Epidemiologisches Bulletin - RKI

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                   ZU INFEKTIONSKRANKHEITEN UND PUBLIC HEALTH

  43 Epidemiologisches
2020 Bulletin
22. Oktober 2020

                   SARS-CoV-2:
                   Aktualisierung der Nationalen Teststrategie
                   und Neuverkündung der Testverordnung;
                   Neuerung bei Quarantäneregeln;
                   Screening in Bonner Kliniken
                   Weltpoliotag 2020
Epidemiologisches Bulletin          43 | 2020       22. Oktober 2020                                                      2

  Inhalt

  Aktualisierung der Nationalen Teststrategie und Neuverkündung der Verordnung zum Anspruch
  auf Testung in Bezug auf einen direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronavirus-
  Testverordnung – TestV)3
  Zum 15. Oktober 2020 wurden die rechtlichen Grundlagen für die Kostenerstattung für bestimmte Testungen
  überarbeitet und die fachlichen Empfehlungen – die Nationale Teststrategie – angepasst.

  Neuerungen in der Regelung der Quarantäne für Haushalte                                                                      7
  Auf Basis einer Analyse von Meldedaten werden die Empfehlungen zur Quarantäne für weitere Haushalts-
  mitglieder eines bestätigten Falles auf 14 Tage angepasst.

  SARS-CoV-2-Screening bei Aufnahme von Patienten in einem Verbund-Krankenhaus der
  Regelversorgung der Stadt Bonn                                                                                              10
  Die regionale SARS-CoV-2-Inzidenz kann als Grundlage für die Entscheidung über eine ggf. kurzfristige
  Einführung von Screening-Untersuchungen bei Aufnahme in ein Krankenhaus der Region genutzt werden.

  Weltpoliotag 2020: Afrikanische Region als poliofrei zertifiziert                                                           15
  Seit Ende August gilt der afrikanische Kontinent als frei von Kinderlähmung (Poliomyelitis, Polio). Die
  globale Gefahr im Kampf gegen Polio ist jedoch nicht gebannt, in diesem Jahr erschwert zudem die Corona-­
  Krise die Eradikationsbemühungen.

  Aktuelle Statistik meldepflichtiger Infektionskrankheiten                                                                   17

  Impressum
  Herausgeber                                                      Allgmeine Hinweise/Nachdruck
  Robert Koch-Institut                                             Die Ausgaben ab 1996 stehen im Internet zur Verfügung:
  Nordufer 20, 13353 Berlin                                        www.rki.de/epidbull
  Telefon 030 18754 – 0
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  Redaktion                                                        die Meinung des Robert Koch-Instituts wider.
  Dr. med. Jamela Seedat
  Telefon: 030 18754 – 23 24                                       Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons
  E-Mail: SeedatJ@rki.de                                           Namensnennung 4.0 International Lizenz.

  Nadja Harendt (Redaktionsassistenz)
  Telefon: 030 18754 – 24 55
  Claudia Paape, Judith Petschelt (Vertretung)
  E-Mail: EpiBull@rki.de                                           ISSN 2569-5266

         Das Robert Koch-Institut ist ein Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit.
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  Aktualisierung der Nationalen Teststrategie und Neu­
  verkündung der Verordnung zum Anspruch auf Testung in
  Bezug auf einen direkten Erregernachweis des Coronavirus
  SARS-CoV-2 (Coronavirus-Testverordnung – TestV)

  Zielgerichtetes Testen ist unabdingbar, um Infek­          Deutschland und damit ein stets aktuelles Lagebild.
  tionsketten frühzeitig unterbrechen zu können und          Dank gezieltem Testen können Infektionsketten
  insbesondere vulnerable Personengruppen vor einer          schneller unterbrochen werden, was zum Schutz un-
  Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 zu schüt-         seres Gesundheitssystems vor Überlastung ­beiträgt.
  zen. Angesichts der dynamischen Entwicklung des            Testen entbindet jedoch nicht von der Einhaltung
  Pandemiegeschehens muss die Teststrategie laufend          der AHA+L-Regel (Abstand, Hygiene, A ­ lltagsmaske
  überprüft und unter Berücksichtigung der bisherigen        + Lüften), notwendigen Hygienevorkehrungen so-
  Erfahrungen aus der Praxis, der aktuellen epidemio-        wie kontinuierlicher Symptomüberwachung.
  logischen Lage und der Verfügbarkeit verschiedener
  Testmethoden an die aktuelle Situation angepasst           In Deutschland wird bereits umfassend auf das
  werden. Unter diesen Gesichtspunkten wurden zum            Vorliegen von Infektionen mit dem Coronavirus
  15. Oktober 2020 sowohl die rechtlichen Grundlagen         SARS-CoV-2 getestet. Hierzu wurden die Testkapa-
  für die Kostenerstattung für bestimmte Testungen           zitäten zum Virusnachweis mittels Nukleinsäure-
  überarbeitet, als auch die fachlichen Empfehlungen  –      nachweis (PCR)-Testung seit März 2020 kontinu-
  die Nationale Teststrategie – angepasst.                   ierlich erweitert.

  Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die aktuellen     Die aktualisierte Nationale Teststrategie sieht die
  Anpassungen der Nationalen Teststrategie und ihrer         breite Testung von medizinischem und pflegerisch
  rechtlichen Grundlage – der „Verordnung zum An-            tätigem Personal vor, um besonders vulnerable
  spruch auf Testung in Bezug auf einen direkten Erre-       Gruppen zu schützen. Zusätzlich soll durch einen
  gernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 (Corona-            zielgerichteten Einsatz von geeigneten Antigen-­
  virus-Testverordnung – TestV). Er ersetzt nicht die        Tests (z. B. bei Besuchern von Pflegeheimen) der
  Lektüre der zitierten Dokumente.                           Eintrag von Infektionen in bestimmte Bereiche ver-
                                                             mieden werden. So können beispielsweise Verbes-
                                                             serungen für das Leben in Pflegeheimen erzielt
  Einleitung                                                 werden.1
  Das SARS-CoV-2-Ausbruchsgeschehen entwickelt
  sich weiterhin dynamisch und die Infektionszahlen          Am 15. Oktober 2020 trat die Verordnung zum An-
  steigen sowohl in Deutschland als auch weltweit an.        spruch auf Testung in Bezug auf einen direkten Er­
  Nach wie vor steht aktuell kein Impfstoff zur Verfü-       regernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 in Kraft
  gung. Die Gefahr einer Verstärkung des Infektions-         (Coronavirus-Testverordnung – TestV, BAnz AT
  geschehens mit erheblichen Folgen für Leben und            14. 10. 2020 V1), welche die Rechtsgrundlage für die
  Gesundheit der Bevölkerung und einer möglichen             Übernahme der Kosten für bestimmte, in der Natio-
  Überforderung des Gesundheitssystems besteht un-           nalen Teststrategie verankerten Testungen bildet.2
  vermindert fort.
                                                             Die Coronavirus-Testverordnung regelt, welche
  Gezieltes Testen ist ein essentieller Bestandteil der      Personengruppen in welchen Einrichtungen bzw.
  Pandemiebekämpfung: Eine konsequente Umset-                Situa­tionen und in welchem Umfang Anspruch auf
  zung einer gezielten, anlassbezogenen Teststrategie        die Durchführung einer Testung auf das Vorliegen
  ermöglicht eine schnelle und präzise Erfassung der         einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2
  Zahl und der Verteilung von infizierten Personen in        haben.
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  1. Aktualisierung der Nationalen Test­strategie           von Antigen-Tests zur Testung asymptomatischer
  – wer wird in Deutschland auf das Vorliegen               Personen die epidemiologische Lage vor Ort zu be-
  einer SARS-CoV-2 Infektion getestet?                      rücksichtigen. In jedem Fall muss einem positiven
  Übergeordnetes Ziel der Nationalen Teststrategie ist      Antigen-Test regelhaft eine Untersuchung mittels
  weiterhin die Versorgung symptomatischer                  PCR folgen. Eine regelmäßige Reihentestung mit-
  ­COVID-19-Fälle, der Schutz vulnerabler Gruppen           tels Antigen-Tests von Personal in medizinischen
   sowie die Verhütung der Verbreitung des Corona­          Einrichtungen, wie u.a. auch Arztpraxen, kann ins-
   virus SARS-CoV-2.1 In der aktuellen Version vom          besondere in Gebieten mit einer erhöhten Inzidenz
   15.10.2020 wurden die zur Testung empfohlenen            (z. B. einer 7-Tage-Inzidenz > 50/100.000 Einwoh-
   Personengruppen weiter ausgeweitet und die Ein-          ner) sinnvoll sein. Bei weiterhin bestehendem, be-
   führung von Antigen-Tests zum Nachweis von               gründetem Krankheitsverdacht sollte auch ein nega-
   SARS-CoV-2 aufgenommen.                                  tives Antigen-Testergebnis mittels PCR-Test über-
                                                            prüft werden. Bei Hinweisen auf einen schon länger
  Der Einsatz von Point-of-Care (PoC)-Antigen-Tests         bestehenden Krankheitsverlauf sollte die einge-
  und labor-basierten Antigen-Tests kann unter be-          schränkte Aussagekraft eines Nasen-Rachen­
  stimmten Voraussetzungen eine sinnvolle Ergän-            abstrichs berücksichtigt werden. Für medizi-
  zung zum PCR-Test sein. Damit tragen Anti-                nisch-diagnostische Fragestellungen zur Feststel-
  gen-Tests zum weiteren Ausbau der Testkapazität           lung einer Infektion ist die PCR die Methode der
  bei und können die Maßnahmen zur Eindämmung               Wahl. Umfassende Informationen zur SARS-CoV-2-­
  der SARS-CoV-2-Pandemie beschleunigen. Im Ver-            Diagnostik und zu den unterschiedlichen Testver-
  gleich zu Antigen-Tests ist die PCR die sensitivere       fahren sind auf der Webseite des Robert Koch-­
  und spezifischere Methode für den Nachweis von            Instituts (www.rki.de) zu finden.3
  SARS-CoV-2. Daher bleibt die PCR in vielen Situa-
  tionen, insbesondere bei symptomatischen Perso-           2. Verordnung zum Anspruch auf Testung
  nen mit Verdacht auf COVID-19, bei Personen mit           in Bezug auf einen direkten Erregernachweis
  Kontakt zu einem bestätigten COVID-19-Fall oder           des Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronavirus-
  in Ausbruchssituationen die bevorzugte Nachweis­          Testverordnung – TestV)
  methode.                                                  Verordnungsgrundlage, Änderungen und Ziele
                                                            Ein Anspruch auf bestimmte Testungen für den
  PCR-Tests haben jedoch den Nachteil, dass die Ana-        Nachweis des Vorliegens einer Infektion mit dem
  lyse in einem Labor vorgenommen werden muss               Coronavirus SARS-CoV-2 für sowohl Versicherte
  und Untersuchungsergebnisse unter Umständen               der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) als
  erst nach mehreren Tagen vorliegen. Der Vorteil           auch Personen, die nicht in der GKV versichert
  von PoC-Antigen-Tests ist, dass sie patientennah          sind, ist im § 20i Absatz 3 Satz 2 – 4 des Fünften
  bzw. am Versorgungsort – z. B. in einer stationären       Sozialgesetzbuches (SGB V) in der Fassung des
  Pflege­einrichtung oder vor ambulanten Opera­             Zweiten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei
  tionen – durchgeführt werden können, da die Test­         einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite
  ergebnisse in weniger als einer halben Stunde vor-        vom 19. Mai 2020 (BGBl. I S. 1018) geregelt.4 Hier
  liegen.                                                   wird das Bundesministerium für Gesundheit er-
                                                            mächtigt, im Fall der Feststellung einer epidemi-
  Wie bei der PCR ist auch bei der Verwendung von           schen Lage von nationaler Tragweite durch den Deut-
  Antigen-Tests die anlass-bezogene und zielgerich­         schen Bundestag nach § 5 Absatz 1 des Infektions-
  tete Testung sowie die Kenntnis der Aussagekraft          schutzgesetzes (IfSG) die Kostenübernahme zu be-
  der Ergebnisse dieser Tests essentiell. Ihre geringe-     stimmen. Voraussetzung ist, dass entsprechende
  re Sensitivität bedeutet, dass sie nur die Erkennung      Testungen nicht Bestandteil der Krankenbehand-
  einer hohen Erregerlast im oberen Respirationstrakt       lung nach § 27 SGB V sind. Die Aufwendungen für
  ermöglichen. Insbesondere mit Blick auf die auch          die Testungen werden aus der Liquiditätsreserve des
  geringere Spezifität von Antigen-Tests im Vergleich       Gesundheitsfonds gezahlt. Mit der Verordnung
  zur PCR-Testung wird empfohlen, vor dem Einsatz           zum Anspruch auf bestimmte Testungen für den
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  Nachweis des Vorliegens einer Infektion mit dem          Personen umfasst, die in den letzten zehn Tagen in
  Coronavirus SARS-CoV-2 vom 8. Juni 2020 (Corona­         den in der Vorschrift genannten Einrichtungen be-
  virus-Testverordnung- TestV, BAnz AT 09.6.2020           handelt, betreut, tätig oder sonst anwesend waren.
  V1) hat das Bundesministerium für Gesundheit von         Die Liste der relevanten Einrichtungen und Unter-
  der Ermächtigung erstmals Gebrauch gemacht.2             nehmen im § 3 Absatz 2 TestV ist gleichgeblieben.
  Ziel der Verordnung ist, nicht nur umfassender als
  bisher, sondern auch einfacher bestimmte Gruppen         Hingegen hat § 4 wesentliche Änderungen erfah-
  von asymptomatischen Personen zu testen. Dabei           ren. Diese Vorschrift regelt den Anspruch auf Tes-
  handelt es sich um solche Personengruppen, die           tungen zur Verhütung der Verbreitung des Corona-
  entweder selbst vulnerabel sind (z. B. Bewohner von      virus SARS-CoV-2, ohne dass in der Einrichtung be-
  Pflegeheimen) oder Kontakt zu besonders gefährde-        reits ein bestätigter Fall vorliegt. Die Bestimmungen
  ten Personengruppen haben (etwa Beschäftigte in          des § 4 TestV spielen insbesondere für den Schutz
  medizinischen Einrichtungen). Die TestV regelt den       von vulnerablen Personen wie etwa der Bewohner
  Anspruch von asymptomatischen Personen auf eine          von Alten- und Pflegeheimen, eine wichtige Rolle.
  Testung auf das Vorliegen einer Infektion mit dem        Um insbesondere in diesen Bereichen eine effizien-
  Coronavirus SARS-CoV-2 in folgenden Bereichen:           te Testung zu ermöglichen, wurde der Antigen-Test
  Testung von Kontaktpersonen, Testung von Perso-          als nach der TestV erstattungsfähige Testmethode in
  nen nach Auftreten von Infektionen in bestimmten         die Verordnung aufgenommen.
  Einrichtungen und Unternehmen, sowie Testungen
  zur Verhütung der Verbreitung des Coronavirus            Im Bereich der präventiven Testungen wurde in der
  SARS-CoV-2.                                              Neufassung des § 4 TestV zwischen verschiedenen
                                                           Testmethoden für verschiedene Anwendungsfälle
  Zunächst wird im § 2 der Neufassung der TestV die        differenziert. So haben Personen, die in den im § 4
  Definition der Kontaktpersonen, die Anspruch auf         Absatz 2 TestV genannten Einrichtungen oder Un-
  eine Testung haben, präzisiert. U. a. werden vom         ternehmen als Patient oder zur Pflege aufgenom-
  Anwendungsbereich der TestV nun solche Perso-            men werden sollen, einen Anspruch auf die Durch-
  nen explizit umfasst, die in den letzten zehn Tagen      führung einer PCR-Testung.
  durch die räumliche Nähe zu einer mit dem Corona­
  virus SARS-CoV-2 infizierten Person mit hoher            Hingegen beschränkt sich der Anspruch bei regel-
  Wahrscheinlichkeit einer relevanten Konzentration        mäßigen Testungen von Mitarbeitenden auf
  von Aerosolen ausgesetzt waren. Darunter fällt u. a.     ­Antigen-Tests, der Anspruch von aktuell betreuten
  Feiern, gemeinsames Singen oder Sporttreiben in           Patienten bzw. Bewohnern oder Besuchern auf
  Innenräumen. Auch Personen, die sich z. B. in einer       PoC-Antigen-Tests. Die Beschränkung der Testung
  Schulklasse oder bei Gruppenveranstaltungen in ei-        vor Aufnahme einer Tätigkeit sowie auch die regel-
  ner relativ beengten Raumsituation oder in einer          mäßige Testung von Mitarbeitenden auf Antigen-
  schwer zu überblickenden Kontaktsituation in der          Tests entfällt, wenn der Öffentliche Gesundheits-
  Nähe einer infizierten Person für eine Zeit von über      dienst (ÖGD) eine andere Testmethode (PCR) fest-
  30 Minuten aufgehalten haben, gelten als Kontakt-         legt. Der Anspruch in Bezug auf eine Diagnostik
  person im Sinne der TestV. Das Gleiche gilt für die-      durch Antigen-Tests bezieht sich ausschließlich auf
  jenigen, die eine Warnung über die Corona-­Warn-          Tests, welche die durch das Paul-Ehrlich-Institut in
  App des RKI erhalten haben.                               Abstimmung mit dem Robert Koch-Institut (RKI)
                                                            festgelegten Mindestkriterien für Antigen-Tests er-
  Die Vorschrift des § 3 TestV zur Testung von Perso-       füllen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und
  nen nach Auftreten von Infektionen in Einrichtun-         Medizinprodukte (BfArM) veröffentlicht auf seiner
  gen und Unternehmen wurde in der Neufassung               Internetseite eine Marktübersicht solcher Tests und
  der Verordnung dahingehend präzisiert, dass eine          schreibt diese fort.5
  zeitliche Grenze von den letzten zehn Tagen für das
  Bestehen eines Anspruchs eingeführt wurde. Dem-          Der Anspruch umfasst anders als bislang grund-
  entsprechend sind vom Tatbestand des § 3 TestV nur       sätzlich das Gespräch mit der zu testenden Person
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  im Zusammenhang mit der Testung, die Entnahme              der Leistungserbringer seinen Sitz hat. Bestimmte
  von Körpermaterial, die nach der Teststrategie des         Einrichtungen und Unternehmen (z. B. Pflegehei-
  Bundesministeriums für Gesundheit empfohlene               me) können auch dann, wenn diese nicht ärztlich
  Diagnostik, die Ergebnismitteilung und die Ausstel-        geführt sind, selbst PoC-Antigen-Tests nach der
  lung eines Zeugnisses über das Vorliegen oder              TestV beschaffen, nutzen und abrechnen. Um die
  Nichtvorliegen einer Infektion mit dem Corona­             Antigen-Tests eigenständig beschaffen und nutzen
  virus SARS-CoV-2.                                          zu können, müssen die im § 4 Absatz 2 Nummer
                                                             1 – 4 TestV genannten Einrichtungen oder Unter-
  Die Leistungen nach Maßgabe der TestV werden               nehmen dem ÖGD ein einrichtungs- oder unter-
  durch die zuständigen Stellen des öffentlichen Ge-         nehmensbezogenes Testkonzept vorlegen, anhand
  sundheitsdienstes der Länder und die von ihnen be-         dessen eine Feststellung über die ihnen zustehen-
  triebenen Testzentren oder von ihnen als Leistungs-        den Testkontingente getroffen wird.
  erbringer beauftragte Dritte sowie von zur vertrags-
  ärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungser-
  bringern und durch von den Kassenärztlichen
  Vereinigungen betriebene Testzentren erbracht. Be-
  rechtigte Leistungserbringer rechnen die von ihnen
  erbrachten Leistungen und die Sachkosten mit der
  Kassenärztlichen Vereinigung ab, in deren Bezirk

  Literatur/Quellen                                          Ansprechpartner/Ansprechpartnerinnen
  1   https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuarti-         Teststrategie
      ges_Coronavirus/Teststrategie/Nat-Teststrat.html       Bundesministerium für Gesundheit
      (abgerufen am 15.10.2020)                              Referat 614 (Infektionskrankheiten)

  2 https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fi-          Robert Koch-Institut
      leadmin/Dateien/3_Downloads/C/Coronavirus/Ver-         Abteilung 1 (Infektionskrankheiten)
      ordnungen/Corona-Test-VO_BAnz_AT_141020.pdf            Seestraße 10
      (abgerufen am 15.10.2020)                              13353 Berlin

  3 https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuarti-           Coronavirus-Testverordnung – TestV
      ges_Coronavirus/Vorl_Testung_nCoV.htm (abgeru-         Bundesministerium für Gesundheit
      fen am 15.10.2020)                                     Referat 611 (Gesundheitssicherheit, Krisenmanagement
                                                             national), Referat 614 (Infektionskrankheiten)
  4 https://www.sozialgesetzbuch-sgb.de/sgbv/20.html
                                                             Friedrichstraße 108
      (abgerufen am 15.10.2020)                              10117 Berlin
  5 www.bfarm.de/antigentests (abgerufen am
      15.10.2020)

  Vorgeschlagene Zitierweise
  Bundesministerium für Gesundheit, Robert Koch-
  Institut: Aktualisierung der Nationalen Teststrategie
  und Neu­verkündung der Verordnung zum Anspruch
  auf Testung in Bezug auf einen direkten Erreger­
  nachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronavirus-­
  Testverordnung – TestV)

  Epid Bull 2020; 43:3–6 | DOI 10.25646/7189
Epidemiologisches Bulletin                        43 | 2020             22. Oktober 2020                                                                       7

  Neuerungen in der Regelung der Quarantäne für Haushalte

  Zusammenfassung                                                                     für Kontaktpersonen ersten Grades 14 Tage nach
  Um die SARS-CoV-2-Übertragungsdynamiken von                                         dem letzten Kontakt mit einem laborbestätigten Fall
  Haushalten in Quarantäne in Deutschland zu verste-                                  durchgeführt werden soll, wenn anzunehmen ist,
  hen und Potential zur Kürzung der Quarantäne­                                       dass der Fall zu diesem Zeitpunkt noch infektiös ist.
  dauer für Haushaltsmitglieder zu identifizieren,                                    Da bisher galt, dass eine laborbestätigte Person mit
  wurde eine Analyse von Meldedaten durchgeführt.                                     mildem Krankheitsverlauf bis zu 10 Tage lang infek-
  In den Auswertungen traten ca. 97 % der zweiten,                                    tiös ist und Haushaltskontaktpersonen Kontaktper-
  dritten oder vierten weiteren Fälle in einem Haushalt                               sonen ersten Grades sind, mussten bisher Haus-
  bis zum 14. Tag nach Symptombeginn des Primär­                                      haltsmitglieder (ohne Auftreten eines zweiten Fal-
  falles auf. Bei weiteren Fällen hängt der Zeitpunkt                                 les) für mindestens 24 Tage – gezählt ab dem Symp­
  des Symptombeginns also fast ausschließlich davon                                   tombeginn des Primärfalles – in Quarantäne
  ab, wann die Erkrankung des Primärfalles beginnt                                    (10  Tage Isolation des COVID-19-Falles plus 14 Tage
  und nicht davon, ob oder wann weitere Fälle im                                      Quarantäne der Haushaltsmitglieder). Der laborbe-
  Haushalt auftreten. Auf Basis dieser Erkenntnisse                                   stätigte Fall wurde nach 10 Tagen aus der Isolation
  sieht die Neuerung der Empfehlungen zur Quaran­                                     entlassen (s. Tab.  1). In einer Auswertung der Mel-
  täne für weitere Haushaltsmitglieder eines bestätig-                                dedaten wurde untersucht, zu welchem Zeitpunkt
  ten Falles eine Quarantäne von 14 Tagen – gezählt ab                                nach Symptombeginn des Primärfalles weitere Fälle
  dem Symptombeginn des Primärfalles – vor.                                           im Haushalt auftreten.

  Einleitung                                                                          Methoden
  Bei vielen Gesundheitsämtern besteht Unsicher-                                      Auf Basis der Meldedaten wurden alle Haushalts-
  heit, wie lange eine Quarantäne in Haushalten                                       ausbrüche analysiert, bei denen für alle Fallperso-
  durchgeführt werden soll, bei denen ein laborbestä-                                 nen der Erkrankungsbeginn angegeben wurde, und
  tigter Fall von COVID-19 aufgetreten ist. Die bishe-                                der Erkrankungsbeginn des Primärfalles spätestens
  rige Empfehlung des RKI war, dass eine Quarantäne                                   bis zum 10.9.2020 datierte. Dies betraf 3.160 Haus-

  Anteil der Sekundärfälle
                100        in %                                                       kumulativer Anteil
                                                                                                   100 der Sekundärfälle in %
 16
 16               90                                                                 100
                                                                                      100             90
                  80                                                                                  80
 14
 14                                                               d14                 90
                                                                                       90                                                            d14
                  70                                                                                  70
                  60
                                                                2 Fälle im HHim HH
                                                                   2 Fälle            80
                                                                                       80             60
                                                                                                                                                   2 Fälle im HHim HH
                                                                                                                                                      2 Fälle
 12
 12
                                                                3 Fälle im HHim HH
                                                                   3 Fälle                                                                         3 Fälle im HHim HH
                                                                                                                                                      3 Fälle
                  50                                                                   70
                                                                                        70            50
 10
 10               40                                            4 Fälle im HHim HH
                                                                   4 Fälle           2 Fälle im HH    40                                           4 Fälle im HHim HH
                                                                                                                                                      4 Fälle           2 Fälle im HH
                                                                                       60
                                                                                        60
                  30                                            5 Fälle im HHim HH
                                                                   5 Fälle                            30                                           5 Fälle im HHim HH
                                                                                                                                                      5 Fälle
  88                                                                                 3 50
                                                                                       Fälle im HH                                                                      3 Fälle im HH
                  20                                                                   50             20
                  10                                                                 4 40
                                                                                       Fälle
                                                                                        40 im HH      10                                                                4 Fälle im HH
  66
                   0                                                                                   0
                        0   2    4   6    8 10 12 14 16 18 20                        5 30
                                                                                       Fälle
                                                                                        30 im HH           0   2    4   6    8 10 12 14 16 18 20                        5 Fälle im HH
  44
                                                                                      20
                                                                                       20
  22
                                                                                      10
                                                                                       10
  00                                                                                   00
       00    22        44       66       88   10
                                              10 12
                                                 12 14
                                                    14 16
                                                       16 18
                                                          18 20
                                                             20                             00   22        4
                                                                                                           4       66       88   10
                                                                                                                                 10 12
                                                                                                                                    12 14
                                                                                                                                       14 16
                                                                                                                                          16 18
                                                                                                                                             18 20
                                                                                                                                                20
                                     Tage (ab Symptombeginn des Primärfalles)                                           Tage (ab Symptombeginn des Primärfalles)

  Abb. 1 | Links: Anteil der Fälle, die an Tag X nach Symptombeginn des Primärfalles auftreten, stratifiziert nach Haushalten
  mit 2, 3, 4 oder 5 Fällen – Rechts: Symptombeginn der Sekundärfälle nach Anzahl der Fälle im Haushalt, kumulativer Anteil
  d14 = 14. Tag nach Symptombeginn des Primärfalles
Quarantäne in Haushalten
(A) BISHER
Szenario 1: 3-Personen-Haushalt, 1 Person COVID-19-Fall, 2 Personen keine Fälle
HH-          labor­     Tag 0 = SB
                                     1      2     3     4      5     6     7      8     9     10    11    12    13   14   15     16     17     18     19     20     21   22   23   24    25     26   27   28
Person      bestätigt    (HH1)
HH1            ja          SB        Iso   Iso   Iso   Iso    Iso   Iso   Iso     Iso   Iso   Iso
                                                                                                                                                                                                               Epidemiologisches Bulletin

HH2           nein          Q        Q     Q      Q     Q     Q      Q     Q      Q     Q     Q     Q     Q     Q    Q     Q      Q      Q      Q      Q      Q     Q    Q    Q    Q
HH3           nein          Q        Q     Q      Q     Q     Q      Q     Q      Q     Q     Q     Q     Q     Q    Q     Q      Q      Q      Q      Q      Q     Q    Q    Q    Q
Szenario 2: 3-Personen-Haushalt, 2 Personen COVID-19-Fälle: 1 Person kein Fall
HH-          labor­     Tag 0 = SB
                                     1      2     3     4      5     6     7      8     9     10    11    12    13   14   15     16     17     18     19     20     21   22   23   24    25     26   27   28
Person      bestätigt    (HH1)
                                                                                                                                                                                                               43 | 2020

HH1            ja          SB        Iso   Iso   Iso   Iso    Iso   Iso   Iso     Iso   Iso   Iso
            ja, nach
HH2                         Q        Q     Q      Q     SB    Iso   Iso   Iso     Iso   Iso   Iso   Iso   Iso   Iso Iso
            5 Tagen
HH3           nein          Q        Q     Q      Q     Q     Q      Q     Q      Q     Q     Q     Q     Q     Q    Q     Q      Q      Q      Q      Q      Q     Q    Q    Q    Q     Q      Q    Q    Q

(B) NEU
Szenario 1: 3-Personen-Haushalt, 1 Person COVID-19-Fall, 2 Personen keine Fälle
HH-          labor­     Tag 0 = SB
                                     1      2     3     4      5     6     7      8     9     10    11    12    13   14   15     16     17     18     19     20     21   22   23   24    25     26   27   28
                                                                                                                                                                                                               22. Oktober 2020

Person      bestätigt    (HH1)
HH1            ja          SB        Iso   Iso   Iso   Iso    Iso   Iso   Iso     Iso   Iso   Iso
HH2           nein          Q        Q     Q      Q     Q     Q      Q     Q      Q     Q     Q     Q     Q     Q    Q    KP2°   KP2°   KP2°   KP2°   KP2°   KP2°
HH3           nein          Q        Q     Q      Q     Q     Q      Q     Q      Q     Q     Q     Q     Q     Q    Q    KP2°   KP2°   KP2°   KP2°   KP2°   KP2°
Szenario 2: 3-Personen-Haushalt, 2 Personen COVID-19-Fälle: 1 Person kein Fall
HH-          labor­     Tag 0 = SB
                                     1      2     3     4      5     6     7      8     9     10    11    12    13   14   15     16     17     18     19     20     21   22   23   24    25     26   27   28
Person      bestätigt    (HH1)
HH1            ja          SB        Iso   Iso   Iso   Iso    Iso   Iso   Iso     Iso   Iso   Iso
            ja, nach
HH2                         Q        Q     Q      Q     SB    Iso   Iso   Iso     Iso   Iso   Iso   Iso   Iso   Iso Iso
            5 Tagen
HH3           nein          Q        Q     Q      Q     Q     Q      Q     Q      Q     Q     Q     Q     Q     Q    Q    KP2°   KP2°   KP2°   KP2°   KP2°   KP2°
Legende:   HH = Haushalt; HH1 = erste Person (Primärfall) im Haushalt; HH2 = zweite Person im Haushalt; HH3 = dritte Person im Haushalt; SB = Symptombeginn; Iso = Isolation; Q = Quarantäne;
           KP2° = Kontaktperson zweiten Grades

Tab. 1 | Bisherige und zukünftige Regelung für Haushalte
                                                                                                                                                                                                               8

Isolation (erkrankter Fallpersonen) und Quarantäne (ansteckungsverdächtiger Personen) in Haushalten. A: bisherige Empfehlung, B: neue Regelung
Epidemiologisches Bulletin       43 | 2020        22. Oktober 2020                                                9

  haltsausbrüche. „Ausreißer“ (Fälle mit Erkrankungs­          ▶▶   Nicht erkrankte Haushaltsmitglieder oder Haus-
  beginn nach 21 Tagen; 1 % aller Fälle) wurden in der              haltsmitglieder, die erkranken aber einen negati-
  Analyse nicht berücksichtigt (n = 78). Es verblieben              ven Test haben, sollen sich von Tag 15–20 wie
  1.998  Ausbrüche mit 2  Fällen, 662 mit 3  Fällen,                Kontaktpersonen zweiten Grades verhalten, d. h.
  298  Ausbrüche mit 4  Fällen, 117  Ausbrüche mit 5                Kontakte mit anderen Personen auf ein Mini-
  und 42  Ausbrüche mit 6  Fällen.                                  mum beschränken und bei Erkrankung sich iso-
                                                                    lieren und testen lassen (neu).
  Ergebnisse und daraus abgeleitete
  zukünftige Regelung für Haushalte                            Zum Vergleich: In einem 3-Personen-Haushalt mit
  Die Vermutung war, dass sich die Symptombeginne              EINEM COVID-19-Fall betrug die Zahl der Abson-
  in Haushalten mit 3 Fällen in zwei Wellen darstel-           derungstage (Tage in Isolation oder Quarantäne)
  len, mit einem ersten Gipfel 5 Tage nach Symptom-            bisher bei dem Fall und den beiden nicht infizierten
  beginn des Primärfalles und einem zweiten Gipfel             Haushaltsmitgliedern 10 + 24 + 24 Tage  =  58 Tage,
  weitere 5 Tage nach Symptombeginn des zweiten                dies wird nun auf 10 + 14 + 14  =  38 Tage reduziert,
  Falles (bzw. 10 Tage nach Symptombeginn des Pri-             also 20 Tage weniger als bisher (s. Tab. 1).
  märfalles). Allerdings zeigte die Auswertung, dass
  zweite, dritte oder vierte Fälle in etwa 97 % bis zum        In einem 3-Personen-Haushalt mit ZWEI
  14. Tag nach Symptombeginn des Primärfalles im               ­COVID-19-Fällen betrug (wenn der zweite Fall z. B.
  Haushalt auftreten (Abb. 1). Das bedeutet, dass der           am 4. Tag nach Symptombeginn des Primärfalles
  Zeitpunkt des Symptombeginns weiterer Fälle ­quasi            erkrankte) die Zahl der Absonderungstage (Tage
  ausschließlich davon abhängt, wann die Erkran-                in Isolation oder Quarantäne) bisher bei den beiden
  kung des Primärfalles beginnt und nicht davon, ob             Fällen bzw. dem dritten, nicht infizierten Fall
  oder wann weitere Fälle im Haushalt auftreten. Bei            10 + 14 + 28  Tage  =  52  Tage, und zukünftig 10 +
  einem Haushalt mit COVID-19-Fällen ist nun auf                14 + 14  =  38  Tage, also 14 Tage weniger (s. Tab. 1).
  folgende Weise vorzugehen:
  ▶▶ Laborbestätigte Fälle mit mildem Verlauf werden           Fazit
     (wie bisher) für 10 Tage isoliert                         Die Auswertung von Meldedaten aus Deutschland
  ▶▶ Erkrankte Haushaltsmitglieder werden (wie bis-            zeigt, dass fast alle weiteren Fälle in einem Haushalt
     her) getestet                                             mit COVID-19 innerhalb von 14 Tagen nach Symp-
  ▶▶ Weitere auftretende Fälle werden (wie bisher) für         tombeginn des Primärfalls auftreten. Auf Basis die-
     10 Tage ab ihrem eigenen Symptombeginn isoliert           ser Erkenntnisse basiert die neue Quarantäne­
  ▶▶ Die Quarantäne von Haushaltsmitgliedern, die              empfehlung für weitere Haushaltsmitglieder von
     nicht erkranken oder mit Atemwegssymptomen                maximal 14 Tagen nach Symptombeginn des Pri-
     erkranken aber negativ auf SARS-CoV-2 getestet            marfalls, was mit einer deutlichen Reduktion der
     werden, werden für 14 Tage nach Symptombe-                individuellen und gesamten Quarantänedauer in
     ginn des Primärfalls quarantänisiert, unabhängig          Haushalten einhergeht.
     vom Auftreten weiterer Fälle im Haushalt (neu).

  Autoren                                                      Vorgeschlagene Zitierweise
  Dr. Udo Buchholz | Dr. Matthias an der Heiden |              Buchholz U, an der Heiden M, Schulze K, Haas W: Neue­
  Dr. Kai Schulze | Prof. Dr. Walter Haas                      rungen in der Regelung der Quarantäne für Haushalte
  Robert Koch-Institut, Abt. 3 Infektions­epidemiologie,       Epid Bull 2020; 43:7–9 | DOI 10.25646/7190
  FG 36 Respiratorisch übertragbare Erkrankungen
  Korrespondenz: BuchholzU@rki.de                              Danksagung
                                                               Ein besonderer Dank gilt den über 400 Gesundheits-
  Interessenkonflikt                                           ämtern, die jeden Tag wichtige Arbeit leisten und
  Die Autoren erklären, dass kein Interes­senkonflikt          deren sorgfältige Ermittlungsarbeit die Grundlage für
  ­besteht.                                                    diesen Artikel gebildet hat.
Epidemiologisches Bulletin      43 | 2020       22. Oktober 2020                                           10

  SARS-CoV-2-Screening bei Aufnahme von Patienten in einem
  Verbund-Krankenhaus der Regelversorgung der Stadt Bonn

  Einleitung                                                 Methoden
  Die Unklarheit, ob Patienten bei stationärer Aufnah-       Die Untersuchung wurde im Zeitraum vom
  me SARS-CoV-2-infiziert sind oder nicht, stellt für        4.5.2020 bis zum 17.5.2020 durchgeführt. Allen
  Krankenhäuser wegen den erforderlichen Maßnah-             ­Patienten, die während dieses Zeitraums stationär
  men zum Schutz vor Virusübertragungen auf Patien-           in den Johanniter-Kliniken Bonn (Johanniter-­
  ten und Personal eine besondere Herausforderung             Krankenhaus und Waldkrankenhaus) aufgenom-
  dar. In der Stadt Bonn gibt es eine zentrale ambulan-       men wurden, wurde die Entnahme eines Nasen-/
  te Anlaufstelle für symptomatische und asymptoma­           Rachenabstrichs für eine Untersuchung auf SARS-
  ti­sche Personen, eingerichtet zu Beginn der SARS-­­        CoV-2-RNA und einer Blutprobe zum Nachweis von
  CoV-2-­Pandemie von der Stadt Bonn in Zusammenar-           SARS-CoV-2-Antikörpern angeboten.
  beit mit der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein.
                                                             Die RT-PCR wurde mit dem RealStar® SARS-CoV-2
  In Bonn gibt es 2 Johanniter-Kliniken der Regelver-        RT-PCR Kit (Altona Diagnostics) durchgeführt
  sorgung, die zu einem Verbund zusammengeschlos-            (LightCyler 480 II, Roche). Für die Untersuchung
  sen sind. Mit diesen beiden Einrichtungen gibt es          auf SARS-CoV-2-IgG und -IgA wurde der IgG und
  insgesamt 7 Krankenhäuser im Raum Bonn, neben              IgA Anti-SARS-CoV-2 ELISA (Euroimmun) verwen-
  dem Universitätsklinikum. Beide J­ ohanniter-­Kliniken     det, für die Untersuchung auf SARS-CoV-2-IgM der
  stellen keine primären Anlaufstellen für eine              EDI® Novel Coronavirus IgM ELISA (Epitope Diag-
  SARS-CoV-2-Diagnostik dar. Das Vorgehen an bei-            nostics).
  den Häusern ist, dass SARS-CoV-2-RNA-positiv ge-
  testete Patienten oder solche mit COVID-19-ver-            Initial war eine Kontrolluntersuchung nach 3 Wo-
  dächtigen Symptomen sofort bei Aufnahme in da-             chen geplant um ggf. eine unerkannte Infektion
  für vorgesehene Bereiche isoliert und dort medizi-         oder Serokonversion zu erfassen.
  nisch weiter versorgt werden.
                                                             Zusätzlich wurden die Patienten um Angaben ent-
  Im Mai 2020 erfolgte eine Untersuchung mit dem             sprechend eines strukturierten Fragebogens gebeten.
  Ziel, die Zahl der bei Aufnahme mit SARS-CoV-2-­           Im Fragebogen wurden u. a. die Lebensum­stände, die
  infizierten Patienten in beiden Johanniter-Kliniken        berufliche Tätigkeit und mögliche Expositionen,
  zu ermitteln. Dem zu Grunde lag die Befürchtung,           Symptome zum Aufnahmezeitpunkt und in den
  dass Patienten mit unbekanntem Infektionsstatus            14 Tagen davor, Vorerkrankungen und mögliche Risi-
  und Asymptomatische, d. h. Patienten ohne                  kokontakte für eine SARS-CoV-2-Infektion abgefragt.
  C OVID-19-verdächtige Symptome, unbemerkt
  ­                                                          Aus dem Fragebogen werden nachfolgend die Le-
  SARS-CoV-2 in beide Krankenhäuser eintragen                bensumstände und Symptome am Tag der Aufnah-
  und ein Infektions-Cluster erzeugen könnten                me sowie 14 Tage zuvor dargestellt und ausgewertet.
  (s. z. B. Münster1). Die in diversen Studien ermittel-
  ten Anteile an asymptomatischen Infektionen rei-           Die Auswertung der Ergebnisse erfolgte deskriptiv.
  chen von einstelligen Prozentangaben bis über              Der Schwerpunkt der Ausführungen liegt auf dem
  50  Prozent2,3,4 und stellen so das Krankenhausma-         Anteil der bei Aufnahme mittels PCR positiv Getes-
  nagement vor erhebliche Probleme. Im Studien-              teten und der Serologie.
  zeitraum wurden elektive Eingriffe und Behand-
  lungen wieder ermöglicht; die untersuchte Popula-          Für die Studie liegt ein positives Ethikvotum der
  tion repräsentierte die Patientenpopulation ent-           Ethikkommission der Medizinischen Fakultät Bonn
  sprechend einem normalen Krankenhausalltag.                vor (Lfd.-Nr. 166/20).
Epidemiologisches Bulletin     43 | 2020       22. Oktober 2020                                              11

  Ergebnisse                                                Infektion vom Johanniter-Krankenhaus Bonn in das
  Patienten                                                 Waldkrankenhaus Bonn zur weiteren intensivmedi-
  Im angegebenen Zeitraum wurden 828 Patienten              zinischen Behandlung bei zunehmender respirato-
  stationär aufgenommen. 57 dieser Patienten                rischer ­Insuffizienz verlegt (aus Intensiv-Kapazitäts-
  (6,88 %) wurden wegen respiratorischer, COVID-­19-­       gründen). Die zweite SARS-CoV-2-positive Patientin
  ­suspekter Symptome (Fieber, Husten, Geschmacks-          war aus einem Krankenhaus in der Region Essen in
   störungen, Luftnot) auf den Isolierstationen statio-     das Johanniter-Krankenhaus Bonn ohne COVID-19-­
   när aufgenommen. Von allen 828 angesprochenen            typische Beschwerden zur weiteren onkologischen
   Patienten erteilten 550 (66,43 %) ihre Einwilligung      Behandlung verlegt worden. Da die Patientin vor
   zur Teilnahme an der Studie. Von den 550 Studien-        Verlegung 25 Tage in diesem Krankenhaus gelegen
   teilnehmern waren 309 (56,2 %) weiblich mit ei-          hatte, ist diese Infektion als nosokomial zu werten.
   nem medianen Alter von 57 Jahren (18 – 100) und          Darüber hinaus wurde bei keinem weiteren Patien-
   241 (43,8 %) männlich mit einem medianen Alter           ten mit primär stationärer Aufnahme eine
   von 57 Jahren (15 – 92). Der Großteil der getesteten     SARS-CoV-2-Infektion festgestellt.
   Patienten (290/52,7 %) lebt mit Angehörigen in ei-
   nem Haushalt, 101 (18,4 %) Patienten gaben an,           SARS-CoV-2-Antikörper
   ­alleine zu leben und 14 (2,5 %) Patienten leben in      Bei 540 der 550 eingeschlossenen Patienten
    stationären Pflegeeinrichtungen. 145 (26,4 %) Pati-     (98,18 %) wurde eine Antikörperbestimmung
    enten gaben keine Auskunft.                             durchgeführt. Bei 2 der 540 Patienten (0,37 %) er-
                                                            gab sich ein positives SARS-CoV-2-IgG-Resultat. Bei
  Symptome                                                  einer dieser beiden Patienten war 6 Wochen vor der
  Mittels eines strukturierten Fragebogens wurden           Blutentnahme eine im Labor gesicherte SARS-­­
  11  unspezifische Symptome, die mit einer SARS-­          CoV-2-Infektion in einem Krankenhaus nachgewie-
  CoV-2-Infektion einhergehen können, abgefragt.            sen worden. Bei der zweiten SARS-CoV-2-IgG-posit-
  Von den 550 eingeschlossenen Pateinten konnten            ven Patientin handelte es sich um eine der beiden
  476 (86,5 %) Fragebögen ausgewertet werden. Ins-          PCR-positiven Personen. Die beiden IgG-positiven
  gesamt 155 der Studienteilnehmer (28,2 %) gaben           Blutproben ergaben auch mit 3 weiteren SARS-
  Symp­tome bei Aufnahme an. Führend waren in ab-           CoV-2-Antikörper-Testverfahren (IgG [Abbott],
                                                            ­
  steigender Reihenfolge Abgeschlagenheit/Müdig-            Immunglobulinklassen nicht differenziert [Roche,
  keit (17,4 %), Atembeschwerden (9,2 %), Kopf- und         Wantai]) positive Resultate. Ferner waren beide Pro-
  Gliederschmerzen (8,1 %), Husten (6,9 %), Fieber/         ben SARS-CoV-2-IgA positiv und jeweils eine Probe
  sub­febrile Temperaturen (5,8 %), Schnupfen (5,8 %),      SARS-CoV-2-IgM grenzwertig bzw. positiv.
  Schwitzen/Schüttelfrost (4,6 %), Geruchs-/Ge-
  schmacksstörungen (4,6 %), Diarrhöen (2,3 %),             Insgesamt konnte bei 535 der 550 eingeschlossenen
  Halsschmerzen (2,3 %) und Bindehautentzündung             Patienten (97,27 %) sowohl ein Nasen-/Rachenab-
  (1,2 %). Im Weiteren wurden Symptome in den letz-         strich als auch eine Blutprobe auf SARS-CoV-2-RNA
  ten 14 Tagen vor der stationären Aufnahme abge-           und -Antikörper untersucht werden. Innerhalb des
  fragt. Hier gaben insgesamt 127 Studienteilnehmer         2-wöchigen Untersuchungszeitraums wurde bei 3
  (26,7 %) Symptome an. Hierbei wurden vor allem            dieser 535 Patienten (0,56 %) eine SARS-CoV-2-­
  Abgeschlagenheit/Müdigkeit, Atembeschwerden               Infektion festgestellt. Dies waren 2 aktuelle Infek­
  und Husten angegeben.                                     tionen (2 x PCR-positiv, eine davon auch IgG-posi-
                                                            tiv) und eine zuvor abgelaufene Infektion (zweite
  SARS-CoV-2-PCR                                            IgG-positive Patientin).
  Von den 550 eingeschlossenen Patienten konnte bei
  5 (0,91 %) kein Nasen-/Rachenabstrich gewonnen            Die vorgesehene Kontrolluntersuchung nach 3 Wo-
  werden. Bei 2 der 545 getesteten Patienten (0,37 %)       chen fand bei dem geringen Anteil an aufgedeckten
  ergab die SARS-CoV-2-RT-PCR ein positives Resul-          SARS-CoV-2-Infektionen keine Akzeptanz bei den
  tat. Eine der beiden SARS-CoV-2-RNA positiv getes-        Teilnehmern, insbesondere nachdem sie über ihre
  teten Patienten wurde mit bekannter COVID-19-­            negativen Ergebnisse informiert wurden.
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  Diskussion                                                  Die zweite SARS-CoV-2-infizierte Patientin befand
  In der kreisfreien Stadt Bonn (332.769 Einwohner)           sich noch im Stadium vor der Serokonversion, wies
  lag im Studienzeitraum vom 4.5.2020 bis 17.5.2020           COVID-19-verdächtige Symptome auf und wurde
  die tägliche Neuinfektionsrate zwischen 0 und­              innerhalb der Johanniter-Kliniken Bonn mit nach-
  7 Personen sowie im Rhein-Sieg-Kreis (599.780               gewiesener SARS-CoV-2-Infektion verlegt (Johan­
  Einwohner), der die Stadt Bonn umgibt, zwischen             niter-­Krankenhaus nach Waldkrankenhaus).
  0 und 33 Personen und damit einer täglichen
  Neuinfek­tionsrate von weniger als 10/100.000 Ein-          Bei der dritten SARS-CoV-2-auffälligen Patientin
  wohner. Mit Stand 6.6.2020 lag die wöchentliche             war anamnestisch eine 6 Wochen vor stationärer
  Neuinfektionsrate für Bonn bei 4,3/100.000 und              Aufnahme erfolgte SARS-CoV-2-Infektion auszu-
  für den Kreis Rhein-Sieg bei 1,5/100.000 Einwohner          machen. Diese Patientin fiel durch positive Anti­
  (RKI: COVID-19 Dashboard5). Bei weiter deutlich             körper-Resultate bei negativer PCR auf.
  rückläufiger Inzidenz bestätigter SARS-CoV-2-Fälle
  in Deutschland – bis zu ca. 6.000 täglich Ende März         Bei der Auswertung dieser Ergebnisse ist zu beden-
  2020 auf durchschnittlich ca. 350/Tag (Stand                ken, dass der Studienzeitraum mit 14 Tagen eher kurz
  6.7.2020)  – war es wichtig zu wissen, wie viele            war und somit eine Limitation der Studie darstellt.
  SARS-CoV-2-infizierte Patienten in dieser Situation         Insbesondere gibt die Studie keine Antwort darüber,
  tatsächlich stationär aufgenommen werden.                   ob sich Patienten im Stadium der Inkubationszeit,
                                                              d. h. vor nachweisbarer Virusausschüttung, unter den
  Die Erhebung erfolgte unter Studienbedingungen              Getesteten befanden. Andererseits war die Zahl der
  und erforderte das schriftliche Einverständnis der          gemeldeten regionalen Neuinfektionen in diesem
  Patienten. Dieses wurde von etwa 2/3 der Patienten          Zeitraum stabil, eher mit fallender Tendenz, so dass
  erteilt. Ursache für eine Ablehnung der Teilnahme           ein anderes Ergebnis bei längerem Screening-Zeit-
  an der Studie war bei vielen Patienten die initial ge-      raum kaum zu erwarten gewesen wäre.
  plante Kontrolluntersuchung nach 3 Wochen. Auf-
  grund der niedrigen Inzidenz eines positiven                Bei Screening-Untersuchungen in Geburtshilfe­
  SARS-CoV-2-PCR-Resultats und der niedrigen                  abteilungen in der Stadt New York Ende März/­
  ­Seroprävalenz wurde der zweite Testzeitpunkt je-           Anfang April 2020 wurde bei rund 13 % asympto-
   doch fallengelassen.                                       matischer Patienten eine akute Infektion mit SARS-
                                                              CoV-2 nachgewiesen6,7. Zu diesem Zeitpunkt war
  Bei einer täglichen Neuinfektionsrate von                   die Infektionswelle in New York auf ihrem Höhe-
  < 10/100.000 in den Regionen Stadtgebiet Bonn               punkt mit über 6.000 Fällen pro Tag.8 In einer ähn-
  und Rhein-Sieg-Kreis wurden in unserer Studie               lich angelegten Untersuchung in Boston wurden ab
  2 SARS-CoV-2-RNA-positive Patienten detektiert.             Mitte April ebenfalls insgesamt 757 Patienten bei
                                                              Aufnahme in eine gynäkologische Abteilung getes-
  Eine dieser Patientinnen wurde aus einem entfernt           tet. Hier konnten nur 1 – 2 % asymptomatische Pati-
  liegenden Krankenhaus nach Bonn verlegt. Diese              enten identifiziert werden (je nach Klinik zwischen
  Patientin wies bei Aufnahme SARS-CoV-2-IgG-,                0,6 und 2,7 %). Ursächlich hierfür könnten die im
  -IgA- und grenzwertig -IgM-Antikörper auf, die bei-         zeitlichen Verlauf eingeführten Schutzmaßnahmen
  den durchgeführten unterschiedlichen RT-PCRs er-            wie Maskenpflicht, Social Distancing und fallende
  gaben eine eher geringe Viruskonzentration (cycle           Ansteckungsraten in der Bevölkerung sein.9 Vergli-
  threshold 31 und 32). Bei dieser Patientin bestand seit     chen mit diesen Infektionszahlen lag in unserem
  10 Tagen fieberfrei Luftnot, welche allerdings wegen        Kollektiv der Anteil der asymptomatisch Infizierten
  einer pulmonalen Grunderkrankung nicht zweifels-            (maximal 1/545 = 0,18 %) in der Größenordnung der
  frei COVID-19 zuordenbar war. Da die Patientin vor          Bostoner Erhebung bzw. sogar darunter.
  Überweisung 25 Tage in einem anderen Kranken-
  haus stationär behandelt wurde, ist diese Infektion         Aktuell bestehen weiterhin deutliche regionale Un-
  als nosokomial zu werten.                                   terschiede in den Infektionszahlen. Folglich werden
                                                              in Regionen mit hohen Fallzahlen höhere Raten an
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  SARS-CoV-2-Antikörper-Positiven in der Bevölke-               ist die strikte Einhaltung von Schutzmaßnahmen
  rung festgestellt als in Regionen mit moderatem               beim Personal sowie einer schnellen und gut vor-
  oder niedrigem Infektionsgeschehen. In einer Ge-              ausgeplanten Handlungsweise im Falle des Ver-
  meinde in West-Nordrhein-Westfalen, in der sich               dachts auf eine SARS-CoV-2-Infektion unerlässlich
  ein großer Infektionscluster innerhalb Deutsch-               für die Verhinderung der Virusverbreitung im Kran-
  lands ereignete, konnte eine Antikörper-Prävalenz             kenhaus (siehe www.rki.de). Als Frage bleibt, inwie-
  von 15,5 % nachgewiesen werden.4 In einer kürzlich            fern es sinnvoll sein kann, eine breite Testung des
  in Genf durchgeführten Studie unter Einsatz des               Klinikpersonals auf SARS-CoV-2-RNA oder SARS-­
  identischen Antikörper-Testverfahrens wie in unse-            CoV-2-Antikörper durchzuführen, solange eine
  rer Untersuchung wurde Ende Mai eine Seropräva-               niedrige regionale Infektionsrate vorliegt. Hinter-
  lenz von knapp 11 % ermittelt.10 Im Gegensatz dazu            grund der Überlegung ist, dass die Anzahl an Kon-
  konnten in Luxemburg in einer Region mit geringe-             taktpersonen beim Personal häufig höher ist als bei
  ren Gesamtfallzahlen IgG-Antikörper nur bei 1,97 %            stationären Patienten. Zur Identifizierung akut infi-
  der Getesteten gefunden werden.11 In der von uns              zierter Mitarbeiter ist der virale Genomnachweis
  getesteten Patientenkohorte konnte IgG gegen                  oder ein anderes Verfahren zum Nachweis von
  SARS-CoV-2 ebenfalls nur bei einer geringen Perso-            Virus­bestandteilen heranzuziehen. Anti-SARS-­­
  nenzahl nachgewiesen werden. Dies waren eine be-              CoV-2-Antikörper fehlen häufig in den ersten 10–14
  reits genesene Patientin und eine Patientin mit               Tagen nach Infektion12, können in einem nennens-
  wahrscheinlich seit 10 Tagen bestehenden respirato-           werten Prozentsatz Infizierter nach jetzigem Kennt-
  rischen COVID-19-Symptomen (2/540 = 0,37 %).                  nisstand völlig ausbleiben oder rasch abfallen – dies
                                                                v. a. nach asymptomatisch oder mild verlaufender
  Wie der Vergleich mit der Literatur zeigt, ist das            Infektion – und stellen somit im Allgemeinen kei-
  ­Risiko des Eintrags von SARS-CoV-2 beeinflusst von           nen geeigneten Marker zur Erkennung aktiver
   der Inzidenz in der Population. Bei niedriger SARS-          SARS-CoV-2-Infektionen dar.
   CoV-2-Inzidenz (< 10 Neuinfektionen/100.000 Ein-
   wohner und Tag) in der Bevölkerung wie in unserer
   Studie ist das Risiko eines unerkannten Eintrags von         Zusammenfassung
   SARS-CoV-2 in ein Krankenhaus der Regelversor-               Bei niedriger Inzidenz von SARS-CoV-2 (< 10 Neuin-
   gung niedrig. Die beiden SARS-CoV-2 positiven Pati-          fektionen täglich/100.000 Einwohner) konnten wir
   enten hätten sich auch anamnestisch für ein risiko-          in dieser Untersuchung keinen relevanten Eintrag
   basiertes Screening qualifiziert. Die prästatio­näre Be-     unerkannter SARS-CoV-2-Infektionen in unsere
   fragung und eine gründliche klinische Untersu-               beiden Krankenhäuser beobachten. Die prästationä-
   chung sowie eine sorgsame Beobachtung statio­närer           re Befragung und klinische Untersuchung schienen
   Patienten hinsichtlich COVID-19-suspekter Anzei-             hier ausreichend zu sein, um potenzielle Infektions-
   chen scheinen ausreichend zu sein, um potenzielle            fälle primär zu identifizieren und zu isolieren.
   Infektionsfälle zu isolieren. Ein flächen­deckendes,
   generelles Screening bei stationärer Aufnahme mit-           Die regionale SARS-CoV-2 Inzidenz kann als Grund-
   tels SARS-CoV-2-PCR erscheint unter diesen Um-               lage für die Entscheidung über ggf. kurzfristige Ein-
   ständen fraglich. Bei Verlegungen aus anderen Kran-          führung von Screening-Untersuchungen bei Auf-
   kenhäusern, insbesondere aus Regionen mit hoher              nahme in ein Krankenhaus der Region genutzt wer-
   Inzidenz an SARS-CoV-2-Neuinfektionen, ist jedoch            den. Unsere Ergebnisse unterstützen die Vorgaben
   eine SARS-CoV-2 PCR-Testung zu befürworten.                  der nationalen Teststrategie SARS-CoV-2, in der
                                                                empfohlen wird, die Testung stationär aufzuneh-
  Die regionalen Infektionsraten, die insbesondere              mender Patienten und des Personals „unter Berück-
  auch lokale Ausbrüche erfassen, sind daher ein ent-           sichtigung der epidemiologischen Lage“ durchzu-
  scheidender Faktor und sollten als Grundlage für              führen.
  die Entscheidung über eine ggf. kurzfristige Einfüh-
  rung von Screening-Untersuchungen und weiteren
  Maßnahmen genutzt werden. Unabhängig davon
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                                                                       nostic Test Accuracy Group: Antibody tests for
  3 Gao Z, Xu Y, Sun C, Wang X, Guo Y, Qui S, Ma K:
                                                                       identification of current and past infection with
      A Systematic Review of Asymptomatic Infections
                                                                       SARS-CoV-2. Cochrane Database Syst Rev 2020 Jun
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  4 Streeck H, Schulte B, Kuemmerer B, Richter E,
      Hoeller T, Fuhrmann C, et al.: Infection fatality
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      community with a super-spreading event. medRxiv.           Autorinnen und Autoren
                                                                 a)
      2020:2020.05.04.20090076.                                     Prof. Dr. med. Yon-Dschun Ko | a) Carmen Schuma-
                                                                 cher | a) Anja Wallau | a) Priv.-Doz. Dr. med. Udo
  5 RKI Dashboard 2020: https://experience.arcgis.
                                                                 Schmitz | a) Klaus Wilhelm | b) Dr. Susanne Abels |
      com/experience/478220a4c454480e823b17327b2b-               c)
                                                                    Prof. Dr. med. Hendrik Streeck | c) Prof. Dr. Anna M.
      f1d4
                                                                 Eis-Hübinger
  6 Sutton D, Fuchs K, D‘Alton M, Goffman: Universal             a)
                                                                      Johanniterklinken Bonn
      Screening for SARS-CoV-2 in Women Admitted for             b)
      Delivery. N. Engl. J. Med. 2020;382:2163-4. doi:                 Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit,
      10.1056/NEJMc2009316                                             Universitätsklinikum Bonn
                                                                 c)
                                                                      Institut für Virologie, Universitätsklinikum Bonn
  7 Vintzileos JM, Muscat J, Hoffmann E, John NS,
      Vertichio R, Vintzileos AM, Vo D: Screening all            Korrespondenz: Yon-Dschun.Ko@bn.johanniter-klini-
      pregnant women admitted to labor and delivery for          ken.de
      the virus responsible for coronavirus disease 2019.
      Am. J. Obstet. Gynecol. 2020;26:S0002-
      9378(20)30472-5. doi: 10.1016/j.ajog.2020.04.024
                                                                 Vorgeschlagene Zitierweise
  8 Health N: COVID-19:Data; Daily Count 2020:                   Ko Y, Schumacher C, Wallau A, Schmitz U, Wilhelm K,
      https://www1.nyc.gov/site/doh/                             Abels S, Streeck H, Eis-Hübinger AM: SARS-CoV-2-
      covid/covid-19-data.page                                   Screening bei Aufnahme von Patienten in einem Ver-
                                                                 bund-Krankenhaus der Regelversorgung der Stadt
  9 Goldfarb IT, Diouf K, Barth WH, et al. Universal
                                                                 Bonn
      SARS-CoV-2 testing on admission to the labor and
      delivery unit: Low prevalence among asymptomatic           Epid Bull 2020; 43:10–15 | DOI 10.25646/7139.2
      obstetric patients [published online ahead of print,
                                                                 (Dieser Artikel ist online vorab am 28.9.2020 erschie-
      2020 May 27]. Infect Control Hosp Epidemiol.
                                                                 nen.)
      2020;1-2. doi:10.1017/ice.2020.255
  10 Stringhini S, Wisniak A, Piumatti G, et al. Seropreva-
      lence of anti-SARS-CoV-2 IgG antibodies in Geneva,         Interessenkonflikt
      Switzerland (SEROCoV-POP): a population-based              Die Autorinnen und Autoren erklären, dass kein Inte­
      study [published online ahead of print, 2020 Jun 11].      ressenkonflikt besteht.
      Lancet. 2020;S0140-6736(20)31304-0. doi:10.1016/
      S0140-6736(20)31304-0
Epidemiologisches Bulletin      43 | 2020       22. Oktober 2020                                                    15

  Danksagung
  Dank gilt der Johanniter GmbH Dr. T. Krössin und           Herrn Dr. med. Peter Walger, Deutsche Gesellschaft
  H. Häfner für die Finanzierung der Studie.                 für Krankenhaushygiene e.V.

  Besonderer Dank für die Beratung zu allen fachlichen       Den Mitarbeitern der Johanniter-­Kliniken Bonn und
  Fragen der Studie gilt Herrn Prof. Dr. med. M. Exner,      den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Instituts
  Direktor des Institut für Hygiene und Öffentliche          für Virologie sei gedankt für ihren unermüdlichen
  ­Gesundheit, Universitätsklinikum Bonn und                 ­Einsatz während der Pandemie.

  Weltpoliotag 2020: Afrikanische Region als poliofrei zertifiziert

  In diesem Jahr wurde die vierte von insgesamt fünf         Da WPV2 ausgerottet ist, wurde im April 2016 die
  Regionen der Weltgesundheitsorganisation (WHO)             Impfstrategie vom trivalenten auf bivalenten OPV
  als poliofrei zertifiziert: Seit Ende August gilt nun      (Typ 1 und 3) vollzogen. Durch die Entfernung der
  auch der afrikanische Kontinent als frei von Kinder-       Typ-2-Komponente aus dem Impfstoff wird das
  lähmung (Poliomyelitis, Polio).                            ­Risiko einer Polioerkrankung durch cVDPV2 ver-
                                                              mindert. Andererseits wird monovalenter Impfstoff
  Diese Entscheidung der WHO ist ein Meilenstein              (mOPV2) zur Eindämmung von Ausbrüchen durch
  für Afrika und die globale Polioeradikationsinitia­         cVDPV2 eingesetzt, wodurch die Zirkulation der
  tive (GPEI). Die Einstufung bedeutet, dass es in al-        ­Viren aufrechterhalten wird. Daher wird seit eini-
  len 47 Ländern der Afrika-Region seit mindestens             gen Jahren zusätzlich an der Entwicklung eines
  drei Jahren keine Erkrankungen durch Poliowild­              neuartigen, modifizierten OPV2-Impfstoffes gear-
  viren (WPV) mehr gab. Nigeria, das letzte Land der           beitet (nOPV2). In klinischen Studien zeigt dieser
  afrikanischen Region mit autochthoner WPV1-Über-             Impfstoff vergleichbaren Schutz, ist jedoch gene-
  tragung, hatte seit 2016 keine Neuerkrankungen ge-           tisch stabiler, wodurch die Entstehung neuer
  meldet.                                                      ­cVDPV2 vermieden werden soll. nOPV2 soll bereits
                                                                in den nächsten Monaten zum Einsatz kommen.
  Das Polio-Programm in Afrika ist hinsichtlich Perso-
  nal, Infrastruktur und Expertise größer als jedes an-      Auch die globale Gefahr im Kampf gegen Polio ist
  dere Gesundheitsprogramm auf dem Kontinent. Die            noch nicht gebannt – Pakistan und Afghanistan
  jahrzehntelang gesammelten Erfahrungen werden              ­haben seit 2019 wieder steigende Fallzahlen (WPV1).
  aktuell auch im Kampf gegen die Covid-19-Pandemie           Hier erschweren islamistische Extremisten, die die
  eingesetzt. So leisten die Labore einen substanziel-        Verschwörungstheorie verbreiten, der Westen wolle
  len Beitrag zur Stärkung der Gesundheitssysteme.            muslimische Kinder sterilisieren, die Eradikations-
                                                              bemühungen. Immer wieder werden Impfkampag-
  Dennoch besteht auch Anlass zur Besorgnis, denn
  die Zahl der Infektionen durch zirkulierende                           2016      2017      2018      2019       2020
  Vakzine-­abgeleitete Polioviren (cVDPV) steigt seit         cVDPV1     3 (1)       0       27 (2)    12 (4)     15 (2)
  2019 vorwiegend in Afrika an (s. Tab. 1). So kam es         cVDPV2     2 (2)     96 (2)    65 (5)   366 (16)   449 (21)
  in diesem Jahr in 18 Ländern Afrikas zu Ausbrüchen          cVDPV3       0         0       7 (1)       0          0

  durch cVDPV2 (298 Fälle, u. a. Tschad, DR Kongo,           Tab. 1 | Akute schlaffe Lähmungen (AFP) mit Nachweis von
  Burkina Faso, Elfenbeinküste). Dieser Virustyp ist         cVDPV nach Jahr. In Klammern dargestellt ist die Anzahl der
  verantwortlich für nahezu alle nachgewiesenen              betroffenen Länder [Stand 13.10.2020, Quelle: http://
                                                             polioeradication.org]
  ­Fälle von Erkrankungen durch cVDPV.
Epidemiologisches Bulletin       43 | 2020        22. Oktober 2020                                                                   16

  nen von gewaltsamen Zwischenfällen überschattet.             tainments auf WPV3-infektiösem Material, poten-
  In diesem Jahr erschwerte zudem die Corona-Krise             ziell infektiösem Material und cVDPV3. Somit sind
  die Arbeiten. Wegen der Pandemie wurden in bei-              Tätigkeiten mit diesen Materialien nun ebenfalls au-
  den Länder Impfkampagnen ausgesetzt, allein in               ßerhalb sogenannter poliovirus essential facilities
  Pakistan konnten Schätzungen zufolge rund 40  Mil-           (PEF) unzulässig. Eine entsprechende Rechtsverord-
  lionen Kinder nicht gegen Polio geimpft werden.              nung für den Paragraph 50a des Infektionsschutzge-
  Aufgrund der Verzögerungen bei den Impfkam­                  setzes (IfSG), der das Laborcontainment von Polio-
  pagnen rechnet die GPEI leider mit einem weiteren            viren in Deutschland regelt, ist in Vorbereitung.
  Anstieg der globalen Poliofälle.
                                                               400
                                                                     PHEIC
  In Pakistan wurden 2020 bisher 77 WPV Fälle bestä-                                                                       andere
                                                               350                                                         Nigeria
  tigt, in Afghanistan 52 (Stand 13. 10. 2020, s. Abb. 1).                                                                 Afghanistan
                                                               300
  Darüber hinaus steigt dort auch die Zahl der Abwas-                                                                      Pakistan

  serproben mit Nachweis von WPV1 (n  =  393, im               250

  Vergleich zu 221 in 2019). Hinzu kommen                      200

  cVDPV2-Nachweise bei Patienten mit akuten schlaf-            150
  fen Paresen (AFP, n  =  64 in Pakistan und n  =  87 in       100
                                                                                       letzter Fall
                                                                                       in Nigeria
  Afghanistan) und aus Abwasser (n  =  57 in Pakistan
                                                                50
  und n  =  88 in Afghanistan).
                                                                 0
                                                                      2014     2015      2016          2017     2018       2019      2020
  Aufgrund der anhaltenden Zirkulation von WPV1
  und der Zunahme von cVDPV-Nachweisen hat die                 Abb. 1 | Anzahl der bestätigten Fälle durch Poliowildviren
                                                               (WPV) seit 2014. PHEIC = Public Health Emergency
  WHO in diesem Jahr erneut die seit 2014 gültige              of International Concern; PHEIC wurde 2014 von der
  Gesundheitliche Notlage von internationaler Trag-            WHO festgestellt und seitdem jedes Jahr verlängert
  weite (Public Health Emergency of International              [Stand 13.10.2020; Quelle: http://polioeradication.org]

  Concern, PHEIC) verlängert.

                                                                                               Polio 1          Polio 2           Polio 3
                                                                Poliowildvirus (WPV)             Nein          Ja (2015)        Ja (2019)
  Polio Laborcontainment-Update                                 eradiziert?
  Die erfolgreiche Ausrottung von WPV3 (2019) hat               In Schluckimpfung (OPV)           Ja             Nein               Ja
  auch Auswirkungen auf das Laborcontainment. Die               enthalten?

  Containment Strategie unterscheidet sich dabei                Zirkulieren noch Vakzine-         Ja              Ja                Ja
                                                                abgeleitete Viren (cVDPV)?
  jedoch vom Poliovirus Typ 2-Laborcontainment
                                                                Containment gilt für                          WPV2/OPV2/          WPV3/
  (s.  Tab.  2). Da die Typ 3-Komponente vorerst Be-                                                            VDPV2             VDPV3
  standteil des bivalenten oralen Lebendimpfstoffs
                                                               Tab. 2 | Übersicht zum Polio-Laborcontainment
  (OPV) bleiben wird, liegt der initiale Fokus des Con-

  Autorin                                                      Vorgeschlagene Zitierweise
  Dr. Sabine Diedrich                                          Diedrich S: Weltpoliotag 2020: Afrikanische Region als
  Robert Koch-Institut, FG 15 – Nationales Referenz­           poliofrei zertifiziert
  zentrum für Poliomyelitis und Enteroviren
                                                               Epid Bull 2020; 43:15–16 | DOI 10.25646/7166
  Korrespondenz: DiedrichS@rki.de

  Interessenkonflikt
  Die Autorin gibt an, dass kein Interessenkonflikt
  besteht.
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