Es gilt das gesprochene Wort! - Handwerkskammer ...

 
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Rede von Robert Wüst, Präsident der
Handwerkskammer Potsdam, anlässlich
der Vollversammlung der Handwerkskammer
Potsdam am 7. Dezember 2020 in Götz.
Es gilt das gesprochene Wort!

Handwerkskammer Potsdam ∙ Charlottenstraße 34 - 36 ∙ 14467 Potsdam   Seite 1 von 5
Rede des Präsidenten der Handwerkskammer Potsdam, Robert Wüst, zur
Vollversammlung am 7. Dezember 2020

Begrüßung
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,
herzlich willkommen zu unserer Vollversammlungssitzung hier im Zentrum für Gewerbeför-
derung in Götz.

Vor einem Jahr haben wir uns das letzte Mal in diesem Kreis getroffen. Das ist eine ver-
dammt lange Zeit. Vor allem, wenn wir uns anschauen, was seitdem alles passiert ist. Der
letzte Dezember ist in vielerlei Hinsicht ganz schön weit weg.

Natürlich haben wir uns seitdem in verschiedensten Gremien und Formaten ausgetauscht,
digital und per Telefon. Und im Juni hatten wir per Video statt der Präsenzsitzung einen digi-
talen Erfahrungsaustausch.

Aber ich denke, wir haben in den letzten Monaten alle gemerkt, wie wichtig das persönliche
Zusammentreffen ist. Und ja, es gibt heute viel zu bereden. Wir stehen als Handwerkskam-
mer in diesen ohnehin herausfordernden Zeiten vor wichtigen Entscheidungen.
Deshalb haben wir trotz der Corona-Pandemie entschieden, die heutige Vollversammlungs-
sitzung in Präsenz durchzuführen, um den notwendigen Austausch zu ermöglichen.

Natürlich nehmen wir dabei den Gesundheitsschutz ganz wichtig. Unser Versammlungsraum
hier in Götz bietet jedoch ausreichend Fläche, um die Mindestabstände einzuhalten, und ich
bitte Sie alle, auch auf den Plätzen ihren Mund-Nasen-Schutz zu tragen. Bitte beachten Sie
zudem die weiteren Hinweise aus dem Ihnen vorliegenden Hygienekonzept.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,
seit der letzten Vollversammlungssitzung im Dezember 2019 hat sich die Situation im Hand-
werk grundlegend verändert. Es ist vieles passiert, womit niemand rechnen konnte, und was
uns wohl noch lange begleiten wird. Die Corona-Pandemie bestimmt die wirtschaftliche Lage
unserer Betriebe und die Bedingungen unserer gesamten Gesellschaft.

Konjunkturumfrage
Die Handwerkskonjunktur der letzten Jahre war immer geprägt von Superlativen: Kontinuier-
liche Auftragseingänge und wachsende Auftragsvorläufe, das Handwerk eilte von einem
Bestwert zum nächsten. Und dann kam Corona…
Jetzt scheint es zunächst mit neuen Spitzenwerten und anhaltendem Konjunkturhoch vorbei
zu sein. Das hat auch unsere Herbstkonjunkturumfrage bestätigt.

Wenngleich das Handwerk bisher glimpflich durch die Pandemie gekommen ist, hat sich die
Lage in den Gewerken - ob Bau, Nahrungsmittel oder Dienstleistungsgewerke – deutlich ein-
getrübt. Vergleicht man die Einschätzung der aktuellen Geschäftslage mit der Vorjahresein-
schätzung, zeigt sich ein deutlicher Rückgang von 96,6 Prozent im Vorjahr auf aktuell nur
noch 87,5 Prozent.

Die durchschnittliche Auslastung der Betriebe sank im Vorjahresvergleich um 8 Prozent. Die
durchschnittlichen Auftragsvorläufe liegen jedoch mit 10,2 Wochen um nur 0,8 Punkte hinter
dem Vorjahreswert (11 Wochen).

Besonders betroffen von der Corona-Krise sind die personenbezogenen Dienstleistungen
wie Friseur oder Kosmetik. Sie mussten im Zuge des Lockdowns ihre Geschäfte zeitweise
geschlossen halten. Auch Bäcker und Fleischer mussten die Cafébetriebe oder Imbisse
schließen. Folge waren ganz erhebliche Umsatzeinbrüche. Auch das Kfz-Handwerk leidet

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aktuell besonders. Die Zulassungszahlen bei Neufahrzeugen sind bundesweit eingebrochen
und die Umweltdiskussionen belasten das Geschäft mit Verbrennungsfahrzeugen zusätzlich.
Im Kfz-Handwerk bewerten nur noch 67 Prozent der Betriebe ihre Geschäftslage mit gut o-
der befriedigend; bei den personenbezogenen Dienstleistungen sind es nur 71 Prozent.

Dank der staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der wirtschaftlichen Folgen der Pande-
mie konnten die meisten der betroffenen Gewerke jedoch bisher das Schlimmste abwenden.
Entscheidend für die wirtschaftliche Entwicklung in den kommenden Monaten wird aber sein,
wie sich das Pandemiegeschehen weiterentwickelt und wie die staatlichen Hilfsprogramme
wirken.

Wichtig gerade für den Baubereich ist dabei, dass Bund, Länder und Kommunen jetzt nicht
in ihrer Investitionstätigkeit nachlassen. Anzeichen, dass die öffentliche Hand Aufträge zu-
rückhält, dürfen sich nicht verfestigen. Gerade sie steht in der Verantwortung, die konjunktu-
relle Erholung nicht auszubremsen.

Unsere Umfrage hat zudem einen beachtlichen Umstand bestätigt: Trotz Krise haben 72
Prozent der befragten Betriebe ihr Personal in den letzten sechs Monaten konstant gehalten.
Zwölf Prozent stellten sogar weitere Mitarbeiter ein.
Das belegt, dass unsere Betriebe auch in schlechten Zeiten zu ihren Mitarbeitern stehen.
Uns ist bewusst, dass sich der Fachkräftewettbewerb in den kommenden Jahren nicht ent-
spannen wird und es deshalb wichtig ist, die Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben trotz
Krise zu halten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Soforthilfen für Handwerksbetriebe
seit Beginn der Einschränkungen Mitte März stehen wir im intensiven Kontakt mit der bran-
denburgischen Landesregierung. Wöchentlich gab es Abstimmungsrunden und Telefonter-
mine zur aktuellen Lage und den notwendigen Schritten.

Dabei unterstützten wir die Entscheidungen des Landes Brandenburg zur Eindämmung der
Pandemie, forderten aber auch Maßnahmen zur Unterstützung des Handwerks.
Kreditprogramme, Steuerstundungen, die Vereinfachung bei der Kurzarbeit und das Ausset-
zen der Insolvenzfrist waren wichtige Schritte.

Angesichts der teils dramatischen Auswirkungen war aber klar, dass Kredite allein nicht aus-
reichten. Zusätzliche Kredite müssen irgendwann zurückgezahlt werden. Daher waren echte
unbürokratische Zuwendungshilfen notwendig, um besonders betroffenen Betrieben das
Überleben zu ermöglichen.

Als Erfolg auch unserer Bemühungen war es daher zu werten, dass das Land Brandenburg
mit dem Soforthilfeprogramm Brandenburg für die Monate März bis Mai 2020 schnell eine
Förderung zur Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen für unsere Betriebe auf die Beine ge-
stellt hat. Etwa 63.000 Betrieben wurden landesweit Soforthilfen bewilligt und etwa 561 Milli-
onen Euro - auch an viele Handwerksbetriebe – ausgezahlt.

Dabei kann man es durchaus als kritisch werten, dass die Bearbeitung der Anträge teils län-
gere Zeit in Anspruch genommen hatte und sich die Förderbedingungen während des Ver-
fahrens geändert haben. Andererseits wusste zum Start des Programms auch niemand,
dass die Antragszahlen so hoch sein werden.

Insgesamt ist es mit hohem Aufwand gut gelungen, die Auszahlungsprozesse zu organisie-
ren. Es ist auch als richtig einzuschätzen, dass bei der Soforthilfe in Brandenburg nicht nur
Kleinbetriebe, sondern – im Gegensatz zu anderen Bundesländern - auch Unternehmen mit
bis zu 100 Erwerbstätigen zuschussberechtigt waren und die Förderbeträge mit bis zu
60 TEUR vielfach die ersten wirtschaftlichen Schwierigkeiten abmildern konnte.

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Überbrückungshilfen/ Novemberhilfen
Klar war aber auch, dass für die Zeit ab Juni weitere Hilfen notwendig waren und sind. Zum
Ausgleich von Umsatzausfällen wurde zunächst für die Monate Juni bis August 2020 die
sogenannte Überbrückungshilfe I gewährt.
Mit der 2. Phase kann nun die Überbrückungshilfe II für die Monate September bis Dezem-
ber 2020 beantragt werden. Und auch ab Januar kommenden Jahres soll es weitere Über-
brückungshilfen geben.

Insgesamt bleibt jedoch festzustellen, dass diese Überbrückungshilfen beim Handwerk noch
nicht angekommen sind. Zum einen hat sich nachteilig ausgewirkt, dass die Antragstellung
über Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer erfolgen muss, die sich dafür im Internet registrie-
ren lassen. Zum anderen können viele unserer Betriebe, trotz bestehender Notlagen, Um-
satzverluste nicht in geforderter Höhe nachweisen.

Und auch die Voraussetzungen für die im November und Dezember für von Schließungen
betroffene Unternehmen gewährten Sonderhilfen mit einer 75-prozentigen Umsatzerstattung
können die allerwenigsten Handwerksbetriebe nachweisen.

Wir müssen also weiter dafür kämpfen, dass die laufenden Programme handwerksgerecht
ausgestaltet werden und kein Handwerksbetrieb wegen der Corona-Pandemie im kommen-
den Jahr in die Insolvenz gerät.

Lockerungsmaßnahmen
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,
in den letzten Wochen haben wir gemeinsam mit den Handwerkskollegen aus Cottbus und
Frankfurt (Oder) mehrfach unterstrichen, die Entscheidungen des Landes Brandenburg zur
Eindämmung der Corona-Pandemie mitzutragen und die Maßnahmen zur Unterstützung der
Betriebe begrüßt.

Tausende Anrufe, die unsere Mitarbeiter bei den Handwerkskammern erreichten, machten
aber auch deutlich, dass viele Betriebe um ihre Existenz bangen. Natürlich fuhren alle auf
Sicht. Das heißt aber auch, dass Maßnahmen schnell und unbürokratisch nachjustiert und
an die neue Situation angepasst werden müssen.
Daher haben wir uns zunächst dafür eingesetzt, verantwortungsvoll nach Senkung der Infek-
tionszahlen auch die Wiederaufnahme des wirtschaftlichen Lebens für die klein- und mittel-
ständischen Betriebe des Handwerks zu ermöglichen.

Viele Gewerke fungieren als wichtige soziale Anker in den Regionen. Das gilt es bei allen ge-
sundheitsrelevanten Aspekten immer wieder zu bedenken. Das Handwerk hat sich bran-
chenspezifisch auf den Gesundheitsschutz gut eingestellt und die geltenden Hygieneregeln
umgesetzt.
Wir haben daher gefordert, jenen, die im Mai ihr Ladengeschäft schließen mussten, den Weg
zurück in die Normalität unter Auflagen zu ermöglichen.

Doch nicht nur das Öffnen der kleinen Geschäfte oder der Friseursalons nebenan war wich-
tig. Auch die Rückkehr zur umfassenden Kinderbetreuung in Kitas und Schulen ist notwen-
dig, um Geschäftstätigkeit wieder aufzunehmen.

Uns ist klar: Die Entscheidungen müssen gut abgewogen werden. Aber das verantwortungs-
volle Aufzeigen der Schritte zu mehr Lockerungen im Wirtschaftsleben wird in den Regionen
jetzt dringend gebraucht. Nur so kann das Handwerk eine wirtschaftlich tragende Säule in
den Regionen bleiben.
Deshalb haben wir begrüßt, dass die Landesregierung bei dem aufgrund der wieder steigen-
den Infektionszahlen seit dem 2. November verordneten Teillockdown das Handwerk weitge-
hend ausgenommen hat.

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Unverständlich war jedoch, dass Kosmetikbetriebe bis auf weiteres geschlossen bleiben
müssen. Gerade die Kosmetikbetriebe, die ohnehin strenge Hygieneregeln einhalten, hätten
eine andere Entscheidung verdient gehabt.
Demgegenüber begrüßen wir, dass die Landesregierung auch aktuell ausdrücklich betont,
dass Kitas und Schulen weiter geöffnet haben. Damit können viele Mütter und Väter, die we-
gen der notwendigen Kinderbetreuung sonst zu Hause bleiben müssten, in den Betrieben
verbleiben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Auswirkungen der Corona-Pandemie und die damit verbundenen Unsicherheiten er-
schweren auch die Bemühungen vieler junger Meisterinnen und Meister, als Gründer oder
Nachfolger den Weg in die Selbstständigkeit zu finden.

Meistergründungsprämie
Wir haben uns daher gefreut, dass das brandenburgische Wirtschaftsministerium unseren
Forderungen gefolgt ist und im Oktober die Bedingungen der Meistergründungsprämie deut-
lich ausgeweitet hat. Handwerksmeister in Brandenburg bekommen jetzt bis zu 19.000 Euro
Gründungsprämie, wenn sie einen Betrieb gründen oder übernehmen und Ausbildungs- oder
Arbeitsplätze schaffen. Bislang lag der Höchstsatz bei 12.000 Euro.

Ausblick 2021
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
erlauben Sie mir zum Schluss noch ein paar grundsätzliche Bemerkungen. Eine Krise, wie
wir sie im Moment erleben, verleitet dazu, vor allem an die aktuelle Situation zu denken. Na-
türlich ist es verständlich, dass sich viele Betriebe im Überlebenskampf zunächst auf das un-
bedingt Notwendige konzentrieren.

Trotz des andauernden Teillockdowns hat sich die Lage jedoch etwas stabilisiert und mit
dem Impfstoff ist die Hoffnung gewachsen, dass wir sie im nächsten Jahr wieder in den Griff
bekommen. Nun rücken die Zukunftsthemen wieder stärker in den Vordergrund. Und die ge-
winnen gerade mit Blick auf die anstehende Bundestagswahl im kommenden Jahr an Bedeu-
tung. Dabei wollen wir uns auch gerade jetzt in die politische Debatte einbringen, mit dem,
was wir für richtig halten und was für unsere Betriebe erforderlich ist.

Die Pandemie hat erhebliche Folgen für unsere beitragsfinanzierten Sozialversicherungssys-
teme, für die öffentlichen Haushalte und für unsere Wirtschaftsordnung insgesamt. Die Ver-
suchung ist groß, aktuelle Finanzprobleme durch eine haltlose Schuldenaufnahme zu lösen.

Natürlich wäre es angesichts der Krise auch aus Sicht der Wirtschaft nicht sinnvoll, jetzt ei-
nen Sparkurs zu fahren. Finanzausgaben müssen aber auf ihre Erforderlichkeit gründlich ab-
gewogen werden. So hätte die Bundesregierung mit der Verlängerung der Kurzarbeit erst die
Entwicklung im kommenden Jahr abwarten können, anstatt die Regelungen bereits jetzt bis
Ende 2021 auszuweiten.

Wir alle müssen im nächsten Jahr darauf achten, dass die Sozialsysteme und die für die
Schuldenaufnahme fällig werdenden Tilgungen finanzierbar bleiben. Die Lasten für den Mit-
telstand und die kommenden Generationen dürfen nicht ausufern.

Der Staat muss sich nach der Pandemie wieder zurücknehmen und zu einem abgestimmten
Handeln zurückkehren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
damit bin ich am Ende meiner Ausführungen angekommen.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

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