Erfahrungsbericht Auslandsjahr Paris 2020/2021
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Oktober 2021 Erfahrungsbericht Auslandsjahr Paris 2020/2021 Im Rahmen des Erasmus-Programms habe ich im Zeitraum von September 2020 bis Juni 2021 ein Auslandsjahr in Paris verbracht und zwei Semester an der Université Paris 1 Panthéon-Sorbonne studiert. Ich hatte mich ursprünglich auf ein Auslandssemester beworben, durfte meinen Aufenthalt aber um ein zweites Semester verlängern. Mein Auslandsjahr in Paris war wunderschön. Ich bin so glücklich, die Möglichkeit erhalten zu haben, in Paris leben und studieren zu dürfen. Der Erasmus-Aufenthalt hat mein persönliches Leben aufgrund der dort geschlossenen Freundschaften, der spannenden Großstadteindrücke und des sprachlichen Zugewinns enorm bereichert. Ich habe es sehr genossen, Paris als Einwohnerin zu erleben und habe das Gefühl, durch das Überwinden der besonders zu Beginn des Aufenthalts oft fordernden Situationen selbstsicherer geworden zu sein und vielen Situationen entspannter entgegenzutreten. Das Studium an einer französischen Universität hat mir neue berufliche Perspektiven gerade im Bereich des Unionsrechts und Völkerrechts aufgezeigt und lässt mich gleichzeitig auch viele Abläufe an der Uni in Heidelberg wertschätzen. Durch meine Freundschaften und die Kurse an der Uni sind mir die europäische Verbundenheit und die durch europäische Projekte gebotenen Chancen Im Vordergrund meine Freundinnen Lucile und noch viel stärker bewusst geworden. Agathe, im Hintergrund das Centre Sorbonne. Sprache und Vorbereitung Ich habe Französisch in der Schule gelernt und in Heidelberg die Lehrveranstaltungen „Einführung in das französische Recht und die zugehörige Rechtssprache“ bei Madame Coursier belegt. Die Kurse waren mir während des Unistarts in Paris eine große Hilfe und ich kann sie sehr empfehlen. Zu Beginn meines Aufenthalts war mein Französisch noch sehr holprig und besonders das Sprechen ist mir anfangs schwergefallen. Mit jeder Unterhaltung wird man jedoch sicherer und lernt Vokabeln
Oktober 2021 dazu. Es hat mir geholfen, mir bewusst weniger Gedanken um die korrekte Grammatik zu machen und stattdessen einfach draufloszureden. Die richtigen Ausdrücke erlernt man mit der Zeit dann automatisch. Sehr hilfreich fand ich, dass wir unter uns Erasmus-Studierenden nur Französisch gesprochen haben und auch die französischen Studierenden konsequent beim Französisch geblieben sind. Ich habe wie viele der Erasmus-Studierenden Vorlesungen im Unions- und Völkerrecht belegt und dort Französinnen und Franzosen kennengelernt. Viele von ihnen waren selbst während des Studiums im Ausland und konnten sich deshalb gut in uns Erasmus-Studierende hineinversetzen. Es lohnt sich nach unserer Erfahrung, anfangs mutig auf Französinnen und Franzosen zuzugehen und sich nach den Vorlesungen kurz vorzustellen. Wir konnten auf diese Weise Freundschaften knüpfen und hatten Ansprechpartner*innen bei administrativen oder vorlesungsbezogenen Fragen. Die französischen Studierenden sind sehr hilfsbereit und unterstützen einen gerne mit ihren Mitschrieben aus der Vorlesung, die eine enorme Hilfe für die Vorbereitung auf die Klausuren am Ende des Semesters waren. An der Universität wurden zudem einige „Meet & Speak“-Events angeboten, die mir gut gefallen haben. Sie ermöglichten es, andere Erasmus-Studierende und am Sprachaustausch interessierte französische Studierende zu treffen und auf spielerische Weise französische Formulierungen und Ausdrücke zu erlernen. Ich habe dort meine Tandempartnerin und Freundin Katrine kennengelernt. Wir haben uns regelmäßig unabhängig von den „Meet & Speak“-Veranstaltungen verabredet, um Deutsch und Französisch zu sprechen. Die Universität bietet über die EPI-Plattform ebenfalls ein Tandem-Programm an. Dabei helfen kurze Steckbriefe bei der Suche nach der für sich passenden Person (http://epi.univ-paris1.fr/). Andere Erasmus-Studierende haben über Posts in Facebookgruppen der Universität Tandempartner*innen gefunden. Tandempartnerschaften sind meines Erachtens eine tolle Möglichkeit, um Freundschaften zu schließen und Französisch zu sprechen. Universität Das Studium an der Paris 1 ist ein besonderes Erlebnis, da die meisten Vorlesungen in den schönen Hörsälen im Centre Panthéon und im Centre Sorbonne stattfinden. Die Räumlichkeiten und ihre Geschichte sind sehr beeindruckend. Nur wenige hundert Meter von der Uni entfernt liegen der Jardin du Luxembourg und die rue Mouffetard – beide Orte bieten sich gut für Mittags- und Kaffeepausen an und sind immer sehr belebt. Die Uni liegt mitten im Quartier Latin, das ich sehr gerne mochte. Ich habe Kurse in den Bereichen Unions- und Völkerrecht belegt und kann besonders die Kurse „Contentieux de l’Union européenne“ bei Madame Pingel und „International Contract“ bei Monsieur Ameli empfehlen. Die französischen Studierenden sind sehr hilfsbereit und unterstützen einen gerne mit ihren Mitschrieben oder mit Erklärungen. Die Klausuren finden im Januar und Mai statt. Die meisten Professoren bieten eine
Oktober 2021 gesonderte Klausur für Erasmus-Studierende an; dabei handelt es sich meist um mündliche Prüfungen. Die Form der Klausur (Dissertation, Commentaire d’arrêt, Cas pratique, Oral-écrit oder Oral) wird in jedem Fach in der ersten Vorlesung des Semesters bekanntgegebenen. Wir Erasmus-Studierende haben uns meist nach der ersten Vorlesung persönlich oder per Mail nach der Prüfungsform der Erasmus- Klausur erkundigt. Ich habe mir anfangs Sorgen wegen der Klausuren gemacht, besonders da mein Französisch noch sehr holprig war. Die Sorge war aber meist unbegründet; der Großteil der Professoren und Professorinnen ist zwar anspruchsvoll, aber berücksichtigt die sprachliche Herausforderung für die Erasmus-Studierenden. Die Uni in der Corona-Zeit Bei meiner Ankunft in Paris im September 2020 fanden die Veranstaltungen der Universität in Präsenz statt. Das war ein großes Glück, da es so in der Orientierungswoche, dem einwöchigen Sprachkurs der Alliance Française und zu Beginn der Vorlesungen sehr einfach war, Kontakte zu anderen Erasmus- Studierenden und französischen Studierenden zu knüpfen. Ab Anfang November 2020 bis März 2021 wurden die Vorlesungen virtuell abgehalten; lediglich mein Französisch- Sprachkurs fand teilweise in Präsenz statt. Während dieser Zeit und besonders zu Beginn des Sommersemesters war die Universität bemüht, den Kontakt zu den und unter den Studierenden aufrecht zu erhalten. So wurden insbesondere die „Meet & Speak“-Veranstaltungen beworben und Modelle entwickelt, um kleinere Veranstaltungen wie etwa Sprachkurse im zweiwöchigen Rhythmus stattfinden zu lassen. Die Bibliotheken waren über beide Semester durchgehend geöffnet und für Studierende zugänglich. Wohnungssuche Während beider Semester habe ich in einem Crous-Wohnheim der Universität im 15. Arrondissement gelebt. Die Crous-Wohnheime sind über ganz Paris verteilt und setzen sich aus einzelnen Wohnungen mit Bad und Küche zusammen. Ich habe damals unmittelbar nach Erhalt der Zusage der Paris 1 (nach der Onlinebewerbung) Anfang Juli eine Mail bekommen, die ein Bewerbungsformular für die Crous-Wohnheime enthielt. Das Angebot über mein Zimmer habe ich etwa zwei Wochen später erhalten. Das Ganze lief unkompliziert ab und ich war insgesamt mit meinem Wohnheim sehr zufrieden. Das Wohnheim lag zwar etwa 40 Fahrtminuten von der Universität entfernt; ich habe jedoch schnell festgestellt, dass diese Fahrtdauer in Paris zum Alltag dazugehört. In meinem Wohnheim haben auch andere Erasmus-Studierende gewohnt und das war vor allem während des Lockdowns und der Ausgangssperre super. Weitere Wohnmöglichkeiten bietet die Cité Internationale Universitaire; hier beginnt die Bewerbungsfrist früh und es bedarf einiger Dokumente wie Professorengutachten und Zeugnisnachweise. Mit etwas Glück finden sich auch bei AirBnB für längere Zeiträume bezahlbare Zimmer/Wohnungen. Hilfreiche Webseiten für die
Oktober 2021 Wohnungssuche sind https://www.leboncoin.fr/, https://www.appartager.com/, https://www.fie.fr/ und https://www.lacartedescolocs.fr/. Es kann sich lohnen, das CAF-Wohngeld zu beantragen (https://caf.fr/allocataires/mes-services-en-ligne/faire-une-demande-de-prestation). Dabei wird einem zunächst eine numéro allocataire zugewiesen, die man nach Beantragung auf der CAF-Webseite per Post zugeschickt bekommt. Es lohnt sich, den Wohngeldantrag bereits im Ankunftsmonat zu stellen, da sich der Auszahlungszeitraum am Zeitpunkt der Antragstellung orientiert. Im Rahmen der Antragstellung muss eine RIB, die französische IBAN, angegeben werden; man muss also vor der Antragstellung ein französisches Bankkonto eröffnen. Hierfür kann ich die Société Générale empfehlen, die mit vielen Filialen in Paris vertreten ist (etwa Société Générale - Banque et Assurance (societegenerale.fr)). Am besten schaut man einfach in einer der Filialen vorbei und vereinbart einen Termin zur Kontoeröffnung. Bei einer Freundin von mir hat es auch funktioniert, den Antrag unter Angabe einer deutschen IBAN zu stellen – bei mir hat das leider nicht geklappt. Nach vollendeter Antragstellung müssen die erforderlichen Dokumente an transmettredocument.caf75@info-caf.fr gesendet werden. Einzureichen sind folgende Dokumente: 1. Certificat de scolarité, 2. Attestation de loyer, 3. Attestation de résidence, 4. Mietvertrag, 5. Haftpflichtversicherungsnachweis, 6. Krankenversicherungsnachweis, 7. Der Personalausweis, 8. Eine internationale Geburtsurkunde. Das CAF-Prozedere kann etwas zermürbend sein. Ich habe bis jetzt leider keine Zahlung erhalten; es lohnt sich aber in den meisten Fällen dranzubleiben und immer und immer wieder nachzuhaken. Man kann es per Mail oder telefonisch versuchen, aber es ist am effektivsten, online einen Termin vor Ort auszumachen. In Paris gibt es drei CAF-Büros (les centres de Finlay (15e), de Nationale (13e) et La Chapelle (18e)). Transportmittel Um in Paris Strecken zurückzulegen bietet es sich an, die Metro, Busse oder das Fahrrad zu nutzen. Für einen Aufenthalt über zwei Semester ist der Pass Navigo R Étudiant ideal: Er ist in allen fünf Zonen in Paris anwendbar, ein Jahr gültig und kostet 350 €. Alternativen sind das Navigo Monatsticket für 75 € und das Navigo Wochenticket für 22,80 € (https://www.iledefrance-mobilites.fr/titres-et-tarifs/liste). Die Navigo-Karten können sowohl in der Metro als auch in Bussen und den RER-Zügen genutzt werden und lassen sich mit einem Vélib-Abonnement oder einem Vélib-Pass kombinieren (https://www.velib-metropole.fr/offers). Die Vélib-Fahrradstationen sind engmaschig in ganz Paris verteilt und gerade im Sommer macht das Fahrradfahren viel Spaß, da man schnell vorankommt und viel von Paris sehen kann. Für Zugreisen habe ich sehr gute Erfahrungen mit der „Carte Avantage Jeune“ für Menschen zwischen 12 und 27 Jahren gemacht, mit der Ticketpreise für Bahnreisen in Frankreich und Europa um 30 % reduziert werden. Die Karte kostet grundsätzlich 50 €; ich habe die Karte Anfang September 2020 im Rahmen eines Angebots für 25 € gekauft (https://de.oui.sncf/de/bahn/karte-abo-bahn/avantage-jeune).
Oktober 2021 Sehenswürdigkeiten Paris bietet unglaublich viele kulturelle Angebote und Sehenswürdigkeiten. Selbst nach einem Jahr habe ich einige Museen, Ausflugsziele und Cafés etc. noch nicht gesehen oder hätte sie gerne noch viele Male mehr besucht. Meine liebsten Orte in Paris, an die ich immer wieder zurückgekehrt bin, sind der Parc des Buttes-Chaumont, von dem man einen unglaublichen Blick auf die Stadt hat und der einem das Gefühl gibt, gleichzeitig mitten in der Natur und in der Großstadt zu sein; das 11 e arrondissement, weil es international, modern und voller guter und günstiger Restaurants ist; Belleville und die Sacré-Coeur am späten Abend und bei Nacht, da viele Menschen unterwegs sind und die Lichter und die Stimmung toll sind; die Seine selbstverständlich und auch der Canal St. Martin - besonders der nördliche Teil, der von Bars und Boule-spielenden Großvätern geprägt ist; Montmatre unter der Woche; die vielen schönen Cafés und Jardins, die in ganz Paris verteilt sind usw. Die Museen in Paris sind zahlreich und beeindruckend. Mir haben ganz besonders das Atelier des Lumières und das Musée Carnavalet gefalllen. Für EU-Bürger*innen unter 26 Jahren ist der Zugang zu fast allen Museen und Sehenswürdigkeiten kostenlos, was wirklich toll ist. Mir hat auch die Fondation Claude Monet in Giverny, die mit dem Zug und anschließendem Shuttle einfach zu erreichen ist, sehr gut gefallen. Die Normandie bietet sich generell für Wochenendausflüge gut an; die Anreise aus Paris gestaltet sich unkompliziert. Im Voraus planen Um sich den Start in Paris zu vereinfachen, lohnt es sich, folgende Dinge schon von Deutschland aus zu beantragen oder fertigzustellen: - Die internationale Geburtsurkunde sowie die Versicherungsnachweise. - Biometrische Passbilder. - Das Navigo-Ticket (benötigt zwei bis drei Wochen bis zur Fertigstellung). - Mglw. die Carte Avantage Jeune. - falls möglich die inscription administrative durchführen, um den Studierendenausweis per Post zu erhalten. Falls nicht möglich: Am besten das certificat de scolarité immer bei sich führen, um die Kontrollen am Eingang der Unigebäude passieren zu können. Fazit Ich habe eine wunderschöne Zeit in Paris verbracht. Es war die beste Entscheidung, um ein zweites Semester zu verlängern und ich bin sehr dankbar dafür, dass ich ein Jahr meines Studiums in Paris verbringen durfte. Ich kann nur empfehlen, sich von häufig erwarteten hohen Notenanforderungen an die Bewerbung nicht abschrecken zu lassen, sich die Bewerbung zuzutrauen und sich auch vor Ort von den sprachlichen Hürden nicht entmutigen zu lassen – die Französinnen und Franzosen sind sehr
Oktober 2021 hilfsbereit und die Absprache mit anderen Erasmus-Studierenden ist ebenfalls eine große Hilfe, sodass man sich schnell an der Uni zurechtfindet und in der Stadt einlebt. Für mich wurde Paris schon nach wenigen Wochen zu einem neuen Zuhause, das ich nur schweren Herzens verlassen habe und in das ich hoffentlich bald zurückkehren kann. Die in Paris geknüpften Freundschaften, die vielen kulturellen Eindrücke, das Unileben und die neuen Perspektiven, die sich mir eröffnet haben, möchte ich auf keinen Fall missen. Die Stadt und die französische Mentalität sind mir sehr ans Herz gewachsen. Ich schließe mich Hemmingway deshalb bedenkenlos an: Paris est une fête. Bei weiteren Fragen könnt ihr mir gerne schreiben. Unter R.Mussler@stud.uni- heidelberg.de bin ich jederzeit erreichbar. Place de l‘Alma
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