Neuropsychologische Störungen bei Patienten mit autoimmunen Enzephalitiden - www.kup.at/ JNeurolNeurochirPsychiatr
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Journal für Neurologie, Neurochirurgie und Psychiatrie www.kup.at/ JNeurolNeurochirPsychiatr Zeitschrift für Erkrankungen des Nervensystems Neuropsychologische Störungen bei Homepage: Patienten mit autoimmunen www.kup.at/ Enzephalitiden JNeurolNeurochirPsychiatr Heidler MD Online-Datenbank mit Autoren- Journal für Neurologie und Stichwortsuche Neurochirurgie und Psychiatrie 2015; 16 (4), 170-176 Indexed in EMBASE/Excerpta Medica/BIOBASE/SCOPUS Krause & Pachernegg GmbH • Verlag für Medizin und Wirtschaft • A-3003 Gablitz P.b.b. 02Z031117M, Verlagsor t : 3003 Gablitz, Linzerstraße 177A /21 Preis : EUR 10,–
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Neuropsychologische Störungen bei Patienten mit autoimmunen Enzephalitiden M.-D. Heidler Kurzfassung: Autoimmune Enzephalitiden sind tienten mit Enzephalitiden durch Antikörper ge- brain regions, eg, in the mediotemporal part of die Folge zirkulierender Autoantikörper gegen in- gen intrazelluläre Antigene eine eher schlechte the limbic gray matter (limbic encephalitis) lead- trazelluläre oder an der Zelloberfläche liegende Prognose im Hinblick auf eine Remission kogni- ing to different cognitive, affective, and behav- Antigene neuronaler Strukturen. Die Immunre- tiver, affektiver und neurologischer Störungen. ioral disorders. The cerebellum can be affect- aktion kann durch einen okkulten Tumor ausge- ed as well (subacute cerebellar degeneration), löst werden, der neuronale Antigene exprimiert Schlüsselwörter: Autoimmune Enzephalitis, and a loss of Purkinje cells can induce a cere- (paraneoplastisch), oder ohne Anzeichen für ei- paraneoplastische neurologische Syndrome, bellar cognitive affective syndrome. Patients nen Tumor (nichtparaneoplastisch). Die immuno- subakute zerebelläre Degeneration, limbische with autoimmune encephalitis due to antibodies logische Reaktion führt zu Entzündungsreak- Enzephalitis, Anti-NMDAR-Enzephalitis against antigens in the cell membrane (such as tionen in verschiedenen Hirnarealen, beispiels- anti-NMDAR encephalitis) respond well to im- weise im medio-temporalen Teil der limbischen munotherapy, whereas patients with encepha- grauen Substanz (limbische Enzephalitis), was Abstract: Neuropsychological Disorders litis due to antibodies against intracellular an- zu zahlreichen kognitiven, affektiven und Verhal- in Patients Suffering from Autoimmune En- tigens have a poor prognosis concerning remis- tensauffälligkeiten führt, oder im Kleinhirn (sub- cephalitis. Autoimmune encephalitis results sion of cognitive, affective, and neurologic im- akute zerebelläre Degeneration), wo ein Ver- from circulating auto-antibodies against intra- pairments. J Neurol Neurochir Psychiatr lust von Purkinje-Zellen ein zerebelläres kogni- cellular antigens or antigens in the cell mem- 2015; 16 (4): 170–6. tiv-affektives Syndrom verursachen kann. Wäh- brane of neuronal structures. Immune reaction rend Patienten mit autoimmunen Enzephalitiden can be triggered by an occult tumor express- Key words: autoimmune encephalitis, paraneo- infolge von Antikörpern gegen Oberflächenanti- ing neuronal antigens (paraneoplastic) or oc- plastic neurologic syndromes, subacute cerebel- gene (z. B. Anti-NMDAR-Enzephalitis) relativ gut cur in the absence of cancer (non-paraneoplas- lar degeneration, limbic encephalitis, anti- auf eine Immuntherapie ansprechen, haben Pa- tic). It causes inflammatory damage of different NMDAR encephalitis Einleitung bedeutsamer Bestandteil von adaptiver Immunität gegen Pa- thogene. Diese richtet sich bei autoimmunen Enzephalitiden Enzephalitiden führen zu zerebralen Dysfunktionen infolge jedoch fälschlicherweise gegen das ZNS. In Bezug auf die Lo- eines entzündlichen Prozesses des Hirnparenchyms und stel- kalisation der Antigene wird aktuell unterschieden zwischen len einen potenziell lebensbedrohlichen Zustand dar [1]. Sie – Antikörpern gegen intrazelluläre neuronale Antigene (im können einerseits infektiös bedingt (z. B. durch eine Herpes- Inneren von Hirnzellen) und simplex-Virus-Infektion) oder andererseits Folge einer Auto- – Antikörpern gegen prä- und postsynaptische Oberflächen- immunreaktion sein – um letztere soll es im Folgenden gehen. proteine, d. h. gegen Antigene, die sich nicht im Inneren der Zelle, sondern in der Zellmembran befinden und bei Der Begriff „autoimmune Enzephalitiden“ beschreibt eine he- denen es sich vor allem um Rezeptoren und Ionenkanäle terogene Gruppe von antikörperassoziierten, nicht erregerbe- handelt [3]. dingten entzündlichen Erkrankungen der grauen Substanz [2]. Autoimmune Prozesse können hierbei zum einen paraneo- In beiden Fällen kann es zu funktionellen und/oder strukturel- plastischer Genese sein (wenn irgendwo im Körper ein Tu- len neuronalen Schädigungen mit entsprechenden neuropsy- mor/Neoplasie heranwächst und eine immunologische Re- chologischen Beeinträchtigungen kommen: Funktionell kön- aktion hervorruft) oder nichtparaneoplastisch (wenn kein zu- nen Antikörper die neuronale Aktivität beeinträchtigen, ohne grunde liegender Tumor gefunden werden kann). dabei die Neuronen selbst zu schädigen (z. B. stören Antikör- per gegen Oberflächenproteine die synaptische Übertragung), In den vergangenen Jahren wurden zahlreiche, diagnostisch sodass diese ihre Funktion wiedererlangen können, wenn die und prognostisch relevante Autoantikörper entdeckt, die zu Antikörper beseitigt sind. Antikörper können jedoch auch zu immunvermittelten entzündlichen Erkrankungen des ZNS strukturellen Schäden mit neuronalem Zelltod und damit zu führen. Diese binden sich an so genannte Antigene (antibody einem irreversiblen Verlust an neuronaler Aktivität und zu sta- generating), die eine Immunantwort auslösen können und bei bilen neuropsychologischen Defektsyndromen führen [4]. denen es sich insbesondere um Proteine, Lipide und Kohlen- hydrate handelt. Lymphozyten produzieren B- und T-Zell-Re- Die Einteilung der Antikörper hat neben ihrer diagnostischen zeptoren für zahlreiche Antigene; die Bindung von Antigen- eine wichtige prognostische Bedeutung, da autoimmune En- Rezeptoren und von Antikörpern an Antigene ist ein an sich zephalitiden mit Antikörpern gegen Oberflächenproteine rela- tiv gut auf Immuntherapie ansprechen, Enzephalitiden mit in- trazellulären Antigenen jedoch nicht [5]. Eingelangt am 23. Jänner 2014; angenommen am 7. Februar 2014; Pre-Publishing Online am 28. April 2014 Aus der Brandenburg-Klinik, Bernau-Waldsiedlung und der Professur für Rehabilita- Paraneoplastische neurologische Syn- tionswissenschaften, Universität Potsdam, Deutschland drome (PNS) Korrespondenzadresse: Dr. phil. Maria-Dorothea Heidler, Neurologisches Rehabili- tationszentrum (NRZ-N1), Brandenburg-Klinik, D-16321 Bernau-Waldsiedlung, Branden- PNS sind Autoimmunerkrankungen, die charakterisiert sind burgallee 1; E-Mail: heidler@brandenburgklinik.de durch immunologische Reaktionen gegen Antigene in Tumor- 170 J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2015; 16 (4) For personal use only. Not to be reproduced without permission of Krause & Pachernegg GmbH.
Autoimmune Enzephalitiden Tabelle 1: Klassische und nichtklassische, paraneoplastische neurologische Syndrome. Nach [6, 7, 10]. Klassische PNS Nichtklassische PNS (Antikörper gegen intrazelluläre Antigene) (Antikörper gegen Oberflächenantigene in der Zell- membran) Zentrales Nervensystem Limbische Enzephalitis Hirnstammenzephalitis Subakute zerebelläre Degeneration Optikusneuritis Enzephalomyelitis Paraneoplastische Retinopathie Opsoklonus-Myoklonus-Syndrom (unwillkürli- Stiff-Person-Syndrom (progressive Enzephalomyelitis che, arrhythmische multidirektionale Sakkaden, mit Rigidität und Myoklonien) die oft von Myoklonien im Rumpf und in den Nekrotisierende Myelopathie Extremitäten, Ataxie, Tremor und Enzephalo- pathie begleitet werden) Myelitis Extrapyramidale Störungen/Chorea Motoneuronerkrankungen Behandlungsresistenter Status epilepticus Peripheres Nervensystem Subakute sensorische Neuronopathie Akute sensomotorische Neuropathie Chronische gastrointestinale Pseudoobstruk- Autonome Neuropathie tion Akute und chronische Polyradikulitis Mononeuritis multiplex (paraneoplastische Vaskulitis peripherer Nerven) Plexusneuritis Motoneuronerkrankungen Akute Pandysautonomie (sympathische und para- sympathische Dysautonomie) Neuropathie mit Vaskulitis Neuromuskuläre Endplatte/Muskel Lambert-Eaton-Myasthenie-Syndrom Myasthenia gravis Dermatomyositis Erworbene Neuromyotonie Akute nekrotisierende Myopathie Hyperexzitabilitätssyndrome (Übererregbarkeit) zellen oder Neuronen. Sie kommen hauptsächlich bei Lungen-, oft sind aber verschiedene Areale und Zelltypen betroffen [8]. Brust- und Ovarialkarzinomen, Thymomen und Hodgkin-Er- Die meisten PNS haben einen subakuten, raschen progressi- krankungen vor und manifestieren sich oft schon Jahre, bevor ven Verlauf und entwickeln sich über Wochen oder Mona- die zugrunde liegende Krebserkrankung überhaupt erkannt te [9]. wird. Die geschätzte Prävalenz liegt bei mindestens 1:10.000, wahrscheinlich entwickeln aber deutlich mehr Tumorpatien- Aktuell wird zwischen klassischen und nichtklassischen PNS ten ein PNS als bislang vermutet, da diese Erkrankungen noch unterschieden (Tab. 1): Zu den klassischen PNS gehören jene nicht allzu lange diagnostiziert und wahrscheinlich auch noch mit Antikörpern gegen intrazelluläre neuronale Antigene und nicht alle PNS als solche identifiziert werden können [6]. zu den nichtklassischen PNS werden Autoimmunenzephaliti- den mit fakultativ-paraneoplastischer Genese und Antikörpern Es wird vermutet, dass PNS infolge ektopischer Expression gegen neuronale Oberflächenantigene gezählt [10]. durch Tumorzellen eines (onkoneuronalen) Antigens verur- sacht werden, das identisch ist mit jenem im Gehirn. Eine im Das aktuelle Management paraneoplastischer neurologischer lymphatischen System induzierte Immunreaktion (vermittelt Syndrome umfasst vor allem die Diagnostik und möglichst durch antigenspezifische zytotoxische T- und B-Zellen) führt frühe Therapie des Tumors, während die Beschreibung und hierbei zu entzündlichen Infiltraten sowohl im Nervensystem Definition neuer Syndrome ein wichtiger Gegenstand der ak- als auch im Tumorgewebe. Die Immunattacke richtet sich zu- tuellen Forschung ist. Drei der bislang bekanntesten Syndro- erst direkt gegen die Tumorzellen und erst später fälschlicher- me sollen im Folgenden kurz vorgestellt werden, wobei der weise auch gegen neuronales Gewebe [7]. Fokus auf die neuropsychologischen Störungen der betroffe- nen Patienten gelegt werden soll. Von einem paraneoplastischen Syndrom können verschiede- ne Organsysteme (das Nervensystem, die Retina, die neuro- Subakute zerebelläre Degeneration muskuläre Endplatte oder die Muskulatur) betroffen sein. Be- Kennzeichen der subakuten zerebellären Degeneration (mit sonders schwere Störungen entwickeln sich bei Patienten, bei Yo-Antikörpern) ist ein irreversibler Verlust von Purkinje- denen das zentrale und/oder periphere Nervensystem betrof- Zellen. Dieser wird mit entzündlichen Infiltraten in Zusam- fen ist – hier bestimmt oft das PNS und nicht der zugrunde menhang gebracht und die Patienten sprechen in der Regel liegende Tumor die Prognose. Einige PNS betreffen haupt- schlecht auf eine immunmodulatorische Therapie an [11]. Ne- sächlich bestimmte zerebrale Areale (z. B. die limbische En- ben Ataxie, Diplopie, ataktischer Dysarthrie und Dysphagie zephalitis oder die Hirnstammenzephalitis), andere einen be- können dysexekutive und affektive Störungen im Sinne des stimmten Zelltyp (z. B. die Purkinje-Zellen des Kleinhirns), von Schmahmann und Sherman 1998 beschriebenen zere- J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2015; 16 (4) 171
Autoimmune Enzephalitiden bellären kognitiv-affektiven Syndroms bestehen [12]. Dieses Proteine und einer Kreuzreaktivität gegen Antigene in Hirn- umfasst: strukturen, in denen diese Proteine vorkommen [22]. Von den – Gestörte Exekutivfunktionen (z. B. Defizite im Planen, Se- entzündlichen Prozessen ist vor allem die graue Substanz lim- quenzieren und Kontrollieren von Handlungen, im schluss- bischer Areale betroffen (Hippokampusformation im media- folgernden, abstrakten und divergenten Denken, im verba- len Temporallappen, Amygdala, Gyrus cinguli und frontoba- len Arbeitsgedächtnis sowie in der mentalen Flexibilität) sale Regionen), häufig aber auch darüber hinausgehend der – Räumlich-kognitive Störungen (z. B. Defizite in der räum- Hirnstamm, die Basalganglien und/oder das Kleinhirn [23, lich-konstruktiven Verarbeitung und bei visuell-räumlichen 24]. Bei einigen Patienten können Antikörper gegen intra- Gedächtnisleistungen) zelluläre Antigene vorliegen (onkoneuronale Antikörper wie – Persönlichkeitsveränderungen (z. B. Affektverflachung, Hu, Ma2, Amphiphysin, CV2/CRMP5), sodass diese trotz ag- enthemmtes oder unangemessenes Verhalten) gressiver, kombinierter antineoplastischer und immunmodu- – Sprachstörungen (z. B. zerebellärer Agrammatismus sowie latorischer Therapie oft eine eher schlechte Prognose haben. leichte Anomie unter anderem als Folge beeinträchtigter di- Bei anderen Patienten bestehen Antikörper gegen neurona- vergenter Denkleistungen) le Zelloberflächen-Antigene, z. B. NMDA (N-Methyl-D-As- partat), AMPA (-Amino-3-Hydroxy-5-Methyl-4-Isoxazol- Neuroanatomische Grundlage des kognitiv-affektiven Syn- Propionsäure), GABAB (-Amino-Buttersäure-B), LGI1 (leu- droms sind reziproke Faserverbindungen vom Kleinhirn zum cine-rich glioma-inactivated 1) oder Glycin-Rezeptoren [25]. Kortex, unter anderem zum Präfrontal- und posterioren Parie- Diese Patienten haben unter immunmodulatorischer Therapie talkortex via zerebello-thalamo-kortikale und kortiko-ponto- und (bei paraneoplastischer Genese) nach Tumorentfernung zerebelläre Schleifen [13, 14]. Fallbeispiele subakuter zere- eine relativ gute Prognose im Hinblick auf eine Remission bellärer Degeneration [15] und Läsionsstudien zeigen, dass das neuropsychologischer Defizite [26, 27]. Kleinhirn Bestandteil eines komplexen funktionalen Systems ist, welches Aspekte von Sprechplanung, Exekutivfunktionen, Verdacht auf autoimmune limbische Enzephalitis besteht visuell-räumlichen Leistungen, Sprachfunktionen und Verhal- dann, wenn ein zuvor unauffälliger Patient subakut „limbische tensregulation unterstützt [16]. Da das Kleinhirn eine Art inne- Symptome“ mit typischen, kognitiven affektiven und Verhal- rer Taktgeber für sowohl motorische als auch perzeptuelle Leis- tensauffälligkeiten entwickelt [28]. Zu diesen gehören Neu- tungen zu sein scheint [17], führt eine subakute zerebelläre De- gedächtnisstörungen, verbal-semantische Defizite, psychiatri- generation nicht nur zu einer motorischen, sondern häufig auch sche Auffälligkeiten (Reizbarkeit, Halluzinationen, Wahn, in- zu einer kognitiven Dysmetrie im Sinne einer Art „Denkataxie“ haltliche und formale Denkstörungen), zeitlich-räumliche und mit Störungen bei der Koordination und zeitlichen Modulati- topographische Desorientiertheit, Persönlichkeitsveränderun- on kognitiver Prozesse sowie bei der Zeitwahrnehmung. Diese gen, Angstzustände sowie Temporallappenanfälle [6, 24, 29, Leistungen sind unter anderem Basis einer effektiven Sprach- 30], die oft schlecht auf Antiepileptika, jedoch in vielen Fällen perzeption und -produktion [18]. Im Rahmen der Timing-Hy- prompt auf eine Immuntherapie ansprechen [31]. Da auch der pothese wird außerdem angenommen, dass das Kleinhirn auch Frontallappen betroffen ist, sind zudem zahlreiche kognitive für die zeitliche Organisation des inneren Sprechens sehr be- und soziale Exekutivfunktionen beeinträchtigt (z. B. die Pla- deutsam ist [19], von dem wiederum zahlreiche andere kogniti- nung, Sequenzierung und Kontrolle von verbalen und anderen ve Funktionen abhängen – z. B. das verbale Arbeitsgedächtnis. Handlungen, selektive Aufmerksamkeitsfunktionen, diskurs- pragmatische Leistungen oder Empathievermögen). Kardinal- Daneben ist das Kleinhirn an der Affektregulation beteiligt, symptom der limbischen Enzephalitis ist jedoch ein schwe- weshalb sich bei subakuter zerebellärer Degeneration Af- res amnestisches Syndrom mit anterograder sowie (oft ge- fektverflachung, Enthemmung oder unangemessene Verhal- ringer ausgeprägter) retrograder Amnesie bei gleichzeitig oft tensweisen zeigen können [12]. Aufgrund der Verbindungen intaktem Kurzeitgedächtnis (KZG). Vielfach wurde die lim- des Vermis über Kleinhirnkerne mit dem limbischen Kortex bische Enzephalitis als „Modellerkrankung“ zur Erforschung [20] zeigen einige Patienten psychiatrische Auffälligkeiten der Hippokampusformation für das menschliche Gedächtnis wie Angststörungen, Panikattacken, schizophrene Sympto- angesehen: Der deutliche Kontrast zwischen einem erhalte- me, Depression, Persönlichkeitsveränderungen, Phobien oder nen KZG und einem massiv gestörten semantischen und/oder Zwangserkrankungen [21]. Da eine paraneoplastische zere- episodischen Langzeitgedächtnis (je nachdem, ob der Tempo- belläre Degeneration oft gleichzeitig mit einer paraneoplas- rallappen uni- oder bilateral geschädigt ist) bestätigt zum ei- tischen limbischen Enzephalitis besteht, zeigen die Patienten nen die Hypothese einer Repräsentation des KZG im Asso- neben dem kognitiv-affektiven Syndrom häufig noch weitere ziationskortex (verbales KZG temporo-parietal links, visuell- neuropsychologische Defizite. räumliches KZG parietal rechts) sowie zum anderen die Be- deutung der Hippokampusformation für die Enkodierung und Limbische Enzephalitis Konsolidierung von deklarativen Informationen in das seman- Eine limbische Enzephalitis kann nichtparaneoplastisch (ohne tische und episodische Langzeitgedächtnis in den lateralen Tumornachweis) oder paraneoplastisch (mit Tumornachweis) Temporallappen [32]. sein. Da sie meistens mit einem Tumor assoziiert ist (vor al- lem mit Lungen-, Hoden- und Brustkrebs), gehört sie zu den Patienten mit einer schweren bilateralen Schädigung des klassischen PNS. mediobasalen Temporallappens können ein so genanntes Klüver-Bucy-Syndrom entwickeln mit Hyperoralität (zwang- Die paraneoplastische limbische Enzephalitis ist Folge einer haftem In-den-Mund-Stecken und Essen beliebiger Gegen- Immunreaktion gegen ektop im Tumor exprimierte neuronale stände), Hypersexualität (z. B. permanentes Masturbieren), 172 J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2015; 16 (4)
Autoimmune Enzephalitiden Tabelle 2: Formen der limbischen Enzephalitis. Nach [36, 37]. a Paraneoplastische Antikörper und assoziierte Tumoren bei limbischer Enzephalitis Hu-Antikörper Kleinzelliges Bronchialkarzinom, Prosta- takarzinom, Seminom (Keimzelltumor des Hodens), Neuroblastom Ta-Antikörper Seminom Ma1-Antikörper Bronchial-, Mamma-, Kolon- und Parotis- karzinom Ma2-Antikörper Hodenkarzinom CV2/CRMP5-Antikörper Kleinzelliges Bronchialkarzinom, Uterus- karzinom, malignes lymphoepitheliales Thymom Amphiphysin-Antikörper Kleinzelliges Bronchialkarzinom, Mor- bus Hodgkin, Thymom, Mamma- und Kolonkarzinom ANNA-3-Antikörper Tumor der Lunge NMDA-Rezeptor-Antikörper Ovartumor (Teratom) bei jungen Frauen, Seminom bei jungen Männern Nichtparaneoplastische limbische Enzephalitis VGKC-Antikörper (voltage-gated potassium channel), z. B. LGI1-Anti- körper (leucine-rich glioma inactivated 1) b NMDA-Rezeptor-Antikörper (A-Methyl-D-Aspartat) AMPA-Rezeptor-Antikörper (-Amino-3-Hydroxy-5-Methyl-4-Isoxazol- Propionsäure) GABAB-Rezeptor-Antikörper (-Amino-Buttersäure-B) Non-herpetische, akute limbische Enzephalitis Hashimoto-Enzephalopathie (Steroid-responsive Enzephalopathie mit assoziierter Autoimmun-Thyroiditis) Infektiöse limbische Enzephalitis bei Befall limbischer Struktu- ren Herpes-simplex-Virus-Enzephalitis Humane-Herpes-Virus-6-Enzephalitis bei Immunsuppression Zytomegalie-Virus-Enzephalitis HIV-Enzephalitis multimodaler Agnosie, enthemmter motorischer Beschäfti- gung mit Objekten und pathologischem Greifen [33]. Neben Amnesie wird häufig eine Wernicke-Aphasie beschrie- ben mit neologistischem Jargon, semantischen Defiziten, An- Abbildung 1: 53-jährige Patientin mit limbischer Enzephalitis nichtparaneoplastischer Genese (3 Monate postakut). Klüver-Bucy-Syndrom mit exzessiver oraler Tendenz: omie und Sprachverständnisstörungen [34]. Aufgrund der Ausnahmslos alle Gegenstände werden zum Mund geführt (a) und lösen reflektori- umfassenden kognitiven und affektiven Defizite besteht je- sche Ess- und Trinkbewegungen aus (b). Keinerlei adäquates Hantieren mit Objek- doch primär eine kognitive Dysphasie [35], bei der Störungen ten möglich. Außerdem affektive Indifferenz, moderate Antriebsminderung, schwere antero- und retrograde Amnesie, schwer eingeschränkte Aufmerksamkeitsselektivität der Aufmerksamkeitsselektivität (erschwerte Fokussierung), (starke Ablenkbarkeit durch Außenreize, nur wenige Sekunden auf Objekte fokussier- mnestische Defizite (gestörte Enkodierung/Konsolidierung bar), zu allen Qualitäten desorientiert, visuelle Agnosie und kognitive Dysphasie mit in das semantische und/oder episodische Langzeitgedächtnis) neologistisch-konfabulatorischer Spontansprache. sowie eine visuelle oder multimodale Agnosie zu Anomie und Sprachverständnisdefiziten führen können (Abb. 1). phalitis paraneoplastisch ist (d. h. ob ein Tumor gefunden und gegebenenfalls entfernt werden kann), nichtparaneoplastisch Unklarheit herrscht darüber, ob infektiös bedingte Enzephali- mit nachweisbaren Antikörpern (beispielsweise gegen neu- tiden (z. B. die Herpes-simplex-Virus-Enzephalitis), bei denen ronale Zelloberflächenantigene), die auf eine Immuntherapie ebenfalls limbische Regionen befallen sein können, auch den ansprechen, oder aber Folge einer Virusinfektion, die dann ge- limbischen Enzephalitiden zugeordnet werden sollten [36] zielt medikamentös behandelt werden kann. Allerdings sind oder nicht [37]. Im Hinblick auf die Symptome ist dies sicher ätiologische Überschneidungen möglich: So kann ein Tumor sinnvoll, da die Diagnosekriterien bei Verdacht auf limbische oder eine im Rahmen der Krebstherapie stattfindende Bestrah- Enzephalitis (neu aufgetretene Gedächtnisstörungen, Tempo- lung das Immunsystem empfindlich stören, sodass beispiels- rallappenepilepsie, Affektstörung und temporo-mediale Sig- weise Herpes-Viren aktiv werden können (vgl. Tabelle 2 für nalanhebung im MRT) für alle Formen zutreffen. Für eine ef- einen Überblick sämtlicher Formen limbischer Enzephaliti- fektive Therapie ist allerdings wichtig, ob die limbische Enze- den, inklusive infektiös bedingter). J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2015; 16 (4) 173
Autoimmune Enzephalitiden Im Gegensatz zu Patienten mit limbischer Enzephalitis para- eine Anti-NMDAR-Enzephalitis häufig als katatone Schizo- neoplastischer Genese zeigen Patienten mit infektiöser limbi- phrenie, schwere depressive Episode mit katatonen Merkma- scher Enzephalitis (z. B. Herpes-simplex-Virus-Enzephalitis) len, psychogener Stupor im Sinne einer dissoziativen somato- häufig ausgeprägtere neuropsychologische Defizite in Bezug formen Störung oder (aufgrund des meist geringen Alters der auf Gedächtnisfunktionen, verbal-semantische sowie visuo- Patienten) als drogeninduzierte Psychose fehldiagnostiziert perzeptuelle Leistungen [38], da hier die strukturellen Schädi- wird [25]. Im Gegensatz zu anderen psychiatrischen Erkran- gungen oft auch den inferioren medialen Temporallappen, den kungen bestehen bei der NMDAR-Enzephalitis neben den inferioren Frontallappen und den Gyrus cinguli erfassen, die kognitiven Auffälligkeiten jedoch noch zahlreiche neurolo- auf das umliegende Hirngewebe drücken [39]. Eine Studie zu gische und vegetative Symptome, häufig ein grippeähnliches den kognitiven Langzeitfolgen nach akuter infektiöser Enze- Prodromalstadium, eine Delta-Theta-Verlangsamung im EEG, phalitis zeigte, dass ein hoher Prozentsatz der Patienten unter bei der Hälfte der Patienten ein durales Kontrastmittel-Enhan- Störungen im Antrieb und in den Exekutivfunktion leidet und cement beidseits frontal im MRT und die Patienten sprechen der wichtigste negative Prädiktor für eine kognitive Erholung nicht auf Neuroleptika an. Zudem sind von der NMDAR-En- die Entwicklung einer postenzephalitischen Epilepsie ist [40]. zephalitis im Jugendalter mehr Frauen betroffen und die schi- zophrenieähnlichen Symptome entwickeln sich subakut inner- Anti-NMDAR-Enzephalitis halb von wenigen Tagen bis Wochen [47]. Die Anti-NMDAR-Enzephalitis ist die häufigste immunver- mittelte, oft paraneoplastische und grundsätzlich behandelba- Obwohl der klinische Verlauf der Anti-NMDAR-Enzephalitis re Erkrankung [2] – vor allem durch Immuntherapie mit hoch- variabel sein kann mit einem diffusen Störungsbild aus subkor- dosierten Steroiden oder intravenösen Immunglobulinen. Sie tikalen, limbischen und fronto-striatalen Symptomen, haben tritt oft bei jungen Frauen mit Ovarialteratomen auf [41] und viele Patienten einen ähnlichen stadienhaften Verlauf [48]: ihre Diagnose erfolgt serologisch durch den Nachweis von 70 % der Patienten zeigen eine Prodromalphase mit Kopf- Antikörpern gegen NMDA-Rezeptoren. Das MRT ist meist schmerzen, Fieber, Übelkeit, Abgeschlagenheit, Diarrhöen und unauffällig, allerdings zeigt sich bei der Hälfte der Patienten Beschwerden der oberen Atemwege. In den darauffolgenden eine leichte FLAIR-Signal-Hyperintensität im Hippokampus, Wochen entwickeln sie kortikal assoziierte neuropsycholo- im zerebellären Kortex, frontobasal, insulär, in den Basalgan- gische Störungen, beispielsweise psychiatrische Auffälligkei- glien, im Hirnstamm und manchmal auch im Rückenmark; im ten wie Angstzustände, aggressives, stereotypes, agitiertes und EEG zeigen sich unspezifische Verlangsamungen [42]. bizarres Verhalten, psychotische Symptome (Wahnerleben, Pa- ranoia, Halluzinationen, inhaltliche und formale Denkstörun- NMDA-Rezeptoren sind durch den Liganden Glutamat ge- gen), kognitive Dysphasie mit desorganisierter, amorpher und steuerte Kationenkanäle, die eine wichtige Rolle bei der echolalischer Spontansprache (language disintegration), Akal- synaptischen Übertragung und Plastizität spielen. Eine Über- kulie, Agraphie, Orientierungsstörungen sowie mnestische De- aktivität der NMDA-Rezeptoren führt zur Exzitotoxizität – fizite – vor allem episodische Neugedächtnisstörungen durch ein Prozess, bei dem Neurotransmitter so zahlreich ausge- Unterdrückung der Langzeitpotenzierung im Hippokampus schüttet werden, dass ein neuronaler Selbstzerstörungsmecha- durch die NMDAR-Autoantikörper, was die Amnesie der Pati- nismus ausgelöst wird, der möglicherweise auch einigen Epi- enten für die akute Krankheitsphase erklärt [49]. Auch Symp- lepsien, Demenzen und Schlaganfällen zugrunde liegt. Eine tome eines Klüver-Bucy-Syndroms sind möglich. In der an- Unteraktivität von NMDA-Rezeptoren ruft hingegen Schizo- schließenden Phase sind dann zunehmend tiefer gelegene (sub- phreniesymptome hervor [41]. Der Pathomechanismus der kortikale und infratentorielle) Regionen beeinträchtigt [50]: Anti-NMDAR-Enzephalitis ist in den vergangenen Jahren dif- Die Patienten werden zunehmend mutistischer und antriebsär- ferenziert untersucht worden: Die Antikörper kreuzvernet- mer bis hin zum Stupor, d. h. sie sind wach, reagieren aber we- zen NMDA-Rezeptoren und veranlassen dadurch ihren Rück- der auf Ansprache noch auf andere äußere Reize und zeigen ei- zug von der Zelloberfläche in das Zellinnere, sodass sich die nen erhöhten Muskeltonus im Sinne einer Flexibilitas cerea Rezeptordichte auf der Zellmembran verringert und weni- [42]. Häufig werden sie in dieser Phase vorrangig psychiatrisch ger Rezeptoren für die Signalübertragung zur Verfügung ste- betreut und erst wenn weitere neurologische Symptome wie hen. Die NMDAR-Unterfunktion ist potenziell reversibel und Epilepsie, orofaziale Dyskinesen (Grimassieren, Kaubewegun- Neurone und Synapsen werden nicht zerstört [43]. Solch eine gen), Bewusstseinseinschränkungen (bis hin zum Koma) so- funktionelle rezeptorvermittelte Signalübertragungsstörung wie autonome Dysfunktionen (z. B. Herzrhythmusstörungen, erinnert an pathophysiologische Mechanismen, wie sie auch Asystolie, Blutdruck- und Temperaturschwankungen, Harnin- bei anderen PNS (z. B. bei der Myasthenia gravis oder beim kontinenz oder respiratorisches Versagen) auftreten, erfolgt ein Lambert-Eaton-Syndrom) vorkommen und möglicherweise intensivmedizinischer Aufenthalt mit einer weiterführenden spielen sie auch bei der Entstehung der Schizophrenie eine Diagnostik [22]. Im EEG zeigt sich in diesem Stadium eine Rolle [44]. Studien zeigen, dass eine pharmakologische Blo- tiefgreifende Hirnfunktionsstörung [50]. Bei adäquater Be- ckade der NMDA-Rezeptoren schizophrenieähnliche psycho- handlung bilden sich die Symptome in der Regel in umgekehr- tische Symptome und Halluzinationen hervorruft [45]. Aktuell ter Reihenfolge ihres Auftretens zurück (Abb. 2). ist daher eine NMDAR-Unterfunktion als Hauptmechanismus funktioneller Diskonnektivität eine viel diskutierte Theorie im Erstaunlicherweise zeigen sich trotz der schweren klinischen Hinblick auf die Entstehung einer Schizophrenie und auto- Beeinträchtigungen nur bei 50 % der Patienten entsprechen- immune Mechanismen könnten bei einigen Schizophrenie- de Korrelate im MRT, die sich als T2- oder FLAIR-Signal- patienten durchaus eine Rolle spielen [46]. Aufgrund der sich Hyperintensität im medio-temporalen Kortex, frontobasal, überschneidenden Symptome ist es nicht verwunderlich, dass insulär, im Hirnstamm, in den Basalganglien oder im Klein- 174 J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2015; 16 (4)
Autoimmune Enzephalitiden Abbildung 2: Typischer Krankheitsverlauf bei Pa- tienten mit Anti-NMDAR-Enzephalitis. Reprinted from [42] with permission from Elsevier, © 2011. hirn manifestieren [51]. Bei einigen Patienten entwickelt gen kommen. Sehr oft ist der Temporallappen beziehungswei- sich zudem eine medio- und/oder fronto-temporale Atrophie se der limbische Kortex betroffen – am bekanntesten ist da- [52]. Die Restitution erfolgt aber oft ohne strukturelle Defi- her die limbische Enzephalitis. Allerdings involvieren autoim- zite [50]. Dalmau et al. untersuchten 100 Patienten mit An- mune Schädigungen auch extralimbische Strukturen [26], wes- ti-NMDAR-Enzephalitis, von denen 91 weiblich waren und halb sich bei diesen Patienten meist zahlreiche neurologische, von denen 60 % einen Tumor hatten [41]. Je früher dieser be- neuropsychologische und psychiatrische Auffälligkeiten zei- handelt wurde, desto besser war das Outcome und desto we- gen. „Limbische“ Symptome entwickeln sich bei autoimmu- niger neurologische Rezidive zeigten sich. Unter Immunthe- ner limbischer Enzephalitis subakut (und nicht allmählich über rapie persistierten bei 25 % schwere Störungen oder die Pati- Monate und Jahre hinweg wie beispielsweise bei Patienten mit enten verstarben. 75 % der Patienten zeigten jedoch eine gute Alzheimer-Demenz). Bei paraneoplastischer limbischer Enze- Remission (in Verbindung mit einer Abnahme der Serum- phalitis sind neuropsychologische und psychiatrische Auffäl- Antikörpertiter), wobei bei rund 10 % weiterhin subtile exe- ligkeiten oft das erste manifeste klinische Anzeichen, sodass kutive Dysfunktionen bestanden, vor allem im Bereich von se- diese Patienten initial oft durch Psychiater oder Psychologen lektiver Aufmerksamkeit, Handlungsplanung und Impulskon- betreut werden [55], wodurch kostbare Zeit für eine adäquate trolle. Die Anti-NMDAR-Enzephalitis ist demnach potenzi- (z. B. Immun-) Therapie verlorengehen kann. Falls also ein Pa- ell (weitgehend) reversibel und sogar Monate oder Jahre nach tient ohne psychiatrische Vorgeschichte und fehlenden Sucht- dem Akutereignis sind noch spontane Besserungen möglich. mittelkonsum plötzlich unter „limbischen“ neuropsychologi- Fallbeispiele zeigen, dass selbst eine fronto-temporale Hirn- schen Defiziten sowie einer akuten Psychose leidet, die nicht atrophie bei Anti-NMDAR-Enzephalitis reversibel sein kann auf Antipsychotika anspricht, sollte eine autoimmune Enzepha- (im Gegensatz zu klassischen PNS mit Antikörpern gegen in- litis unbedingt differenzialdiagnostisch abgeklärt werden [56]. trazelluläre Antigene, die meist zu irreversibler Atrophie und persistierenden neurologischen und neuropsychologischen Limbische Regionen sind ebenfalls häufig bei der Anti- Defiziten führen), allerdings sind die Mechanismen einer heil- NMDAR-Enzephalitis betroffen. Antikörper gegen NMDA- baren Atrophie bislang ungeklärt [53]. Rezeptoren verursachen hierbei eine Immunreaktion funktio- neller (und nicht struktureller) Art mit einer selektiven und po- Zusammenfassung tenziell reversiblen Reduktion der NMDA-Rezeptoren auf der Zelloberfläche und der NMDA-Rezeptordichte in verschiede- Autoimmune Enzephalitiden sind eine heterogene Gruppe an- nen Regionen – vor allem im Hippokampus, Frontal- und tikörperassoziierter entzündlicher Erkrankungen der grauen Kleinhirn [42]. Da NMDA-Rezeptor-Antikörper die glutama- Substanz, die paraneoplastisch (als immunologische Reaktion terge Übertragung verändern, wird die Enzephalitis auch als auf einen Tumor) oder nichtparaneoplastisch sein können. autoimmune synaptische Störung aufgefasst [57]. Charakte- ristisch für Patienten, die sich gut erholen, ist eine persistie- Paraneoplastische neurologische Syndrome (PNS) sind tu- rende Amnesie für den Zeitraum der Enzephalitis. Diese ist er- morferne immunvermittelte Nervensystemerkrankungen, bei klärbar durch eine Unterbrechung der synaptischen Plastizität denen paraneoplastische Antikörper mit neuronalen Antige- als Voraussetzung von Gedächtnis- und Lernprozessen, bei de- nen (vor allem Proteinen) reagieren, die durch den Tumor frei- nen NMDA-Rezeptoren eine Schlüsselrolle spielen [41]. Von der gesetzt werden [6]. Die Therapie der PNS umfasst Tumorbe- Anti-NMDA-Enzephalitis sind zu 80 % junge Frauen betrof- handlung, Immun- und symptomatische Therapie [54], zu der fen, sie kann aber ebenfalls bei älteren Patienten, Männern und auch Neuropsychologie und Sprachtherapie gehören. Kindern auftreten. Je älter die Patienten sind, desto wahrschein- licher geht die Erkrankung mit einem Teratom einher, Tumo- In Abhängigkeit von der Lokalisation der Antigene kann es zu ren anderen Ursprungs (z. B. Neuroblastome, Hodgkin-Lym- strukturellen und/oder funktionellen neuronalen Schädigun- phome oder Bronchialkarzinome) sind eher selten. J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2015; 16 (4) 175
Autoimmune Enzephalitiden Angaben zur Inzidenz autoimmuner Enzephalitiden sind der- 23. Corsellis JAN, Goldberg GJ, Norton AR. 41. Dalmau J, Gleichman AJ, Hughes EG, et “Limbic encephalitis” and its association with al. Anti-NMDA-receptor encephalitis: case zeit noch ungenau [36], allerdings lässt die rasch zunehmende carcinoma. Brain 1968; 91: 481–96. series and analysis of the effects of antibod- Anzahl an Fallbeschreibungen vermuten, dass es sich um eine 24. Gultekin SH, Rosenfeld MR, Voltz R, et al. ies. Lancet Neurol 2008; 7: 1091–8. Paraneoplastic limbic encephalitis: neurologi- 42. Dalmau J, Lancaster E, Martinez-Hernan- bislang unterdiagnostizierte Erkrankung handelt. cal symptoms, immunological findings and dez E, et al. Clinical experience and laborato- tumour association in 50 patients. Brain 2000; ry investigations in patients with anti-NMDAR 123: 1481–94. encephalitis. Lancet Neurol 2011; 10: 63–74. Relevanz für die Praxis 25. Friese MA, Magnus T. Autoimmune 43. 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Mitteilungen aus der Redaktion Die meistgelesenen Artikel 19. Jahrgang 2018, Nummer 1, ISSN 1608-1587 Journal für Neurologie, Neurochirurgie und Psychiatrie www.kup.at/ JNeurolNeurochirPsychiatr Zeitschrift für Erkrankungen des Nervensystems Indikation CIS RRMS 1. Wahl Alemtuzumab SPMS Trends und Perspektiven in der Neuro chirurgie: Ein Korridor der Vernunft Journal für Hochaktive MS Fingolimod mit Schüben Interferon-β 1a sc Cladribin Interferon-β 1b sc A. Gruber Natalizumab Mitoxantron Daclizumab1 (Cyclophosphamid) NEurologiE 2. Wahl Mitoxantron ohne Schübe Mitoxantron Aktuelle Therapiemöglichkeiten Neurologie, (Cyclophosphamid) (Cyclophosphamid) der Multiplen Sklerose Milde/moderate MS Glatirameracetat Interferon-β 1a im Dimethylfumarat Glatirameracetat P. Altmann, F. Leutmezer Interferon-β 1a sc Interferon-β 1a im Interferon-β 1b sc Interferon-β 1a sc Interferon-β 1b sc NEurochirurgiE PEG-IFN-β 1a sc Teriflunomid Meilensteine in der Entwicklung des aktuellen Behandlungskonzeptes für niedriggradige gliome S. Schmid, M. Seifert, S. Hönigschnabl, Neurochirurgie W. Pfisterer, M. Mühlbauer PSychiATriE Emotionen psychiatrischer Patienten während der Fixierung G. Fugger, A. Gleiss, M. Aigner, S. Kasper, R. Frey Therapeutische haltung als Zugang zur Psychotherapie für Menschen mit schizo und Psychiatrie phrenen Psychosen und die Notwendigkeit einer Modifikation der psychodynamischen Behandlungstechnik D. von Haebler ruBriKEN NewsScreen Neurologie NewsScreen Psychiatrie Aktuelles: Migräne PharmaNews Buchbesprechung Indexed in EMBASE/Excerpta Medica/BIOBASE/SCOPUS Krause & Pachernegg GmbH • Verlag für Medizin und Wirtschaft • A-3003 Gablitz P.b.b. 02Z031117M, Verlagsor t : 3003 Gablitz, Mozar tgasse 10 Preis : EUR 10,– ISSN 2312-167X Österreichische Gesellschaft für Epileptologie Mitteilungen Jahrgang 13, 1/2015 Editorial Österreichische Sehr geehrte Mitglieder, Kolleginnen und Kollegen! Kaum ein anderes Gebiet der klinischen Epileptologie hat so viele tiefgreifende Änderun- gen erfahren wie die Epilepsiegenetik in den vergangenen 10 Jahren. Ausgehend von ein- fachen Beobachtungen und der Zwillingsforschung hat sich ein ganzes Spektrum an Er- krankungen und Epilepsiegenen identifizieren lassen. Dabei stehen die Fortschritte bei monogenen Epilepsien, die einerseits den Pathomechanismus erklären helfen und even- Vorstand: tuell neue medikamentöse Ansätze mit sich bringen können, den zahlreichen komplexen Gesellschaft für Eugen Trinka Epilepsien gegenüber, wobei die Rolle der einzelnen Gene nicht sicher bestimmt werden (1. Vorsitzender) kann. Was einerseits für die Epilepsieforschung hochinteressant und dynamisch ist, kann Edda Haberlandt dem praktisch tätigen Kollegen oft nicht weiterhelfen. Die Hoffnung, individuell maßge- (2. Vorsitzende) schneiderte therapeutische Ansätze zu entwickeln war oft verfrüht und die Komplexität Christoph Baumgartner der Materie viel zu oft unterschätzt. Die technologischen Fortschritte auf dem Gebiet der (3. Vorsitzender) Genetik ermöglichen es aber, einige klar umrissene Erkrankungsbilder besser zuzuord- Judith Dobesberger nen. Dies hilft nicht nur dem Patienten in der besseren Zuordnung und den Eltern von be- (1. Sekretärin) troffenen Kindern in der besseren Beratung – die dadurch möglich wird–, sondern auch Joachim von Oertzen (2. Sekretär) der Forschung zur besseren Stratifizierung von Patienten und möglichen medikamentö- Epileptologie – sen Ansätzen. Michael Feichtinger (Kassier) Im vorliegenden Mitteilungsheft haben federführend Univ.-Prof. Dr. Fritz Zimprich und Frau Oberärztin Dr. Edda Haberlandt ein Kompendium zusammengestellt, das einerseits Sekretariat der Gesellschaft: eine Einführung in die Thematik, andererseits auch praktische Anleitungen zu sinnvollem Tanja Weinhart A-1070 Wien, Hermanngasse 18/1/4 Vorgehen bei genetischer Testung liefert. Tel.: 01/890 34 74 Ich wünsche den Leserinnen und Lesern viel Vergnügen und hoffe, dass die beiden Artikel Fax: 01/890 34 74-25 E-Mail: wt@studio12.co.at helfen werden, die Patienten, die oft chronisch krank sind, besser zu betreuen. Mitteilungen Redaktion: Prim. Univ.-Prof. Dr. Mag. Eugen Trinka 1. Vorsitzender der Österreichischen Gesellschaft für Epileptologie M. Graf Abteilung für Neurologie SMZ-Ost – Donauspital A-1220 Wien Langobardenstraße 122 E-Mail: mcgraf@aon.at E. Trinka Universitätsklinik für Neurologie Paracelsus Medizinische Universität Christian-Doppler-Klinik A-5020 Salzburg Ignaz-Harrer-Straße 79 E-Mail: e.trinka@salk.at Inhalt Homepage: Editorial ................................................................................................................................................................................................................... 1 http://www.ogfe.at/gesellschaft.htm Die genetische Ätiologie von Epilepsien .................................................................................................................................2 Verlag: Krause & Pachernegg GmbH Genetische Abklärung von Epilepsien mit Intelligenzminderung .................................................................. 8 A-3003 Gablitz, Mozartgasse 10 Kongresskalender ...................................................................................................................................................................................... 10 Druck: Beitrittserklärung zur ÖGfE.............................................................................................................................................................. 11 Bernsteiner Print Company GmbH A-1220 Wien, Rautenweg 10
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