ein Corona-Abstrich vorgenommen. Die In-
       „Corona-Ambulanz“                                       dikation für die Abstriche und COVID-19-Testungen
  Das Klinikum Stuttgart ist ein Haus der Maximal-             wurde in Zusammenarbeit mit dem Gesundheits-
  versorgung mit rund 2.000 Betten. Die Interdiszip-           amt Stuttgart nach den jeweils aktuellen RKI-Test-
  linäre Notaufnahme (INA) des Klinikums Stuttgart             kriterien5 gestellt.
  ist für den Standort Mitte des Klinikums zuständig
  und zählt ca. 34.000 Patientenkontakte pro Jahr. Sie         Ab dem 18.3.2020 wurde am Klinikum Stuttgart in
  ist gemäß Gemeinsamen Bundesausschuss als                    Absprache mit dem Gesundheitsamt ein Strategie-
  „Umfassende Notfallversorgung“ eingestuft.                   wechsel vollzogen. Seitdem konzentrierte sich die
                                                               Notaufnahme auf kritisch kranke Patienten der Risi­
  Zwischen dem 1.11.2019 und 1.3.2020 war in der INA           kogruppen. Nicht kritisch kranke Personen ohne Vor­
  eine mittlere Anzahl von 95 Vorstellungen pro Tag            erkrankungen wurden bei Verdacht auf COVID-19
  ­(Standardabweichung von 10) zu beobachten. Ab               in einer dafür neu eingerichteten externen Ambu-
   der ersten Märzwoche (KW 10/2020) war ein steiler           lanz der Kassenärztlichen Vereinigung versorgt.
   Anstieg in den täglichen Fallzahlen zu sehen, der
   seinen Höhepunkt am 16.3.2020 mit 379 Patienten-            Die Eröffnung der Corona-Ambulanz am 28.2.2020
   kontakten erreichte. Am 18.3.2020 war ein Rück-             sowie der Strategiewechsel am 18.3.2020 spiegeln
   gang auf 125 Notaufnahmevorstellungen zu sehen;             sich sowohl in dem Anstieg der täglichen Vorstellun­
   anschließend sanken die täglichen Vorstellungen             gen bis zum 17.3.2020 als auch im anschließend
   zwischen KW 13/2020 und KW 18/2020 auf einen                steilen Rückgang der Fallzahlen wider. Auffällig für
   Mittelwert von 74 Fällen (Standardabweichung 19).           den Zeitraum zwischen KW 10/2020 und KW 12/2020
                                                               war auch, dass mehr Patientenkontakte zwischen
  Die Gespräche mit der Leitung der INA Stuttgart              9 und 17 Uhr stattfanden: 85 % im Vergleich zu 55 %
  ­ergaben zwei wichtige Gründe für die beobachteten           in den Wochen vorher. Außerdem wurden innerhalb
   Auffälligkeiten in den Fallzahlen: die Eröffnung einer      dieser drei Wochen 67 % der Patienten mit nie­drigster
   Corona-Ambulanz sowie eine spätere Fokussierung             Dringlichkeitsstufe ersteingeschätzt, verglichen mit
   auf Risikogruppen. Das Klinikum Stuttgart stand             7 % in den Wochen zuvor. Die Altersverteilung blieb
   bereits Ende Januar 2020 im Dialog mit dem Ge-              hingegen weitgehend unverändert, mit 64 % – 80 %
   sundheitsamt der Stadt Stuttgart und hat die inter-         der Patientenkontakte in der Altersgruppe der
   nen Pandemiepläne vorausschauend auf die sich an-           20 – ­64-Jährigen (s. Tab. 2).
   bahnende Pandemie überarbeitet. Mit Blick auf das
   Ende der Faschingsferien in Baden-Württemberg               Aus zusätzlich übermittelten Test- und Vorstellungs­
   Ende Februar erwartete das Klinikum Stuttgart eine          zahlen der INA Stuttgart geht hervor, dass zwischen
   Zunahme der COVID-19-Verdachtsfälle, vor allem              dem 29.2.2020 und 3.5.2020 insgesamt 7.776 Pati-
   in Form von Reiserückkehrern aus Skigebieten. Am            enten, davon 3.367 Patienten in der Corona-Am­bu­
   28.2.2020 wurde deshalb eine Corona-Ambulanz                lanz, versorgt wurden. Vor dem Strategiewechsel
   eröffnet. Um die Notaufnahme nicht zu überlasten            am 18.3.2020 lag der Anteil derer, die sich in der
   und die Klinik (und Notaufnahme) vor dem erwar-             ­Corona-Ambulanz vorgestellt haben bei 61 % der
   teten Patientenansturm und erhöhtem Infektions­              gesamten Notaufnahmevorstellungen. Ab dem
                                                                ­
   risiko zu schützen, wurde die Ambulanz außerhalb             18.3.2020 sank dieser Anteil auf 23 %. Im oben ge-
   des Hauptgebäudes in einem Container eingerichtet.           nannten Zeitraum wurden in der Corona-Ambu-
                                                                lanz 3.406 SARS-CoV-2-Tests durchgeführt. Seit
  Die Dokumentation der Patientenkontakte in der                dem 20.3.2020 wurden alle stationären Patienten
  Corona-Ambulanz erfolgte dabei trotz der örtlichen            getestet; seit dem 3.4.2020 erfolgt ein prästatio­
  Auslagerung über das übliche Notaufnahmeinfor-                näres Screening auf SARS-CoV-2 bei elektiven Be-
  mationssystem. Dadurch werden diese Kontakte                  handlungen. Bis zum 27.4.2020 wurden im gesam-
  auch in den vorliegenden Vorstellungszahlen sicht-            ten Klinikum Stuttgart mehr als 15.000 SARS-CoV-2-
  bar (s. Abb. 2). Patienten konnten sich ohne Vor­             Testungen durchgeführt. Prästationäre Patienten
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                           KW 7        KW 8        KW 9       KW 10       KW 11       KW 12       KW 13       KW 14       KW 15       KW 16       KW 17       KW 18
                         (n = 705)   (n = 667)   (n = 696) (n = 1.300) (n = 1.794) (n = 1.252)   (n = 610)   (n = 523)   (n = 436)   (n = 472)   (n = 601)   (n = 482)
   Altersgruppen
                               32          32          25      219       232             105           33          19          20          15          23          12
   0 – 19                (4,5  %)    (4,8  %)    (3,6  %) (16,8  %) (12,9  %)        (8,4  %)    (5,4  %)    (3,6  %)    (4,6  %)    (3,2  %)    (3,8  %)    (2,5  %)
                             481       469       507       915     1.366     1.000       457       390       287       331       399       308
   20 – 64              (68,2  %) (70,3  %) (72,8  %) (70,4  %) (76,1  %) (79,9  %) (74,9  %) (74,6  %) (65,8  %) (70,1  %) (66,4  %) (63,9  %)
                             116         99        91            108         129         102         71        72        78        79        75        86
   65 – 79              (16,5  %) (14,8  %) (13,1  %)        (8,3  %)    (7,2  %)    (8,1  %) (11,6  %) (13,8  %) (17,9  %) (16,7  %) (12,5  %) (17,8  %)
                               76        67        73              58          67          45          49          42        51        47      104         76
   80  +                (10,8  %) (10,0  %) (10,5  %)        (4,5  %)    (3,7  %)    (3,6  %)    (8,0  %)    (8,0  %) (11,7  %) (10,0  %) (17,3  %) (15,8  %)
   Ersteinschätzung
                               14           9          16          14          16           8           9          14          13          13          18          12
   1 – sofort            (2,0  %)    (1,3  %)    (2,3  %)    (1,1  %)    (0,9  %)    (0,6  %)    (1,5  %)    (2,7  %)    (3,0  %)    (2,8  %)    (3,0  %)    (2,5  %)
                               62          49          67          62          65          46          36          46        57        49              55        64
   2 – sehr dringend     (8,8  %)    (7,3  %)    (9,6  %)    (4,8  %)    (3,6  %)    (3,7  %)    (5,9  %)    (8,8  %) (13,1  %) (10,4  %)        (9,2  %) (13,3  %)
                             253       258       242       236       226       175       120       138       173       163       176       192
   3 – dringend         (35,9  %) (38,7  %) (34,8  %) (18,2  %) (12,6  %) (14,0  %) (19,7  %) (26,4  %) (39,7  %) (34,5  %) (29,3  %) (39,8  %)
                             309       284       283       241       226       147       119       105       115       154       137       161
   4 – normal           (43,8  %) (42,6  %) (40,7  %) (18,5  %) (12,6  %) (11,7  %) (19,5  %) (20,1  %) (26,4  %) (32,6  %) (22,8  %) (33,4  %)
                               32          43          68      722     1.227       845       298       192         71        66      115                           45
   5 – nicht dringend    (4,5  %)    (6,4  %)    (9,8  %) (55,5  %) (68,4  %) (67,5  %) (48,9  %) (36,7  %) (16,3  %) (14,0  %) (19,1  %)                    (9,3  %)
   Ohne                        35          24          20          25          34          31          28          28           7          27      100              8
   Ersteinschätzung      (5,0  %)    (3,6  %)    (2,9  %)    (1,9  %)    (1,9  %)    (2,5  %)    (4,6  %)    (5,4  %)    (1,6  %)    (5,7  %) (16,6  %)      (1,7  %)
   Tageszeit
   Tagsüber                  338       333       337       901     1.328       914       368       260       234       236       320       237
   (9 – 17 Uhr)         (47,9  %) (49,9  %) (48,4  %) (69,3  %) (74,0  %) (73,0  %) (60,3  %) (49,7  %) (53,7  %) (50,0  %) (53,2  %) (49,2  %)
   Abends/Nachts             367       334       359       399       466       338       242       263       202       236       281       245
   (18 – 8 Uhr)         (52,1  %) (50,1  %) (51,6  %) (30,7  %) (26,0  %) (27,0  %) (39,7  %) (50,3  %) (46,3  %) (50,0  %) (46,8  %) (50,8  %)

  Tab. 2 | Wöchentliche Notaufnahmevorstellungen in Stuttgart nach Alter, Dringlichkeit und Tageszeit, 10.2.2020 – 3.5.2020

  sowie getestete Mitarbeiter werden allerdings nicht                                stopp, währenddessen ein großer Teil der stationä-
  über das Notaufnahme-Informationssystem erfasst                                    ren Patienten und Mitarbeiter getestet wurde.
  und sind somit in den vorliegenden Daten (s. Abb. 2
  und Tab. 2) nicht enthalten.                                                       Der Datenzugang zur Routinedokumentation aus
                                                                                     Notaufnahmen über das AKTIN-Notaufnahmeregis­
                                                                                     ter kann die lokale Inanspruchnahme im Bereich
  3 Nutzung von Notaufnahmedaten für                                                 der beteiligten Notaufnahmen abbilden. Für die
    die Surveillance                                                                 Not­aufnahmen ergibt sich kein zusätzlicher Doku-
  Während der insgesamt rückläufigen Notaufnahme­                                    mentationsaufwand, da ausschließlich die medizi-
  vorstellungen ab Mitte März 2020,3 gibt es teilweise                               nische Routinedokumentation genutzt wird. Die
  große Unterschiede auf Ebene der einzelnen Stand-                                  ­Beobachtung der Anzahl täglicher Notaufnahme-
  orte. In zwei Notaufnahmen kam es zu einem kurz-                                    vorstellungen sowie weiterer Indikatoren (z. B. Vertei­
  fristigen starken Anstieg der Fallzahlen, der auf                                   lung der Dringlichkeitsstufen oder Altersverteilung)
  strukturelle Änderungen in den Notaufnahmen zu-                                     ermöglichen bereits eine erste Einschätzung der In-
  rückgeführt werden kann. Beispielsweise war der                                     anspruchnahme in den Notaufnahmen. Änderungen
  Anstieg der Patientenkontakte in der Notaufnahme                                    in den Daten können neben realen Änderungen des
  Stuttgart Anfang März 2020 durch die Öffnung ei-                                    Inanspruchnahmeverhaltens auch aufgrund von
  ner „Corona-Ambulanz“ und damit vermehrten                                          strukturellen Veränderungen in den Notaufnahmen
  ­Testung von COVID-19-Verdachtsfällen zu erklären.                                  und der Patientenversorgung auftreten. Daher ist es
   In der Notaufnahme Wolfsburg hingegen kam es                                       wichtig, solche Auffälligkeiten in den Daten zu er-
   Ende März 2020 zu einem zweitägigen Aufnahme­                                      kennen und im Austausch mit den jeweiligen Not-
                                                                                      aufnahmen abzuklären.
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  Die tagesaktuelle Verfügbarkeit von Routinedaten                Situationsreports schafft eine wichtige Grundlage
  aus Notaufnahmen ermöglicht die Überwachung                     für die Kommunikation zwischen dem RKI und den
  von Auffälligkeiten und Trends im Inanspruchnah-                teilnehmenden Notaufnahmen und führt zu einem
  meverhalten. Die Beobachtung von Notaufnahme-                   besseren Verständnis der Inanspruchnahme von
  daten in Form des neu etablierten Notaufnahme-­                 Notaufnahmen während der COVID-19-Pandemie.

  Literatur
  1   AKTIN BMBF: Forschungsprojekt AKTIN (Verbes­                Autorinnen und Autoren
      serung der Versorgungsforschung in der Akut­                a)
                                                                     Madlen Schranz | b) Felix Greiner | a) Theresa Kocher |
      medizin in Deutschland durch den Aufbau eines               c)
                                                                     PD Dr. Linus Grabenhenrich | d) Raphael W. Majeed | ­
      nationalen Notaufnahmeregisters). www.aktin.org             e)
                                                                     Dr. med. Bernadett Erdmann | f ) Christian Ulrich
                                                                  Menzel | f­­) Prof. Dr. Tobias Schilling | a) g) h) Dr. T. Sonia
  2 Robert Koch-Institut: Routinedaten aus dem
                                                                  Boender
      ­ esundheitswesen in Echtzeit (SUMO). Not­
      G
      aufnahme-Situationsreport (SitRep) 24.06.2020.              a)
                                                                        Robert Koch-Institut, Abteilung für Infektions­
      DOI 10.25646/6958. www.rki.de/sumo                                epidemiologie

  3 Boender TS, Greiner F, Kocher T et al.: Inanspruch-           b)
                                                                        Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Medizini-
      nahme deutscher Notaufnahmen während der                          sche Fakultät, Universitätsklinik für Unfallchirurgie
      ­COVID-19-Pandemie – der Notaufnahme-­                      c)
                                                                        Robert Koch-Institut, Abteilung für Methoden­
       Situationsreport (SitRep). Epid Bull 2020;27:3-5.
                                                                        entwicklung und Forschungsinfrastruktur
       DOI 10.25646/6959
                                                                  d)
                                                                        Institut für Medizinische Informatik, Uniklinikum
  4 Bundesministerium für Gesundheit: Bekannt­
                                                                        RWTH Aachen
      machung eines Beschlusses des Gemeinsamen
      Bundesausschusses über die Erstfassung der                  e)
                                                                        Zentrale Notfallaufnahme, Klinikum Wolfsburg
      ­Regelungen zu einem gestuften System von
                                                                  f)
       ­Notfallstrukturen in Krankenhäusern gemäß § 136c            Interdisziplinäre Notaufnahme (INA), Klinikum
        Absatz 4 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch                Stuttgart
        (SGB V). Bundesanzeiger BAnz AT 18.05.2018 B4             g)
                                                                        European Programme for Intervention Epidemiology
  5 Robert Koch-Institut: COVID-19-Verdacht: Maß­                       Training (EPIET), European Centre for Disease
      nahmen und Testkriterien – Orientierungshilfe ­                   ­Prevention and Control, (ECDC)
      für Ärzte. 2020. Available from: www.rki.de/DE/             h)
                                                                        Postgraduiertenausbildung für Angewandte
      Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/                           ­Epidemiologie (PAE), Robert Koch-Institut
      Massnahmen_Verdachtsfall_Infografik_Tab.html
                                                                  Korrespondenz: Madlen Schranz, MScPH;
                                                                  SchranzM@rki.de
  Vorgeschlagene Zitierweise
  Schranz M, Greiner F, Kocher T, Grabenhenrich L,
  Majeed RW, Erdmann B, Menzel CU, Schilling T,                   Interessenkonflikte
  Boender TS: Nutzung von Routinedaten aus Notauf-                Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt
  nahmen: Beschreibung zweier Häufungen von Notauf-               ­besteht.
  nahmevorstellungen in Wolfsburg und Stuttgart wäh-
  rend der COVID-19-Pandemie.
  Epid Bull 2020;27:6–11 | DOI 10.25646/6960
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