Innovation statt Kommerz - Für eine Neuausrichtung des Filmförderungsgesetzes - DIE LINKE. Fraktion im Landtag ...

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Innovation statt Kommerz - Für eine Neuausrichtung des Filmförderungsgesetzes - DIE LINKE. Fraktion im Landtag ...
Innovation statt Kommerz
Für eine Neuausrichtung des Filmförderungsgesetzes
Innovation statt Kommerz - Für eine Neuausrichtung des Filmförderungsgesetzes - DIE LINKE. Fraktion im Landtag ...
Innovation statt Kommerz - Für eine Neuausrichtung des Filmförderungsgesetzes - DIE LINKE. Fraktion im Landtag ...
Inhalt
Vorwort                                               3

Teil 1
Redebeiträge der Potsdamer Anhörung zur bevorste-
henden Novellierung des Filmförderungsgesetzes
vom 25. September 2015 . . . . . . . . . . . . . . . .5

Peter Dinges                                          5

Martin Kröber                                         9

Thomas Frickel                                        12

Beate Völcker                                         15

Kirsten Niehuus                                       18

Prof Dr Mathias Schwarz                              20

Prof Martin Hagemann                                 24

Barbara Rohm / Esther Gronenborn                     28

Ellen Wietstock                                      32

Teil 2
Schlussfolgerungen der LINKEN aus den Ergebnissen
der Potsdamer Anhörung. . . . . . . . . . . . . . . 34

Innovation statt (nur) Kommerz                       34

Fotonachweis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

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Fraktion DIE LINKE. im Bundestag
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
Telefon: 030/22751170, Fax: 030/22756128
E-Mail: fraktion@linksfraktion.de
V.i.S.d.P.: Heike Hänsel & Jan Korte

Verantwortlich:
Harald Petzold, MdB
Medienpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion DIE LINKE
E-Mail: harald.petzold@bundestag.de

Redaktion: Glen Dammann, Franziska Schneider,
Jan Czornitzek-Wirth
Layout/Druck: Fraktionsservice
Endfassung: 25. Februar 2016
Dieses Material darf nicht zu Wahlkampfzwecken
verwendet werden!
Mehr Informationen zu unseren parlamentarischen
Initiativen finden Sie unter: www linksfraktion de
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Innovation statt Kommerz - Für eine Neuausrichtung des Filmförderungsgesetzes - DIE LINKE. Fraktion im Landtag ...
Vorwort
Liebe Leserin,                                             es zehn lange Jahre, bis das Bundesverfassungsgericht
lieber Leser,                                              nach einem langen Streit Anfang 2015 die Filmförderung
                                                           des Bundes endlich für rechtmäßig erklärte. Auch der
eine Filmförderung, die den Wert eines Filmes zualler-     Bund darf, ungeachtet der Kulturhoheit der Länder,
erst nach seinem kommerziellen Erfolg an den Kino-         nunmehr aktiv Kultur fördern, im konkreten Fall den
kassen bemisst, ist auf dem falschen Weg. Denn sie         deutschen Film. Der Problemberg ist inzwischen riesig,
reduziert die Bedeutung des Films auf seine ökonomi-       der Reformbedarf entsprechend groß. Es kommt jetzt
sche Verwertbarkeit und verwandelt ihn in ein beliebi-     auf eine Innovation der Förderziele, der -instrumente
ges, austauschbares Wirtschaftsgut, das sich wie jedes     und der -strukturen an.
andere auch auf dem Markt bewähren soll. Dabei bleibt
die große gesellschaftliche Relevanz des Films, bleiben    Linke Filmförderungspolitik hat zum Ziel, den Film
Ästhetik, kommunikativer Gehalt und schließlich die        als eine für die Gesellschaft unverzichtbare kulturelle
künstlerische Experimentierfreude und deren Vielfalt       Ausdrucksform in der öffentlichen und politischen
immer wieder auf der Strecke.                              Wahrnehmung zu verankern und das Filmförderungs-
                                                           system in diesem Sinne neu auszurichten und somit
Das deutsche Filmförderungssystem stammt in seinem         am Ende zu stärken. Die Legitimation staatlicher
Kern aus den 60iger Jahren des vorigen Jahrhunderts.       Filmpolitik muss allemal kulturell begründet sein. Nicht
Es ist ein starres, ein komplexes, ein zum Teil recht      der gewinnträchtige Blockbuster darf im Zentrum
verwirrendes Geflecht aus verteilten Bund- und Länder-     staatlicher Filmförderung stehen. Eine in diesem Sinne
Zuständigkeiten, in dem die Belange der regionalen         erfolgreiche Filmförderung muss aber auch finanziell
Wirtschaftsförderung und der Standortinteressen            bedarfsgerecht ausgestattet werden. Deshalb fordert
strukturell dominieren. Aus den Reihen der etablierten     DIE LINKE schon seit Jahren, die im Bundeshaushalt
Kulturpolitik sind zwar immer wieder Bekenntnisse zum      vorgesehenen Förderungsmittel stabil auf mindestens
Film als Kulturgut zu vernehmen, die politische Praxis     70 Mio. Euro jährlich anzuheben.
ist aber eine andere. Die Bundesregierung und die
meisten Landesregierungen sind nach wie vor in der         Am 25. September 2015 veranstalteten die Medienpoliti-
Spirale aus wirtschaftlichen und standortpolitischen       schen Sprecher_innen der Partei DIE LINKE aus Bund
Interessen gefangen. Film ist aber Kultur und Kinos        und Ländern in Potsdam eine Anhörung mit zahlreichen
sind Stätten der Kultur und der sozialen Begegnung. In     Expertinnen und Experten zur bevorstehenden Novellie-
Frankreich ist diese Einsicht ein Allgemeinplatz. Dort     rung des Filmförderungsgesetzes. Die Beiträge mit den
genießt das Kulturgut Film eine weit höhere Aner-          verschiedenen Sichtweisen sind in der vorliegenden
kennung als hierzulande. Jenseits des Rheins weiß          Broschüre dokumentiert.
man schon lange, dass in einer vielfältigen Kultur das
Filmschaffen als ein integraler Bestandteil nicht fehlen   Einige der Probleme der gegenwärtigen deutschen
darf. Film und Filmgeschichte gehören zum kulturellen      Filmförderung aus linker Sicht seien an dieser Stelle
Kerncurriculum der Franzosen. In Deutschland dauerte       kurz erwähnt:

                                                                                                                   3
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- Es ist auffällig, dass bei der Vergabe der Fördermit-    relle Vielfalt reformieren zu können, muss das gesamte
tel Filme von Frauen (Regie, Drehbuch, Produktion) auf     komplexe Fördersystem unter die Lupe genommen
inakzeptable Weise benachteiligt werden. Auch hier         und evaluiert werden. An einer solchen Gesamtschau
geht es um Gleichstellung.                                 fehlt es. Spätestens nach Abschluss der Gesetzesno-
                                                           velle sollte ein solches Evaluationsvorhaben in Angriff
- Im gesamten Bereich der Filmproduktion bestehen          genommen werden.
prekäre Beschäftigungsverhältnisse. Soziale Mindest-
standards und Tariflöhne werden nicht eingehalten.         DIE LINKE wird sich in den FFG-Novellierungsprozess
                                                           selbstverständlich mit eigenen Vorschlägen einbringen.
- Der Dokumentarfilm, der Animationsfilm und der           Mit der vorliegenden Broschüre wollen die Medienpoli-
originäre Kinderfilm fristen inzwischen eine Randexis-     tischen Sprecher_innen der LINKEN einen Beitrag zur
tenz. Filmförderung muss auch zur Genrevielfalt beitra-    Debatte leisten.
gen.
                                                           Wir bedanken uns bei den Teilnehmerinnen und Teil-
- Viele mit Fördermitteln ausgestattete Produzenten        nehmern der Potsdamer Anhörung, allen voran bei den
und Verleiher zahlen keine Mittel zurück. Unabhängig       Referentinnen und Referenten.
davon werden sie weiterhin gefördert.

- Die Fördergremien sind zu groß. Die Vergabekom-
mission hat viele Mitglieder aus den verschiedenen         Harald Petzold, MdB
Einzahlerbereichen, bei deren Entscheidungen fachliche     Medienpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion
Kriterien häufig eine nur untergeordnete Rolle spielen.    DIE LINKE

- Innerhalb der Medienbildung an deutschen Schulen
findet »Filmbildung« so gut wie nicht statt.
                                                           Volkmar Schöneburg, MdL
Um die deutsche Filmförderung entlang der Kriterien        Medienpolitischer Sprecher der Fraktion
Innovation, soziale und Geschlechter-Gerechtigkeit, Ent-   DIE LINKE. im Landtag Brandenburg
bürokratisierung, ausreichende Finanzierung und kultu-

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Peter Dinges                                                 in seinen Rückspiegel. »Machen sie’n da?« Penetrant,
                                                             dachte ich. Er insistierte. »Was wir da machen, ist ganz
Vorstand der Filmförderungsanstalt, FFA                      einfach. Mit öffentlichen Geldern subventionieren wir
                                                             deutsche Spielfilme, damit diese Filme erfolgreich
                                                             hergestellt werden können. Ansonsten gäbe es keine
                                                             deutschen Filme.« Ich merkte, wie seine Miene finster
Der Film, den die Franzosen als siebente Kunst bezeich-      wurde. Er fuhr weiter, es dauerte eine Weile und auf
nen, ist ein unglaublich machtvolles Massenmedium            einmal fragte er nach: »Sagen sie mal, machen sie das
und ein wichtiges Stück Kultur, das die deutsche und         mit meinen Steuergeldern?« Ich war erleichtert, als ich
die europäische Identität in demokratischen Zeiten           sagen konnte: »Nein, nicht mit ihren Steuergeldern.«
über die Grenzen hinweg transportiert. Diesen Film gilt      Ich stellte eine Gegenfrage: »Gehen sie ab und zu ins
es, zu fördern, sich seiner anzunehmen – und zwar in         Kino?« »Ja, ab und zu mal mit meiner Tochter«, sagte er.
Zeiten eines engen europäischen Austauschs, in denen         »Wenn sie ins Kino gehen, dann zahlen sie 30 Cent von
wir uns bemühen, Flüchtlinge in unseren Ländern              ihrem Ticket an die FFA, das nehmen wir und machen
aufzunehmen und der Zusammenhalt untereinander               für sie den nächsten Film. Ist das okay?« Ich merkte,
in Europa gefragter ist denn je. Film ist Wirtschafts-       wie er nachdachte, dann sagte er: »Wie cool ist das
gut und Kulturgut zugleich. Kürzlich habe ich gelesen,       denn?« Ein solches Erlebnis hatte ich schon häufiger.
dass jeder zehnte Beschäftigte in Berlin in der Me-
dienbranche tätig ist. 13 Prozent des Sozialprodukts         Die Filmförderung ist eine Art Selbsthilfesystem. Die
der Stadt werden demnach durch die Medienbranche             Filmwirtschaft wird dazu herangezogen, ihr eigenes
erwirtschaftet. Schaut man nach Potsdam, dann weiß           Fördersystem mitzufinanzieren. Wir entziehen dem
man, welche wirtschaftlichen Effekte der Film für eine       System Geld und geben es an das System zurück. Das
Region, für ein Land, für eine kleine Stadt erzielen kann.   ist ein Kreislauf. Streng, ganz streng kontrolliert durch
Die über den Film geschaffenen ökonomischen Effekte          das Bundesverfassungsgericht, das so etwas eigentlich
führen zu über sieben Millionen Branchenbeschäftigten        nicht gerne sieht. Zehn Jahre lang war dort eine Klage
in ganz Europa. Das dürften ebenfalls Gründe sein, wa-       anhängig, zehn Jahre haben wir gekämpft gegen eine
rum sich DIE LINKE als Fraktion, als Partei dem neuen        Gruppe von Kinobetreibern, die – ausländisch kontrol-
Film-Förderungsgesetz (FFG) und damit den gesetzli-          liert über Hedgefonds und ausländische Ketten – na-
chen Rahmenbedingungen für den Film und die dort             türlich etwas dagegen hatte, in dieses Solidarsystem
Beschäftigten auch annehmen will.                            einzuzahlen. Wir haben diese Auseinandersetzung am
                                                             28. Januar 2010 gewonnen – ich erinnere mich ganz gut
Es ist noch nicht so lange her, da nahm ich das Taxi         an diesen Tag, ich saß nämlich in diesem Gerichtssaal
zum Flughafen nach Tegel. Ich hatte es mit einem             – und zwar ohne jede Einschränkung. Der politische
dieser typischen Berliner Taxifahrer zu tun. Er war sehr     Wille des Bundesverfassungsgerichtes, eine Ausnahme
neugierig und immer wieder das Gespräch suchend:             zu machen, war deutlich zu erkennen. Eine Ausnahme
»Na, und, was machen sie’n junger Mann?« »Ich arbeite        in Deutschland für die Filmförderung, die es dem Bund
in der Filmförderung.« »In der Filmförderung?« Er guckte     erlaubte, neben den Ländern auch kulturelle Kompeten-
                                                                                                                     5
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zen wahrzunehmen. Ich zitiere das Bundesverfassungs-         che, in der jeder ein Experte ist. Dann zu sagen, wir
gericht: »Einem Staat, der sich als Kulturstaat versteht,«   greifen diesen oder jenen heraus, hat natürlich sofort
– damit ist Deutschland gemeint – »kann es nicht             Ärger mit anderen verursacht. Sie können sich das
verwehrt sein, in der Wahrnehmung all seiner Kompe-          vorstellen. Trotzdem hat diese Expertengruppe am Ende
tenzen auch auf Schonung, Schutz und Förderung der           den Respekt der Branche genossen. Diese Expertenrun-
Kultur bedacht zu werden!« Mit anderen Worten: Das           de hat sich mit dem neuen FFG auf der Grundlage der
Bundesverfassungsgericht bestätigte, der Bund hat            beiden Evaluierungen beschäftigt und hat Vorschläge
nicht nur einen wirtschaftlichen, sondern daneben auch       gemacht. Diese Vorschläge spiegeln sich zum Teil etwas
einen kulturellen Auftrag! Das ist eine Chance für uns.      freundlich in ihrem eigenen Positionspapier wieder. Ich
                                                             könnte sagen: So weit liegen wir nicht auseinander.
Nach bangen zehn Jahren können wir jetzt eine Novelle
des FFG machen, die, aufbauend auf dem Urteil des            Der Reihe nach. Erstens: Ja, wir wollen eine neue Dreh-
Bundesverfassungsgerichts, auf rechtssicheren Grund-         buchförderung haben, denn das Drehbuch ist die Mut-
lagen steht. Jetzt dürfen wir endlich einmal sagen:          ter aller Filme. Das muss ich ihnen nicht sagen. Ohne
Lasst uns innovativ sein! Die Überschrift über das neue      eine gute Story, ohne ein gutes Drehbuch – ein qualita-
Gesetz sollte deshalb lauten: »Innovation. Entbürokrati-     tiv hochwertiges Drehbuch – kann es keinen guten Film
sierung und hinreichende Finanzierung.« Wenn wir das         geben! Dann mussten wir feststellen, wir machen das
erst einmal vorneweggestellt haben, haben wir eine           Gleiche wie die Bundesländer. Was ist denn das für eine
Chance, die wir auch annehmen sollten! Es gibt keinen        Exzellenzförderung im Bund, wenn wir sowieso alle das
Grund mehr für angstvolle Starre, denn das Bundes-           Gleiche tun? Wir sollten das ändern, und zwar innovativ!
verfassungsgericht hat uns keine Grenzen gesetzt,            Nehmen wir an, wir hätten eine zweistufige Drehbuch-
sondern es hat uns sogar einen Auftrag erteilt. Im Urteil    förderung: Eine Grundförderung, die Ideen und erste
steht wortwörtlich, die Abgabe sei alle fünf Jahre neu zu    Entwürfe fördern soll, mit wenig Geld. Darauf satteln
rechtfertigen und es sei zu begründen, warum wir sie         wir eine Exzellenzförderung als zweite Stufe, bei der pro
brauchen.                                                    Projekt bis zu 100.000 Euro freigesetzt, sowie das Pro-
                                                             jekt während seiner ganzen Entwicklung hindurch bis
Warum sollten wir öffentliche Mittel – ich betone,           zur Drehreife begleitet wird. Auch mit dramaturgischer
es sind keine Steuermittel – für den deutschen Film          Hilfe, durch die FFA mitfinanziert, im Team von Autor,
ausgeben? Der eine oder andere fragt sich das immer          Produktion und Regie, damit daraus ein exzellenter,
wieder und ich kann Ihnen nur nochmal sagen: Ohne            einzigartiger und qualitativ hochwertiger Film entstehen
diese Fördermittel gäbe es keinen deutschen Film.            kann. Das war der erste Wurf der Expertenrunde und
Unser Land ist zu klein und hat im Vergleich mit der US-     ich kann nur sagen, dies ist etwas Neues, etwas Ande-
amerikanischen Filmkultur nicht ausreichend kritische        res und dies verdient meine Zustimmung. Ich glaube,
Masse, um aus sich heraus selber für den Markt Filme         diese Idee stößt auch auf die Zustimmung der Branche.
zu produzieren, die im (inter)nationalen Wettbewerb auf
Augenhöhe mit anderen Herstellern, wie z.B. der Filmin-      Zweitens: Wenn ich diese Exzellenzförderung im Dreh-
dustrie der Vereinigten Staaten, konkurrenzfähig wären.      buchbereich voraussetze, brauche ich eine anständige
Diese Debatte, ob man sich Film leistet, wird in Europa      Produktionsförderung. Das Bundesverfassungsgericht
in zahlreichen Parlamenten immer wieder geführt. Pro         hat sehr klar gesagt, dass die sogenannte Gruppennut-
Film oder nicht. Beispielsweise in England, wo das           zung der Abgabe sich dadurch rechtfertigt, dass Filme
Parlament ganz klar sagt: Wir wollen Film öffentlich         gefördert werden, die von den Verwertern dann auch
finanzieren. Da kann ich nur sagen: Auch Deutschland         gezeigt werden. Die Klage der Kinobetreiber wurde mit
sollte sich dazu bekennen, Film öffentlich mitzufinanzie-    dem Hinweis abgewiesen, dass die Beschwerdeführer
ren, weil wir ein Anrecht haben auf eine eigene Kultur,      ja selbst mindestens zehn Prozent deutsche Filme in ih-
wie es das Bundesverfassungsgericht betont hat.              rem Programm zeigen. Produktionsförderung als solche
                                                             bleibt also das Herz der FFA, auch nach diesem Ge-
Nachdem ich Filmförderung als solche gerechtfertigt          richtsurteil. Wer den deutschen Film fördern will, kann
habe und Ihnen auch begründet habe, warum wir Film           nicht sagen: Ich fördere nur Infrastruktur und kürze die
brauchen in diesem Land, jetzt in medias res: Es geht        ureigentliche Produktionsförderung. Wichtig ist, dass
um das FFG. Das neue FFG stellt eine Chance dar, die         sie richtig eingesetzt wird. Und richtig einsetzen kann
wir nutzen sollten. Wie sollen wir sie ausfüllen? Zu-        nur heißen: Wir haben zwei Säulen. Die eine ist eine
nächst einmal haben wir uns bemüht, unsere Hausauf-          automatische und die andere ist eine selektive Säule.
gaben zu machen. Wir haben bei der Entwicklung von           Derzeit ist das Verhältnis beider etwa 60/40, je nach
Vorschlägen für das neue FFG mitgewirkt und so stark         Haushalt 50/50. Die automatischen Mittel verdiene ich
wie noch nie zuvor in der Geschichte der FFA an der          mir damit, dass ich 150.000 Punkte – sprich Besucher
Erhebung von Daten gearbeitet. Die Evaluierungen, die        – realisiere, dann kriege ich automatisch ein Guthaben
wir gemacht haben, sind öffentlich und liegen ihnen          bei der FFA, ein Konto, auf das ich für meinen nächsten
auch vor. Wir haben unser System beleuchtet; sowohl          Film zugreifen kann. Und die selektiven Mittel verdiene
die Förderinstrumente auf der einen Seite, als auch die      ich mir, indem ich einer 13-köpfigen Kommission der
Abgabe als solche und die Höhe der Abgabe auf der an-        FFA ein anständiges Drehbuch mit einem ordentlichen,
deren Seite. Schließlich haben wir eine Expertengruppe       in sich schlüssigen Konzept zur Entscheidung vorlege.
eingesetzt, in der die Branche repräsentiert sein sollte.    Wenn die Kommission dann dieses Projekt aus einer
Das war nicht ganz einfach, denn wir sind in einer Bran-     Vielzahl von Anträgen auswählt (das Verhältnis ist

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derzeit 1 zu 3), dann wird es auch in diesem Rahmen mit      gent weiterführen, also auch bei der Vergabe der Mittel
bis zu einer Million Euro gefördert. Das sind die beiden     selektiv vorgehen. Niemand kann mir sagen, dass hier
Tools, die wir derzeit haben.                                Produzenten durch die Gegend laufen und glauben,
                                                             den Geist von Kommissionen erahnen zu müssen in der
Die Expertenrunde schlägt vor, im Prinzip dieses duale       Farbe ihrer Filme. Große Erfolge, die wir in letzter Zeit
System beizubehalten, aber vor allem die Gremien zu          hatten, lassen erahnen, dass Filme eben nicht wegen
entschlacken. Die 13 Leute der Expertenrunde treffen         guter Kommissionen entstehen, sondern weil wir gute
sich fünfmal im Jahr und diskutieren über 150 Anträge.       Filmemacher in diesem Lande haben. Ich kann also
Das sind pro Kommissionsmitglied ca. 200 Arbeitsstun-        nur sagen: Ich würde den anderen Weg gehen. Und
den. Wie soll das überhaupt geleistet werden? Das kann       dieser Weg ist hoch selektiv: Setzen wir auf eine kleine,
doch wirklich niemand leisten, der morgens zur Arbeit        windschnittige Kommission von Fachleuten, suchen wir
geht und Filme drehen muss und ein wirklich engagier-        wenige Projekte mit hohem Investitionsvolumen aus
ter und exzellenter Filmemacher ist. Dieses Verfah-          und stoppen wir den Fördertourismus, der bedeutet,
ren ist viel zu mühsam und viel zu bürokratisch. Also        man geht von Länderförderung zu Länderförderung,
verkleinern wir doch diese Kommission von 13 auf fünf,       zur Bundesförderung und sammelt mit dem Hut. Am
vielleicht auch auf sieben Leute. Das sollte genügen.        Ende des Tages ergibt unsere Evaluierung eines: Das
Sie sehen, die Diskussion ist ein wenig vorangegangen.       bestehende System aus einer Kombination automati-
Noch sieht das Expertenpapier vier Leute vor, aber mit       scher Mittel mit selektiven Mitteln funktioniert. Ob man
vier Leuten scheint das Gremium dann doch ein wenig          unbedingt das Ganze renovieren und völlig neu machen
sehr knapp besetzt zu sein, um die Aufgabe zu bewälti-       muss, weiß ich nicht. »Never change a winning team«
gen. Am Ende geht es um ein Pool-System, so die Über-        – so erfolglos sind wir nämlich nicht. Aber wenn wir
legung. Ein Pool-System, das ausreichend qualifizierte       konsequent wären und innovativ, dann kann man nicht
Menschen beinhaltet – vielleicht 25, vielleicht 28 -, die    den automatischen Weg gehen, dann müsste man den
die FFA in diese Kommission berufen kann. Diese Kom-         rein selektiven gehen. Denn nur Selektion hat die Vor-
mission beschäftigt sich nicht nur mit der Produktion,       teile der Flexibilität, der Anpassungsfähigkeit und der
sondern ebenfalls mit der Stoffentwicklung und dem           hochqualitativen Auswahlmöglichkeit. Soweit so gut.
Drehbuch. Auf diese Weise werden wir schließlich nur
eine Kommission haben, die sich um die Entwicklung,         Damit habe ich mich geoutet. Es kann im Übrigen nicht
Herstellung und um die Produktion von Stoffen küm-          sein, dass eine Kommission von 13 Leuten mit zwölf
mert. Diese Überlegung ist natürlich noch im Fluss und Männern und einer Frau besetzt ist. Sicherlich ist in Zu-
wird noch diskutiert. Da gibt es noch viel Detailarbeit
zu erledigen. Sicherlich wird es noch viele Stimmen       ZITAT
pro und kontra geben, aber über eines sind sich alle
einig: Die Kommission muss verkleinert werden.            Lasst uns innovativ sein!
                                                           Die Überschrift über das neue Gesetz
Das war der erste Vorschlag der Expertenrunde.
Der zweite lautet: Lasst uns das ganze System           sollte deshalb lauten:
automatisch machen! Der Grund dafür ist, dass nur       Innovation, Entbürokratisierung
automatische Systeme berechenbar sind. Berechen-
bare Systeme haben den Vorteil für einen Kaufmann und hinreichende Finanzierung.
– und das ist der Produzent -, dass er nicht darüber
nachdenken muss, ob ihn morgen eine Kommission            kunft mehr Gendergerechtigkeit gefragt. Davor darf die
nun aussucht oder nicht. Diese Frage: »Krieg ich das      FFA – auch wenn sie 1968 gegründet worden ist – nicht
Geld? Krieg ich es nicht?«, verzögert die Produktion und Halt machen, sondern sie muss das verinnerlichen.
führt am Ende möglicherweise dazu, dass man seinen        Beim sogenannten Pool-System kann die Auswahl der
Film inhaltlich mehr dem Geschmack der Kommission         Jurymitglieder dann auch paritätisch und geschlechter-
anpasst als in freier, kreativer Tätigkeit selber einen   neutral erfolgen. Und dass wir uns auch mit anderen
Film zu machen. Der Automatismus ist dafür die erfor-     Fragen in der FFA zu beschäftigen haben, wie etwa den
derliche Weichenstellung. Ein kluger, ein intelligenter   Auswirkungen des Filmschaffens auf die Ökologie im
Vorschlag, wie ich finde, mit dem wir uns sicher noch     sogenannten »grünen Film«, ist für mich ebenso selbst-
mehrfach auseinandersetzen müssen.                        verständlich wie das Thema Gendergerechtigkeit.

Ich verhehle nicht meine Meinung: Ich glaube nicht           Bei der Verwertung sollten wir auch jene Kommissionen
an diesen Vorschlag der Expertenrunde, denn er hört          abschaffen, die wir nicht brauchen! Bauen wir auch dort
sich ein bisschen an wie: »Düngen wir die Felder in          Bürokratie ab! Wir sollten die Videokommission in eine
der Fläche, irgendwo findet sich schon eine Orchidee.«       übergreifende Verwertungskommission integrieren,
Das geht nicht auf. Jeder wird in der Hoffnung auf den       die die Verwertung des Filmes im Ganzen im Auge hat
Bankautomaten FFA zugreifen, dass der exzellente             und nicht nur kleine Teile davon. Verzichten wir auf die
Film, der morgen auf irgendeinem Festival laufen soll,       Kinokommission, die nie eine wirkliche Jury war, son-
dann sicherlich irgendwo dabei sein wird. Nein! Wenn         dern letztendlich nur wirtschaftliche Fragen bearbeitet
ich vorne eine Exzellenzförderung im Drehbuchbereich         hat. Das kann jeder Fachmann auch ohne Kommission.
aufsetze, hoch selektiv, ausgewählt für wenige Projekte      Das erspart uns Reisekosten, bürokratischen Aufwand
mit viel Geld, dann muss ich diesen Gedanken strin-          und Jury-Entscheidungen. Das sind Vorschläge, um

                                                                                                                     7
Innovation statt Kommerz - Für eine Neuausrichtung des Filmförderungsgesetzes - DIE LINKE. Fraktion im Landtag ...
uns wirkungsvoll zu entschlacken. Ich habe das Gefühl,     kann man schon mal zehn Millionen abziehen und nicht
dass die Politik und Filmwirtschaft an dieser Stelle       einfach für gesunde Rückführungsbedingungen vor-
mitmachen wollen. Das ist der Weg, den wir gehen           aussetzen. Dann liegen wir bei 57 Millionen. Und das
sollten. Das ist ein innovativer Weg, wie ich meine: Ein   ist das, was wir brauchen. Unter Berücksichtigung der
guter Weg!                                                 Evaluierung kommen wir im Jahre 2021 auf 43 Millionen.
                                                           Es fehlen uns also 14 Millionen Euro. Wenn wir ein ge-
Wie finanzieren wir das? Man kann noch so innovativ        sundes System für die Zukunft aufstellen wollen, dann
sein: Wenn man den Geldhahn zudreht, dann bleibt von       muss diese Lücke geschlossen werden. Denn diese
der Innovation nicht mehr viel übrig. Da wird aus einem    Lücke geht zu Lasten des deutschen Films, sie geht zu
Elefanten eine Maus. Ich sage an die Politik gerichtet:    Lasten der Zielsetzung und auch der Innovationskraft
Wir sind nicht diejenigen, die die staatlichen Budgets     dieser Novelle. Ich will nicht mehr als vorher. Ich möch-
belasten und Steuermittel, die für andere wichtige         te nur, dass wir den Standard halten, den wir gesetzt
Aufgaben der Nation und der Bundesländer gebraucht         haben und nicht in eine deftige Finanzierungslücke hin-
werden, beanspruchen. Es geht uns nur darum, dass          einlaufen. Und das tut man, indem man bestimmte Ab-
das Urteil des Bundesverfassungsgerichts letztendlich      gaben anpasst. Es kann nicht sein, dass die deutschen
umgesetzt wird und die FFA mit den Abgabemitteln           Kinos 24 Millionen in die Filmförderung einzahlen und
– nicht Steuermitteln! – auszustatten, die sie für eine    zum Beispiel das ZDF – das erheblich vom deutschen
gesunde Finanzierung braucht. Das ist relativ einfach.     Film profitiert – nach unseren letzten Hochrechnungen
Wir brauchen 30 Millionen in der Produktionsförderung      lediglich 1,9 Millionen. Das ist ein Missverhältnis. Ich
– gleichgültig, ob wir uns jetzt mehr automatisch oder     habe noch den vorsitzenden Richter des Bundesver-
mehr selektiv ausrichten. Wir brauchen 23 Millionen im     waltungsgerichts im Ohr, der sagte: Man kann Abgaben
Verwertungsbereich, das bedeutet zehn Millionen in der     auch über ihr Ergebnis anpassen, wenn es ein offen-
Kinoförderung, 13 Millionen in der Förderung von Verleih   sichtliches Missverhältnis gibt. Und ich kann Ihnen nur
und Video. Beides zusammengenommen macht 53                sagen: Das gibt es hier. Diese Abgaben sind anzupas-
Millionen. Außerdem muss man berücksichtigen, dass         sen, sowohl im Home-Entertainment-Bereich als auch
die FFA Overheads hat, dass sie internationale Koope-      im Fernsehbereich. Wir brauchen bei den verschiede-
rationen und den Vertrieb deutscher Filme im Ausland       nen Blöcken Kino, Home-Entertainment und Fernsehen
fördert, zudem Marktforschung betreibt und viele           eine ausgewogene Abgabenzahlung. Das wird eine der
weitere Aufgaben bis hin zur Filmedukation hat. Dafür      Hauptaufgaben sein und da bitte ich die Politik um Ihre
brauchen wir ca. 6,5 Millionen. Die Overheads liegen bei   Unterstützung. Denn ohne diese Unterstützung wird
ca. 4 Millionen. Wir kommen schnell auf einen Betrag       wieder das Steuersäckel herhalten müssen – und das
von 67 Millionen. Wir geben Darlehen aus, Erlöse. Da       wird dem Taxifahrer überhaupt nicht gefallen.

8
Martin Kröber                                              ARD und ZDF weitere freiwillige Mittel zugesagt haben.
                                                           Wenn unsere gesetzliche Abgabeverpflichtung den
Referent in der Juristischen Direktion des MDR             Betrag von 5,5 Mio. Euro pro Jahr nicht erreicht, stocken
                                                           wir hierdurch zusätzliche freiwillige Zuzahlungen auf.
                                                           Darüber hinaus erbringen wir noch geldwerte Werbe-
                                                           leistungen und wenden Mittel für Gemeinschaftspro-
Ich beschränke mich auf die Fragen, die aus Sicht der      duktionen auf.
öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten von Bedeu-
tung sind.                                                 Anmerken möchte ich, dass dies bei weitem nicht alles
                                                           ist, was die öffentlich-rechtlichen Anstalten insgesamt
Wir gehen davon aus, dass der Erhalt und die Entwick-      für die deutsche Filmförderung erbringen. Hinzu kom-
lung der deutschen und europäischen Filmkultur nur         men die Mittel, die die ARD-Landesrundfunkanstalten
auf Basis einer funktionierenden Filmwirtschaft möglich    und das ZDF in die regionalen Filmförderungen einzah-
sind. Deshalb betrachten wir das Filmförderungsgesetz      len. Bei der ARD addiert sich hier ein Betrag von ca.
als einen wichtigen Eckpfeiler der vielfältigen Filmför-   40 Millionen, beim ZDF beläuft sich die Summe auf 9,1
derung in Deutschland. Das FFG hat sich aus Sicht          Millionen. Zusammengerechnet kommen die öffentlich-
der öffentlich-rechtlichen Sender auch grundsätzlich       rechtlichen Sender somit auf einen Betrag von nahezu
bewährt, selbst wenn es viele Dinge gibt, die man          70 Millionen Euro. Nicht unberücksichtigt bleiben
verändern und neu anpacken muss. Wir freuen uns            sollten zudem noch Unterstützungsleistungen und Ko-
darüber, dass beispielsweise der Marktanteil deutscher     operationsbeiträge, die, in Geld umgerechnet, natürlich
Produktionen im Jahr 2014 auf 26,7 Prozent gestiegen       addiert werden müssten.
ist und damit das zweitbeste Ergebnis für die heimische
Produktion nach 2009 eingefahren werden konnte.            Wir halten es für sinnvoll, dass das FFG als Subventi-
ARD und ZDF stehen zu diesem Filmfördersystem und          onsgesetz regelmäßig überprüft wird. Damit ist gewähr-
werden auch weiterhin einen Beitrag zu seiner stabilen     leistet, dass die großen Herausforderungen, die in der
Weiterentwicklung leisten.                                 nächsten Zeit auf uns zukommen werden – Stichwort
                                                           Digitalisierung, technische Konvergenz, sich verändern-
Erlauben Sie mir zunächst einen kurzen Überblick über      des Rezipientenverhalten – im Gesetz auch Berücksich-
die Leistungen, die die öffentlich-rechtlichen Rundfunk-   tigung finden.
anstalten gegenüber der FFA erbringen: Die Leistungen
der ARD belaufen sich auf insgesamt 9,3 Millionen          In der kleinen FFG-Novelle von 2010 hat der Gesetzgeber
Euro pro Jahr. Das ZDF erbringt Leistungen in ähnlicher    die Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts auf-
Höhe.                                                      gegriffen. Das Bundesverwaltungsgericht hat gefordert,
                                                           dass für die verschiedenen Zahlergruppen ein einheit-
Die ARD-Mittel setzen sich wie folgt zusammen: Zum         licher Abgabemaßstab gefunden werden muss, der im
einen erbringen wir die Abgaben, zu deren Zahlung wir      FFG seinen Niederschlag findet. Diese Anforderung hat
nach dem FFG gesetzlich verpflichtet sind. Darüber hin-    auch das Bundesverfassungsgericht mit beeindruckend
aus haben wir eine Vereinbarung mit der FFA geschlos-      klaren Worten bestätigt. Der bestehende Abgabemaß-
sen – das sogenannte Film-Fernsehabkommen – in dem         stab – nach dem die Kinos, die Videowirtschaft und das

                                                                                                                  9
Fernsehen zur Filmabgabe herangezogen werden – sei         Seit Bestehen des FFG wurde der Kreis der Abgaben-
sachgerecht und entspreche dem verfassungsrechtli-         verpflichteten immer mehr erweitert. Dies entspricht
chen Gleichheitssatz. Wir haben es hier also mit einem     auch den Anforderungen des Bundesverfassungsge-
austarierten System zu tun, welches den auf den ein-       richts, das es vor dem Hintergrund der dynamischen
zelnen Verwertungsstufen bezogenen Vorteilen aus der       Marktentwicklung als Pflicht des Gesetzgebers ansieht,
Verwertung von Kinofilmen Rechnung trägt. Bewusst          in regelmäßigen Abständen eine Überprüfung hinsicht-
verzichtet wurde auf die Festlegung einer einheitlichen    lich der Homogenität, der spezifischen Sachnähe und
Abgabenhöhe für die einzelnen Zahlergruppen, wie dies      der Finanzierungsverantwortung vorzunehmen. Das hat
teilweise gefordert wurde.                                 der Gesetzgeber auch getan. Seit der letzten Novel-
                                                           lierung 2014 sind auch die VoD-Anbieter, die ihren Sitz
Insbesondere wird auch der Filmförderbeitrag des           oder eine Niederlassung im Ausland haben und von
öffentlich-rechtlichen Rundfunks im aktuellen FFG          dort aus den deutschen Markt bedienen, in die Abgabe-
sachgerecht festgesetzt. Dies war kein ganz einfaches      pflicht einbezogen.
Unterfangen, denn – anders als die Kinobetreiber, die
Verleiher und andere – der Kinofilm ist für den öffent-    Reagiert hat der Gesetzgeber damit auf die dynamische
lich-rechtlichen Rundfunk nur eines von vielen Elemen-     Marktentwicklung, die in diesem Marktsegment gegen-
ten seines rundfunkrechtlichen Auftrags. Das Finanzvo-     wärtig in Deutschland stattfindet. Begünstigt durch den
lumen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks kann daher      Breitbandausbau und die zunehmende Verfügbarkeit
zur Bestimmung der Abgabenlast nicht herangezogen          von Empfangsgeräten, die sowohl zum Empfang von
werden. Der Gesetzgeber hat vielmehr sachgerecht           linearen als auch nicht-linearen Angeboten geeignet
auf das Investitionsvolumen in den deutschen Film im       sind, hat sich dieser Markt in den letzten Jahren rasant
vorvergangenen Jahr abgestellt.                            entwickelt und befindet sich auf dem Weg zum Mas-
                                                           senmarkt. Nach jüngsten Marktforschungsergebnissen
Das aktuelle Gesetz eröffnet der FFA und den Landes-       macht der digitale Verleih und Verkauf schon 12 Prozent
rundfunkanstalten hinreichend Spiel-raum, Einzelheiten     des Umsatzes im gesamten Markt für Home-Entertain-
und Ergänzungen weiterhin in einem Film-/ Fernsehab-       ment aus. Bis 2019 – also noch während der Laufzeit
kommen zu regeln. Eine solche Möglichkeit sollte nach      des kommenden FFGs – soll dieser Markt um 23 Pro-
Auffassung der Rundfunkanstalten auch im neuen FFG         zent im Jahr wachsen. Der Abruf von Filmen und Serien
bestehen bleiben. Was wir erwarten: Die öffentlich-        über das Internet geht dabei immer mehr auf Kosten
rechtlichen Rundfunkanstalten gehen davon aus, dass        von DVDs und Blue-Ray-Discs.
mit dem gerade verfassungsrechtlich bestätigten
Abgabensystem ein tragfähiger Kompromiss gefunden          Vor diesem Hintergrund betrachten wir es mit großer
wurde, der nicht erneut infrage gestellt werden soll-      Sorge, wenn die EU-Kommission mit Verweis auf die
te. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass die gerade       AVMD-Richtlinie Zweifel an der Zulässigkeit der Einbe-
gewonnene Stabilität erneut aufs Spiel gesetzt wird.       ziehung von VoD-Anbietern mit Sitz im Ausland äußert
An der Berechnung des Abgabenmaßstabes für den             und das Gesetz aufgrund dessen in diesem Punkt
öffentlich-rechtlichen Rundfunk sollte ebenfalls festge-   derzeit nicht vollzogen werden kann.
halten werden. Für eine Veränderung, die zur Erhöhung
dieser Abgabenlast führen würde, bietet das gegenwär-      Zum einen berührt dies die Funktionsfähigkeit der
tige politische Umfeld keinen Raum – zu nennen sind        FFA: Diese erzielt bisher ca. ein Drittel ihrer Einnah-
hier nur die Stichworte Beitragsstabilität, Absenkung      men durch Abgaben der Videowirtschaft. Verläuft die
des Rundfunkbeitrages sowie die von der KEF auferleg-      Entwicklung wie prognostiziert, dann fallen die Abga-
ten Sparmaßnahmen.                                         ben aus der Verwertung von DVD und Blue-Ray nahezu
                                                           ersatzlos weg, da diese Ausfälle derzeit nicht durch
Anders als beispielsweise Filmtheaterbetreibern,           zusätzliche Einnahmen aus dem VoD-Bereich kompen-
kommt den Sendeunternehmen aus der Film-förderung          siert werden können.
keine Unterstützung in Form von Fördergeldern zu.
Förderbeiträge müssen vielmehr bei ARD und ZDF             Zum anderen sehen wir hier den Grundsatz der Abga-
allein und direkt dem Programmetat entnommen wer-          bengerechtigkeit betroffen. Mit diesem Grundsatz un-
den. Das geht zu Lasten der Investitionsmöglichkeiten      vereinbar ist es, wenn inländische Anbieter zur Abgabe
insbesondere in fiktionale Auftragsproduktionen. Bei       herangezogen werden, während ausländische Anbieter,
einer weiteren gesetzlichen Aufstockung der Beiträge       die den gleichen Markt bedienen, sich der Entrichtung
wäre neben Fragen der Abgabengerechtigkeit und des         einer Filmabgabe entziehen können. Es wird in Euro-
Gleichheitssatzes auch die grundgesetzlich gewährleis-     pa viel über Steueroasen diskutiert, die es künftig zu
tete Programmfreiheit des Rundfunks tangiert.              verhindern gelte. Meines Erachtens betrifft dies im
                                                           gleichen Maße Abgabenoasen.
Die nächste Frage lautet: Wer sollte sich an der Fi-
nanzierung der FFA beteiligen? Das FFG ist von dem         Wenn sie also fragen, was unsere Erwartungen sind:
Solidargedanken geleitet, dass diejenigen Gruppen,         Der Kreis der Abgabenverpflichteten sollte überprüft
die eine besondere Sachnähe zum Kinofilm aufweisen,        werden und es sollten Wege gefunden werden, die eine
auch einen angemessenen Beitrag zur Finanzierung           Einbeziehung auch ausländischer VoD-Anbieter in die
der Produktion und Verbreitung des Kinofilms leisten       Zahlungspflicht ermöglichen. Nur so können die finanz-
sollen.                                                    verfassungsrechtlichen Vorgaben eingehalten werden.

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Was wird gefördert? Im Bereich der Produktionsförde-          fenster können sich gegenseitig befruchten. Diese For-
rung gibt es zwei unterschiedliche Förderarten. Zum           derung beinhaltet nicht, dass Sperrfristen in jedweder
einen die selektive projektbezogene Förderung, die            Form abgeschafft werden sollen. Vielmehr erscheint
Projektfilmförderung, zum anderen die automatische            die Möglichkeit sachgerecht, auf Basis vertraglicher
erfolgsabhängige Förderung, die Referenzfilmförderung.        Regelungen zwischen den unterschiedlichen Beteiligten,
Beide Fördertöpfe sind in ihrer Ausstattung ungefähr          angemessene Auswertungsfenster zu vereinbaren. An-
gleich groß. Die Mittel der Fernsehveranstalter – privat      gesichts des Vordringens der VoD-Plattformen sollten
und öffentlich-rechtlich – fließen in die Projektfilmför-     flexible Regelungen befördert werden, die die bestmög-
derung. Wir sind uns bewusst, dass diese Förderart            liche Auswertung eines Filmwerkes gewährleisten.
teilweise sehr aufwendig ist. Jedes Jahr gehen ca. 130
Anträge bei der FFA ein. Die 13 Mitglieder des Verga-         Die derzeit noch vorgesehene gesetzliche Auswertungs-
beausschusses schätzen die zu erwartende Qualität             kaskade ist angesichts der Konvergenz in der digitalen
und Wirtschaftlichkeit ein und entscheiden über die           Welt zunehmend überholt. Es besteht die Gefahr, dass
Vergabe von Fördermitteln. Gleichwohl würden wir eine         sie sich zu einem Investitionshemmnis entwickelt. Die
Hinwendung zu einem maßgeblich automatisierten Ver-           Auswertungszyklen haben sich wesentlich verdichtet.
fahren mit erheblicher Skepsis betrachten. Hier sehen         Man kann sagen: In der digitalen Zeit veralten fiktionale
wir die Gefahr, dass es nur noch um Mainstream ginge.         Produktionen wesentlich schneller. Konsequenz wäre
Als öffentlich-rechtliche Sender haben wir Interesse an       nicht nur ein abnehmendes Interesse der Free-TV-Aus-
qualitativ hochwertigen Filmen, die vornehmlich über          werter an Kino-Koproduktionen, sondern auch negative
die Projektfilmförderung gefördert werden.                    Auswirkungen auf deren finanzielles Engagement. Free-

Abschließend würde ich gern noch ein paar Anmer-
kungen zur Auswertungskaskade nach dem FFG                  ZITAT
machen. Bereits in der Vergangenheit haben ARD
und ZDF darauf hingewiesen, dass die Auswertungs-           ARD und ZDF stehen zu diesem Filmförder—
kaskade des FFG überprüft und an die Erfordernisse          system und werden auch weiterhin einen
des digitalen Zeitalters angepasst werden muss. Die
Entwicklungen der technischen Konvergenz erlauben           Beitrag zu seiner stabilen Weiterentwicklung
zunehmend weniger lange zeitliche Staffelungen von          leisten.
Auswertungsfenstern, an deren Ende das Free-TV
stehen soll, von dem man aber gleichzeitig substan-
tielle Finanzbeiträge zur Kino-Koproduktion erwartet.
Andere Marktteilnehmer, wie beispielsweise das Pay-           TV-Sender kommen hier zunehmend in eine ihnen nicht
TV, versuchen systematisch, ihre Exklusivitäts-Fenster        zustehende Rolle eines vorfinanzierenden Kreditunter-
auszuweiten, oftmals ohne Finanzbeiträge entspre-             nehmens. Auch können damit berechtigte Interessen
chend zu erhöhen.                                             der Programmplanung des koproduzierenden Senders
                                                              nicht mehr gewahrt werden.
Bei der zeitlichen Staffelung der Auswertungsfenster
ist schließlich auch zu berücksichtigen, dass SVoD-           Die kürzlich mit der Produzentenallianz vereinbarte
Angebote auf dem gleichen Fernsehendgerät zuneh-              Fortschreibung der allgemeinen Bedingungen zu Kino-
mend das Exklusivitätsinteresse des Free-TV-Senders           Koproduktionen ist ein Beispiel dafür, dass flexible Ver-
in seinem Auswertungsfenster beeinträchtigen. Auch            tragsbedingungen, die die beiderseitigen Auswertungs-
hier gilt es, den finanziellen Koproduktionsbeiträgen der     interessen beachten, am besten zwischen den Parteien
einzelnen Produktionsbeteiligten angemessen Rech-             im Rahmen von Verbandsabsprachen gefunden werden
nung zu tragen. Bei der letzten Novellierung des FFG          können. Gesetzgeberische Vorgaben sollten hingegen
wurde eine Flexibilisierung der Sperrfristen durch die        immer Ultima Ratio gegenüber solch flexiblen Vertrags-
Änderung des §20 FFG in geringem Umfang ermöglicht,           absprachen bleiben.
der allerdings keine ausreichende Flexibilität darstellt.
Die Änderungen 2014 kamen vornehmlich den VoD-                Was sind zusammengefasst unsere Erwartungen an
Anbietern zugute, für die die Sperrfristen auf 6 Monate       das neue FFG? Wichtig ist uns, dass der bestehende
abgesenkt wurden und damit den DVD-Verleihern                 Abgabenmaßstab nicht wieder in Frage gestellt wird,
gleichgestellt wurden.                                        sich das Gesetz vielmehr an den Eckpfeilern, die das
                                                              Bundesverwaltungsgericht und das Bundesverfassungs-
Was den Free-TV-Bereich anbelangt, der traditionell das       gericht eingeschlagen haben, orientiert. Das neue FFG
»Schlusslicht« der Kaskade bildet, betragen die Fristen       sollte zukunftsfest ausgestaltet sein. Insbesondere
im Normalfall weiterhin 18 Monate nach Beginn der Ki-         muss es geeignet sein, den sich neu herausbildenden
noauswertung. Die durchschnittliche Verweildauer der          Verwertungsstrategien und -formen in der Filmwirt-
Produktionen im Kino nimmt immer mehr ab. Weniger             schaft Rechnung zu tragen.
erfolgreiche Filme sind häufig schon nach dem ersten
Wochenende nicht mehr in den Kinos zu finden. Nach
unserer Auffassung kann der Erfolg einer Kinoauswer-
tung im Einzelfall auch durch Fernsehauswertungen
gesteigert werden. Die verschiedenen Auswertungs-

                                                                                                                      11
würde es sehr schaden, wenn sie
                                                                              solche Filme nicht zur Verfügung
                                                                              hätten. Natürlich ist nicht jedem
                                                                              deutschen Film ein solcher Erfolg
                                                                              vergönnt, aber dennoch ist damals
                                                                              durch das Bundesverfassungsgericht
                                                                              festgestellt worden, dass der kultu-
                                                                              relle und der wirtschaftliche Aspekt
                                                                              eine Einheit darstellen. Sinngemäß
                                                                              wurde formuliert: Die künstlerisch-
                                                                              kulturelle Qualität des deutschen
                                                                              Films ist eine Voraussetzung für
                                                                              seinen wirtschaftlichen Erfolg und
                                                                              ist dementsprechend zu fördern.
                                                                              Das hören wir natürlich sehr gerne,
                                                                              da dazu nun einmal auch andere
                                                                              Filme gehören, Filme die etwas
                                                                              Neues wagen, auch wenn ihnen die
                                                                              Blockbuster-Eigenschaft nicht gleich
                                                                              ins Drehbuch geschrieben ist. Denn
                                                                              solche Filme brauchen wir.

                                                                              Wir haben in den letzten Jahren
                                                                              gesehen, dass uns viel kleinere
                                                                              Filmländer, zum Beispiel Dänemark
                                                                              oder, was den Dokumentarfilm
                                                                              anbelangt, Österreich, auf internati-
                                                                              onalen Festivals und in der internati-
                                                                              onalen Reputation um Nasenlängen
                                                                              voraus sind, weil sie mutigere und
                                                                              möglicherweise etwas quer zu den
                                                                              üblichen Mainstreamgeschichten
                                                                              liegende Filme produzieren können.
                                                                              Deshalb lautete unsere Frage immer:
                                                                              Warum ist es da möglich? Und wie
                                                                              kommen wir auch wieder dorthin,
                                                                              dass deutsche Filme in Cannes
                                                                              gezeigt werden?

                                                                               Unter den aktuellen Produktionsbe-
                                                                               dingungen scheint das relativ schwer
                                                                               erreichbar und es gibt alle möglichen
Thomas Frickel                                                                 Erklärungsansätze, die auch auf
                                                           persönliche Affinitäten und Aversionen zurückzufüh-
1. Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm     ren sind. Wir haben daraus die Frage abgeleitet: Was
e.V. / AG DOK                                              braucht denn überhaupt eine besondere Förderung?
                                                           Ist es beispielsweise nötig, dass »Fack Ju Göhte 2« von
                                                           der Projektförderung der Filmförderungsanstalt Geld
                                                           bekommt, wenn der Vorläufer »Fack Ju Göhte 1« schon
Ich beginne mit dem Bekenntnis, dass ich »Fack Ju          dermaßen erfolgreich war, dass Millionen an Gewin-
Göhte 2« noch nicht gesehen habe und ich weiß auch         nen und auch an Referenzfilmförderung zur Verfügung
nicht, ob ich mir das anschauen will, obgleich ich mich    stehen? Könnte man sich nicht stattdessen vielleicht
über den Erfolg dieses Films freue, dessen Start zu den    ein Modell vorstellen, in dem diese Projektförderung,
besten eines deutschen Kinofilms jemals gehört. Es         diese projektbezogenen Mittel an Filmprojekte verge-
ist gut, dass es deutsche Filme gibt, die solche Erfolge   ben werden, die eben etwas Neues, die einen frischen
erreichen.                                                 Wind reinbringen? Möglicherweise sollte man dieses
                                                           Fördersystem stärker kulturell akzentuieren. Folglich
Doch erinnern wir uns zwei Jahre zurück: Es gab ein        ist unser Petitum, dass diejenigen Produzenten, die
Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht, in dem         Referenzansprüche aus vorangegangenen Projek-
das von einem Teil der Kinobranche rigoros in Zweifel      ten erworben haben, diese Referenzmittel vorrangig
gezogen wurde. Man sagte, deutsche Filme braucht           nutzen. Im Gegenzug könnte das Volumen der Projekt-
man eigentlich gar nicht im Kino. Das war natürlich ein    förderung verkleinert und effektiver eingesetzt werden
ziemlicher Unsinn und ich glaube, den Kinobetreibern       und zwar mithilfe eines kleineren Gremiums, worauf ich

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im Folgenden noch näher eingehen werde. Auf diese         kationen hat, als eine Förderung für irgendwelche Säle
Weise würden Projekte gefördert, die es aktuell schwer und Lichtspielhäuser, die privat oder auch kommunal
haben, zum Zuge zu kommen oder die im momentanen          unterstützt oder betrieben werden.
System überhaupt keine Chance haben. Es lässt sich,
glaube ich, ohne weiteres bestätigen, dass es Filme,      Wir meinen, dass es notwendig ist, an der Profilbildung
wie zum Beispiel die Dogma-Filme aus Dänemark, im         des Konzeptes Kino als Ereignis- und Erlebnisort zu ar-
deutschen System relativ schwer gehabt hätten. Der-       beiten, die Einzigartigkeit dieses gemeinsamen Filmer-
zeit ist die Projektförderung der FFA zu sehr dem Drang lebnisses herauszustellen. Man könnte die Programme
zum Konsens des Gremiums unterworfen. Es reden            stärker akzentuieren, kuratieren, das heißt in der
viel zu viele Leute mit, deren Entscheidungen nicht auf   Konsequenz nicht mehr in jedem Haus alles zu spielen,
filmimmanenten, künstlerischen, sondern zunächst vor      was gerade verfügbar ist, sondern das Publikum auch
allem auf wirtschaftlichen Überlegungen fußen. Das lie- zu pflegen. Das ist natürlich eine sehr intensive Arbeit,
ße sich, wie bereits angedeutet, korrigieren, wenn das    die auch einigen zusätzlichen Aufwand verursacht und
Gremium drastisch verkleinert würde. Hierfür befürwor- natürlich auch dementsprechend Geld kostet. Doch wir
ten wir ein Pool-Modell: Die Gruppen, die innerhalb der   meinen, dass es das wert ist.
FFA vertreten sind, sollen relativ wenige, aber dafür
sachverständige Gremienmitglieder entsenden. In         ZITAT
diesem Zusammenhang sollte auch unser Vorschlag
von der Geschlechterparität an dieser Stelle erwähnt Wir glauben daran, dass es möglich ist,
werden, die wir fordern.                                mit Filmen, die nur für das Kino gemacht sind,
Doch eine Frage ist noch immer nicht beantwortet:        das Publikum zurückzugewinnen.
Was sollten wir fördern? Was braucht eine besonde-
re Förderung? Nach unserer Auffassung sollten in ers-      Denn in Deutschland gab es einmal eine wirklich sehr
ter Linie die Filmproduzenten gefördert werden, damit      ambitionierte Cineastenszene, durch deren Einfluss vie-
diese in die Lage versetzt werden, endlich eine wirklich   le Kinos entstanden sind. Einige unserer heutigen Film-
unabhängige Produktionstätigkeit aufzunehmen. Vielen kunsttheater wurden durch kinobegeisterte Studenten
Produzenten gelingt das nicht, da der Einfluss des         aufgebaut, die gesagt haben: »So, wir machen das jetzt
Fernsehens und die Abhängigkeit von den Sendern viel       selbst, wir gründen einen Filmklub und fangen an, Filme
zu groß sind. Darum setzen wir uns dafür ein, dass die     zu zeigen.« Und oftmals haben sich diese dann als ge-
Möglichkeit, über eigene Verwertungsrechte an den Fil- werbliche Kinos etabliert, zwar oft an der Schwelle der
men zu verfügen, im neuen Filmförderungsgesetz noch        Rentabilität, aber das Publikum dafür war vorhanden.
stärker und noch klarer festgeschrieben wird, als dies
im Moment der Fall ist.                                    Heutzutage befindet sich das Kino auf dem Rückzug.
                                                           In der Provinz ist es relativ schwierig, Kino wirtschaft-
Außerdem brauchen die Produzenten auch eine                lich zu betreiben. Und es gibt heute schon Städte bzw.
Unabhängigkeit in finanzieller Hinsicht, weil die Eigen-   Kleinstädte, in deren Umkreis man in 80 km Entfernung
kapitalregelungen dafür sorgen, dass das Wenige, was       kein Kino mehr finden kann. Ich selbst komme aus
vielleicht bei einer Produktion übrig bleiben könnte,      einer Stadt mit ca. fünfzigtausend Einwohnern, in der
aufgezehrt wird. Dadurch, dass sie Eigenmittel nachwei- es heute kein Kino mehr gibt. Noch vor 20 Jahren hatte
sen müssen, sind die Produzenten oft gezwungen, aus        die Stadt dem Kinopublikum vier Säle an unterschiedli-
den Finanzierungsbeiträgen, die sie für eine aktuelle      chen Standorten zu bieten. Die Menschen müssen nun
Produktion bekommen, die Restschulden aus vorheri-         mit dem Auto oder der S-Bahn in die nächstgrößeren
gen Produktionen zu tilgen. So können die Produzenten Städte fahren. Dabei ist Kino natürlich gerade auf der
keine mutige unternehmerische Tätigkeit entfalten.         Kommunalebene ein ganz wichtiger kultureller Ort, in
                                                           dem sicher auch mehr passieren könnte als Filmvorfüh-
Neben der Förderung der Filmproduzenten sollte             rungen, sondern in dem auch Diskussionen stattfinden
unserer Auffassung nach das Kino selbst unterstützt        können. Da ist es ganz wichtig, dass es Clubs gibt, dass
werden. Wobei man zuerst einmal fragen müsste, was         es Initiativen gibt, die das dann selbst in die Hand neh-
meinen wir denn, wenn wir vom Kino sprechen? Es gibt men, in einen Saal gehen, wo ein Beamer installiert ist.
eine große Gruppe innerhalb der Diskussion, die der        Dabei hilft heute die digitale Technik. Auch an solchen
Auffassung ist, Kino sei ein Gewerbebetrieb, der auf       Orten schaut man sich gemeinsam Filme an und redet
gesunden Füßen stehen und Gewinne abwerfen muss.           darüber.

Wir würden gerne den Begriff Kino ein bisschen weiter      Gerade wir als Dokumentarfilmer sind der Meinung,
fassen und historisch definieren als »gemeinsames Erle-    dass man auch an der Stelle ein bisschen weiterdenken
ben bewegter Bilder«, so ähnlich wie Carlo Mierendorff     muss, um die Situation zu verbessern. Zum Beispiel
es in seiner Schrift »Hätte ich das Kino!« formuliert      haben wir uns in der Vergangenheit sehr stark dafür
oder wie es auch die russische Tradition des Stumm-        eingesetzt, dass das sogenannte »nicht-gewerbliche
films gemeint hat, wenn von »Kino« die Rede war. In        Abspiel« im Filmförderungsgesetz mehr Anerkennung
diesem Sinne geht es um ein »kollektives Filmerleben«.     findet. Ich selbst habe auch einen Film, der sich seit
Ausgehend von dieser Definition muss gesagt werden,        2011 in der Auswertung befindet und immer noch nach-
dass eine Förderung des Kinos weitaus größere Impli-       gefragt wird. Es ist wichtig, dass, gerade im Dokumen-

                                                                                                                  13
tarbereich, solche Veranstaltungen mit einbezogen         ein Vorgriff auf die spätere Verwertung stattfindet, da
werden, beispielsweise bei der Referenzpunktverga-        das potentielle Publikum für den Film bereits in dieser
be. Bei der letzten Gesetzesnovellierung sollte diese     frühen Phase aufgebaut wird. Für solche und andere
Möglichkeit abgeschafft werden, was jedoch zum Glück      übergreifende Ideen gibt es im Moment keine Instru-
durch eine konzertierte Aktion aller Fraktionen verhin-   mentarien der Förderung. Wir wünschen uns, dass es
dert werden konnte. Diese Förderung ist erhaltenswert,    möglich ist, solche Dinge mal exemplarisch auszupro-
ohne sie würden die weißen Flecken auf der Kinokarte      bieren, und dass dafür ein bestimmter Prozentsatz der
in Deutschland vollends versteppen. Wir würden uns        zur Verfügung stehenden Mittel bereitgestellt wird. Die-
überhaupt wünschen, dass das FFG in diesen Punkten        se Projekte sollten dann auch von der Medienforschung
ein bisschen flexibler wird, da die Entwicklung nicht     begleitet und empirisch auswertet werden, damit aus
stehenbleiben wird, vieles wird sich in der Kinobranche   diesen Ergebnissen ersichtlich wird, welche Modelle
in den kommenden Jahren ändern.                           sich bewährt haben.

Wir glauben daran, dass es möglich ist, mit Filmen, die   Man könnte das in der Versuchsphase auf die niedrig
nur für das Kino gemacht sind, das Publikum zurückzu-     budgetierten Filme, genauer: auf die Dokumentarfilme,
gewinnen. Vieles ist in der Richtung bereits geschehen,   beschränken, an denen das gewerbliche Kino in vielen
in Sachen 3D etc. ist das Kino noch immer unschlagbar.    Fällen schon bald nach dem Start kein großes Interes-
Natürlich muss darauf geachtet werden, dass die Filme     se mehr hat. Tatsächlich entscheidet sich schon am
nicht bereits zwei Wochen später über das frei emp-       Donnerstag oder spätestens am Samstag des Start-
fangbare Fernsehen zu bekommen sind. Aber mögli-          wochenendes, ob ein Film für eine längere Zeit in den
cherweise lassen sich jenseits der Sendung im Free-TV     Kinos verfügbar sein wird, oder ob er gleich wieder
neue Akzente einer effizienteren Verwertung der Filme     abgesetzt wird. Fliegt ein Film aus dem Programm,
setzen und ich glaube, die Filmförderung könnte diesbe-   verbreitet sich das in der Branche sehr schnell, so dass
züglich mehr Möglichkeiten anbieten.                      dieser Film dann in anderen Kinos gar keine Chance
                                                          mehr bekommt, obwohl vielleicht ein namhafter Betrag
Daher haben wir in unserer schriftlichen Stellung-        in Werbung und andere Vertriebsmaßnahmen investiert
nahme, die wir beim BKM schon im März eingereicht         wurde. In so einem Fall sollte es möglich sein, andere
haben, vorgeschlagen, im abgegrenzten, schmalen           Wege zu nutzen, jenseits des Fernsehens, um diese Fil-
Segment des Dokumentarfilms eine »Versuchswerkstatt       me zum Publikum zu bringen – damit diese dann nicht
Kinozukunft« zu schaffen und in den kommenden vier        ein halbes Jahr, bis zur nächsten Auswertungsstufe
Jahren ohne Berührungsängste und Restriktionen neue       vielleicht ein ganzes Jahr, blockiert sind.
Wege zum Publikum zu erschließen. Dafür bietet sich
der Dokumentarfilm als Experimentierfeld geradezu an.     Denn oft liegt es nicht nur am einzelnen Film, wenn
Sperrfristen könnten stärker flexibilisiert werden, an-   er im Kino nicht funktioniert, sondern auch an den
statt sie gesetzlich festzuschreiben. Ihr Ausmaß könnte   Strukturen des Kinomarktes, der sich darauf eingestellt
dem Verwaltungsrat der Filmförderungsanstalt über-        hat, dass die Filme bemerkenswerte Zuschauerzahlen
lassen werden und dieser könnte darüber entscheiden,      generieren müssen. Auch die Breite des Angebots ist
wie damit umzugehen ist.                                  wesentlich größer als noch vor 20 Jahren, was dazu
                                                          führt, dass viele Filme von der Presse unbeachtet blei-
Außerdem sollten Fördermodelle auch ganzheitlich          ben. Wenn dann auch noch, nach einer Schlecht-Wet-
gedacht werden, beginnend mit der Finanzierungspha-       ter-Periode, der Sonnenschein ausbricht und ein Film
se eines Films, die gelegentlich mit unkonventionellen    hat just an diesem Wochenende seinen Start, können
Mitteln wie Crowdfunding funktioniert. Das Besondere      Sie seine erfolgreiche Auswertung vergessen.
an dieser Form der Filmfinanzierung ist, dass damit

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