FE: Filme mit dem Thema Migration H10 Dozent: Peter Holzwarth - Martina Wildhaber Jasmin Bär

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FE: Filme mit dem Thema Migration H10 Dozent: Peter Holzwarth - Martina Wildhaber Jasmin Bär
Filmheft: The Kite Runner
               FE: Filme mit dem Thema Migration H10
               Dozent: Peter Holzwarth
               Martina Wildhaber
               martina.wildhaber@stud.phzh.ch
               Jasmin Bär
               Jasmin.baer@stud.phzh.ch
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FE: Filme mit dem Thema Migration. Peter Holzwarth

Filmheft: The Kite Runner

Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung ................................................................................................................ 3
2. Informationen zum Film .................................................................................. 4
3. Plot............................................................................................................................. 5
3.1 Story...............................................................................................................................................................................5
3.2 Geschichtlicher Überblick Afghanistan ...............................................................................................6

4. Charakteren ........................................................................................................... 8
4.1      Beziehungsnetz .....................................................................................................................................................8
4.2      Amir ................................................................................................................................................................................9
4.3      Hassan ....................................................................................................................................................................... 10
4.4      Baba ............................................................................................................................................................................ 11

5. Szenenanalyse.................................................................................................... 12
5.1 Heimat ....................................................................................................................................................................... 12
  5.1.1 Die Heimat von Amir ................................................................................................................................12
  5.1.2 Die Heimat von Baba ...............................................................................................................................13
  5.1.3 Szenenanalysen Amir und Baba.....................................................................................................14
5.2 Migration (Flucht) ............................................................................................................................................. 19
  5.2.1 Die Heimat verlassen...............................................................................................................................19
  5.2.2 Einleben ...............................................................................................................................................................19
  5.2.3 Szenenanalyse „Flucht“ .........................................................................................................................20
5.3 Symbole ................................................................................................................................................................... 26
  5.3.1. Drachen..............................................................................................................................................................26
  5.3.2. Granatapfel .....................................................................................................................................................27
5.4 Elemente der Filmsprache ......................................................................................................................... 29
  5.4.1 Dramaturgie.....................................................................................................................................................29
  5.4.2 Filmmusik ...........................................................................................................................................................30
  5.4.3 Intention..............................................................................................................................................................30

6. Pädagogisches Konzept ................................................................................. 31
6.1 Kontext und Methoden ................................................................................................................................. 31
6.2 Unterrichtsideen ................................................................................................................................................ 31
7. Fazit ................................................................................................................................................................................ 32

8. Bibliographie ....................................................................................................... 33

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FE: Filme mit dem Thema Migration. Peter Holzwarth

Filmheft

The Kite Runner

1. Einleitung

The Kite Runner ist ein eindrücklicher, lebendiger und mitreissender Film. Das
Thema Migration wird durch Flucht aufgrund politischer Unruhe angesprochen.
Jedoch findet keine Remigration in diesem Sinne statt, Amir reist eher unfreiwillig
und als letzte Ehre für Rahim Kahn zurück. Eine Remigration kommt für Amir
nicht in Frage, vielmehr hat er in Amerika eine neue Heimat gefunden. Wir haben
uns dabei gefragt, welche Faktoren diesen Wandel begünstigen, d.h. wann das
Heimatgefühl durch eine neue Heimat abgelöst wird. Dabei sind wir auf folgende
Fragestellungen gekommen:

   •   Welchen Prozess durchleben Flüchtlinge von der Ablösung der Heimat bis
       zum Einleben im neuen Land? Welche Faktoren begünstigen, bzw.
       verlangsamen diesen Prozess?
   •   Wie definiert sich Heimat? Wie veränderbar ist der Heimatsbezug?

Zuerst findet sich eine Übersicht über Filminformationen, Plot und Charakteren.
Das Kapitel 5 bezieht sich auf die Themen Heimat und Migration und beinhaltet
Szenenanalysen des Films. Im Kapitel 6 findet sich ein pädagogisches Konzept,
welches Ideen zum Umgang mit dem Film im Unterricht gibt. Diese sind im
Appendix angehängt.
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2. Informationen zum Film

Originaltitel           The Kite Runner
Deutscher Titel         Der Drachenläufer
Regie                   Marc Forster
Drehbuch                David Benioff
                        basierend auf dem Roman von Khaled Hosseini (2003)
Musik                   Alberto Iglesisas
Kamera                  Roberto Schaefer
Schnitt                 Matt Chesse
Produktionsland         USA
Originalsprache         Englisch, Dari, Pashtu, Russisch
Länge                   Ca. 122 Min.
Erscheinungsjahr        2007
Alter FSK               Ab 12 J.

Darsteller:
Amir (Mann)             Khalid Abdalla
Amir (Junge)            Zekeria Ebrahimi
Hassan                  Ahmad Khan Mahmidzada
Baba                    Homayoun Ershadi

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3. Plot

3.1 Story

     „Aus dem Bestsellerroman wurde einer der meistgefeierten Filme des Jahres. Als
     Jungen       waren   Amir   und      Hassan    unzertrennliche     Freunde   –   bis   eine
     schicksalsschwere Tat die beiden auseinanderriss. Jahre später begibt sich Amir
     auf   eine    gefährliche   Reise,    um     das   Unrecht   der   Vergangenheit   wieder
     gutzumachen. Er rehabilitiert sich auf Wegen, die er nie in Betracht gezogen
     hätte und zeigt sich schliesslich das Äusserste an Mut und Hingabe für seinen
     Freund. Unter der Regie von Marc Forster (Wenn Träume fliegen lernen,
     Monster’s Ball) verbreitet Drachenläufer die Hoffnung, dass es Gerechtigkeit in
     der Welt geben könnte.“

                                                             Rückseite der DVD

Eine tiefe, brüderliche Freundschaft zwischen Amir und Hassan begleiten uns
durch die lebendigen Strassen von Kabul. Die beiden verbringen jede freie Minute
miteinander, feiern sich als „die Sultane von Kabul“, Amir liest Geschichten vor,
Hassan beschützt Amir vor anderen Jungs. Bei einem traditionellen, alljährlichen
Wettbewerb lassen die Kinder von Kabul Drachen steigen und versuchen dabei,
die Schnur anderer Drachen zu durchschneiden. Die Besitzer des letzten Drachen
in der Luft gewinnen.       Amir und Hassan gewinnen das Fest und lassen sich als
Helden feiern. Hassan rennt dem Drachen nach, um ihn seinem Freund zu holen,
und kommt nicht mehr zurück. Als Amir durch die Gassen geht, um Hassan zu
suchen,    sieht    er,   wie    Hassan     von    älteren   Jungs      angepöbelt    und    darauf
vergewaltigt wird. Amir bleibt erstarrt und ist zu feige, um Hassan zu helfen.
Dieser tragische Vorfall bringt die beiden Knaben auseinander, Amir kann seinem
Freund nicht mehr mit reinem Gewissen in die Augen sehen und die Freundschaft
der beiden wird beendet.

Politische Unruhen zwingen Amir und sein Vater via Pakistan nach Amerika zu
fliehen. Amir schliesst erfolgreich die Highschool ab und spricht fliessend Englisch,
er scheint sich in seiner neuen Heimat wohl zu fühlen. Baba dagegen ergibt sich
seinem Schicksal, arbeitet an einer Tankstelle und verkauft mit Amir gebrauchte

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Sachen auf einem Flohmarkt. Baba verschweigt nicht nur lange seine Krankheit,
auch seine Vergangenheit. Nach seinem Tod erfährt Amir durch ein Telefonat von
Rahim Kahn und ein anschliessender Besuch zurück in der alten Heimat, von der
Geschichte von Baba, seinem Vater, der die Frau des Dieners schwängerte. Es
beginnt eine anspruchsvolle Reise durch Afghanistan, angepasst an die Richtlinien
der Taliban, in eine für Amir fremde Welt.

Doch es gelingt Amir, die Vergangenheit aufzurollen und zu bereinigen. Für seinen
Bruder Hassan riskiert er sein Leben, um dessen Sohn Suhrab aus den Fängen des
Taliban Führers Assef, der Vergewaltiger, zu befreien.

3.2 Geschichtlicher Überblick Afghanistan

1978:    Die   kommunistisch       demokratische     Volkspartei   Afghanistan   (DVPA)
übernimmt die Macht, angeführt durch Nur Muhammad Taraki. Diese politischer
Wandel von der Republik Afghanistans in eine kommunistische Demokratie ist als
Saurrevolution benannt worden („Saur“ in der Sprache Dari = 2. Monat im
persischen Kalender). Durch politische Unruhen im Land orientiert sich der
Anführer an die Sowjetunion und bittet um Unterstützung. 1979 marschieren
sowjetische Truppen in Afghanistan ein.

1989: Aus dem von 1979 hervorgegangenen Konflikt resultiert ein tobender
Bürgerkrieg, anhaltend von 1989-2001. Die Bewegung der Taliban macht sich
stark. 1994 nehmen sie die erste grössere Stadt in Beschlag, 1996 übernehmen
sie die Macht in Kabul.

2001: Der Terroranschlag am 11. September 2001, ausgeführt durch die
Organisation Al-Quaida, angeführt von Osama Bin Laden aus Afghanistan, führen
die Amerikaner zum Ziel, das Talibanregime zu stürzen. Am 7. Oktober 2001 hat
das Projekt Operation Enduring Freedom gestartet, am 13. November 2001 fällt
die Hauptstadt Kabul.

2010: Nach dem Sturz der Taliban reimigrieren zahlreiche Flüchtlinge aus den
Nachbarländern. Sie stehen vor grossen Problemen: Das Land ist zerstört, Minen
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und Bomben versteckt, Menschrechte werden missachtet, internationale Truppen
vor Ort. Am 28. Januar 2010 findet in London eine internationale Konferenz zu
Afghanistan statt. Es wird entschieden, dass die Verantwortung der militärischen
Sicherheit    schrittweise      an   die   afghanische   Regierung   übergeben   wird.
Internationale Truppe sollen bis 2011 das Land verlassen haben.

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4. Charakteren

4.1 Beziehungsnetz

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4.2 Amir

Amir, 1963 in Kabul geboren, wächst in einem gehobenen paschtunischen
Haushalt mit seinem Vater auf. Seine Mutter starb bei seiner Geburt, seither fühlt
sich Amir für ihren Tod verantwortlich und meint, dass sein Vater ihm dies nie
verzeihen wird. Amir schreibt in seiner Freizeit Geschichten, die er oft Rahim
Kahn, der Freund des Vaters, und seinem besten Freund Hassan vorliest. Hassan
und Amir lieben es, Drachen steigen zu lassen, dabei andere Drachen in der Luft
zu schneiden und anschliessend den gefallenden Drachen nachzulaufen,           eine
afghanische Tradition. Die beiden gewinnen am jährlichen Fest um den besten
Drachenläufer und sind für einen kurzen Moment die stolzesten Einwohner
Kabuls. Zugleich ist es der letzte fröhliche Augenblick der Freundschaft. Noch am
selben Tag wird die Freundschaft durch einen schlimmen Vorfall jäh zerbrochen.
Während Hassen einen            Drachen für Amir hinterher rennt, („Hassan komm mit
ihm zurück!“ - „Amir, für dich mehr als tausend mal!“) wird er von einer Gruppe
Jungen aufgehalten. Assef, der Anführer der Gruppe, vergewaltigt Hassan. Amir
beobachtet den Vorfall und wagt es nicht, Hassan zu helfen. In den folgenden
Tagen haben die Jungen keinen Kontakt, keiner von beiden erzählt von dem
Vorfall. Amir erträgt es nicht mehr, Hassan in die Augen zu schauen und über
das Geschehene zu sprechen. Er wagt etwas unfassbares, und in den Augen des
Vaters etwas unverzeihliches: Er legt eine wertvolle Uhr unter Hassans Bett und
behauptet, dieser habe ihn bestohlen. Daraufhin verlassen Hassan und sein Vater
das Haus für immer. So hat sich Amir zwar von einem Problem befreit, aber
dieses nicht gelöst. Diese Schuld begleitet ihn ein Leben lang.

Amir und sein Vater flüchten in die USA und leben vom Verkauf gebrauchter
Sachen. Nebenbei schreibt Amir weiterhin Geschichten. Er lernt seine Frau
Soraya auf dem Markt kennen, die beiden heiraten und teilen sich eine Wohnung
mit dem todkranken Vater von Amir. Bis ein Telefonat aus Pakistan die Ruhe
unterbricht: Rahim Kahn bittet Amir nach Hause zu kommen.

Amir erinnert sich an seine Last und nimmt diesmal die Chance an, die Heimat zu
besuchen und seinem Vater und Hassan eine letzte Ehre zu erweisen, um seine

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Schuld wieder gut zu machen. So macht er sich auf den Weg zurück nach
Afghanistan, auf die Suche nach dem Sohn von Hassan.

4.3 Hassan

Hassan wächst als Sohn des Dieners auf, in einer kleinen Scheune neben dem
Haus von Amir und dessen Vater. Von den Jungen in Kabul wird er oft als
„Hassara-Junge“ beschimpft, eine ethnische Minderheit in Afghanistan, die im
modernen Afghanistan vor allem von der paschtunischen Elite diskriminiert wird.
Er kann weder lesen noch schreiben und liebt es, von Amir Geschichten
vorgelesen zu bekommen. Besonders die berühmte Geschichte von Rostam und
Suhrab gefällt ihm am besten. Hassan ist sehr tüchtig und hilft seinem Vater im
Haushalt von Amir. Er ist sehr bescheiden und würde alles tun, um Amir zu
beschützen. Als Amir und Hassan einmal von einer Jungenbande provoziert
werden, beschützt Hassan Amir mit seiner Steinschleuder.

Leider weiss auch Hassan nicht um das grosse Geheimnis von Amirs Vater. Amir
erfährt erst als Erwachsener, als Hassan bereits durch die Taliban exekutiert
wurde, dass Hassan sein Halbbruder war. Hassan hat es wahrscheinlich nie
erfahren. Die beiden wachsen zwar Seite an Seite auf, doch leben sie ein völlig
anderes leben. Amir in Luxus, Hassan in Bescheidenheit.

Nach dem Auszug aus dem Haus von Amir verlieren die Jungen den Kontakt zu
einander. Später erst erfährt Amir in einem Brief von Hassan, wie er sich selber
lesen und schreiben beigebracht hat und Amir alles verziehe. Er benennt seinen
einzigen Sohn Suhrab nach seiner Lieblingsgeschichte, die Amir ihm jeweils
vorgelesen hat.

Hassan bewacht bei Einzug der Taliban in Kabul das Haus von Amir und seinem
Vater, nach dem Rahim Kahn nach Pakistan geflohen ist. Er weigert sich, wie
bereits als Kind, jeglicher Diskriminierung standzuhalten und wird als Strafe mit
seiner Frau auf der Strasse vor dem Haus erschossen.

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4.4 Baba

Baba ist ein sehr strenger Vater, dem es manchmal schwer fällt, die Liebe zu
seinem Sohn offen zu zeigen, was sich in der Vater-Sohn-Beziehung mit Distanz
zeigt. Oft ist es Rahim Kahn, der sich Amirs Gedanken und Gefühlen herzlich
annehmen kann. Baba ist ein erfolgreicher und moderner Händler, der sein Geld
gerne für materiellen Luxus ausgibt. So fährt er den neusten Mustang, hält einen
Diener im     Haus, kauft Amir und           Hassan   den   besten   Drachen, etc. Er
unterscheidet sich von anderen Afghanen in dem er politisch liberal und modern
eingestellt ist, Alkohol trinkt und keine Religion praktiziert.

Sein Leben lang verschweigt er seinen zweiten Sohn, Hassan, den er genauso
liebt wie Amir und dies zeigt, in dem er ihn gleich fair behandelt wie Amir. Als
Hassan und sein Vater das Haus verlassen, bricht es ihm das Herz, doch kann er
die beiden nicht aufhalten.

In seiner Heimat in Afghanistan ist er ein angesehener und stattlicher Mann, der
sich für seine Rechte und die anderer einsetzt. Doch bleibt ihm keine andere
Wahl zu fliehen, als die kommunistische Partei an die Macht kommt und die
gegnerische Partei bedroht. Bevor er sein Heimatland verlässt, nimmt er als
Andenken Erde mit. So als ob er schon damals wusste, dass ein Zurückkommen
nicht mehr in Frage kommt. Sein Charisma leidet durch die Flucht und das neue
Leben in Amerika, er ist nicht mehr der kräftige Mann, sondern ein älterer Herr,
der zwar die neue Heimat akzeptiert, sich aber immer an seine Heimat erinnert
und dabei die Erde küsst.

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5. Szenenanalyse

5.1 Heimat

5.1.1 Die Heimat von Amir

Amir ist ein nachdenklicher und ruhiger Junge, der lieber den anderen Kindern
beim spielen zuschaut als mitzuspielen, Geschichten schreibt als Fussball zu
spielen. Amir vermisst seine Mutter, eine liebende Frau. Er wächst nur mit
Männern auf, sein Vater, Ali und Hassan und Rahim Kahn sind seine engsten
Bezugspersonen. Amir wächst modern auf, bekommt alles was er möchte, kleidet
sich westlich, jedoch fehlt ihm Zuneigung. Die Sehnsucht nach der Mutter, sowie
auch das damit verbundene Schuldgefühl ihres Todes, lassen das Zuhause von
Amir oft kalt erscheinen. Ein modernes, reiches Haus, westliche orientierte
Architektur, mit grossem Vorplatz. Fühlt er sich wohl? Amir sitzt oft am Fenster
und schaut nach draussen. Als suche er nach etwas, was er noch nicht hat.

Amir liebt es, mit Hassan auf Hügel zu rennen, durch die Gassen zu laufen und
Drachen fliegen zu lassen. Das zeichnet seine Beziehung zur Heimat Afghanistan.
Doch als die Realität das naive Leben der Kinder durchschneidet und politische
Unruhen das Land behaupten, sind Amir und Baba gezwungen, aus dem Land zu
flüchten. Amir ist immer noch ein Knabe, der dadurch ungewollt früh zum
Erwachsenen reift. Seine schönen Erinnerungen an die Heimat werden durch
Soldaten, Panzer und Gewalttaten zerrissen und hinterlassen den Eindruck an ein
zerstörtes Land.

Amerika     lässt   Amir    alle   Möglichkeiten     offen.   Er   macht   einen   guten
Schulabschluss, schreibt seine Geschichten auf einer Schreibmaschine und
träumt von einer Karriere als Autor, die ihm realistisch erscheint. Baba’s
Einwände gegen seinen Berufswunsch lassen ihn nicht aufhören, zu schreiben.
Vielleicht hätte Baba in Afghanistan mehr Einfluss auf seinen Sohn gehabt,
vielleicht hätte Amir nie ein Buch veröffentlicht und wäre nach dem Wunsch des
Vaters Arzt geworden. In Amerika, einem freien Land, lässt es Amir zu, sich
gegen seinen Vater zu stellen.

Amir lebt sich in Amerika ohne Probleme ein. Faktoren die dies begünstigen sind
die Flexiblität, das Alter, die Ungebundenheit. Amir ist mit seinen jungen Jahren
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viel flexibler und offener für Neues. Durch die Schule wird er automatisch in das
System eingliedern und sich eine Ausbildung aufbauen. Afghanistan ist zwar
seine Herkunft, jedoch hat er sich noch nicht so sehr wie sein Vater an das Land
gebunden, so dass er freier ist mit dem Gedanke, sich eine neue Heimat
aufzubauen.

Das Telefon von Rahim Kahn reisst Amir aus seinem Zuhause. „Home?“
Nachhause kommen? Da wird ihm klar, dass seine Heimat nun Amerika ist, dass
er sich nie vorstellen könnte, wieder zurück zu gehen.

5.1.2 Die Heimat von Baba

Baba ist ein sehr stolzer Afghane, politisch modern beeinflusst, zeichnet er sich
als starker Gegner der kommunistischen Politik aus. Aufgrund von öffentlichen
Äusserungen gegen das aufkommende sozialistische Regime, fürchtet er um sein
Leben und ist beim Einzug der Sowjetunion gezwungen, das Land als politischer
Flüchtling zu verlassen. Baba liebt jedoch seine Heimat, seine Kultur, die
Tradition des Drachenfliegens. Bei der Flucht scheint es ihm das Herz zu
zerreissen. Als er zum letzten Mal seine Füsse von Afghanischem Boden löst,
hebt er als Erinnerung Erde auf. Diese küsst er und steckt sie sorgfältig in eine
kostbare Dose. Als scheint er zu ahnen, dass er nie mehr seine Heimat betreten
wird. Diese Dose begleitet ihn bis zu seinem Tod.

Baba besitzt Charisma. Dies beweist er ein letztes Mal auf der Flucht bei der
Begegnung mit einem Soldaten. Um die Frau eines Mitfahrers zu schützen,
riskiert er sein Leben.

In Amerika lebt sich Baba zwar ein, jedoch verliert er zunehmen an dieser
ausgestrahlten Stärke. Er wirkt matt und traurig, doch ist er voller Stolz. Die
Schwierigkeit für Baba ist die hierarchische Umstellung in Amerika: In Kabul
besass er den neusten Mustang, ein schönes Haus und eigene Hausangestellten.
In Amerika muss er sich auf das Niveau eines Tankstellenarbeiters hinablassen,
um sein Leben zu finanzieren. Geht es jedoch um Russen, lebt Babas
Temperament       und    politische   Einstellung    schlagartig   auf.   Von   Ärzten   mit
russischen Wurzeln lässt er sich nicht behandeln.

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Nach der Heirat von Amir kann Baba endlich einschlafen. Er verabschiedet sich
von seiner Schwiegertochter und seinem Sohn, küsst die Erde seiner Heimat und
wendet sich friedlich in Gedanken seiner Heimat zu.

5.1.3 Szenenanalysen Amir und Baba

1) „Amir wehrt sich nicht.“

       a) Wirkung

Die Jungen werden unterschiedlich erwartet, als sie Zuhause ankommen. Hassan
rennt vor Freude zu seinem Vater, Amir schleicht sich unbemerkt ins Haus. Das
Haus erscheint kalt und herzlos, die grobe Einstellung des Vaters unterstreicht
dies. Amir fühlt sich alleine und ist traurig, sein Zimmer ist dunkel. Nur Rahim
Kahn findet den Zugang zu ihm, zuerst mit Abstand, kommt aber immer näher
zu Amir, bis sie schlussendlich auf gleicher Höhe sind. Die beiden werden von
Aussen durchs Fenster dargestellt, von Innen am Fenster gespiegelt (Amir) und
von hinten. Sanfte Musik kommt erst gegen Schluss der Szene hinzu, sie
untermalt die Situation leicht dramatisch. Amir erscheint sehr reif für sein Alter,
Rahim Kahn tröstet ihn. Amir und Rahim Kahn wirken wie Vater und Sohn, sie
haben eine enge Beziehung zu einander, was auch durch die gleiche Kopfhöhe
dargestellt wird. Baba und Amir          haben eine andere Art von Beziehung. Sie
lieben sich wie Vater und Sohn, Baba hat aber seine Vorstellungen davon, wie
Amir sich verhalten sollte und kann ihn nicht einfach so akzeptieren, wie er ist.
Eine der wenigen Szenen, in denen man sieht, wie nahe sie sich eigentlich sind
ist die Szene auf der Flucht, (siehe Kapitel 5.2.1) als sie zusammen im dunklen
Innern eines Lastwagens über die Grenze geschmuggelt werden.

       b) Der Filmische Raum / Kamera

Der erste Teil der Szene befindet sich vor dem Haus, später im Treppenhaus des
grossen Hauses und schlussendlich bleibt der filmische Raum bestehen, durch die
Situation in Amirs Kinderzimmer. Die Wechsel der filmischen Räume verlaufen
parallel zur emotionalen Empfindung von Amir:

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Raum                     Kamera              Einstellungsgrösse     Gefühl
Von Draussen             Über Tor            Totale                 Spielend, fröhlich
kommend in den           fliegend (evt.
Hof                      mit Kran)
Hauseingang              Starre Kamera       Wechsel zwischen       Vorahnend auf
                                             Halbtotale, Halbnah,   Grösseres
                                             Amerikanisch
Treppenhaus              Schwenkende         Halbnah                Enttäuscht, traurig,
                         Neigung                                    getroffen,
                                                                    aufgewühlt
Kinderzimmer             Leicht              Wechsel zwischen       Nachdenklich,
                         schwenkend,         Nah, Halbnah,          resigniert
                         meist starr         Amerikanisch

       c) Kamerabewegungen

Die Kamera ist während der Interaktion von zwei Personen still und bewegt sich
nur, wenn sich die Personen auch bewegen. Sowie zu Beginn der Szene, als die
Jungs in den Hof rennen. Vermutlich ist die Kamera auf einem Kran montiert, der
sie zuerst hoch zieht und dann über das Tor fliegt. Im Hauseingang ist die Sicht
der Kamera auf gleicher Höhe wie die Gesichter der Personen, so als wäre sie
eine imaginäre Drittperson. Im Treppenhaus bleibt die Kamera unten stehen,
schwenkt jedoch der Bewegung von Amir mit, woraus eine Neigung entsteht.

Im Kinderzimmer ist die Kamera nicht mehr in Bewegung, sie schwenkt nur noch
leicht zwischen Amir und Rahim Kahn hin und her. Die Kamera fokussiert Amir
im Vordergrund, Rahim bleibt anfangs im Hintergrund unscharf stehen, erst
später, als er Amirs Gedanken wahrnimmt, kommt er auf Amir zu.

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Zu Beginn der Szene werden Amir und Rahim von Aussen gefilmt: Die Kamera ist
möglicherweise wieder auf einem Kranen auf Fensterhöhe montiert. Interessant
ist dabei die Einstellung, die Sprechenden von Aussen zu sehen, aber sie
trotzdem zu hören als wäre man Drinnen im Haus. Diese Einstellung, oft in
Zusammenhang mit einem Fenster, erscheint mehrmals im Film.

       d) Einstellungsgrössen (Standbilder)

Eine eindrückliche Totale (die Kamera fliegt über das Tor) eröffnet die Szene. Für
Zuschauer mag die Einstellung von oben und leicht geneigt ungewöhnlich
erscheinen, doch sind es diese Bilder, welche der Sequenz eine Spannung
erzeugen lassen.

Die Einstellungsgrössen wechseln oft zwischen Halbnah und Nah bei sprechenden
Personen, sodass die Zuschauer den Wechsel nicht bewusst wahrnehmen.
Auffallend oft wird in dieser Sequenz die Einstellung „Amerikanisch“ angewendet.
Man sieht weder Füsse noch den ganzen Raum.

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FE: Filme mit dem Thema Migration. Peter Holzwarth

2) Szene in der Bar

       a) Wirkung

Amir und Baba feiern den High School Abschluss von Amir in einer Bar. Baba
zieht dabei einen Mann an der Bar sowie eine Gruppe junger Männer am
Billardtisch mit in das Geschehen ein. Er erklärt, dass er seinen Sohn lieber als
Arzt statt Schriftsteller sehen möchte und bringt dabei Amir in eine peinliche
Lage. Dieser aber widersetzt sich seinem Vater und erklärt, dass er schreiben
wird und nicht Arzt werden möchte.

Baba wirkt in dieser Situation aufgesetzt fröhlich, man spürt seinen Stolz, jedoch
auch die Reue, dass sein Sohn nicht einen angesehenen Beruf erlernen wird.
Schlussendlich lädt er die ganze Bar auf ein Bier ein: „Fuck the Russia!“. Die Wut
auf die Russen trägt Baba immer noch nahe bei sich. Amir hingegen schämt sich
etwas für seinen angetrunkenen Vater. Er wirkt dabei zurückhaltend und
bescheiden. Als sein Vater beginnt, über Hassan zu sprechen, scheint ihn das
Verdrängte gedanklich wieder einzuholen.

       b) Der filmische Raum

Diese Szene spielt sich in einem geschlossenen Raum ab. Wahrgenommen wird
jedoch nicht die ganze Bar; nur die Theke und eine Ecke mit Billardtisch.

       c) Kamerabewegungen

Die Kamera bewegt sich in dieser Szene aus der Sicht einer Person im Raum. Als
Amir und Baba in den Raum treten, schwenkt die Kamera von unten hinauf und
fokussiert die Gesichter. Dies gleicht einer Bewegung am Billardtisch; ein Mann
der gerade spielte und nun aufschaut. Eine ähnliche Einstellung erfolgt an der
Bar: Die Kamera zeigt die Perspektive einer imaginären Person, die neben Baba,
Amir und dem weiteren Gast sitzen. Nur einmal nimmt sie die Rolle des
Barbetreibers ein, als der Tresen aus seiner Sicht wahrgenommen wird.

       d) Einstellungsgrössen

Weil die Szene nur auf einen Raum beschränkt ist und die Interaktion vor allem
zwischen Amir und Baba stattfindet, wechseln hier die Einstellungsgrössen

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FE: Filme mit dem Thema Migration. Peter Holzwarth

hauptsächlich zwischen Nah und Halbnah, wobei meistens eine Person davon in
Fokus ist und diejenige daneben leicht unscharf. Zwischendurch sind einzelne
Aufnahmen in der Einstellung „Amerikanisch“ aufgenommen.

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5.2 Migration (Flucht)

5.2.1 Die Heimat verlassen

Kurz nach dem Ali und Hassan das Haus für immer verlassen, treten die
sowjetischen Truppen in Kabul ein. So plötzlich wie Ali und Hassan das Haus
verlassen, so plötzlich sind Amir und Baba gezwungen, Afghanistan zu verlassen.
Amir scheint noch zu jung, um die politischen Unruhen zu verstehen, Baba
jedoch fürchtet sich, verfolgt zu werden.

Ohne zu zögern löst Baba seinen neuen Mustang gegen die Kosten für die
Schlepper ein. Die beiden packen das Nötigste und verlassen Afghanistan in
einem Tiertransport ähnlichem Gefährt. Wie bereits in 5.1.2 erwähnt, zeigt sich
Baba in der Situation mit einem Soldaten äusserst mutig und zeigt Zivilcourage.

An der Grenze zu Pakistan sind die Flüchtlinge gezwungen, den Kleinlaster gegen
einen Wassertank-Lastwagen zu tauschen. Baba ist skeptisch und wütend zu
gleich. Doch ist er gezwungen, dieses Risiko einzugehen, es bleibt ihm keine
Wahl. Zum ersten Mal ist er gezwungen, sich aus der edlen Hierarchie, seiner
Gewohntheit, zu lösen. Sowie er in Amerika gezwungen ist, seinen bisherigen
Lebensstandard aufzugeben.

Im Tanklaster sind sich die beiden zum ersten Mal seit langem sehr nahe. Baba
beschützt Amir, tröstet ihn und lässt ihn Gedichte zum Zeitvertrieb aufsagen. Die
Flucht wird die beiden immer verbinden.

Wir Zuschauer erleben die Flucht der beiden bis nach Pakistan, die Endet mit
einem feinen Schnitt in die USA, jedoch mit einem grossen Schritt zehn Jahre
später. Wie die beiden es bis in die USA geschafft haben, ist unklar. Jedoch ist
aufgrund der finanziellen Mittel anzunehmen, dass Baba Flugtickets in die USA
besorgen konnte.

5.2.2 Einleben

Wie bereits erwähnt, ist das Einleben für Amir einfacher als für Baba. Amir ist
jung, baut sich sein Leben noch auf und ist fähig, flexibel mit neuen Situationen
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FE: Filme mit dem Thema Migration. Peter Holzwarth

umzugehen. Baba hingegen hat alles verloren, was er sein Leben lang aufgebaut
hat. Seine Arbeit, sein Eigentum, seine Freunde und sein Sohn Hassan, was erst
am Schluss des Filmes aufgedeckt wird. Da er bereits als junger Vater seine
Ehefrau, Amirs Mutter, sowie seine Geliebte, die Mutter von Hassan, verloren
hat, bleibt ihm nun nur noch Amir.

Alte Bekannte aus der Heimat, die Familie von General Sahib, erleichtern das
Einleben der beiden. Die gemeinsame Situation verbindet. Wie wird die Familie in
Verbindung mit dem Thema Migration dargestellt? Baba und Amir sind klar
politische Flüchtlinge. Die Familie von General Sahib scheint jedoch schon länger
in der USA zu leben: Die Tochter, Soraya, ist in der neuen Heimat geboren,
jedoch mit traditionellen Werten erzogen worden. Ihre Ehre und die der ganzen
Familie ist bedroht, weil sie sich vor der Hochzeit mit einem Mann eingelassen
hat. Diese traditionellen Werte erscheinen im modernen Amerika paradox, sogar
Amir hat in Afghanistan eine freiere Erziehung genossen. Jedoch zeigt sich bei
Migranten oft einen starken Bezug zur Tradition, als einzige Verbindung zur
Heimat. Soraya mag vielleicht noch nie in Afghanistan gewesen sein, oder sich
dort als Fremde gefühlt haben, jedoch ist ihre Sozialisation afghanisch und
konservativ gegen die ihre wahre Heimat USA gesetzt. Sie wächst in zwei Welten
auf. Es ist anzunehmen, dass die Familie nicht einer politischen Flucht ausgesetzt
war, sondern eher aus wirtschaftlichen Gründen imigriert sind. Soraya fühlt sich
als Amerikanerin, General Sahib und seine Frau scheinen aber nicht im neuen
Land Fuss gefasst zu haben. Im Gegensatz zu Baba und Amir beherrschen sie die
Englische Sprache nicht und kommunizieren nur in ihrer Muttersprache. Baba
erscheint offener als General Sahib. Beide behalten ihren Lebensstil, welcher von
afghanischen Traditionen geprägt ist, bei, wobei Baba schon im Heimatland eine
modernere Einstellung hatte.

5.2.3 Szenenanalyse „Flucht“

Szene Flucht 44:18 – 51:24

        a) Wirkung

In Minute 44:01 verlassen Ali und Hassan das Haus, kurz darauf, Minute 44:18
verlassen Baba und Amir das Land. Beide flüchten, jedoch nicht in der gleichen
Lage.    Ali   und   Hassan     leben    als     Minderheit   im   Land,   sie   sind   sich
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FE: Filme mit dem Thema Migration. Peter Holzwarth

Diskriminierungen gewöhnt, für Baba und Amir entsteht zum ersten Mal eine
lebensbedrohliche Gefahr. Sie sind gezwungen, auszureisen. Auch weil es nicht
Baba’s    Charakter      entspricht,    sich     im   Land     zu   verstecken,     irgendwo
unterzutauchen. Er möchte seine Heimat zurücklassen und für Amir eine neue,
bessere Lage und stabile politische Sicherheit finden.

Die Szene der Flucht beinhaltet intensive Nahaufnahmen zwischen Baba und
Amir, sowie auch von anderen Flüchtlingen (Situation im Kleinlaster: Der
Zuschauer lernt Emotionen fremder Menschen kennen). Sie beinhaltet jedoch
auch beeindruckende Landschaftsbilder, Totale, welche die weite und Schönheit
des Landes darstellen, wohl auch in Verbindung mit der Schwierigkeit eine solche
Heimat zu verlassen.

Weitere Gedanken zur Flucht von Baba und Amir siehe Kapitel 5.2.1.

       b) Der filmische Raum

Die Szene der Flucht kann in verschiedene Phasen eingeteilt werden:
Phase 1 – Aufbruch zu Hause
Phase 2 – Kleintransporter, Begegnung mit Soldat
Phase 3 – Tanklastwagen
Phase 4 – Sprung Amerika 10 Jahre später

Phase        Raum                  Geschehen                        Gefühl
Phase 1      Im Haus:              Politische Unruhen in Kabul.     Amir: Verwirrung
             Kinderzimmer von      Amir wird aus dem Schlaf
             Amir,                 gerissen, muss packen.           Baba: Nervös

             Wohnzimmer            Letzte Vorbereitungen zur
                                                                    Rahim Kahn: Sorgevoll
             (Baba & Rahim)        Flucht
Phase 2      Kleintransporter,     Verschiedene Personen            Amir: Angst um Tod von
                                   sitzen eng aneinander im         seines Vaters („Erschiss
             dazwischen            Kleinlaster, alle mit dem        mich doch!“)
             Landschaft als        gleichen Ziel: über die
             filmischer Raum       Grenze kommen. Ein               Baba: Mut
             und Gegensatz zu      russischer Soldat verlangt
             eingesperrten                                          Flüchtlinge: Angst,
                                   nach einer jungen Mutter,
             Menschen im                                            Ungewissheit,
                                   Baba stellt sich gegen ihn.

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FE: Filme mit dem Thema Migration. Peter Holzwarth

             Laster                                                  Verzweiflung

Phase 3      Tankwagen             Im Tankwagen ist es               Amir: fühlt sich bei Vater
                                   dunkel, wenig Luft zu             wohl, Angst vor der
                                   Verfügung. Menschen               Dunkelheit und was
                                   weinen und beten. Baba hält       kommen mag
                                   Amir beschützend in den
                                   Armen, Amir sagt                  Baba: zeigt sich stark

                                   Afghanische Gedichte auf.         gegen Aussen, Innerlich
                                                                     Angst vor dem Erwischt
                                                                     werden.
Phase 4      Amerika;              Zeh Jahre später. Ein Zug         Baba: Schwermut, ohne
             Tankstelle            rollt ins Bild, ersetzt den       Energie, hat sich mit der
             irgendwo in           Tankwagen kurz vorher im          Lage abgefunden (für
             Kalifornien           Bild. Baba arbeitet an einer      den Sohn). Heimweh
                                   Tankstelle, sichtlich gealtert.   nach Hause, zu seinem
                                   Ein Mustang fährt vor, der        früheren Leben.
                                   gleiche den er in Kabul
                                   besass. Die verlorene
                                   Existenz wird bewusst
                                   gemacht.

       c) Kamerabewegungen/ Kameraperspektive

Phase 1:

Die Schnitte sind schnell, die Sequenzen kurz. Schneller Wechsel zwischen
Einzug der sowjetischen Truppen, Baba und Rahim Kahn im Wohnzimmer und ein
verschlafener Amir, der seine Sachen packen soll. Die Kamera zeigt nur wenig
Bewegung. Die Musik und die Hektik der Menschen verdeutlichen die Spannung
der Situation, nicht die Bewegung der Kamera. Diese bringt durch die ruhigen
Einstellungen etwas Ruhe ein. Nur die Bewegung der sowjetischen Truppen wird
mit der Kamera leicht begleitet.

Phase 2:

Weite Landschaftsbilder begleiten den fahrenden Kleintransporter. Auffallend ist
die Fokussierung auf den Boden: Einmal werden die fahrenden Räder des

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Transporters aufgenommen, einmal die ungleichen Schuhe des Fahrers und des
Soldaten. Die Kamera geht Lauftempo mit. In der Verhandlung mit dem Soldaten
bewegt sich die Kamera abwechselnd neutral schwenkend vor den Gesichtern der
Flüchtlinge, als stabile Einstellung aus der Sicht eines Flüchtlings aus dem Wagen
und aus der Sicht des Soldaten von vorne in den Wagen.

Bemerkenswert ist auch, dass der Soldat aus der Sicht von Baba, welcher auf
dem Wagen steht, also von oben gefilmt wird, während Baba aus der Sicht des
Soldaten, also aus Froschperspektive gefilmt wird. Dies lässt Baba überlegen,
bzw. den Soldaten Baba unterlegen erscheinen, und das, obwohl der Soldat der
Bewaffnete ist. Er sieht sichtlich beeindruckt, ja sogar ängstlich aus. Die
Überlegenheit von Baba wird noch unterstreicht dadurch, wie die „Balken“ unter
dem Lastwagendach hinter seinem Kopf zu einem Kreuz zusammenlaufen. Dieses
Kreuz erinnert jedoch auch an eine Zielscheibe beim Schiesse, was ja auch
wiederum zu der Szene passt.

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Phase 3:

Die Kamera folgt den Bewegungen von Amir und Baba. Wie Baba sich bückt, um
Erde aufzulesen, wie die beiden aufs Dach des Lasters klettern, um in das Innern
des Lasters zu kommen. Da zeigt die Kamera eine Perspektive von oben, fast
eine Vogelperspektive. Es wäre möglich, dass die Kamera hier wieder auf einem
Kran montiert ist, sich über dem Laster bewegen kann und die Kamera senkrecht
nach unten senkt. Im Innern des Tanks bewegt sich die Kamera nicht und
verdeutlicht somit die Enge und Dunkelheit des Raumes. Die Dunkelheit wird nur
durch das Leuchten Amirs Armbanduhr durchbrochen.

Das leichte Zittern der Kamera bewirkt, dass die Szene real erscheint. Man hat
das Gefühl, man sitze in dieser Dunkelheit mit Baba und Amir, im Laster der über
holprige Seitenstrassen über die Grenze fährt. Das Zittern wird auch mit Angst
assoziiert, was dem Betrachter das Gefühl, welches Amir und Baba in dem
Moment wohl empfinden, näher bringt.

Übergang Phase 3 – Phase 4:

Der Regisseur schafft hier einen Bemerkenswerten Übergang von zwei Szenen,
die in der Geschichte circa 10 Jahre voneinander entfernt sind. Am Ende von der
Fluchtszene sieht man den Lastwagen im Dunkeln fahren, das einzig Helle sind
die Scheinwerfer des Lastwagens. Dann findet eine Überblendung statt, die
wenige Sekunden andauert. Das Spezielle ist, dass die Scheinwerfer des
Lastwagens genau dort sind, wo nachher die Lichter des Schnellzuges in
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Kalifornien erscheinen. So passiert ein nahtloser, fliessender Übergang, und
trotzdem ist allen klar, dass es zwei völlig andere Welten sind: vorher der
langsame, holprige Lastwagen in der Stille, danach der Schnellzug in den
geräuschvollen Strassen von Los Angeles.

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Phase 4:

Die Kamera ist möglicherweise wieder auf einem Kran montiert. Sie bewegt sich
von der Höhe der Zugbrücke hinunter zur Strasse und verschafft somit dem
Zuschauer einen Überblick über die neue Umgebung. An der Tankstelle fährt ein
heranfahrendes Auto in die Kamera. Diese bewegt sich erst, als der Fahrer
aussteigt. Die Perspektive ist so gewählt, dass die Kamera den Fahrer und Baba
seitlich aufnimmt und dann in die Perspektive des Mannes wechselt. Baba sitzt
dabei hinter einer Scheibe in einem kleinen Häuschen und wird nicht von dessen
Seite aufgenommen, nur von Aussen. Dies verdeutlicht wiederum die Fremde
und die Sehnsucht zur Heimat (der gleiche Mustang stand einmal bei Baba in
Kabul).

       d) Einstellungsgrössen

Phase 1: Wechsel zwischen Halbtotale (Sowjetische Truppen, Baba’s Haus von
Aussen), Nah (Amir erwacht) und Halbnah (Baba und Rahim: politische
Diskussion und Vorbereitung der Flucht).

Phase 2: Wechsel zwischen Totale (Landschaft) zu Halbnah (Interaktion Soldat-
Fahrer-Baba). Die Flüchtlinge werden in der Einstellung Nah aufgenommen, der
Soldat Halbnah.

Phase 3: Die Sequenz vom Wechsel Kleintransporter zum Tanklaster ist sehr
dunkel     aufgenommen,         aufgrund   der   Nacht.   Die   Einstellungen   wechseln
grundsätzlich zwischen Nah und Halbnah.

Phase 4: Wechsel von Totale zu Halbtotale. Das Gespräch zwischen Baba und
dem Fahrer ist Halbnah aufgenommen.

5.3 Symbole

5.3.1. Drachen

Wie der Titel „The Kite Runner“ erahnen lässt, ist das Drachenlaufen ein zentraler
Aspekt des Films. Die Drachen fliegen durch die Luft, und Fliegen bedeutet für

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viele Menschen Freiheit, Lust am Leben, Blick nach vorne, Optimismus. So sind
auch die Szenen im Film, bei denen der Drachen gestiegen wird geprägt von
Fröhlichkeit und Spass. Das Drachenlaufen ist das grosse gemeinsame Hobby der
beiden Freunde Hassan und Amir und steht somit auch für ihre Freundschaft.
Diese Freundschaft und die Erinnerung daran begleitet Amir durch sein ganzes
Leben, und uns durch den ganzen Film. Dies zeigt sich schon in der ersten
Szene,    als   ein   fliegender   Drachen    und    gleich   darauf   den   in   Gedanken
versunkenen, erwachsenen Amir gezeigt wird. Auch im letzten Bild des Filmes
sind fliegende Drachen zu sehen.

Beim Drachenlaufen ist auch der Klassenunterschied der beiden Jungs sichtbar:
Amir darf den Drachen steuern und die anderen Drachen „versenken“ während
Hassan die Spule hält und den Drachen nachrennt, um sie seinem Freund zu
bringen. Somit gehört auch nach dem Sieg des Wettbewerbs im Dorf die meiste
Ehre Amir, da er es war, der die Schnüre der anderen Drachen durchschnitt.

5.3.2. Granatapfel

Ein weiteres Symbol für die Freundschaft von Amir und Hassan ist der
Granatapfelbaum. Sie verbringen viel Zeit dort, Amir liest Hassan Geschichten
vor und verewigt ihre Freundschaft, indem er „Amir und Hassan, die Sultanen
von Kabul“ in den Baumstamm schnitzt.

Später, nachdem Amir die Vergewaltigung von Hassan mit ansah ohne ihm zu
helfen, plagen ihn Schuldgefühle. Hassan weiss nicht, dass Amir dabei war, aber
Amir will, dass Hassan böse auf ihn ist, er sucht einen Weg, um sein schlechtes
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Gewissen loszuwerden. Deshalb versucht er, Hassan zu provozieren, indem er
ihn mit Granatäpfeln bewirft. Dabei ruft er immer wieder „Wehr dich!“. Hassan
hingegen zerdrückt einen Granatapfel im eigenen Gesicht und geht.

In dieser Szene wird klar, dass die Freundschaft von Amir und Hassan nicht mehr
so ist, wie sie einmal war. Die beiden Jungs verbringen von nun an keine Zeit
mehr miteinander.

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5.4 Elemente der Filmsprache

5.4.1 Dramaturgie

       Aufbau nach Schroedel (2008).

   1. Akt/ Exposition

   Im ersten Akt wird die Geschichte vorbereitet. Die Freundschaft von Hassan
   und Amir und ihr Leben in Kabul steht im Vordergrund. Auch die anderen
   Figuren werden vorgestellt.

   Plot Point I

   Amir schaut bei der Vergewaltigung von Hassan zu, ohne einzugreifen. Damit
   gefährdet er die Freundschaf von den beiden. Dieser Plot Point leitet über in
   einen neuen Abschnitt im Film, den 2. Akt.

   2. Akt/ Konfrontation

   Amir muss von nun an mit seinen Schuldgefühlen gegenüber Hassan leben. Er
   schämt sich dafür, dass er seinem Freund nicht geholfen hat. Er versucht
   vorerst, über diese Scham hinwegzukommen, indem er das Geschehene
   verdrängt. Im zweiten Akt sieht man, wie Amir versucht, sein Leben in
   Amerika aufzubauen, seinen Traum, ein Buch zu veröffentlichen, verfolgt.

   Plot Point II

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   Amir bekommt einen Anruf von Rahim Kahn, welcher ihm eröffnet, dass es
   einen Weg gebe, um alles wieder gut zu machen. Diese Telefon-Szene
   beginnt am Anfang des Films und wird dann unterbrochen von erstem und
   zweitem Akt und setzt dann fort. Man könnte also den ersten und zweiten Akt
   als eine Art sehr langen Rückblick bezeichnen. Die Geschichte wird also nicht
   linear erzählt, wenn auch die klassischen drei Akte gut erkennbar sind.

   3. Akt/ Auflösung

   Der Weg, es wieder gut zu machen, besteht darin, dass Amir nach Kabul
   geht, den Sohn vom verstorbenen Hassan sucht, und ihn in seine Familie
   aufnimmt.

5.4.2 Filmmusik

Die Geschichte wird begleitet von passender Musik aus der Region Pakistan,
wobei diese der Stimmung der Szene angepasst ist; bei traurigen Szenen eher
langsame, traurige Musik und bei unbeschwerten, fröhlichen Szenen ebenso eher
fröhliche, schnellere Musik.

5.4.3 Intention

Ein wichtiger Aspekt im Film ist die Schuld und Sühne. Amir kann seine
Vergangenheit nicht friedlich hinter sich lassen ohne mit sich selbst in reinem
Gewissen zu sein. Vielleicht will der Autor der Geschichte darauf aufmerksam
machen, dass es wichtig ist mit Fehlern aus der Vergangenheit abzuschliessen.

Auch die Zivilcourage ist Thema in der Geschichte. Hätte Amir seinem Freund als
dieser vergewaltigt wurde geholfen hätte er nicht mit diesem schlechten
Gewissen leben müssen. Er schämte sich danach sehr für sein Verhalten wohl
auch, weil sein Vater immer sehr viel Wert auf Ehre und Zivilcourage gelegt hat.
Dies sieht man in einer Szene auf der Flucht, als er sein Leben hergeben würde,
um eine Frau vor einer Vergewaltigung zu schützen.

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6. Pädagogisches Konzept

6.1 Kontext und Methoden

Zielgruppe                      3. Sek

Ziele                           Perspektivenwechsel in Flüchtlinge, deren Flucht und
                                Schwierigkeiten sich einzuleben, sowie Verlust der
                                Heimat und Aufbau einer neuen Existenz.

Der Film ist intensiv zu verarbeiten, da der Inhalt verschiedene Themen bietet
und ist darum möglicherweise in einem Freifach der 3. Oberstufe, z. B. in einem
Geographie- oder Geschichtsfach, anzuwenden:

   •    Freundschaft
   •    Politische Unruhen  Flucht
   •    Einleben in neuer Heimat
   •    Taliban Regime in Afghanistan

Da der Film sehr lange ist (fast zwei Stunden), könnte man nach Themen
geordnet einzelne Sequenzen zeigen und nicht den ganzen Film anschauen. Wir
empfehlen aber, den ganzen Film anzuschauen, da man so etwas mehr in die
Tiefe gehen und den Film nicht nur anhand spezieller Szenen analysieren kann,
sondern auch als Ganzes, die Inszenierung der ganzen Geschichte betrachten
kann. Ausserdem wäre die Motivation der Schülerinnen und Schüler, sich mit
dem Film zu befassen, vermutlich grösser, wenn sie den ganzen Film anschauen
dürften.

6.2 Unterrichtsideen

Siehe Appendix.

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7. Fazit

Der Film The Kite Runner beinhaltet sehr viele Themen, über welche es sich
lohnt, zu sprechen: Freundschaft, Schuld und Sühne, Einleben in einem anderen
Land, Gefühl der Heimat, etc. Diese Themen sollten auch die Jugendlichen
interessieren, deshalb empfiehlt es sich sehr, diesen Film in einer Schulklasse zu
behandeln. Der Film beinhaltet auch brutale Szenen, welche auf jeden Fall auch
angesprochen werden sollten. Diese Szenen sollten einem aber nicht davon
abhalten, den Film zu behandeln. Die Szenen können auch dazu gebraucht
werden, solche Themen in der Klasse zu behandeln und den Jugendlichen helfen,
solche Themen, mit welchen sie immer wieder in Filmen und anderen Medien
konfrontiert werden, zu verarbeiten.

Der Film bietet auch Gelegenheit, Filmsprachliches zu besprechen. Das Ziel ist
es, den Jugendlichen eine andere Sichtweise zu eröffnen, welche sie auch beim
Schauen anderer Filme gebrauchen können. Das beinhaltet auch das Nachdenken
über einen Film und das Besprechen mit Kolleginnen und Kollegen. Ein Film ist
nicht wirklich zu Ende, nachdem er aufhört zu spielen.

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FE: Filme mit dem Thema Migration. Peter Holzwarth

8. Bibliographie

Primärliteratur

Hosseini, Khaled (2003): Drachenläufer. Berlin: Berlin Verlag.

Forster,    Marc   (Director).   (2007).    The      Kite   Runner   [Film].   Unterföhring:
Paramount Home Entertainment Germany.

Sekundärliteratur

Klant, Michael / Spielmann, Raphael (2008): Grundkurs Film 1. Braunschweig:
Schroedel.

Schröter,    Erhart    (2009):    Filme    im     Unterricht.   Auswählen,      analysieren,
diskutieren. Weinheim und Basel: Beltz Verlag.

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