Innovation statt Kommerz - Für eine Neuausrichtung des Filmförderungsgesetzes - DIE LINKE. Fraktion im Landtag ...
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Inhalt Vorwort 3 Teil 1 Redebeiträge der Potsdamer Anhörung zur bevorste- henden Novellierung des Filmförderungsgesetzes vom 25. September 2015 . . . . . . . . . . . . . . . .5 Peter Dinges 5 Martin Kröber 9 Thomas Frickel 12 Beate Völcker 15 Kirsten Niehuus 18 Prof Dr Mathias Schwarz 20 Prof Martin Hagemann 24 Barbara Rohm / Esther Gronenborn 28 Ellen Wietstock 32 Teil 2 Schlussfolgerungen der LINKEN aus den Ergebnissen der Potsdamer Anhörung. . . . . . . . . . . . . . . 34 Innovation statt (nur) Kommerz 34 Fotonachweis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 1
Fraktion DIE LINKE. im Bundestag Platz der Republik 1, 11011 Berlin Telefon: 030/22751170, Fax: 030/22756128 E-Mail: fraktion@linksfraktion.de V.i.S.d.P.: Heike Hänsel & Jan Korte Verantwortlich: Harald Petzold, MdB Medienpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion DIE LINKE E-Mail: harald.petzold@bundestag.de Redaktion: Glen Dammann, Franziska Schneider, Jan Czornitzek-Wirth Layout/Druck: Fraktionsservice Endfassung: 25. Februar 2016 Dieses Material darf nicht zu Wahlkampfzwecken verwendet werden! Mehr Informationen zu unseren parlamentarischen Initiativen finden Sie unter: www linksfraktion de 160211 2
Vorwort Liebe Leserin, es zehn lange Jahre, bis das Bundesverfassungsgericht lieber Leser, nach einem langen Streit Anfang 2015 die Filmförderung des Bundes endlich für rechtmäßig erklärte. Auch der eine Filmförderung, die den Wert eines Filmes zualler- Bund darf, ungeachtet der Kulturhoheit der Länder, erst nach seinem kommerziellen Erfolg an den Kino- nunmehr aktiv Kultur fördern, im konkreten Fall den kassen bemisst, ist auf dem falschen Weg. Denn sie deutschen Film. Der Problemberg ist inzwischen riesig, reduziert die Bedeutung des Films auf seine ökonomi- der Reformbedarf entsprechend groß. Es kommt jetzt sche Verwertbarkeit und verwandelt ihn in ein beliebi- auf eine Innovation der Förderziele, der -instrumente ges, austauschbares Wirtschaftsgut, das sich wie jedes und der -strukturen an. andere auch auf dem Markt bewähren soll. Dabei bleibt die große gesellschaftliche Relevanz des Films, bleiben Linke Filmförderungspolitik hat zum Ziel, den Film Ästhetik, kommunikativer Gehalt und schließlich die als eine für die Gesellschaft unverzichtbare kulturelle künstlerische Experimentierfreude und deren Vielfalt Ausdrucksform in der öffentlichen und politischen immer wieder auf der Strecke. Wahrnehmung zu verankern und das Filmförderungs- system in diesem Sinne neu auszurichten und somit Das deutsche Filmförderungssystem stammt in seinem am Ende zu stärken. Die Legitimation staatlicher Kern aus den 60iger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Filmpolitik muss allemal kulturell begründet sein. Nicht Es ist ein starres, ein komplexes, ein zum Teil recht der gewinnträchtige Blockbuster darf im Zentrum verwirrendes Geflecht aus verteilten Bund- und Länder- staatlicher Filmförderung stehen. Eine in diesem Sinne Zuständigkeiten, in dem die Belange der regionalen erfolgreiche Filmförderung muss aber auch finanziell Wirtschaftsförderung und der Standortinteressen bedarfsgerecht ausgestattet werden. Deshalb fordert strukturell dominieren. Aus den Reihen der etablierten DIE LINKE schon seit Jahren, die im Bundeshaushalt Kulturpolitik sind zwar immer wieder Bekenntnisse zum vorgesehenen Förderungsmittel stabil auf mindestens Film als Kulturgut zu vernehmen, die politische Praxis 70 Mio. Euro jährlich anzuheben. ist aber eine andere. Die Bundesregierung und die meisten Landesregierungen sind nach wie vor in der Am 25. September 2015 veranstalteten die Medienpoliti- Spirale aus wirtschaftlichen und standortpolitischen schen Sprecher_innen der Partei DIE LINKE aus Bund Interessen gefangen. Film ist aber Kultur und Kinos und Ländern in Potsdam eine Anhörung mit zahlreichen sind Stätten der Kultur und der sozialen Begegnung. In Expertinnen und Experten zur bevorstehenden Novellie- Frankreich ist diese Einsicht ein Allgemeinplatz. Dort rung des Filmförderungsgesetzes. Die Beiträge mit den genießt das Kulturgut Film eine weit höhere Aner- verschiedenen Sichtweisen sind in der vorliegenden kennung als hierzulande. Jenseits des Rheins weiß Broschüre dokumentiert. man schon lange, dass in einer vielfältigen Kultur das Filmschaffen als ein integraler Bestandteil nicht fehlen Einige der Probleme der gegenwärtigen deutschen darf. Film und Filmgeschichte gehören zum kulturellen Filmförderung aus linker Sicht seien an dieser Stelle Kerncurriculum der Franzosen. In Deutschland dauerte kurz erwähnt: 3
- Es ist auffällig, dass bei der Vergabe der Fördermit- relle Vielfalt reformieren zu können, muss das gesamte tel Filme von Frauen (Regie, Drehbuch, Produktion) auf komplexe Fördersystem unter die Lupe genommen inakzeptable Weise benachteiligt werden. Auch hier und evaluiert werden. An einer solchen Gesamtschau geht es um Gleichstellung. fehlt es. Spätestens nach Abschluss der Gesetzesno- velle sollte ein solches Evaluationsvorhaben in Angriff - Im gesamten Bereich der Filmproduktion bestehen genommen werden. prekäre Beschäftigungsverhältnisse. Soziale Mindest- standards und Tariflöhne werden nicht eingehalten. DIE LINKE wird sich in den FFG-Novellierungsprozess selbstverständlich mit eigenen Vorschlägen einbringen. - Der Dokumentarfilm, der Animationsfilm und der Mit der vorliegenden Broschüre wollen die Medienpoli- originäre Kinderfilm fristen inzwischen eine Randexis- tischen Sprecher_innen der LINKEN einen Beitrag zur tenz. Filmförderung muss auch zur Genrevielfalt beitra- Debatte leisten. gen. Wir bedanken uns bei den Teilnehmerinnen und Teil- - Viele mit Fördermitteln ausgestattete Produzenten nehmern der Potsdamer Anhörung, allen voran bei den und Verleiher zahlen keine Mittel zurück. Unabhängig Referentinnen und Referenten. davon werden sie weiterhin gefördert. - Die Fördergremien sind zu groß. Die Vergabekom- mission hat viele Mitglieder aus den verschiedenen Harald Petzold, MdB Einzahlerbereichen, bei deren Entscheidungen fachliche Medienpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Kriterien häufig eine nur untergeordnete Rolle spielen. DIE LINKE - Innerhalb der Medienbildung an deutschen Schulen findet »Filmbildung« so gut wie nicht statt. Volkmar Schöneburg, MdL Um die deutsche Filmförderung entlang der Kriterien Medienpolitischer Sprecher der Fraktion Innovation, soziale und Geschlechter-Gerechtigkeit, Ent- DIE LINKE. im Landtag Brandenburg bürokratisierung, ausreichende Finanzierung und kultu- 4
Peter Dinges in seinen Rückspiegel. »Machen sie’n da?« Penetrant, dachte ich. Er insistierte. »Was wir da machen, ist ganz Vorstand der Filmförderungsanstalt, FFA einfach. Mit öffentlichen Geldern subventionieren wir deutsche Spielfilme, damit diese Filme erfolgreich hergestellt werden können. Ansonsten gäbe es keine deutschen Filme.« Ich merkte, wie seine Miene finster Der Film, den die Franzosen als siebente Kunst bezeich- wurde. Er fuhr weiter, es dauerte eine Weile und auf nen, ist ein unglaublich machtvolles Massenmedium einmal fragte er nach: »Sagen sie mal, machen sie das und ein wichtiges Stück Kultur, das die deutsche und mit meinen Steuergeldern?« Ich war erleichtert, als ich die europäische Identität in demokratischen Zeiten sagen konnte: »Nein, nicht mit ihren Steuergeldern.« über die Grenzen hinweg transportiert. Diesen Film gilt Ich stellte eine Gegenfrage: »Gehen sie ab und zu ins es, zu fördern, sich seiner anzunehmen – und zwar in Kino?« »Ja, ab und zu mal mit meiner Tochter«, sagte er. Zeiten eines engen europäischen Austauschs, in denen »Wenn sie ins Kino gehen, dann zahlen sie 30 Cent von wir uns bemühen, Flüchtlinge in unseren Ländern ihrem Ticket an die FFA, das nehmen wir und machen aufzunehmen und der Zusammenhalt untereinander für sie den nächsten Film. Ist das okay?« Ich merkte, in Europa gefragter ist denn je. Film ist Wirtschafts- wie er nachdachte, dann sagte er: »Wie cool ist das gut und Kulturgut zugleich. Kürzlich habe ich gelesen, denn?« Ein solches Erlebnis hatte ich schon häufiger. dass jeder zehnte Beschäftigte in Berlin in der Me- dienbranche tätig ist. 13 Prozent des Sozialprodukts Die Filmförderung ist eine Art Selbsthilfesystem. Die der Stadt werden demnach durch die Medienbranche Filmwirtschaft wird dazu herangezogen, ihr eigenes erwirtschaftet. Schaut man nach Potsdam, dann weiß Fördersystem mitzufinanzieren. Wir entziehen dem man, welche wirtschaftlichen Effekte der Film für eine System Geld und geben es an das System zurück. Das Region, für ein Land, für eine kleine Stadt erzielen kann. ist ein Kreislauf. Streng, ganz streng kontrolliert durch Die über den Film geschaffenen ökonomischen Effekte das Bundesverfassungsgericht, das so etwas eigentlich führen zu über sieben Millionen Branchenbeschäftigten nicht gerne sieht. Zehn Jahre lang war dort eine Klage in ganz Europa. Das dürften ebenfalls Gründe sein, wa- anhängig, zehn Jahre haben wir gekämpft gegen eine rum sich DIE LINKE als Fraktion, als Partei dem neuen Gruppe von Kinobetreibern, die – ausländisch kontrol- Film-Förderungsgesetz (FFG) und damit den gesetzli- liert über Hedgefonds und ausländische Ketten – na- chen Rahmenbedingungen für den Film und die dort türlich etwas dagegen hatte, in dieses Solidarsystem Beschäftigten auch annehmen will. einzuzahlen. Wir haben diese Auseinandersetzung am 28. Januar 2010 gewonnen – ich erinnere mich ganz gut Es ist noch nicht so lange her, da nahm ich das Taxi an diesen Tag, ich saß nämlich in diesem Gerichtssaal zum Flughafen nach Tegel. Ich hatte es mit einem – und zwar ohne jede Einschränkung. Der politische dieser typischen Berliner Taxifahrer zu tun. Er war sehr Wille des Bundesverfassungsgerichtes, eine Ausnahme neugierig und immer wieder das Gespräch suchend: zu machen, war deutlich zu erkennen. Eine Ausnahme »Na, und, was machen sie’n junger Mann?« »Ich arbeite in Deutschland für die Filmförderung, die es dem Bund in der Filmförderung.« »In der Filmförderung?« Er guckte erlaubte, neben den Ländern auch kulturelle Kompeten- 5
zen wahrzunehmen. Ich zitiere das Bundesverfassungs- che, in der jeder ein Experte ist. Dann zu sagen, wir gericht: »Einem Staat, der sich als Kulturstaat versteht,« greifen diesen oder jenen heraus, hat natürlich sofort – damit ist Deutschland gemeint – »kann es nicht Ärger mit anderen verursacht. Sie können sich das verwehrt sein, in der Wahrnehmung all seiner Kompe- vorstellen. Trotzdem hat diese Expertengruppe am Ende tenzen auch auf Schonung, Schutz und Förderung der den Respekt der Branche genossen. Diese Expertenrun- Kultur bedacht zu werden!« Mit anderen Worten: Das de hat sich mit dem neuen FFG auf der Grundlage der Bundesverfassungsgericht bestätigte, der Bund hat beiden Evaluierungen beschäftigt und hat Vorschläge nicht nur einen wirtschaftlichen, sondern daneben auch gemacht. Diese Vorschläge spiegeln sich zum Teil etwas einen kulturellen Auftrag! Das ist eine Chance für uns. freundlich in ihrem eigenen Positionspapier wieder. Ich könnte sagen: So weit liegen wir nicht auseinander. Nach bangen zehn Jahren können wir jetzt eine Novelle des FFG machen, die, aufbauend auf dem Urteil des Der Reihe nach. Erstens: Ja, wir wollen eine neue Dreh- Bundesverfassungsgerichts, auf rechtssicheren Grund- buchförderung haben, denn das Drehbuch ist die Mut- lagen steht. Jetzt dürfen wir endlich einmal sagen: ter aller Filme. Das muss ich ihnen nicht sagen. Ohne Lasst uns innovativ sein! Die Überschrift über das neue eine gute Story, ohne ein gutes Drehbuch – ein qualita- Gesetz sollte deshalb lauten: »Innovation. Entbürokrati- tiv hochwertiges Drehbuch – kann es keinen guten Film sierung und hinreichende Finanzierung.« Wenn wir das geben! Dann mussten wir feststellen, wir machen das erst einmal vorneweggestellt haben, haben wir eine Gleiche wie die Bundesländer. Was ist denn das für eine Chance, die wir auch annehmen sollten! Es gibt keinen Exzellenzförderung im Bund, wenn wir sowieso alle das Grund mehr für angstvolle Starre, denn das Bundes- Gleiche tun? Wir sollten das ändern, und zwar innovativ! verfassungsgericht hat uns keine Grenzen gesetzt, Nehmen wir an, wir hätten eine zweistufige Drehbuch- sondern es hat uns sogar einen Auftrag erteilt. Im Urteil förderung: Eine Grundförderung, die Ideen und erste steht wortwörtlich, die Abgabe sei alle fünf Jahre neu zu Entwürfe fördern soll, mit wenig Geld. Darauf satteln rechtfertigen und es sei zu begründen, warum wir sie wir eine Exzellenzförderung als zweite Stufe, bei der pro brauchen. Projekt bis zu 100.000 Euro freigesetzt, sowie das Pro- jekt während seiner ganzen Entwicklung hindurch bis Warum sollten wir öffentliche Mittel – ich betone, zur Drehreife begleitet wird. Auch mit dramaturgischer es sind keine Steuermittel – für den deutschen Film Hilfe, durch die FFA mitfinanziert, im Team von Autor, ausgeben? Der eine oder andere fragt sich das immer Produktion und Regie, damit daraus ein exzellenter, wieder und ich kann Ihnen nur nochmal sagen: Ohne einzigartiger und qualitativ hochwertiger Film entstehen diese Fördermittel gäbe es keinen deutschen Film. kann. Das war der erste Wurf der Expertenrunde und Unser Land ist zu klein und hat im Vergleich mit der US- ich kann nur sagen, dies ist etwas Neues, etwas Ande- amerikanischen Filmkultur nicht ausreichend kritische res und dies verdient meine Zustimmung. Ich glaube, Masse, um aus sich heraus selber für den Markt Filme diese Idee stößt auch auf die Zustimmung der Branche. zu produzieren, die im (inter)nationalen Wettbewerb auf Augenhöhe mit anderen Herstellern, wie z.B. der Filmin- Zweitens: Wenn ich diese Exzellenzförderung im Dreh- dustrie der Vereinigten Staaten, konkurrenzfähig wären. buchbereich voraussetze, brauche ich eine anständige Diese Debatte, ob man sich Film leistet, wird in Europa Produktionsförderung. Das Bundesverfassungsgericht in zahlreichen Parlamenten immer wieder geführt. Pro hat sehr klar gesagt, dass die sogenannte Gruppennut- Film oder nicht. Beispielsweise in England, wo das zung der Abgabe sich dadurch rechtfertigt, dass Filme Parlament ganz klar sagt: Wir wollen Film öffentlich gefördert werden, die von den Verwertern dann auch finanzieren. Da kann ich nur sagen: Auch Deutschland gezeigt werden. Die Klage der Kinobetreiber wurde mit sollte sich dazu bekennen, Film öffentlich mitzufinanzie- dem Hinweis abgewiesen, dass die Beschwerdeführer ren, weil wir ein Anrecht haben auf eine eigene Kultur, ja selbst mindestens zehn Prozent deutsche Filme in ih- wie es das Bundesverfassungsgericht betont hat. rem Programm zeigen. Produktionsförderung als solche bleibt also das Herz der FFA, auch nach diesem Ge- Nachdem ich Filmförderung als solche gerechtfertigt richtsurteil. Wer den deutschen Film fördern will, kann habe und Ihnen auch begründet habe, warum wir Film nicht sagen: Ich fördere nur Infrastruktur und kürze die brauchen in diesem Land, jetzt in medias res: Es geht ureigentliche Produktionsförderung. Wichtig ist, dass um das FFG. Das neue FFG stellt eine Chance dar, die sie richtig eingesetzt wird. Und richtig einsetzen kann wir nutzen sollten. Wie sollen wir sie ausfüllen? Zu- nur heißen: Wir haben zwei Säulen. Die eine ist eine nächst einmal haben wir uns bemüht, unsere Hausauf- automatische und die andere ist eine selektive Säule. gaben zu machen. Wir haben bei der Entwicklung von Derzeit ist das Verhältnis beider etwa 60/40, je nach Vorschlägen für das neue FFG mitgewirkt und so stark Haushalt 50/50. Die automatischen Mittel verdiene ich wie noch nie zuvor in der Geschichte der FFA an der mir damit, dass ich 150.000 Punkte – sprich Besucher Erhebung von Daten gearbeitet. Die Evaluierungen, die – realisiere, dann kriege ich automatisch ein Guthaben wir gemacht haben, sind öffentlich und liegen ihnen bei der FFA, ein Konto, auf das ich für meinen nächsten auch vor. Wir haben unser System beleuchtet; sowohl Film zugreifen kann. Und die selektiven Mittel verdiene die Förderinstrumente auf der einen Seite, als auch die ich mir, indem ich einer 13-köpfigen Kommission der Abgabe als solche und die Höhe der Abgabe auf der an- FFA ein anständiges Drehbuch mit einem ordentlichen, deren Seite. Schließlich haben wir eine Expertengruppe in sich schlüssigen Konzept zur Entscheidung vorlege. eingesetzt, in der die Branche repräsentiert sein sollte. Wenn die Kommission dann dieses Projekt aus einer Das war nicht ganz einfach, denn wir sind in einer Bran- Vielzahl von Anträgen auswählt (das Verhältnis ist 6
derzeit 1 zu 3), dann wird es auch in diesem Rahmen mit gent weiterführen, also auch bei der Vergabe der Mittel bis zu einer Million Euro gefördert. Das sind die beiden selektiv vorgehen. Niemand kann mir sagen, dass hier Tools, die wir derzeit haben. Produzenten durch die Gegend laufen und glauben, den Geist von Kommissionen erahnen zu müssen in der Die Expertenrunde schlägt vor, im Prinzip dieses duale Farbe ihrer Filme. Große Erfolge, die wir in letzter Zeit System beizubehalten, aber vor allem die Gremien zu hatten, lassen erahnen, dass Filme eben nicht wegen entschlacken. Die 13 Leute der Expertenrunde treffen guter Kommissionen entstehen, sondern weil wir gute sich fünfmal im Jahr und diskutieren über 150 Anträge. Filmemacher in diesem Lande haben. Ich kann also Das sind pro Kommissionsmitglied ca. 200 Arbeitsstun- nur sagen: Ich würde den anderen Weg gehen. Und den. Wie soll das überhaupt geleistet werden? Das kann dieser Weg ist hoch selektiv: Setzen wir auf eine kleine, doch wirklich niemand leisten, der morgens zur Arbeit windschnittige Kommission von Fachleuten, suchen wir geht und Filme drehen muss und ein wirklich engagier- wenige Projekte mit hohem Investitionsvolumen aus ter und exzellenter Filmemacher ist. Dieses Verfah- und stoppen wir den Fördertourismus, der bedeutet, ren ist viel zu mühsam und viel zu bürokratisch. Also man geht von Länderförderung zu Länderförderung, verkleinern wir doch diese Kommission von 13 auf fünf, zur Bundesförderung und sammelt mit dem Hut. Am vielleicht auch auf sieben Leute. Das sollte genügen. Ende des Tages ergibt unsere Evaluierung eines: Das Sie sehen, die Diskussion ist ein wenig vorangegangen. bestehende System aus einer Kombination automati- Noch sieht das Expertenpapier vier Leute vor, aber mit scher Mittel mit selektiven Mitteln funktioniert. Ob man vier Leuten scheint das Gremium dann doch ein wenig unbedingt das Ganze renovieren und völlig neu machen sehr knapp besetzt zu sein, um die Aufgabe zu bewälti- muss, weiß ich nicht. »Never change a winning team« gen. Am Ende geht es um ein Pool-System, so die Über- – so erfolglos sind wir nämlich nicht. Aber wenn wir legung. Ein Pool-System, das ausreichend qualifizierte konsequent wären und innovativ, dann kann man nicht Menschen beinhaltet – vielleicht 25, vielleicht 28 -, die den automatischen Weg gehen, dann müsste man den die FFA in diese Kommission berufen kann. Diese Kom- rein selektiven gehen. Denn nur Selektion hat die Vor- mission beschäftigt sich nicht nur mit der Produktion, teile der Flexibilität, der Anpassungsfähigkeit und der sondern ebenfalls mit der Stoffentwicklung und dem hochqualitativen Auswahlmöglichkeit. Soweit so gut. Drehbuch. Auf diese Weise werden wir schließlich nur eine Kommission haben, die sich um die Entwicklung, Damit habe ich mich geoutet. Es kann im Übrigen nicht Herstellung und um die Produktion von Stoffen küm- sein, dass eine Kommission von 13 Leuten mit zwölf mert. Diese Überlegung ist natürlich noch im Fluss und Männern und einer Frau besetzt ist. Sicherlich ist in Zu- wird noch diskutiert. Da gibt es noch viel Detailarbeit zu erledigen. Sicherlich wird es noch viele Stimmen ZITAT pro und kontra geben, aber über eines sind sich alle einig: Die Kommission muss verkleinert werden. Lasst uns innovativ sein! Die Überschrift über das neue Gesetz Das war der erste Vorschlag der Expertenrunde. Der zweite lautet: Lasst uns das ganze System sollte deshalb lauten: automatisch machen! Der Grund dafür ist, dass nur Innovation, Entbürokratisierung automatische Systeme berechenbar sind. Berechen- bare Systeme haben den Vorteil für einen Kaufmann und hinreichende Finanzierung. – und das ist der Produzent -, dass er nicht darüber nachdenken muss, ob ihn morgen eine Kommission kunft mehr Gendergerechtigkeit gefragt. Davor darf die nun aussucht oder nicht. Diese Frage: »Krieg ich das FFA – auch wenn sie 1968 gegründet worden ist – nicht Geld? Krieg ich es nicht?«, verzögert die Produktion und Halt machen, sondern sie muss das verinnerlichen. führt am Ende möglicherweise dazu, dass man seinen Beim sogenannten Pool-System kann die Auswahl der Film inhaltlich mehr dem Geschmack der Kommission Jurymitglieder dann auch paritätisch und geschlechter- anpasst als in freier, kreativer Tätigkeit selber einen neutral erfolgen. Und dass wir uns auch mit anderen Film zu machen. Der Automatismus ist dafür die erfor- Fragen in der FFA zu beschäftigen haben, wie etwa den derliche Weichenstellung. Ein kluger, ein intelligenter Auswirkungen des Filmschaffens auf die Ökologie im Vorschlag, wie ich finde, mit dem wir uns sicher noch sogenannten »grünen Film«, ist für mich ebenso selbst- mehrfach auseinandersetzen müssen. verständlich wie das Thema Gendergerechtigkeit. Ich verhehle nicht meine Meinung: Ich glaube nicht Bei der Verwertung sollten wir auch jene Kommissionen an diesen Vorschlag der Expertenrunde, denn er hört abschaffen, die wir nicht brauchen! Bauen wir auch dort sich ein bisschen an wie: »Düngen wir die Felder in Bürokratie ab! Wir sollten die Videokommission in eine der Fläche, irgendwo findet sich schon eine Orchidee.« übergreifende Verwertungskommission integrieren, Das geht nicht auf. Jeder wird in der Hoffnung auf den die die Verwertung des Filmes im Ganzen im Auge hat Bankautomaten FFA zugreifen, dass der exzellente und nicht nur kleine Teile davon. Verzichten wir auf die Film, der morgen auf irgendeinem Festival laufen soll, Kinokommission, die nie eine wirkliche Jury war, son- dann sicherlich irgendwo dabei sein wird. Nein! Wenn dern letztendlich nur wirtschaftliche Fragen bearbeitet ich vorne eine Exzellenzförderung im Drehbuchbereich hat. Das kann jeder Fachmann auch ohne Kommission. aufsetze, hoch selektiv, ausgewählt für wenige Projekte Das erspart uns Reisekosten, bürokratischen Aufwand mit viel Geld, dann muss ich diesen Gedanken strin- und Jury-Entscheidungen. Das sind Vorschläge, um 7
uns wirkungsvoll zu entschlacken. Ich habe das Gefühl, kann man schon mal zehn Millionen abziehen und nicht dass die Politik und Filmwirtschaft an dieser Stelle einfach für gesunde Rückführungsbedingungen vor- mitmachen wollen. Das ist der Weg, den wir gehen aussetzen. Dann liegen wir bei 57 Millionen. Und das sollten. Das ist ein innovativer Weg, wie ich meine: Ein ist das, was wir brauchen. Unter Berücksichtigung der guter Weg! Evaluierung kommen wir im Jahre 2021 auf 43 Millionen. Es fehlen uns also 14 Millionen Euro. Wenn wir ein ge- Wie finanzieren wir das? Man kann noch so innovativ sundes System für die Zukunft aufstellen wollen, dann sein: Wenn man den Geldhahn zudreht, dann bleibt von muss diese Lücke geschlossen werden. Denn diese der Innovation nicht mehr viel übrig. Da wird aus einem Lücke geht zu Lasten des deutschen Films, sie geht zu Elefanten eine Maus. Ich sage an die Politik gerichtet: Lasten der Zielsetzung und auch der Innovationskraft Wir sind nicht diejenigen, die die staatlichen Budgets dieser Novelle. Ich will nicht mehr als vorher. Ich möch- belasten und Steuermittel, die für andere wichtige te nur, dass wir den Standard halten, den wir gesetzt Aufgaben der Nation und der Bundesländer gebraucht haben und nicht in eine deftige Finanzierungslücke hin- werden, beanspruchen. Es geht uns nur darum, dass einlaufen. Und das tut man, indem man bestimmte Ab- das Urteil des Bundesverfassungsgerichts letztendlich gaben anpasst. Es kann nicht sein, dass die deutschen umgesetzt wird und die FFA mit den Abgabemitteln Kinos 24 Millionen in die Filmförderung einzahlen und – nicht Steuermitteln! – auszustatten, die sie für eine zum Beispiel das ZDF – das erheblich vom deutschen gesunde Finanzierung braucht. Das ist relativ einfach. Film profitiert – nach unseren letzten Hochrechnungen Wir brauchen 30 Millionen in der Produktionsförderung lediglich 1,9 Millionen. Das ist ein Missverhältnis. Ich – gleichgültig, ob wir uns jetzt mehr automatisch oder habe noch den vorsitzenden Richter des Bundesver- mehr selektiv ausrichten. Wir brauchen 23 Millionen im waltungsgerichts im Ohr, der sagte: Man kann Abgaben Verwertungsbereich, das bedeutet zehn Millionen in der auch über ihr Ergebnis anpassen, wenn es ein offen- Kinoförderung, 13 Millionen in der Förderung von Verleih sichtliches Missverhältnis gibt. Und ich kann Ihnen nur und Video. Beides zusammengenommen macht 53 sagen: Das gibt es hier. Diese Abgaben sind anzupas- Millionen. Außerdem muss man berücksichtigen, dass sen, sowohl im Home-Entertainment-Bereich als auch die FFA Overheads hat, dass sie internationale Koope- im Fernsehbereich. Wir brauchen bei den verschiede- rationen und den Vertrieb deutscher Filme im Ausland nen Blöcken Kino, Home-Entertainment und Fernsehen fördert, zudem Marktforschung betreibt und viele eine ausgewogene Abgabenzahlung. Das wird eine der weitere Aufgaben bis hin zur Filmedukation hat. Dafür Hauptaufgaben sein und da bitte ich die Politik um Ihre brauchen wir ca. 6,5 Millionen. Die Overheads liegen bei Unterstützung. Denn ohne diese Unterstützung wird ca. 4 Millionen. Wir kommen schnell auf einen Betrag wieder das Steuersäckel herhalten müssen – und das von 67 Millionen. Wir geben Darlehen aus, Erlöse. Da wird dem Taxifahrer überhaupt nicht gefallen. 8
Martin Kröber ARD und ZDF weitere freiwillige Mittel zugesagt haben. Wenn unsere gesetzliche Abgabeverpflichtung den Referent in der Juristischen Direktion des MDR Betrag von 5,5 Mio. Euro pro Jahr nicht erreicht, stocken wir hierdurch zusätzliche freiwillige Zuzahlungen auf. Darüber hinaus erbringen wir noch geldwerte Werbe- leistungen und wenden Mittel für Gemeinschaftspro- Ich beschränke mich auf die Fragen, die aus Sicht der duktionen auf. öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten von Bedeu- tung sind. Anmerken möchte ich, dass dies bei weitem nicht alles ist, was die öffentlich-rechtlichen Anstalten insgesamt Wir gehen davon aus, dass der Erhalt und die Entwick- für die deutsche Filmförderung erbringen. Hinzu kom- lung der deutschen und europäischen Filmkultur nur men die Mittel, die die ARD-Landesrundfunkanstalten auf Basis einer funktionierenden Filmwirtschaft möglich und das ZDF in die regionalen Filmförderungen einzah- sind. Deshalb betrachten wir das Filmförderungsgesetz len. Bei der ARD addiert sich hier ein Betrag von ca. als einen wichtigen Eckpfeiler der vielfältigen Filmför- 40 Millionen, beim ZDF beläuft sich die Summe auf 9,1 derung in Deutschland. Das FFG hat sich aus Sicht Millionen. Zusammengerechnet kommen die öffentlich- der öffentlich-rechtlichen Sender auch grundsätzlich rechtlichen Sender somit auf einen Betrag von nahezu bewährt, selbst wenn es viele Dinge gibt, die man 70 Millionen Euro. Nicht unberücksichtigt bleiben verändern und neu anpacken muss. Wir freuen uns sollten zudem noch Unterstützungsleistungen und Ko- darüber, dass beispielsweise der Marktanteil deutscher operationsbeiträge, die, in Geld umgerechnet, natürlich Produktionen im Jahr 2014 auf 26,7 Prozent gestiegen addiert werden müssten. ist und damit das zweitbeste Ergebnis für die heimische Produktion nach 2009 eingefahren werden konnte. Wir halten es für sinnvoll, dass das FFG als Subventi- ARD und ZDF stehen zu diesem Filmfördersystem und onsgesetz regelmäßig überprüft wird. Damit ist gewähr- werden auch weiterhin einen Beitrag zu seiner stabilen leistet, dass die großen Herausforderungen, die in der Weiterentwicklung leisten. nächsten Zeit auf uns zukommen werden – Stichwort Digitalisierung, technische Konvergenz, sich verändern- Erlauben Sie mir zunächst einen kurzen Überblick über des Rezipientenverhalten – im Gesetz auch Berücksich- die Leistungen, die die öffentlich-rechtlichen Rundfunk- tigung finden. anstalten gegenüber der FFA erbringen: Die Leistungen der ARD belaufen sich auf insgesamt 9,3 Millionen In der kleinen FFG-Novelle von 2010 hat der Gesetzgeber Euro pro Jahr. Das ZDF erbringt Leistungen in ähnlicher die Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts auf- Höhe. gegriffen. Das Bundesverwaltungsgericht hat gefordert, dass für die verschiedenen Zahlergruppen ein einheit- Die ARD-Mittel setzen sich wie folgt zusammen: Zum licher Abgabemaßstab gefunden werden muss, der im einen erbringen wir die Abgaben, zu deren Zahlung wir FFG seinen Niederschlag findet. Diese Anforderung hat nach dem FFG gesetzlich verpflichtet sind. Darüber hin- auch das Bundesverfassungsgericht mit beeindruckend aus haben wir eine Vereinbarung mit der FFA geschlos- klaren Worten bestätigt. Der bestehende Abgabemaß- sen – das sogenannte Film-Fernsehabkommen – in dem stab – nach dem die Kinos, die Videowirtschaft und das 9
Fernsehen zur Filmabgabe herangezogen werden – sei Seit Bestehen des FFG wurde der Kreis der Abgaben- sachgerecht und entspreche dem verfassungsrechtli- verpflichteten immer mehr erweitert. Dies entspricht chen Gleichheitssatz. Wir haben es hier also mit einem auch den Anforderungen des Bundesverfassungsge- austarierten System zu tun, welches den auf den ein- richts, das es vor dem Hintergrund der dynamischen zelnen Verwertungsstufen bezogenen Vorteilen aus der Marktentwicklung als Pflicht des Gesetzgebers ansieht, Verwertung von Kinofilmen Rechnung trägt. Bewusst in regelmäßigen Abständen eine Überprüfung hinsicht- verzichtet wurde auf die Festlegung einer einheitlichen lich der Homogenität, der spezifischen Sachnähe und Abgabenhöhe für die einzelnen Zahlergruppen, wie dies der Finanzierungsverantwortung vorzunehmen. Das hat teilweise gefordert wurde. der Gesetzgeber auch getan. Seit der letzten Novel- lierung 2014 sind auch die VoD-Anbieter, die ihren Sitz Insbesondere wird auch der Filmförderbeitrag des oder eine Niederlassung im Ausland haben und von öffentlich-rechtlichen Rundfunks im aktuellen FFG dort aus den deutschen Markt bedienen, in die Abgabe- sachgerecht festgesetzt. Dies war kein ganz einfaches pflicht einbezogen. Unterfangen, denn – anders als die Kinobetreiber, die Verleiher und andere – der Kinofilm ist für den öffent- Reagiert hat der Gesetzgeber damit auf die dynamische lich-rechtlichen Rundfunk nur eines von vielen Elemen- Marktentwicklung, die in diesem Marktsegment gegen- ten seines rundfunkrechtlichen Auftrags. Das Finanzvo- wärtig in Deutschland stattfindet. Begünstigt durch den lumen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks kann daher Breitbandausbau und die zunehmende Verfügbarkeit zur Bestimmung der Abgabenlast nicht herangezogen von Empfangsgeräten, die sowohl zum Empfang von werden. Der Gesetzgeber hat vielmehr sachgerecht linearen als auch nicht-linearen Angeboten geeignet auf das Investitionsvolumen in den deutschen Film im sind, hat sich dieser Markt in den letzten Jahren rasant vorvergangenen Jahr abgestellt. entwickelt und befindet sich auf dem Weg zum Mas- senmarkt. Nach jüngsten Marktforschungsergebnissen Das aktuelle Gesetz eröffnet der FFA und den Landes- macht der digitale Verleih und Verkauf schon 12 Prozent rundfunkanstalten hinreichend Spiel-raum, Einzelheiten des Umsatzes im gesamten Markt für Home-Entertain- und Ergänzungen weiterhin in einem Film-/ Fernsehab- ment aus. Bis 2019 – also noch während der Laufzeit kommen zu regeln. Eine solche Möglichkeit sollte nach des kommenden FFGs – soll dieser Markt um 23 Pro- Auffassung der Rundfunkanstalten auch im neuen FFG zent im Jahr wachsen. Der Abruf von Filmen und Serien bestehen bleiben. Was wir erwarten: Die öffentlich- über das Internet geht dabei immer mehr auf Kosten rechtlichen Rundfunkanstalten gehen davon aus, dass von DVDs und Blue-Ray-Discs. mit dem gerade verfassungsrechtlich bestätigten Abgabensystem ein tragfähiger Kompromiss gefunden Vor diesem Hintergrund betrachten wir es mit großer wurde, der nicht erneut infrage gestellt werden soll- Sorge, wenn die EU-Kommission mit Verweis auf die te. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass die gerade AVMD-Richtlinie Zweifel an der Zulässigkeit der Einbe- gewonnene Stabilität erneut aufs Spiel gesetzt wird. ziehung von VoD-Anbietern mit Sitz im Ausland äußert An der Berechnung des Abgabenmaßstabes für den und das Gesetz aufgrund dessen in diesem Punkt öffentlich-rechtlichen Rundfunk sollte ebenfalls festge- derzeit nicht vollzogen werden kann. halten werden. Für eine Veränderung, die zur Erhöhung dieser Abgabenlast führen würde, bietet das gegenwär- Zum einen berührt dies die Funktionsfähigkeit der tige politische Umfeld keinen Raum – zu nennen sind FFA: Diese erzielt bisher ca. ein Drittel ihrer Einnah- hier nur die Stichworte Beitragsstabilität, Absenkung men durch Abgaben der Videowirtschaft. Verläuft die des Rundfunkbeitrages sowie die von der KEF auferleg- Entwicklung wie prognostiziert, dann fallen die Abga- ten Sparmaßnahmen. ben aus der Verwertung von DVD und Blue-Ray nahezu ersatzlos weg, da diese Ausfälle derzeit nicht durch Anders als beispielsweise Filmtheaterbetreibern, zusätzliche Einnahmen aus dem VoD-Bereich kompen- kommt den Sendeunternehmen aus der Film-förderung siert werden können. keine Unterstützung in Form von Fördergeldern zu. Förderbeiträge müssen vielmehr bei ARD und ZDF Zum anderen sehen wir hier den Grundsatz der Abga- allein und direkt dem Programmetat entnommen wer- bengerechtigkeit betroffen. Mit diesem Grundsatz un- den. Das geht zu Lasten der Investitionsmöglichkeiten vereinbar ist es, wenn inländische Anbieter zur Abgabe insbesondere in fiktionale Auftragsproduktionen. Bei herangezogen werden, während ausländische Anbieter, einer weiteren gesetzlichen Aufstockung der Beiträge die den gleichen Markt bedienen, sich der Entrichtung wäre neben Fragen der Abgabengerechtigkeit und des einer Filmabgabe entziehen können. Es wird in Euro- Gleichheitssatzes auch die grundgesetzlich gewährleis- pa viel über Steueroasen diskutiert, die es künftig zu tete Programmfreiheit des Rundfunks tangiert. verhindern gelte. Meines Erachtens betrifft dies im gleichen Maße Abgabenoasen. Die nächste Frage lautet: Wer sollte sich an der Fi- nanzierung der FFA beteiligen? Das FFG ist von dem Wenn sie also fragen, was unsere Erwartungen sind: Solidargedanken geleitet, dass diejenigen Gruppen, Der Kreis der Abgabenverpflichteten sollte überprüft die eine besondere Sachnähe zum Kinofilm aufweisen, werden und es sollten Wege gefunden werden, die eine auch einen angemessenen Beitrag zur Finanzierung Einbeziehung auch ausländischer VoD-Anbieter in die der Produktion und Verbreitung des Kinofilms leisten Zahlungspflicht ermöglichen. Nur so können die finanz- sollen. verfassungsrechtlichen Vorgaben eingehalten werden. 10
Was wird gefördert? Im Bereich der Produktionsförde- fenster können sich gegenseitig befruchten. Diese For- rung gibt es zwei unterschiedliche Förderarten. Zum derung beinhaltet nicht, dass Sperrfristen in jedweder einen die selektive projektbezogene Förderung, die Form abgeschafft werden sollen. Vielmehr erscheint Projektfilmförderung, zum anderen die automatische die Möglichkeit sachgerecht, auf Basis vertraglicher erfolgsabhängige Förderung, die Referenzfilmförderung. Regelungen zwischen den unterschiedlichen Beteiligten, Beide Fördertöpfe sind in ihrer Ausstattung ungefähr angemessene Auswertungsfenster zu vereinbaren. An- gleich groß. Die Mittel der Fernsehveranstalter – privat gesichts des Vordringens der VoD-Plattformen sollten und öffentlich-rechtlich – fließen in die Projektfilmför- flexible Regelungen befördert werden, die die bestmög- derung. Wir sind uns bewusst, dass diese Förderart liche Auswertung eines Filmwerkes gewährleisten. teilweise sehr aufwendig ist. Jedes Jahr gehen ca. 130 Anträge bei der FFA ein. Die 13 Mitglieder des Verga- Die derzeit noch vorgesehene gesetzliche Auswertungs- beausschusses schätzen die zu erwartende Qualität kaskade ist angesichts der Konvergenz in der digitalen und Wirtschaftlichkeit ein und entscheiden über die Welt zunehmend überholt. Es besteht die Gefahr, dass Vergabe von Fördermitteln. Gleichwohl würden wir eine sie sich zu einem Investitionshemmnis entwickelt. Die Hinwendung zu einem maßgeblich automatisierten Ver- Auswertungszyklen haben sich wesentlich verdichtet. fahren mit erheblicher Skepsis betrachten. Hier sehen Man kann sagen: In der digitalen Zeit veralten fiktionale wir die Gefahr, dass es nur noch um Mainstream ginge. Produktionen wesentlich schneller. Konsequenz wäre Als öffentlich-rechtliche Sender haben wir Interesse an nicht nur ein abnehmendes Interesse der Free-TV-Aus- qualitativ hochwertigen Filmen, die vornehmlich über werter an Kino-Koproduktionen, sondern auch negative die Projektfilmförderung gefördert werden. Auswirkungen auf deren finanzielles Engagement. Free- Abschließend würde ich gern noch ein paar Anmer- kungen zur Auswertungskaskade nach dem FFG ZITAT machen. Bereits in der Vergangenheit haben ARD und ZDF darauf hingewiesen, dass die Auswertungs- ARD und ZDF stehen zu diesem Filmförder— kaskade des FFG überprüft und an die Erfordernisse system und werden auch weiterhin einen des digitalen Zeitalters angepasst werden muss. Die Entwicklungen der technischen Konvergenz erlauben Beitrag zu seiner stabilen Weiterentwicklung zunehmend weniger lange zeitliche Staffelungen von leisten. Auswertungsfenstern, an deren Ende das Free-TV stehen soll, von dem man aber gleichzeitig substan- tielle Finanzbeiträge zur Kino-Koproduktion erwartet. Andere Marktteilnehmer, wie beispielsweise das Pay- TV-Sender kommen hier zunehmend in eine ihnen nicht TV, versuchen systematisch, ihre Exklusivitäts-Fenster zustehende Rolle eines vorfinanzierenden Kreditunter- auszuweiten, oftmals ohne Finanzbeiträge entspre- nehmens. Auch können damit berechtigte Interessen chend zu erhöhen. der Programmplanung des koproduzierenden Senders nicht mehr gewahrt werden. Bei der zeitlichen Staffelung der Auswertungsfenster ist schließlich auch zu berücksichtigen, dass SVoD- Die kürzlich mit der Produzentenallianz vereinbarte Angebote auf dem gleichen Fernsehendgerät zuneh- Fortschreibung der allgemeinen Bedingungen zu Kino- mend das Exklusivitätsinteresse des Free-TV-Senders Koproduktionen ist ein Beispiel dafür, dass flexible Ver- in seinem Auswertungsfenster beeinträchtigen. Auch tragsbedingungen, die die beiderseitigen Auswertungs- hier gilt es, den finanziellen Koproduktionsbeiträgen der interessen beachten, am besten zwischen den Parteien einzelnen Produktionsbeteiligten angemessen Rech- im Rahmen von Verbandsabsprachen gefunden werden nung zu tragen. Bei der letzten Novellierung des FFG können. Gesetzgeberische Vorgaben sollten hingegen wurde eine Flexibilisierung der Sperrfristen durch die immer Ultima Ratio gegenüber solch flexiblen Vertrags- Änderung des §20 FFG in geringem Umfang ermöglicht, absprachen bleiben. der allerdings keine ausreichende Flexibilität darstellt. Die Änderungen 2014 kamen vornehmlich den VoD- Was sind zusammengefasst unsere Erwartungen an Anbietern zugute, für die die Sperrfristen auf 6 Monate das neue FFG? Wichtig ist uns, dass der bestehende abgesenkt wurden und damit den DVD-Verleihern Abgabenmaßstab nicht wieder in Frage gestellt wird, gleichgestellt wurden. sich das Gesetz vielmehr an den Eckpfeilern, die das Bundesverwaltungsgericht und das Bundesverfassungs- Was den Free-TV-Bereich anbelangt, der traditionell das gericht eingeschlagen haben, orientiert. Das neue FFG »Schlusslicht« der Kaskade bildet, betragen die Fristen sollte zukunftsfest ausgestaltet sein. Insbesondere im Normalfall weiterhin 18 Monate nach Beginn der Ki- muss es geeignet sein, den sich neu herausbildenden noauswertung. Die durchschnittliche Verweildauer der Verwertungsstrategien und -formen in der Filmwirt- Produktionen im Kino nimmt immer mehr ab. Weniger schaft Rechnung zu tragen. erfolgreiche Filme sind häufig schon nach dem ersten Wochenende nicht mehr in den Kinos zu finden. Nach unserer Auffassung kann der Erfolg einer Kinoauswer- tung im Einzelfall auch durch Fernsehauswertungen gesteigert werden. Die verschiedenen Auswertungs- 11
würde es sehr schaden, wenn sie solche Filme nicht zur Verfügung hätten. Natürlich ist nicht jedem deutschen Film ein solcher Erfolg vergönnt, aber dennoch ist damals durch das Bundesverfassungsgericht festgestellt worden, dass der kultu- relle und der wirtschaftliche Aspekt eine Einheit darstellen. Sinngemäß wurde formuliert: Die künstlerisch- kulturelle Qualität des deutschen Films ist eine Voraussetzung für seinen wirtschaftlichen Erfolg und ist dementsprechend zu fördern. Das hören wir natürlich sehr gerne, da dazu nun einmal auch andere Filme gehören, Filme die etwas Neues wagen, auch wenn ihnen die Blockbuster-Eigenschaft nicht gleich ins Drehbuch geschrieben ist. Denn solche Filme brauchen wir. Wir haben in den letzten Jahren gesehen, dass uns viel kleinere Filmländer, zum Beispiel Dänemark oder, was den Dokumentarfilm anbelangt, Österreich, auf internati- onalen Festivals und in der internati- onalen Reputation um Nasenlängen voraus sind, weil sie mutigere und möglicherweise etwas quer zu den üblichen Mainstreamgeschichten liegende Filme produzieren können. Deshalb lautete unsere Frage immer: Warum ist es da möglich? Und wie kommen wir auch wieder dorthin, dass deutsche Filme in Cannes gezeigt werden? Unter den aktuellen Produktionsbe- dingungen scheint das relativ schwer erreichbar und es gibt alle möglichen Thomas Frickel Erklärungsansätze, die auch auf persönliche Affinitäten und Aversionen zurückzufüh- 1. Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm ren sind. Wir haben daraus die Frage abgeleitet: Was e.V. / AG DOK braucht denn überhaupt eine besondere Förderung? Ist es beispielsweise nötig, dass »Fack Ju Göhte 2« von der Projektförderung der Filmförderungsanstalt Geld bekommt, wenn der Vorläufer »Fack Ju Göhte 1« schon Ich beginne mit dem Bekenntnis, dass ich »Fack Ju dermaßen erfolgreich war, dass Millionen an Gewin- Göhte 2« noch nicht gesehen habe und ich weiß auch nen und auch an Referenzfilmförderung zur Verfügung nicht, ob ich mir das anschauen will, obgleich ich mich stehen? Könnte man sich nicht stattdessen vielleicht über den Erfolg dieses Films freue, dessen Start zu den ein Modell vorstellen, in dem diese Projektförderung, besten eines deutschen Kinofilms jemals gehört. Es diese projektbezogenen Mittel an Filmprojekte verge- ist gut, dass es deutsche Filme gibt, die solche Erfolge ben werden, die eben etwas Neues, die einen frischen erreichen. Wind reinbringen? Möglicherweise sollte man dieses Fördersystem stärker kulturell akzentuieren. Folglich Doch erinnern wir uns zwei Jahre zurück: Es gab ein ist unser Petitum, dass diejenigen Produzenten, die Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht, in dem Referenzansprüche aus vorangegangenen Projek- das von einem Teil der Kinobranche rigoros in Zweifel ten erworben haben, diese Referenzmittel vorrangig gezogen wurde. Man sagte, deutsche Filme braucht nutzen. Im Gegenzug könnte das Volumen der Projekt- man eigentlich gar nicht im Kino. Das war natürlich ein förderung verkleinert und effektiver eingesetzt werden ziemlicher Unsinn und ich glaube, den Kinobetreibern und zwar mithilfe eines kleineren Gremiums, worauf ich 12
im Folgenden noch näher eingehen werde. Auf diese kationen hat, als eine Förderung für irgendwelche Säle Weise würden Projekte gefördert, die es aktuell schwer und Lichtspielhäuser, die privat oder auch kommunal haben, zum Zuge zu kommen oder die im momentanen unterstützt oder betrieben werden. System überhaupt keine Chance haben. Es lässt sich, glaube ich, ohne weiteres bestätigen, dass es Filme, Wir meinen, dass es notwendig ist, an der Profilbildung wie zum Beispiel die Dogma-Filme aus Dänemark, im des Konzeptes Kino als Ereignis- und Erlebnisort zu ar- deutschen System relativ schwer gehabt hätten. Der- beiten, die Einzigartigkeit dieses gemeinsamen Filmer- zeit ist die Projektförderung der FFA zu sehr dem Drang lebnisses herauszustellen. Man könnte die Programme zum Konsens des Gremiums unterworfen. Es reden stärker akzentuieren, kuratieren, das heißt in der viel zu viele Leute mit, deren Entscheidungen nicht auf Konsequenz nicht mehr in jedem Haus alles zu spielen, filmimmanenten, künstlerischen, sondern zunächst vor was gerade verfügbar ist, sondern das Publikum auch allem auf wirtschaftlichen Überlegungen fußen. Das lie- zu pflegen. Das ist natürlich eine sehr intensive Arbeit, ße sich, wie bereits angedeutet, korrigieren, wenn das die auch einigen zusätzlichen Aufwand verursacht und Gremium drastisch verkleinert würde. Hierfür befürwor- natürlich auch dementsprechend Geld kostet. Doch wir ten wir ein Pool-Modell: Die Gruppen, die innerhalb der meinen, dass es das wert ist. FFA vertreten sind, sollen relativ wenige, aber dafür sachverständige Gremienmitglieder entsenden. In ZITAT diesem Zusammenhang sollte auch unser Vorschlag von der Geschlechterparität an dieser Stelle erwähnt Wir glauben daran, dass es möglich ist, werden, die wir fordern. mit Filmen, die nur für das Kino gemacht sind, Doch eine Frage ist noch immer nicht beantwortet: das Publikum zurückzugewinnen. Was sollten wir fördern? Was braucht eine besonde- re Förderung? Nach unserer Auffassung sollten in ers- Denn in Deutschland gab es einmal eine wirklich sehr ter Linie die Filmproduzenten gefördert werden, damit ambitionierte Cineastenszene, durch deren Einfluss vie- diese in die Lage versetzt werden, endlich eine wirklich le Kinos entstanden sind. Einige unserer heutigen Film- unabhängige Produktionstätigkeit aufzunehmen. Vielen kunsttheater wurden durch kinobegeisterte Studenten Produzenten gelingt das nicht, da der Einfluss des aufgebaut, die gesagt haben: »So, wir machen das jetzt Fernsehens und die Abhängigkeit von den Sendern viel selbst, wir gründen einen Filmklub und fangen an, Filme zu groß sind. Darum setzen wir uns dafür ein, dass die zu zeigen.« Und oftmals haben sich diese dann als ge- Möglichkeit, über eigene Verwertungsrechte an den Fil- werbliche Kinos etabliert, zwar oft an der Schwelle der men zu verfügen, im neuen Filmförderungsgesetz noch Rentabilität, aber das Publikum dafür war vorhanden. stärker und noch klarer festgeschrieben wird, als dies im Moment der Fall ist. Heutzutage befindet sich das Kino auf dem Rückzug. In der Provinz ist es relativ schwierig, Kino wirtschaft- Außerdem brauchen die Produzenten auch eine lich zu betreiben. Und es gibt heute schon Städte bzw. Unabhängigkeit in finanzieller Hinsicht, weil die Eigen- Kleinstädte, in deren Umkreis man in 80 km Entfernung kapitalregelungen dafür sorgen, dass das Wenige, was kein Kino mehr finden kann. Ich selbst komme aus vielleicht bei einer Produktion übrig bleiben könnte, einer Stadt mit ca. fünfzigtausend Einwohnern, in der aufgezehrt wird. Dadurch, dass sie Eigenmittel nachwei- es heute kein Kino mehr gibt. Noch vor 20 Jahren hatte sen müssen, sind die Produzenten oft gezwungen, aus die Stadt dem Kinopublikum vier Säle an unterschiedli- den Finanzierungsbeiträgen, die sie für eine aktuelle chen Standorten zu bieten. Die Menschen müssen nun Produktion bekommen, die Restschulden aus vorheri- mit dem Auto oder der S-Bahn in die nächstgrößeren gen Produktionen zu tilgen. So können die Produzenten Städte fahren. Dabei ist Kino natürlich gerade auf der keine mutige unternehmerische Tätigkeit entfalten. Kommunalebene ein ganz wichtiger kultureller Ort, in dem sicher auch mehr passieren könnte als Filmvorfüh- Neben der Förderung der Filmproduzenten sollte rungen, sondern in dem auch Diskussionen stattfinden unserer Auffassung nach das Kino selbst unterstützt können. Da ist es ganz wichtig, dass es Clubs gibt, dass werden. Wobei man zuerst einmal fragen müsste, was es Initiativen gibt, die das dann selbst in die Hand neh- meinen wir denn, wenn wir vom Kino sprechen? Es gibt men, in einen Saal gehen, wo ein Beamer installiert ist. eine große Gruppe innerhalb der Diskussion, die der Dabei hilft heute die digitale Technik. Auch an solchen Auffassung ist, Kino sei ein Gewerbebetrieb, der auf Orten schaut man sich gemeinsam Filme an und redet gesunden Füßen stehen und Gewinne abwerfen muss. darüber. Wir würden gerne den Begriff Kino ein bisschen weiter Gerade wir als Dokumentarfilmer sind der Meinung, fassen und historisch definieren als »gemeinsames Erle- dass man auch an der Stelle ein bisschen weiterdenken ben bewegter Bilder«, so ähnlich wie Carlo Mierendorff muss, um die Situation zu verbessern. Zum Beispiel es in seiner Schrift »Hätte ich das Kino!« formuliert haben wir uns in der Vergangenheit sehr stark dafür oder wie es auch die russische Tradition des Stumm- eingesetzt, dass das sogenannte »nicht-gewerbliche films gemeint hat, wenn von »Kino« die Rede war. In Abspiel« im Filmförderungsgesetz mehr Anerkennung diesem Sinne geht es um ein »kollektives Filmerleben«. findet. Ich selbst habe auch einen Film, der sich seit Ausgehend von dieser Definition muss gesagt werden, 2011 in der Auswertung befindet und immer noch nach- dass eine Förderung des Kinos weitaus größere Impli- gefragt wird. Es ist wichtig, dass, gerade im Dokumen- 13
tarbereich, solche Veranstaltungen mit einbezogen ein Vorgriff auf die spätere Verwertung stattfindet, da werden, beispielsweise bei der Referenzpunktverga- das potentielle Publikum für den Film bereits in dieser be. Bei der letzten Gesetzesnovellierung sollte diese frühen Phase aufgebaut wird. Für solche und andere Möglichkeit abgeschafft werden, was jedoch zum Glück übergreifende Ideen gibt es im Moment keine Instru- durch eine konzertierte Aktion aller Fraktionen verhin- mentarien der Förderung. Wir wünschen uns, dass es dert werden konnte. Diese Förderung ist erhaltenswert, möglich ist, solche Dinge mal exemplarisch auszupro- ohne sie würden die weißen Flecken auf der Kinokarte bieren, und dass dafür ein bestimmter Prozentsatz der in Deutschland vollends versteppen. Wir würden uns zur Verfügung stehenden Mittel bereitgestellt wird. Die- überhaupt wünschen, dass das FFG in diesen Punkten se Projekte sollten dann auch von der Medienforschung ein bisschen flexibler wird, da die Entwicklung nicht begleitet und empirisch auswertet werden, damit aus stehenbleiben wird, vieles wird sich in der Kinobranche diesen Ergebnissen ersichtlich wird, welche Modelle in den kommenden Jahren ändern. sich bewährt haben. Wir glauben daran, dass es möglich ist, mit Filmen, die Man könnte das in der Versuchsphase auf die niedrig nur für das Kino gemacht sind, das Publikum zurückzu- budgetierten Filme, genauer: auf die Dokumentarfilme, gewinnen. Vieles ist in der Richtung bereits geschehen, beschränken, an denen das gewerbliche Kino in vielen in Sachen 3D etc. ist das Kino noch immer unschlagbar. Fällen schon bald nach dem Start kein großes Interes- Natürlich muss darauf geachtet werden, dass die Filme se mehr hat. Tatsächlich entscheidet sich schon am nicht bereits zwei Wochen später über das frei emp- Donnerstag oder spätestens am Samstag des Start- fangbare Fernsehen zu bekommen sind. Aber mögli- wochenendes, ob ein Film für eine längere Zeit in den cherweise lassen sich jenseits der Sendung im Free-TV Kinos verfügbar sein wird, oder ob er gleich wieder neue Akzente einer effizienteren Verwertung der Filme abgesetzt wird. Fliegt ein Film aus dem Programm, setzen und ich glaube, die Filmförderung könnte diesbe- verbreitet sich das in der Branche sehr schnell, so dass züglich mehr Möglichkeiten anbieten. dieser Film dann in anderen Kinos gar keine Chance mehr bekommt, obwohl vielleicht ein namhafter Betrag Daher haben wir in unserer schriftlichen Stellung- in Werbung und andere Vertriebsmaßnahmen investiert nahme, die wir beim BKM schon im März eingereicht wurde. In so einem Fall sollte es möglich sein, andere haben, vorgeschlagen, im abgegrenzten, schmalen Wege zu nutzen, jenseits des Fernsehens, um diese Fil- Segment des Dokumentarfilms eine »Versuchswerkstatt me zum Publikum zu bringen – damit diese dann nicht Kinozukunft« zu schaffen und in den kommenden vier ein halbes Jahr, bis zur nächsten Auswertungsstufe Jahren ohne Berührungsängste und Restriktionen neue vielleicht ein ganzes Jahr, blockiert sind. Wege zum Publikum zu erschließen. Dafür bietet sich der Dokumentarfilm als Experimentierfeld geradezu an. Denn oft liegt es nicht nur am einzelnen Film, wenn Sperrfristen könnten stärker flexibilisiert werden, an- er im Kino nicht funktioniert, sondern auch an den statt sie gesetzlich festzuschreiben. Ihr Ausmaß könnte Strukturen des Kinomarktes, der sich darauf eingestellt dem Verwaltungsrat der Filmförderungsanstalt über- hat, dass die Filme bemerkenswerte Zuschauerzahlen lassen werden und dieser könnte darüber entscheiden, generieren müssen. Auch die Breite des Angebots ist wie damit umzugehen ist. wesentlich größer als noch vor 20 Jahren, was dazu führt, dass viele Filme von der Presse unbeachtet blei- Außerdem sollten Fördermodelle auch ganzheitlich ben. Wenn dann auch noch, nach einer Schlecht-Wet- gedacht werden, beginnend mit der Finanzierungspha- ter-Periode, der Sonnenschein ausbricht und ein Film se eines Films, die gelegentlich mit unkonventionellen hat just an diesem Wochenende seinen Start, können Mitteln wie Crowdfunding funktioniert. Das Besondere Sie seine erfolgreiche Auswertung vergessen. an dieser Form der Filmfinanzierung ist, dass damit 14
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