Epidemiologisches Bulletin - RKI
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AKTUELLE DATEN UND INFORMATIONEN ZU INFEKTIONSKRANKHEITEN UND PUBLIC HEALTH 43 Epidemiologisches 2020 Bulletin 22. Oktober 2020 SARS-CoV-2: Aktualisierung der Nationalen Teststrategie und Neuverkündung der Testverordnung; Neuerung bei Quarantäneregeln; Screening in Bonner Kliniken Weltpoliotag 2020
Epidemiologisches Bulletin 43 | 2020 22. Oktober 2020 2 Inhalt Aktualisierung der Nationalen Teststrategie und Neuverkündung der Verordnung zum Anspruch auf Testung in Bezug auf einen direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronavirus- Testverordnung – TestV)3 Zum 15. Oktober 2020 wurden die rechtlichen Grundlagen für die Kostenerstattung für bestimmte Testungen überarbeitet und die fachlichen Empfehlungen – die Nationale Teststrategie – angepasst. Neuerungen in der Regelung der Quarantäne für Haushalte 7 Auf Basis einer Analyse von Meldedaten werden die Empfehlungen zur Quarantäne für weitere Haushalts- mitglieder eines bestätigten Falles auf 14 Tage angepasst. SARS-CoV-2-Screening bei Aufnahme von Patienten in einem Verbund-Krankenhaus der Regelversorgung der Stadt Bonn 10 Die regionale SARS-CoV-2-Inzidenz kann als Grundlage für die Entscheidung über eine ggf. kurzfristige Einführung von Screening-Untersuchungen bei Aufnahme in ein Krankenhaus der Region genutzt werden. Weltpoliotag 2020: Afrikanische Region als poliofrei zertifiziert 15 Seit Ende August gilt der afrikanische Kontinent als frei von Kinderlähmung (Poliomyelitis, Polio). Die globale Gefahr im Kampf gegen Polio ist jedoch nicht gebannt, in diesem Jahr erschwert zudem die Corona- Krise die Eradikationsbemühungen. Aktuelle Statistik meldepflichtiger Infektionskrankheiten 17 Impressum Herausgeber Allgmeine Hinweise/Nachdruck Robert Koch-Institut Die Ausgaben ab 1996 stehen im Internet zur Verfügung: Nordufer 20, 13353 Berlin www.rki.de/epidbull Telefon 030 18754 – 0 Inhalte externer Beiträge spiegeln nicht notwendigerweise Redaktion die Meinung des Robert Koch-Instituts wider. Dr. med. Jamela Seedat Telefon: 030 18754 – 23 24 Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons E-Mail: SeedatJ@rki.de Namensnennung 4.0 International Lizenz. Nadja Harendt (Redaktionsassistenz) Telefon: 030 18754 – 24 55 Claudia Paape, Judith Petschelt (Vertretung) E-Mail: EpiBull@rki.de ISSN 2569-5266 Das Robert Koch-Institut ist ein Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit.
Epidemiologisches Bulletin 43 | 2020 22. Oktober 2020 3 Aktualisierung der Nationalen Teststrategie und Neu verkündung der Verordnung zum Anspruch auf Testung in Bezug auf einen direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronavirus-Testverordnung – TestV) Zielgerichtetes Testen ist unabdingbar, um Infek Deutschland und damit ein stets aktuelles Lagebild. tionsketten frühzeitig unterbrechen zu können und Dank gezieltem Testen können Infektionsketten insbesondere vulnerable Personengruppen vor einer schneller unterbrochen werden, was zum Schutz un- Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 zu schüt- seres Gesundheitssystems vor Überlastung beiträgt. zen. Angesichts der dynamischen Entwicklung des Testen entbindet jedoch nicht von der Einhaltung Pandemiegeschehens muss die Teststrategie laufend der AHA+L-Regel (Abstand, Hygiene, A lltagsmaske überprüft und unter Berücksichtigung der bisherigen + Lüften), notwendigen Hygienevorkehrungen so- Erfahrungen aus der Praxis, der aktuellen epidemio- wie kontinuierlicher Symptomüberwachung. logischen Lage und der Verfügbarkeit verschiedener Testmethoden an die aktuelle Situation angepasst In Deutschland wird bereits umfassend auf das werden. Unter diesen Gesichtspunkten wurden zum Vorliegen von Infektionen mit dem Coronavirus 15. Oktober 2020 sowohl die rechtlichen Grundlagen SARS-CoV-2 getestet. Hierzu wurden die Testkapa- für die Kostenerstattung für bestimmte Testungen zitäten zum Virusnachweis mittels Nukleinsäure- überarbeitet, als auch die fachlichen Empfehlungen – nachweis (PCR)-Testung seit März 2020 kontinu- die Nationale Teststrategie – angepasst. ierlich erweitert. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die aktuellen Die aktualisierte Nationale Teststrategie sieht die Anpassungen der Nationalen Teststrategie und ihrer breite Testung von medizinischem und pflegerisch rechtlichen Grundlage – der „Verordnung zum An- tätigem Personal vor, um besonders vulnerable spruch auf Testung in Bezug auf einen direkten Erre- Gruppen zu schützen. Zusätzlich soll durch einen gernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 (Corona- zielgerichteten Einsatz von geeigneten Antigen- virus-Testverordnung – TestV). Er ersetzt nicht die Tests (z. B. bei Besuchern von Pflegeheimen) der Lektüre der zitierten Dokumente. Eintrag von Infektionen in bestimmte Bereiche ver- mieden werden. So können beispielsweise Verbes- serungen für das Leben in Pflegeheimen erzielt Einleitung werden.1 Das SARS-CoV-2-Ausbruchsgeschehen entwickelt sich weiterhin dynamisch und die Infektionszahlen Am 15. Oktober 2020 trat die Verordnung zum An- steigen sowohl in Deutschland als auch weltweit an. spruch auf Testung in Bezug auf einen direkten Er Nach wie vor steht aktuell kein Impfstoff zur Verfü- regernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 in Kraft gung. Die Gefahr einer Verstärkung des Infektions- (Coronavirus-Testverordnung – TestV, BAnz AT geschehens mit erheblichen Folgen für Leben und 14. 10. 2020 V1), welche die Rechtsgrundlage für die Gesundheit der Bevölkerung und einer möglichen Übernahme der Kosten für bestimmte, in der Natio- Überforderung des Gesundheitssystems besteht un- nalen Teststrategie verankerten Testungen bildet.2 vermindert fort. Die Coronavirus-Testverordnung regelt, welche Gezieltes Testen ist ein essentieller Bestandteil der Personengruppen in welchen Einrichtungen bzw. Pandemiebekämpfung: Eine konsequente Umset- Situationen und in welchem Umfang Anspruch auf zung einer gezielten, anlassbezogenen Teststrategie die Durchführung einer Testung auf das Vorliegen ermöglicht eine schnelle und präzise Erfassung der einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 Zahl und der Verteilung von infizierten Personen in haben.
Epidemiologisches Bulletin 43 | 2020 22. Oktober 2020 4 1. Aktualisierung der Nationalen Teststrategie von Antigen-Tests zur Testung asymptomatischer – wer wird in Deutschland auf das Vorliegen Personen die epidemiologische Lage vor Ort zu be- einer SARS-CoV-2 Infektion getestet? rücksichtigen. In jedem Fall muss einem positiven Übergeordnetes Ziel der Nationalen Teststrategie ist Antigen-Test regelhaft eine Untersuchung mittels weiterhin die Versorgung symptomatischer PCR folgen. Eine regelmäßige Reihentestung mit- COVID-19-Fälle, der Schutz vulnerabler Gruppen tels Antigen-Tests von Personal in medizinischen sowie die Verhütung der Verbreitung des Corona Einrichtungen, wie u.a. auch Arztpraxen, kann ins- virus SARS-CoV-2.1 In der aktuellen Version vom besondere in Gebieten mit einer erhöhten Inzidenz 15.10.2020 wurden die zur Testung empfohlenen (z. B. einer 7-Tage-Inzidenz > 50/100.000 Einwoh- Personengruppen weiter ausgeweitet und die Ein- ner) sinnvoll sein. Bei weiterhin bestehendem, be- führung von Antigen-Tests zum Nachweis von gründetem Krankheitsverdacht sollte auch ein nega- SARS-CoV-2 aufgenommen. tives Antigen-Testergebnis mittels PCR-Test über- prüft werden. Bei Hinweisen auf einen schon länger Der Einsatz von Point-of-Care (PoC)-Antigen-Tests bestehenden Krankheitsverlauf sollte die einge- und labor-basierten Antigen-Tests kann unter be- schränkte Aussagekraft eines Nasen-Rachen stimmten Voraussetzungen eine sinnvolle Ergän- abstrichs berücksichtigt werden. Für medizi- zung zum PCR-Test sein. Damit tragen Anti- nisch-diagnostische Fragestellungen zur Feststel- gen-Tests zum weiteren Ausbau der Testkapazität lung einer Infektion ist die PCR die Methode der bei und können die Maßnahmen zur Eindämmung Wahl. Umfassende Informationen zur SARS-CoV-2- der SARS-CoV-2-Pandemie beschleunigen. Im Ver- Diagnostik und zu den unterschiedlichen Testver- gleich zu Antigen-Tests ist die PCR die sensitivere fahren sind auf der Webseite des Robert Koch- und spezifischere Methode für den Nachweis von Instituts (www.rki.de) zu finden.3 SARS-CoV-2. Daher bleibt die PCR in vielen Situa- tionen, insbesondere bei symptomatischen Perso- 2. Verordnung zum Anspruch auf Testung nen mit Verdacht auf COVID-19, bei Personen mit in Bezug auf einen direkten Erregernachweis Kontakt zu einem bestätigten COVID-19-Fall oder des Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronavirus- in Ausbruchssituationen die bevorzugte Nachweis Testverordnung – TestV) methode. Verordnungsgrundlage, Änderungen und Ziele Ein Anspruch auf bestimmte Testungen für den PCR-Tests haben jedoch den Nachteil, dass die Ana- Nachweis des Vorliegens einer Infektion mit dem lyse in einem Labor vorgenommen werden muss Coronavirus SARS-CoV-2 für sowohl Versicherte und Untersuchungsergebnisse unter Umständen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) als erst nach mehreren Tagen vorliegen. Der Vorteil auch Personen, die nicht in der GKV versichert von PoC-Antigen-Tests ist, dass sie patientennah sind, ist im § 20i Absatz 3 Satz 2 – 4 des Fünften bzw. am Versorgungsort – z. B. in einer stationären Sozialgesetzbuches (SGB V) in der Fassung des Pflegeeinrichtung oder vor ambulanten Opera Zweiten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei tionen – durchgeführt werden können, da die Test einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite ergebnisse in weniger als einer halben Stunde vor- vom 19. Mai 2020 (BGBl. I S. 1018) geregelt.4 Hier liegen. wird das Bundesministerium für Gesundheit er- mächtigt, im Fall der Feststellung einer epidemi- Wie bei der PCR ist auch bei der Verwendung von schen Lage von nationaler Tragweite durch den Deut- Antigen-Tests die anlass-bezogene und zielgerich schen Bundestag nach § 5 Absatz 1 des Infektions- tete Testung sowie die Kenntnis der Aussagekraft schutzgesetzes (IfSG) die Kostenübernahme zu be- der Ergebnisse dieser Tests essentiell. Ihre geringe- stimmen. Voraussetzung ist, dass entsprechende re Sensitivität bedeutet, dass sie nur die Erkennung Testungen nicht Bestandteil der Krankenbehand- einer hohen Erregerlast im oberen Respirationstrakt lung nach § 27 SGB V sind. Die Aufwendungen für ermöglichen. Insbesondere mit Blick auf die auch die Testungen werden aus der Liquiditätsreserve des geringere Spezifität von Antigen-Tests im Vergleich Gesundheitsfonds gezahlt. Mit der Verordnung zur PCR-Testung wird empfohlen, vor dem Einsatz zum Anspruch auf bestimmte Testungen für den
Epidemiologisches Bulletin 43 | 2020 22. Oktober 2020 5 Nachweis des Vorliegens einer Infektion mit dem Personen umfasst, die in den letzten zehn Tagen in Coronavirus SARS-CoV-2 vom 8. Juni 2020 (Corona den in der Vorschrift genannten Einrichtungen be- virus-Testverordnung- TestV, BAnz AT 09.6.2020 handelt, betreut, tätig oder sonst anwesend waren. V1) hat das Bundesministerium für Gesundheit von Die Liste der relevanten Einrichtungen und Unter- der Ermächtigung erstmals Gebrauch gemacht.2 nehmen im § 3 Absatz 2 TestV ist gleichgeblieben. Ziel der Verordnung ist, nicht nur umfassender als bisher, sondern auch einfacher bestimmte Gruppen Hingegen hat § 4 wesentliche Änderungen erfah- von asymptomatischen Personen zu testen. Dabei ren. Diese Vorschrift regelt den Anspruch auf Tes- handelt es sich um solche Personengruppen, die tungen zur Verhütung der Verbreitung des Corona- entweder selbst vulnerabel sind (z. B. Bewohner von virus SARS-CoV-2, ohne dass in der Einrichtung be- Pflegeheimen) oder Kontakt zu besonders gefährde- reits ein bestätigter Fall vorliegt. Die Bestimmungen ten Personengruppen haben (etwa Beschäftigte in des § 4 TestV spielen insbesondere für den Schutz medizinischen Einrichtungen). Die TestV regelt den von vulnerablen Personen wie etwa der Bewohner Anspruch von asymptomatischen Personen auf eine von Alten- und Pflegeheimen, eine wichtige Rolle. Testung auf das Vorliegen einer Infektion mit dem Um insbesondere in diesen Bereichen eine effizien- Coronavirus SARS-CoV-2 in folgenden Bereichen: te Testung zu ermöglichen, wurde der Antigen-Test Testung von Kontaktpersonen, Testung von Perso- als nach der TestV erstattungsfähige Testmethode in nen nach Auftreten von Infektionen in bestimmten die Verordnung aufgenommen. Einrichtungen und Unternehmen, sowie Testungen zur Verhütung der Verbreitung des Coronavirus Im Bereich der präventiven Testungen wurde in der SARS-CoV-2. Neufassung des § 4 TestV zwischen verschiedenen Testmethoden für verschiedene Anwendungsfälle Zunächst wird im § 2 der Neufassung der TestV die differenziert. So haben Personen, die in den im § 4 Definition der Kontaktpersonen, die Anspruch auf Absatz 2 TestV genannten Einrichtungen oder Un- eine Testung haben, präzisiert. U. a. werden vom ternehmen als Patient oder zur Pflege aufgenom- Anwendungsbereich der TestV nun solche Perso- men werden sollen, einen Anspruch auf die Durch- nen explizit umfasst, die in den letzten zehn Tagen führung einer PCR-Testung. durch die räumliche Nähe zu einer mit dem Corona virus SARS-CoV-2 infizierten Person mit hoher Hingegen beschränkt sich der Anspruch bei regel- Wahrscheinlichkeit einer relevanten Konzentration mäßigen Testungen von Mitarbeitenden auf von Aerosolen ausgesetzt waren. Darunter fällt u. a. Antigen-Tests, der Anspruch von aktuell betreuten Feiern, gemeinsames Singen oder Sporttreiben in Patienten bzw. Bewohnern oder Besuchern auf Innenräumen. Auch Personen, die sich z. B. in einer PoC-Antigen-Tests. Die Beschränkung der Testung Schulklasse oder bei Gruppenveranstaltungen in ei- vor Aufnahme einer Tätigkeit sowie auch die regel- ner relativ beengten Raumsituation oder in einer mäßige Testung von Mitarbeitenden auf Antigen- schwer zu überblickenden Kontaktsituation in der Tests entfällt, wenn der Öffentliche Gesundheits- Nähe einer infizierten Person für eine Zeit von über dienst (ÖGD) eine andere Testmethode (PCR) fest- 30 Minuten aufgehalten haben, gelten als Kontakt- legt. Der Anspruch in Bezug auf eine Diagnostik person im Sinne der TestV. Das Gleiche gilt für die- durch Antigen-Tests bezieht sich ausschließlich auf jenigen, die eine Warnung über die Corona-Warn- Tests, welche die durch das Paul-Ehrlich-Institut in App des RKI erhalten haben. Abstimmung mit dem Robert Koch-Institut (RKI) festgelegten Mindestkriterien für Antigen-Tests er- Die Vorschrift des § 3 TestV zur Testung von Perso- füllen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und nen nach Auftreten von Infektionen in Einrichtun- Medizinprodukte (BfArM) veröffentlicht auf seiner gen und Unternehmen wurde in der Neufassung Internetseite eine Marktübersicht solcher Tests und der Verordnung dahingehend präzisiert, dass eine schreibt diese fort.5 zeitliche Grenze von den letzten zehn Tagen für das Bestehen eines Anspruchs eingeführt wurde. Dem- Der Anspruch umfasst anders als bislang grund- entsprechend sind vom Tatbestand des § 3 TestV nur sätzlich das Gespräch mit der zu testenden Person
Epidemiologisches Bulletin 43 | 2020 22. Oktober 2020 6 im Zusammenhang mit der Testung, die Entnahme der Leistungserbringer seinen Sitz hat. Bestimmte von Körpermaterial, die nach der Teststrategie des Einrichtungen und Unternehmen (z. B. Pflegehei- Bundesministeriums für Gesundheit empfohlene me) können auch dann, wenn diese nicht ärztlich Diagnostik, die Ergebnismitteilung und die Ausstel- geführt sind, selbst PoC-Antigen-Tests nach der lung eines Zeugnisses über das Vorliegen oder TestV beschaffen, nutzen und abrechnen. Um die Nichtvorliegen einer Infektion mit dem Corona Antigen-Tests eigenständig beschaffen und nutzen virus SARS-CoV-2. zu können, müssen die im § 4 Absatz 2 Nummer 1 – 4 TestV genannten Einrichtungen oder Unter- Die Leistungen nach Maßgabe der TestV werden nehmen dem ÖGD ein einrichtungs- oder unter- durch die zuständigen Stellen des öffentlichen Ge- nehmensbezogenes Testkonzept vorlegen, anhand sundheitsdienstes der Länder und die von ihnen be- dessen eine Feststellung über die ihnen zustehen- triebenen Testzentren oder von ihnen als Leistungs- den Testkontingente getroffen wird. erbringer beauftragte Dritte sowie von zur vertrags- ärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungser- bringern und durch von den Kassenärztlichen Vereinigungen betriebene Testzentren erbracht. Be- rechtigte Leistungserbringer rechnen die von ihnen erbrachten Leistungen und die Sachkosten mit der Kassenärztlichen Vereinigung ab, in deren Bezirk Literatur/Quellen Ansprechpartner/Ansprechpartnerinnen 1 https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuarti- Teststrategie ges_Coronavirus/Teststrategie/Nat-Teststrat.html Bundesministerium für Gesundheit (abgerufen am 15.10.2020) Referat 614 (Infektionskrankheiten) 2 https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fi- Robert Koch-Institut leadmin/Dateien/3_Downloads/C/Coronavirus/Ver- Abteilung 1 (Infektionskrankheiten) ordnungen/Corona-Test-VO_BAnz_AT_141020.pdf Seestraße 10 (abgerufen am 15.10.2020) 13353 Berlin 3 https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuarti- Coronavirus-Testverordnung – TestV ges_Coronavirus/Vorl_Testung_nCoV.htm (abgeru- Bundesministerium für Gesundheit fen am 15.10.2020) Referat 611 (Gesundheitssicherheit, Krisenmanagement national), Referat 614 (Infektionskrankheiten) 4 https://www.sozialgesetzbuch-sgb.de/sgbv/20.html Friedrichstraße 108 (abgerufen am 15.10.2020) 10117 Berlin 5 www.bfarm.de/antigentests (abgerufen am 15.10.2020) Vorgeschlagene Zitierweise Bundesministerium für Gesundheit, Robert Koch- Institut: Aktualisierung der Nationalen Teststrategie und Neuverkündung der Verordnung zum Anspruch auf Testung in Bezug auf einen direkten Erreger nachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronavirus- Testverordnung – TestV) Epid Bull 2020; 43:3–6 | DOI 10.25646/7189
Epidemiologisches Bulletin 43 | 2020 22. Oktober 2020 7 Neuerungen in der Regelung der Quarantäne für Haushalte Zusammenfassung für Kontaktpersonen ersten Grades 14 Tage nach Um die SARS-CoV-2-Übertragungsdynamiken von dem letzten Kontakt mit einem laborbestätigten Fall Haushalten in Quarantäne in Deutschland zu verste- durchgeführt werden soll, wenn anzunehmen ist, hen und Potential zur Kürzung der Quarantäne dass der Fall zu diesem Zeitpunkt noch infektiös ist. dauer für Haushaltsmitglieder zu identifizieren, Da bisher galt, dass eine laborbestätigte Person mit wurde eine Analyse von Meldedaten durchgeführt. mildem Krankheitsverlauf bis zu 10 Tage lang infek- In den Auswertungen traten ca. 97 % der zweiten, tiös ist und Haushaltskontaktpersonen Kontaktper- dritten oder vierten weiteren Fälle in einem Haushalt sonen ersten Grades sind, mussten bisher Haus- bis zum 14. Tag nach Symptombeginn des Primär haltsmitglieder (ohne Auftreten eines zweiten Fal- falles auf. Bei weiteren Fällen hängt der Zeitpunkt les) für mindestens 24 Tage – gezählt ab dem Symp des Symptombeginns also fast ausschließlich davon tombeginn des Primärfalles – in Quarantäne ab, wann die Erkrankung des Primärfalles beginnt (10 Tage Isolation des COVID-19-Falles plus 14 Tage und nicht davon, ob oder wann weitere Fälle im Quarantäne der Haushaltsmitglieder). Der laborbe- Haushalt auftreten. Auf Basis dieser Erkenntnisse stätigte Fall wurde nach 10 Tagen aus der Isolation sieht die Neuerung der Empfehlungen zur Quaran entlassen (s. Tab. 1). In einer Auswertung der Mel- täne für weitere Haushaltsmitglieder eines bestätig- dedaten wurde untersucht, zu welchem Zeitpunkt ten Falles eine Quarantäne von 14 Tagen – gezählt ab nach Symptombeginn des Primärfalles weitere Fälle dem Symptombeginn des Primärfalles – vor. im Haushalt auftreten. Einleitung Methoden Bei vielen Gesundheitsämtern besteht Unsicher- Auf Basis der Meldedaten wurden alle Haushalts- heit, wie lange eine Quarantäne in Haushalten ausbrüche analysiert, bei denen für alle Fallperso- durchgeführt werden soll, bei denen ein laborbestä- nen der Erkrankungsbeginn angegeben wurde, und tigter Fall von COVID-19 aufgetreten ist. Die bishe- der Erkrankungsbeginn des Primärfalles spätestens rige Empfehlung des RKI war, dass eine Quarantäne bis zum 10.9.2020 datierte. Dies betraf 3.160 Haus- Anteil der Sekundärfälle 100 in % kumulativer Anteil 100 der Sekundärfälle in % 16 16 90 100 100 90 80 80 14 14 d14 90 90 d14 70 70 60 2 Fälle im HHim HH 2 Fälle 80 80 60 2 Fälle im HHim HH 2 Fälle 12 12 3 Fälle im HHim HH 3 Fälle 3 Fälle im HHim HH 3 Fälle 50 70 70 50 10 10 40 4 Fälle im HHim HH 4 Fälle 2 Fälle im HH 40 4 Fälle im HHim HH 4 Fälle 2 Fälle im HH 60 60 30 5 Fälle im HHim HH 5 Fälle 30 5 Fälle im HHim HH 5 Fälle 88 3 50 Fälle im HH 3 Fälle im HH 20 50 20 10 4 40 Fälle 40 im HH 10 4 Fälle im HH 66 0 0 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 5 30 Fälle 30 im HH 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 5 Fälle im HH 44 20 20 22 10 10 00 00 00 22 44 66 88 10 10 12 12 14 14 16 16 18 18 20 20 00 22 4 4 66 88 10 10 12 12 14 14 16 16 18 18 20 20 Tage (ab Symptombeginn des Primärfalles) Tage (ab Symptombeginn des Primärfalles) Abb. 1 | Links: Anteil der Fälle, die an Tag X nach Symptombeginn des Primärfalles auftreten, stratifiziert nach Haushalten mit 2, 3, 4 oder 5 Fällen – Rechts: Symptombeginn der Sekundärfälle nach Anzahl der Fälle im Haushalt, kumulativer Anteil d14 = 14. Tag nach Symptombeginn des Primärfalles
Quarantäne in Haushalten (A) BISHER Szenario 1: 3-Personen-Haushalt, 1 Person COVID-19-Fall, 2 Personen keine Fälle HH- labor Tag 0 = SB 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 Person bestätigt (HH1) HH1 ja SB Iso Iso Iso Iso Iso Iso Iso Iso Iso Iso Epidemiologisches Bulletin HH2 nein Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q HH3 nein Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Szenario 2: 3-Personen-Haushalt, 2 Personen COVID-19-Fälle: 1 Person kein Fall HH- labor Tag 0 = SB 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 Person bestätigt (HH1) 43 | 2020 HH1 ja SB Iso Iso Iso Iso Iso Iso Iso Iso Iso Iso ja, nach HH2 Q Q Q Q SB Iso Iso Iso Iso Iso Iso Iso Iso Iso Iso 5 Tagen HH3 nein Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q (B) NEU Szenario 1: 3-Personen-Haushalt, 1 Person COVID-19-Fall, 2 Personen keine Fälle HH- labor Tag 0 = SB 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 22. Oktober 2020 Person bestätigt (HH1) HH1 ja SB Iso Iso Iso Iso Iso Iso Iso Iso Iso Iso HH2 nein Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q KP2° KP2° KP2° KP2° KP2° KP2° HH3 nein Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q KP2° KP2° KP2° KP2° KP2° KP2° Szenario 2: 3-Personen-Haushalt, 2 Personen COVID-19-Fälle: 1 Person kein Fall HH- labor Tag 0 = SB 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 Person bestätigt (HH1) HH1 ja SB Iso Iso Iso Iso Iso Iso Iso Iso Iso Iso ja, nach HH2 Q Q Q Q SB Iso Iso Iso Iso Iso Iso Iso Iso Iso Iso 5 Tagen HH3 nein Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q KP2° KP2° KP2° KP2° KP2° KP2° Legende: HH = Haushalt; HH1 = erste Person (Primärfall) im Haushalt; HH2 = zweite Person im Haushalt; HH3 = dritte Person im Haushalt; SB = Symptombeginn; Iso = Isolation; Q = Quarantäne; KP2° = Kontaktperson zweiten Grades Tab. 1 | Bisherige und zukünftige Regelung für Haushalte 8 Isolation (erkrankter Fallpersonen) und Quarantäne (ansteckungsverdächtiger Personen) in Haushalten. A: bisherige Empfehlung, B: neue Regelung
Epidemiologisches Bulletin 43 | 2020 22. Oktober 2020 9 haltsausbrüche. „Ausreißer“ (Fälle mit Erkrankungs ▶▶ Nicht erkrankte Haushaltsmitglieder oder Haus- beginn nach 21 Tagen; 1 % aller Fälle) wurden in der haltsmitglieder, die erkranken aber einen negati- Analyse nicht berücksichtigt (n = 78). Es verblieben ven Test haben, sollen sich von Tag 15–20 wie 1.998 Ausbrüche mit 2 Fällen, 662 mit 3 Fällen, Kontaktpersonen zweiten Grades verhalten, d. h. 298 Ausbrüche mit 4 Fällen, 117 Ausbrüche mit 5 Kontakte mit anderen Personen auf ein Mini- und 42 Ausbrüche mit 6 Fällen. mum beschränken und bei Erkrankung sich iso- lieren und testen lassen (neu). Ergebnisse und daraus abgeleitete zukünftige Regelung für Haushalte Zum Vergleich: In einem 3-Personen-Haushalt mit Die Vermutung war, dass sich die Symptombeginne EINEM COVID-19-Fall betrug die Zahl der Abson- in Haushalten mit 3 Fällen in zwei Wellen darstel- derungstage (Tage in Isolation oder Quarantäne) len, mit einem ersten Gipfel 5 Tage nach Symptom- bisher bei dem Fall und den beiden nicht infizierten beginn des Primärfalles und einem zweiten Gipfel Haushaltsmitgliedern 10 + 24 + 24 Tage = 58 Tage, weitere 5 Tage nach Symptombeginn des zweiten dies wird nun auf 10 + 14 + 14 = 38 Tage reduziert, Falles (bzw. 10 Tage nach Symptombeginn des Pri- also 20 Tage weniger als bisher (s. Tab. 1). märfalles). Allerdings zeigte die Auswertung, dass zweite, dritte oder vierte Fälle in etwa 97 % bis zum In einem 3-Personen-Haushalt mit ZWEI 14. Tag nach Symptombeginn des Primärfalles im COVID-19-Fällen betrug (wenn der zweite Fall z. B. Haushalt auftreten (Abb. 1). Das bedeutet, dass der am 4. Tag nach Symptombeginn des Primärfalles Zeitpunkt des Symptombeginns weiterer Fälle quasi erkrankte) die Zahl der Absonderungstage (Tage ausschließlich davon abhängt, wann die Erkran- in Isolation oder Quarantäne) bisher bei den beiden kung des Primärfalles beginnt und nicht davon, ob Fällen bzw. dem dritten, nicht infizierten Fall oder wann weitere Fälle im Haushalt auftreten. Bei 10 + 14 + 28 Tage = 52 Tage, und zukünftig 10 + einem Haushalt mit COVID-19-Fällen ist nun auf 14 + 14 = 38 Tage, also 14 Tage weniger (s. Tab. 1). folgende Weise vorzugehen: ▶▶ Laborbestätigte Fälle mit mildem Verlauf werden Fazit (wie bisher) für 10 Tage isoliert Die Auswertung von Meldedaten aus Deutschland ▶▶ Erkrankte Haushaltsmitglieder werden (wie bis- zeigt, dass fast alle weiteren Fälle in einem Haushalt her) getestet mit COVID-19 innerhalb von 14 Tagen nach Symp- ▶▶ Weitere auftretende Fälle werden (wie bisher) für tombeginn des Primärfalls auftreten. Auf Basis die- 10 Tage ab ihrem eigenen Symptombeginn isoliert ser Erkenntnisse basiert die neue Quarantäne ▶▶ Die Quarantäne von Haushaltsmitgliedern, die empfehlung für weitere Haushaltsmitglieder von nicht erkranken oder mit Atemwegssymptomen maximal 14 Tagen nach Symptombeginn des Pri- erkranken aber negativ auf SARS-CoV-2 getestet marfalls, was mit einer deutlichen Reduktion der werden, werden für 14 Tage nach Symptombe- individuellen und gesamten Quarantänedauer in ginn des Primärfalls quarantänisiert, unabhängig Haushalten einhergeht. vom Auftreten weiterer Fälle im Haushalt (neu). Autoren Vorgeschlagene Zitierweise Dr. Udo Buchholz | Dr. Matthias an der Heiden | Buchholz U, an der Heiden M, Schulze K, Haas W: Neue Dr. Kai Schulze | Prof. Dr. Walter Haas rungen in der Regelung der Quarantäne für Haushalte Robert Koch-Institut, Abt. 3 Infektionsepidemiologie, Epid Bull 2020; 43:7–9 | DOI 10.25646/7190 FG 36 Respiratorisch übertragbare Erkrankungen Korrespondenz: BuchholzU@rki.de Danksagung Ein besonderer Dank gilt den über 400 Gesundheits- Interessenkonflikt ämtern, die jeden Tag wichtige Arbeit leisten und Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt deren sorgfältige Ermittlungsarbeit die Grundlage für besteht. diesen Artikel gebildet hat.
Epidemiologisches Bulletin 43 | 2020 22. Oktober 2020 10 SARS-CoV-2-Screening bei Aufnahme von Patienten in einem Verbund-Krankenhaus der Regelversorgung der Stadt Bonn Einleitung Methoden Die Unklarheit, ob Patienten bei stationärer Aufnah- Die Untersuchung wurde im Zeitraum vom me SARS-CoV-2-infiziert sind oder nicht, stellt für 4.5.2020 bis zum 17.5.2020 durchgeführt. Allen Krankenhäuser wegen den erforderlichen Maßnah- Patienten, die während dieses Zeitraums stationär men zum Schutz vor Virusübertragungen auf Patien- in den Johanniter-Kliniken Bonn (Johanniter- ten und Personal eine besondere Herausforderung Krankenhaus und Waldkrankenhaus) aufgenom- dar. In der Stadt Bonn gibt es eine zentrale ambulan- men wurden, wurde die Entnahme eines Nasen-/ te Anlaufstelle für symptomatische und asymptoma Rachenabstrichs für eine Untersuchung auf SARS- tische Personen, eingerichtet zu Beginn der SARS- CoV-2-RNA und einer Blutprobe zum Nachweis von CoV-2-Pandemie von der Stadt Bonn in Zusammenar- SARS-CoV-2-Antikörpern angeboten. beit mit der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein. Die RT-PCR wurde mit dem RealStar® SARS-CoV-2 In Bonn gibt es 2 Johanniter-Kliniken der Regelver- RT-PCR Kit (Altona Diagnostics) durchgeführt sorgung, die zu einem Verbund zusammengeschlos- (LightCyler 480 II, Roche). Für die Untersuchung sen sind. Mit diesen beiden Einrichtungen gibt es auf SARS-CoV-2-IgG und -IgA wurde der IgG und insgesamt 7 Krankenhäuser im Raum Bonn, neben IgA Anti-SARS-CoV-2 ELISA (Euroimmun) verwen- dem Universitätsklinikum. Beide J ohanniter-Kliniken det, für die Untersuchung auf SARS-CoV-2-IgM der stellen keine primären Anlaufstellen für eine EDI® Novel Coronavirus IgM ELISA (Epitope Diag- SARS-CoV-2-Diagnostik dar. Das Vorgehen an bei- nostics). den Häusern ist, dass SARS-CoV-2-RNA-positiv ge- testete Patienten oder solche mit COVID-19-ver- Initial war eine Kontrolluntersuchung nach 3 Wo- dächtigen Symptomen sofort bei Aufnahme in da- chen geplant um ggf. eine unerkannte Infektion für vorgesehene Bereiche isoliert und dort medizi- oder Serokonversion zu erfassen. nisch weiter versorgt werden. Zusätzlich wurden die Patienten um Angaben ent- Im Mai 2020 erfolgte eine Untersuchung mit dem sprechend eines strukturierten Fragebogens gebeten. Ziel, die Zahl der bei Aufnahme mit SARS-CoV-2- Im Fragebogen wurden u. a. die Lebensumstände, die infizierten Patienten in beiden Johanniter-Kliniken berufliche Tätigkeit und mögliche Expositionen, zu ermitteln. Dem zu Grunde lag die Befürchtung, Symptome zum Aufnahmezeitpunkt und in den dass Patienten mit unbekanntem Infektionsstatus 14 Tagen davor, Vorerkrankungen und mögliche Risi- und Asymptomatische, d. h. Patienten ohne kokontakte für eine SARS-CoV-2-Infektion abgefragt. C OVID-19-verdächtige Symptome, unbemerkt Aus dem Fragebogen werden nachfolgend die Le- SARS-CoV-2 in beide Krankenhäuser eintragen bensumstände und Symptome am Tag der Aufnah- und ein Infektions-Cluster erzeugen könnten me sowie 14 Tage zuvor dargestellt und ausgewertet. (s. z. B. Münster1). Die in diversen Studien ermittel- ten Anteile an asymptomatischen Infektionen rei- Die Auswertung der Ergebnisse erfolgte deskriptiv. chen von einstelligen Prozentangaben bis über Der Schwerpunkt der Ausführungen liegt auf dem 50 Prozent2,3,4 und stellen so das Krankenhausma- Anteil der bei Aufnahme mittels PCR positiv Getes- nagement vor erhebliche Probleme. Im Studien- teten und der Serologie. zeitraum wurden elektive Eingriffe und Behand- lungen wieder ermöglicht; die untersuchte Popula- Für die Studie liegt ein positives Ethikvotum der tion repräsentierte die Patientenpopulation ent- Ethikkommission der Medizinischen Fakultät Bonn sprechend einem normalen Krankenhausalltag. vor (Lfd.-Nr. 166/20).
Epidemiologisches Bulletin 43 | 2020 22. Oktober 2020 11 Ergebnisse Infektion vom Johanniter-Krankenhaus Bonn in das Patienten Waldkrankenhaus Bonn zur weiteren intensivmedi- Im angegebenen Zeitraum wurden 828 Patienten zinischen Behandlung bei zunehmender respirato- stationär aufgenommen. 57 dieser Patienten rischer Insuffizienz verlegt (aus Intensiv-Kapazitäts- (6,88 %) wurden wegen respiratorischer, COVID-19- gründen). Die zweite SARS-CoV-2-positive Patientin suspekter Symptome (Fieber, Husten, Geschmacks- war aus einem Krankenhaus in der Region Essen in störungen, Luftnot) auf den Isolierstationen statio- das Johanniter-Krankenhaus Bonn ohne COVID-19- när aufgenommen. Von allen 828 angesprochenen typische Beschwerden zur weiteren onkologischen Patienten erteilten 550 (66,43 %) ihre Einwilligung Behandlung verlegt worden. Da die Patientin vor zur Teilnahme an der Studie. Von den 550 Studien- Verlegung 25 Tage in diesem Krankenhaus gelegen teilnehmern waren 309 (56,2 %) weiblich mit ei- hatte, ist diese Infektion als nosokomial zu werten. nem medianen Alter von 57 Jahren (18 – 100) und Darüber hinaus wurde bei keinem weiteren Patien- 241 (43,8 %) männlich mit einem medianen Alter ten mit primär stationärer Aufnahme eine von 57 Jahren (15 – 92). Der Großteil der getesteten SARS-CoV-2-Infektion festgestellt. Patienten (290/52,7 %) lebt mit Angehörigen in ei- nem Haushalt, 101 (18,4 %) Patienten gaben an, SARS-CoV-2-Antikörper alleine zu leben und 14 (2,5 %) Patienten leben in Bei 540 der 550 eingeschlossenen Patienten stationären Pflegeeinrichtungen. 145 (26,4 %) Pati- (98,18 %) wurde eine Antikörperbestimmung enten gaben keine Auskunft. durchgeführt. Bei 2 der 540 Patienten (0,37 %) er- gab sich ein positives SARS-CoV-2-IgG-Resultat. Bei Symptome einer dieser beiden Patienten war 6 Wochen vor der Mittels eines strukturierten Fragebogens wurden Blutentnahme eine im Labor gesicherte SARS- 11 unspezifische Symptome, die mit einer SARS- CoV-2-Infektion in einem Krankenhaus nachgewie- CoV-2-Infektion einhergehen können, abgefragt. sen worden. Bei der zweiten SARS-CoV-2-IgG-posit- Von den 550 eingeschlossenen Pateinten konnten ven Patientin handelte es sich um eine der beiden 476 (86,5 %) Fragebögen ausgewertet werden. Ins- PCR-positiven Personen. Die beiden IgG-positiven gesamt 155 der Studienteilnehmer (28,2 %) gaben Blutproben ergaben auch mit 3 weiteren SARS- Symptome bei Aufnahme an. Führend waren in ab- CoV-2-Antikörper-Testverfahren (IgG [Abbott], steigender Reihenfolge Abgeschlagenheit/Müdig- Immunglobulinklassen nicht differenziert [Roche, keit (17,4 %), Atembeschwerden (9,2 %), Kopf- und Wantai]) positive Resultate. Ferner waren beide Pro- Gliederschmerzen (8,1 %), Husten (6,9 %), Fieber/ ben SARS-CoV-2-IgA positiv und jeweils eine Probe subfebrile Temperaturen (5,8 %), Schnupfen (5,8 %), SARS-CoV-2-IgM grenzwertig bzw. positiv. Schwitzen/Schüttelfrost (4,6 %), Geruchs-/Ge- schmacksstörungen (4,6 %), Diarrhöen (2,3 %), Insgesamt konnte bei 535 der 550 eingeschlossenen Halsschmerzen (2,3 %) und Bindehautentzündung Patienten (97,27 %) sowohl ein Nasen-/Rachenab- (1,2 %). Im Weiteren wurden Symptome in den letz- strich als auch eine Blutprobe auf SARS-CoV-2-RNA ten 14 Tagen vor der stationären Aufnahme abge- und -Antikörper untersucht werden. Innerhalb des fragt. Hier gaben insgesamt 127 Studienteilnehmer 2-wöchigen Untersuchungszeitraums wurde bei 3 (26,7 %) Symptome an. Hierbei wurden vor allem dieser 535 Patienten (0,56 %) eine SARS-CoV-2- Abgeschlagenheit/Müdigkeit, Atembeschwerden Infektion festgestellt. Dies waren 2 aktuelle Infek und Husten angegeben. tionen (2 x PCR-positiv, eine davon auch IgG-posi- tiv) und eine zuvor abgelaufene Infektion (zweite SARS-CoV-2-PCR IgG-positive Patientin). Von den 550 eingeschlossenen Patienten konnte bei 5 (0,91 %) kein Nasen-/Rachenabstrich gewonnen Die vorgesehene Kontrolluntersuchung nach 3 Wo- werden. Bei 2 der 545 getesteten Patienten (0,37 %) chen fand bei dem geringen Anteil an aufgedeckten ergab die SARS-CoV-2-RT-PCR ein positives Resul- SARS-CoV-2-Infektionen keine Akzeptanz bei den tat. Eine der beiden SARS-CoV-2-RNA positiv getes- Teilnehmern, insbesondere nachdem sie über ihre teten Patienten wurde mit bekannter COVID-19- negativen Ergebnisse informiert wurden.
Epidemiologisches Bulletin 43 | 2020 22. Oktober 2020 12 Diskussion Die zweite SARS-CoV-2-infizierte Patientin befand In der kreisfreien Stadt Bonn (332.769 Einwohner) sich noch im Stadium vor der Serokonversion, wies lag im Studienzeitraum vom 4.5.2020 bis 17.5.2020 COVID-19-verdächtige Symptome auf und wurde die tägliche Neuinfektionsrate zwischen 0 und innerhalb der Johanniter-Kliniken Bonn mit nach- 7 Personen sowie im Rhein-Sieg-Kreis (599.780 gewiesener SARS-CoV-2-Infektion verlegt (Johan Einwohner), der die Stadt Bonn umgibt, zwischen niter-Krankenhaus nach Waldkrankenhaus). 0 und 33 Personen und damit einer täglichen Neuinfektionsrate von weniger als 10/100.000 Ein- Bei der dritten SARS-CoV-2-auffälligen Patientin wohner. Mit Stand 6.6.2020 lag die wöchentliche war anamnestisch eine 6 Wochen vor stationärer Neuinfektionsrate für Bonn bei 4,3/100.000 und Aufnahme erfolgte SARS-CoV-2-Infektion auszu- für den Kreis Rhein-Sieg bei 1,5/100.000 Einwohner machen. Diese Patientin fiel durch positive Anti (RKI: COVID-19 Dashboard5). Bei weiter deutlich körper-Resultate bei negativer PCR auf. rückläufiger Inzidenz bestätigter SARS-CoV-2-Fälle in Deutschland – bis zu ca. 6.000 täglich Ende März Bei der Auswertung dieser Ergebnisse ist zu beden- 2020 auf durchschnittlich ca. 350/Tag (Stand ken, dass der Studienzeitraum mit 14 Tagen eher kurz 6.7.2020) – war es wichtig zu wissen, wie viele war und somit eine Limitation der Studie darstellt. SARS-CoV-2-infizierte Patienten in dieser Situation Insbesondere gibt die Studie keine Antwort darüber, tatsächlich stationär aufgenommen werden. ob sich Patienten im Stadium der Inkubationszeit, d. h. vor nachweisbarer Virusausschüttung, unter den Die Erhebung erfolgte unter Studienbedingungen Getesteten befanden. Andererseits war die Zahl der und erforderte das schriftliche Einverständnis der gemeldeten regionalen Neuinfektionen in diesem Patienten. Dieses wurde von etwa 2/3 der Patienten Zeitraum stabil, eher mit fallender Tendenz, so dass erteilt. Ursache für eine Ablehnung der Teilnahme ein anderes Ergebnis bei längerem Screening-Zeit- an der Studie war bei vielen Patienten die initial ge- raum kaum zu erwarten gewesen wäre. plante Kontrolluntersuchung nach 3 Wochen. Auf- grund der niedrigen Inzidenz eines positiven Bei Screening-Untersuchungen in Geburtshilfe SARS-CoV-2-PCR-Resultats und der niedrigen abteilungen in der Stadt New York Ende März/ Seroprävalenz wurde der zweite Testzeitpunkt je- Anfang April 2020 wurde bei rund 13 % asympto- doch fallengelassen. matischer Patienten eine akute Infektion mit SARS- CoV-2 nachgewiesen6,7. Zu diesem Zeitpunkt war Bei einer täglichen Neuinfektionsrate von die Infektionswelle in New York auf ihrem Höhe- < 10/100.000 in den Regionen Stadtgebiet Bonn punkt mit über 6.000 Fällen pro Tag.8 In einer ähn- und Rhein-Sieg-Kreis wurden in unserer Studie lich angelegten Untersuchung in Boston wurden ab 2 SARS-CoV-2-RNA-positive Patienten detektiert. Mitte April ebenfalls insgesamt 757 Patienten bei Aufnahme in eine gynäkologische Abteilung getes- Eine dieser Patientinnen wurde aus einem entfernt tet. Hier konnten nur 1 – 2 % asymptomatische Pati- liegenden Krankenhaus nach Bonn verlegt. Diese enten identifiziert werden (je nach Klinik zwischen Patientin wies bei Aufnahme SARS-CoV-2-IgG-, 0,6 und 2,7 %). Ursächlich hierfür könnten die im -IgA- und grenzwertig -IgM-Antikörper auf, die bei- zeitlichen Verlauf eingeführten Schutzmaßnahmen den durchgeführten unterschiedlichen RT-PCRs er- wie Maskenpflicht, Social Distancing und fallende gaben eine eher geringe Viruskonzentration (cycle Ansteckungsraten in der Bevölkerung sein.9 Vergli- threshold 31 und 32). Bei dieser Patientin bestand seit chen mit diesen Infektionszahlen lag in unserem 10 Tagen fieberfrei Luftnot, welche allerdings wegen Kollektiv der Anteil der asymptomatisch Infizierten einer pulmonalen Grunderkrankung nicht zweifels- (maximal 1/545 = 0,18 %) in der Größenordnung der frei COVID-19 zuordenbar war. Da die Patientin vor Bostoner Erhebung bzw. sogar darunter. Überweisung 25 Tage in einem anderen Kranken- haus stationär behandelt wurde, ist diese Infektion Aktuell bestehen weiterhin deutliche regionale Un- als nosokomial zu werten. terschiede in den Infektionszahlen. Folglich werden in Regionen mit hohen Fallzahlen höhere Raten an
Epidemiologisches Bulletin 43 | 2020 22. Oktober 2020 13 SARS-CoV-2-Antikörper-Positiven in der Bevölke- ist die strikte Einhaltung von Schutzmaßnahmen rung festgestellt als in Regionen mit moderatem beim Personal sowie einer schnellen und gut vor- oder niedrigem Infektionsgeschehen. In einer Ge- ausgeplanten Handlungsweise im Falle des Ver- meinde in West-Nordrhein-Westfalen, in der sich dachts auf eine SARS-CoV-2-Infektion unerlässlich ein großer Infektionscluster innerhalb Deutsch- für die Verhinderung der Virusverbreitung im Kran- lands ereignete, konnte eine Antikörper-Prävalenz kenhaus (siehe www.rki.de). Als Frage bleibt, inwie- von 15,5 % nachgewiesen werden.4 In einer kürzlich fern es sinnvoll sein kann, eine breite Testung des in Genf durchgeführten Studie unter Einsatz des Klinikpersonals auf SARS-CoV-2-RNA oder SARS- identischen Antikörper-Testverfahrens wie in unse- CoV-2-Antikörper durchzuführen, solange eine rer Untersuchung wurde Ende Mai eine Seropräva- niedrige regionale Infektionsrate vorliegt. Hinter- lenz von knapp 11 % ermittelt.10 Im Gegensatz dazu grund der Überlegung ist, dass die Anzahl an Kon- konnten in Luxemburg in einer Region mit geringe- taktpersonen beim Personal häufig höher ist als bei ren Gesamtfallzahlen IgG-Antikörper nur bei 1,97 % stationären Patienten. Zur Identifizierung akut infi- der Getesteten gefunden werden.11 In der von uns zierter Mitarbeiter ist der virale Genomnachweis getesteten Patientenkohorte konnte IgG gegen oder ein anderes Verfahren zum Nachweis von SARS-CoV-2 ebenfalls nur bei einer geringen Perso- Virusbestandteilen heranzuziehen. Anti-SARS- nenzahl nachgewiesen werden. Dies waren eine be- CoV-2-Antikörper fehlen häufig in den ersten 10–14 reits genesene Patientin und eine Patientin mit Tagen nach Infektion12, können in einem nennens- wahrscheinlich seit 10 Tagen bestehenden respirato- werten Prozentsatz Infizierter nach jetzigem Kennt- rischen COVID-19-Symptomen (2/540 = 0,37 %). nisstand völlig ausbleiben oder rasch abfallen – dies v. a. nach asymptomatisch oder mild verlaufender Wie der Vergleich mit der Literatur zeigt, ist das Infektion – und stellen somit im Allgemeinen kei- Risiko des Eintrags von SARS-CoV-2 beeinflusst von nen geeigneten Marker zur Erkennung aktiver der Inzidenz in der Population. Bei niedriger SARS- SARS-CoV-2-Infektionen dar. CoV-2-Inzidenz (< 10 Neuinfektionen/100.000 Ein- wohner und Tag) in der Bevölkerung wie in unserer Studie ist das Risiko eines unerkannten Eintrags von Zusammenfassung SARS-CoV-2 in ein Krankenhaus der Regelversor- Bei niedriger Inzidenz von SARS-CoV-2 (< 10 Neuin- gung niedrig. Die beiden SARS-CoV-2 positiven Pati- fektionen täglich/100.000 Einwohner) konnten wir enten hätten sich auch anamnestisch für ein risiko- in dieser Untersuchung keinen relevanten Eintrag basiertes Screening qualifiziert. Die prästationäre Be- unerkannter SARS-CoV-2-Infektionen in unsere fragung und eine gründliche klinische Untersu- beiden Krankenhäuser beobachten. Die prästationä- chung sowie eine sorgsame Beobachtung stationärer re Befragung und klinische Untersuchung schienen Patienten hinsichtlich COVID-19-suspekter Anzei- hier ausreichend zu sein, um potenzielle Infektions- chen scheinen ausreichend zu sein, um potenzielle fälle primär zu identifizieren und zu isolieren. Infektionsfälle zu isolieren. Ein flächendeckendes, generelles Screening bei stationärer Aufnahme mit- Die regionale SARS-CoV-2 Inzidenz kann als Grund- tels SARS-CoV-2-PCR erscheint unter diesen Um- lage für die Entscheidung über ggf. kurzfristige Ein- ständen fraglich. Bei Verlegungen aus anderen Kran- führung von Screening-Untersuchungen bei Auf- kenhäusern, insbesondere aus Regionen mit hoher nahme in ein Krankenhaus der Region genutzt wer- Inzidenz an SARS-CoV-2-Neuinfektionen, ist jedoch den. Unsere Ergebnisse unterstützen die Vorgaben eine SARS-CoV-2 PCR-Testung zu befürworten. der nationalen Teststrategie SARS-CoV-2, in der empfohlen wird, die Testung stationär aufzuneh- Die regionalen Infektionsraten, die insbesondere mender Patienten und des Personals „unter Berück- auch lokale Ausbrüche erfassen, sind daher ein ent- sichtigung der epidemiologischen Lage“ durchzu- scheidender Faktor und sollten als Grundlage für führen. die Entscheidung über eine ggf. kurzfristige Einfüh- rung von Screening-Untersuchungen und weiteren Maßnahmen genutzt werden. Unabhängig davon
Epidemiologisches Bulletin 43 | 2020 22. Oktober 2020 14 Literatur 1 Schwierzeck V, König JC, Kühn J, Mellmann A, 11 Snoeck CJ, Vaillant M, Abdelrahman T, Satagopam Correa-Martínez CL, Omran H, Konrad M, et al.: VP, Turner JD, Beaumont K, et al. Prevalence of First reported nosocomial outbreak of severe acute SARS-CoV-2 infection in the Luxembourgish respiratory syndrome coronavirus 2 (SARS-CoV-2) population: the CON-VINCE study. medRxiv. in a pediatric dialysis unit. Clin. Infect. Dis. 2020 2020:2020.05.11.20092916. April. doi.org/10.1093/cid/ciaa491 12 Deeks JJ, Dinnes J, Takwoingi Y, Davenport C, 2 Oran DP, Topol EJ: Prevalence of Asymptomatic Spijker R, Taylor-Phillips S, Adriano A, Beese S, SARS-CoV-2 Infection: A Narrative Review. Ann. Dretzke J, Ferrante di Ruffano L, Harris IM, Price Intern. Med. 2020 Jun3:M20-3012. doi: 10.7326/ MJ, Dittrich S, Emperador D, Hoo. L, Leeflang M20-3012 MMG, Van den Bruel A, Cochrane COVID-19 Diag- nostic Test Accuracy Group: Antibody tests for 3 Gao Z, Xu Y, Sun C, Wang X, Guo Y, Qui S, Ma K: identification of current and past infection with A Systematic Review of Asymptomatic Infections SARS-CoV-2. Cochrane Database Syst Rev 2020 Jun with COVID-19. J. Microbiol. Immunol. Infect. 2020 25;6(6):CD013652. doi: 10.1002/14651858. May 15. doi: 10.1016/j.jmii.2020.05.001 CD013652. 4 Streeck H, Schulte B, Kuemmerer B, Richter E, Hoeller T, Fuhrmann C, et al.: Infection fatality rate of SARS-CoV-2 infection in a German community with a super-spreading event. medRxiv. Autorinnen und Autoren a) 2020:2020.05.04.20090076. Prof. Dr. med. Yon-Dschun Ko | a) Carmen Schuma- cher | a) Anja Wallau | a) Priv.-Doz. Dr. med. Udo 5 RKI Dashboard 2020: https://experience.arcgis. Schmitz | a) Klaus Wilhelm | b) Dr. Susanne Abels | com/experience/478220a4c454480e823b17327b2b- c) Prof. Dr. med. Hendrik Streeck | c) Prof. Dr. Anna M. f1d4 Eis-Hübinger 6 Sutton D, Fuchs K, D‘Alton M, Goffman: Universal a) Johanniterklinken Bonn Screening for SARS-CoV-2 in Women Admitted for b) Delivery. N. Engl. J. Med. 2020;382:2163-4. doi: Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit, 10.1056/NEJMc2009316 Universitätsklinikum Bonn c) Institut für Virologie, Universitätsklinikum Bonn 7 Vintzileos JM, Muscat J, Hoffmann E, John NS, Vertichio R, Vintzileos AM, Vo D: Screening all Korrespondenz: Yon-Dschun.Ko@bn.johanniter-klini- pregnant women admitted to labor and delivery for ken.de the virus responsible for coronavirus disease 2019. Am. J. Obstet. Gynecol. 2020;26:S0002- 9378(20)30472-5. doi: 10.1016/j.ajog.2020.04.024 Vorgeschlagene Zitierweise 8 Health N: COVID-19:Data; Daily Count 2020: Ko Y, Schumacher C, Wallau A, Schmitz U, Wilhelm K, https://www1.nyc.gov/site/doh/ Abels S, Streeck H, Eis-Hübinger AM: SARS-CoV-2- covid/covid-19-data.page Screening bei Aufnahme von Patienten in einem Ver- bund-Krankenhaus der Regelversorgung der Stadt 9 Goldfarb IT, Diouf K, Barth WH, et al. Universal Bonn SARS-CoV-2 testing on admission to the labor and delivery unit: Low prevalence among asymptomatic Epid Bull 2020; 43:10–15 | DOI 10.25646/7139.2 obstetric patients [published online ahead of print, (Dieser Artikel ist online vorab am 28.9.2020 erschie- 2020 May 27]. Infect Control Hosp Epidemiol. nen.) 2020;1-2. doi:10.1017/ice.2020.255 10 Stringhini S, Wisniak A, Piumatti G, et al. Seropreva- lence of anti-SARS-CoV-2 IgG antibodies in Geneva, Interessenkonflikt Switzerland (SEROCoV-POP): a population-based Die Autorinnen und Autoren erklären, dass kein Inte study [published online ahead of print, 2020 Jun 11]. ressenkonflikt besteht. Lancet. 2020;S0140-6736(20)31304-0. doi:10.1016/ S0140-6736(20)31304-0
Epidemiologisches Bulletin 43 | 2020 22. Oktober 2020 15 Danksagung Dank gilt der Johanniter GmbH Dr. T. Krössin und Herrn Dr. med. Peter Walger, Deutsche Gesellschaft H. Häfner für die Finanzierung der Studie. für Krankenhaushygiene e.V. Besonderer Dank für die Beratung zu allen fachlichen Den Mitarbeitern der Johanniter-Kliniken Bonn und Fragen der Studie gilt Herrn Prof. Dr. med. M. Exner, den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Instituts Direktor des Institut für Hygiene und Öffentliche für Virologie sei gedankt für ihren unermüdlichen Gesundheit, Universitätsklinikum Bonn und Einsatz während der Pandemie. Weltpoliotag 2020: Afrikanische Region als poliofrei zertifiziert In diesem Jahr wurde die vierte von insgesamt fünf Da WPV2 ausgerottet ist, wurde im April 2016 die Regionen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Impfstrategie vom trivalenten auf bivalenten OPV als poliofrei zertifiziert: Seit Ende August gilt nun (Typ 1 und 3) vollzogen. Durch die Entfernung der auch der afrikanische Kontinent als frei von Kinder- Typ-2-Komponente aus dem Impfstoff wird das lähmung (Poliomyelitis, Polio). Risiko einer Polioerkrankung durch cVDPV2 ver- mindert. Andererseits wird monovalenter Impfstoff Diese Entscheidung der WHO ist ein Meilenstein (mOPV2) zur Eindämmung von Ausbrüchen durch für Afrika und die globale Polioeradikationsinitia cVDPV2 eingesetzt, wodurch die Zirkulation der tive (GPEI). Die Einstufung bedeutet, dass es in al- Viren aufrechterhalten wird. Daher wird seit eini- len 47 Ländern der Afrika-Region seit mindestens gen Jahren zusätzlich an der Entwicklung eines drei Jahren keine Erkrankungen durch Poliowild neuartigen, modifizierten OPV2-Impfstoffes gear- viren (WPV) mehr gab. Nigeria, das letzte Land der beitet (nOPV2). In klinischen Studien zeigt dieser afrikanischen Region mit autochthoner WPV1-Über- Impfstoff vergleichbaren Schutz, ist jedoch gene- tragung, hatte seit 2016 keine Neuerkrankungen ge- tisch stabiler, wodurch die Entstehung neuer meldet. cVDPV2 vermieden werden soll. nOPV2 soll bereits in den nächsten Monaten zum Einsatz kommen. Das Polio-Programm in Afrika ist hinsichtlich Perso- nal, Infrastruktur und Expertise größer als jedes an- Auch die globale Gefahr im Kampf gegen Polio ist dere Gesundheitsprogramm auf dem Kontinent. Die noch nicht gebannt – Pakistan und Afghanistan jahrzehntelang gesammelten Erfahrungen werden haben seit 2019 wieder steigende Fallzahlen (WPV1). aktuell auch im Kampf gegen die Covid-19-Pandemie Hier erschweren islamistische Extremisten, die die eingesetzt. So leisten die Labore einen substanziel- Verschwörungstheorie verbreiten, der Westen wolle len Beitrag zur Stärkung der Gesundheitssysteme. muslimische Kinder sterilisieren, die Eradikations- bemühungen. Immer wieder werden Impfkampag- Dennoch besteht auch Anlass zur Besorgnis, denn die Zahl der Infektionen durch zirkulierende 2016 2017 2018 2019 2020 Vakzine-abgeleitete Polioviren (cVDPV) steigt seit cVDPV1 3 (1) 0 27 (2) 12 (4) 15 (2) 2019 vorwiegend in Afrika an (s. Tab. 1). So kam es cVDPV2 2 (2) 96 (2) 65 (5) 366 (16) 449 (21) in diesem Jahr in 18 Ländern Afrikas zu Ausbrüchen cVDPV3 0 0 7 (1) 0 0 durch cVDPV2 (298 Fälle, u. a. Tschad, DR Kongo, Tab. 1 | Akute schlaffe Lähmungen (AFP) mit Nachweis von Burkina Faso, Elfenbeinküste). Dieser Virustyp ist cVDPV nach Jahr. In Klammern dargestellt ist die Anzahl der verantwortlich für nahezu alle nachgewiesenen betroffenen Länder [Stand 13.10.2020, Quelle: http:// polioeradication.org] Fälle von Erkrankungen durch cVDPV.
Epidemiologisches Bulletin 43 | 2020 22. Oktober 2020 16 nen von gewaltsamen Zwischenfällen überschattet. tainments auf WPV3-infektiösem Material, poten- In diesem Jahr erschwerte zudem die Corona-Krise ziell infektiösem Material und cVDPV3. Somit sind die Arbeiten. Wegen der Pandemie wurden in bei- Tätigkeiten mit diesen Materialien nun ebenfalls au- den Länder Impfkampagnen ausgesetzt, allein in ßerhalb sogenannter poliovirus essential facilities Pakistan konnten Schätzungen zufolge rund 40 Mil- (PEF) unzulässig. Eine entsprechende Rechtsverord- lionen Kinder nicht gegen Polio geimpft werden. nung für den Paragraph 50a des Infektionsschutzge- Aufgrund der Verzögerungen bei den Impfkam setzes (IfSG), der das Laborcontainment von Polio- pagnen rechnet die GPEI leider mit einem weiteren viren in Deutschland regelt, ist in Vorbereitung. Anstieg der globalen Poliofälle. 400 PHEIC In Pakistan wurden 2020 bisher 77 WPV Fälle bestä- andere 350 Nigeria tigt, in Afghanistan 52 (Stand 13. 10. 2020, s. Abb. 1). Afghanistan 300 Darüber hinaus steigt dort auch die Zahl der Abwas- Pakistan serproben mit Nachweis von WPV1 (n = 393, im 250 Vergleich zu 221 in 2019). Hinzu kommen 200 cVDPV2-Nachweise bei Patienten mit akuten schlaf- 150 fen Paresen (AFP, n = 64 in Pakistan und n = 87 in 100 letzter Fall in Nigeria Afghanistan) und aus Abwasser (n = 57 in Pakistan 50 und n = 88 in Afghanistan). 0 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Aufgrund der anhaltenden Zirkulation von WPV1 und der Zunahme von cVDPV-Nachweisen hat die Abb. 1 | Anzahl der bestätigten Fälle durch Poliowildviren (WPV) seit 2014. PHEIC = Public Health Emergency WHO in diesem Jahr erneut die seit 2014 gültige of International Concern; PHEIC wurde 2014 von der Gesundheitliche Notlage von internationaler Trag- WHO festgestellt und seitdem jedes Jahr verlängert weite (Public Health Emergency of International [Stand 13.10.2020; Quelle: http://polioeradication.org] Concern, PHEIC) verlängert. Polio 1 Polio 2 Polio 3 Poliowildvirus (WPV) Nein Ja (2015) Ja (2019) Polio Laborcontainment-Update eradiziert? Die erfolgreiche Ausrottung von WPV3 (2019) hat In Schluckimpfung (OPV) Ja Nein Ja auch Auswirkungen auf das Laborcontainment. Die enthalten? Containment Strategie unterscheidet sich dabei Zirkulieren noch Vakzine- Ja Ja Ja abgeleitete Viren (cVDPV)? jedoch vom Poliovirus Typ 2-Laborcontainment Containment gilt für WPV2/OPV2/ WPV3/ (s. Tab. 2). Da die Typ 3-Komponente vorerst Be- VDPV2 VDPV3 standteil des bivalenten oralen Lebendimpfstoffs Tab. 2 | Übersicht zum Polio-Laborcontainment (OPV) bleiben wird, liegt der initiale Fokus des Con- Autorin Vorgeschlagene Zitierweise Dr. Sabine Diedrich Diedrich S: Weltpoliotag 2020: Afrikanische Region als Robert Koch-Institut, FG 15 – Nationales Referenz poliofrei zertifiziert zentrum für Poliomyelitis und Enteroviren Epid Bull 2020; 43:15–16 | DOI 10.25646/7166 Korrespondenz: DiedrichS@rki.de Interessenkonflikt Die Autorin gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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